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»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Die Monster-Freaks von Amsterdam - Damona King Nr. 85

Schön war die Jugendzeit? -  Ausflüge in die RomanheftvergangenheitAusflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Die Monster-Freaks von Amsterdam«
Damona King Nr. 85 von Ryder Delgado

Jetzt kommt aber mal Struktur in die Sache. Bei der letzten Rezension für einen „Damona-King“-Roman war ich ja sozusagen an der Wasserscheide eingestiegen, als die Serie, die eine lange Zeit als Konglomerat von Einzelabenteuern, die nach der jeweils letzten Heftseite des öfteren den Zähler immer wieder erzählerisch auf Null stellte, sich gerade wandelte.


Entschieden hatte ich mich zwar für das runde Jubiläum der 50 mit dem zweiten Roman Jason Darks für die Serie, aber der stellte sich ja eher als „Muster von der Stange“ heraus, der problemlos auch mit John Sinclair oder Tony Ballard als ermittelndem Beamten und Geisterjäger hätte funktionieren können. Dabei war seit Band 42 – in einer Zeit, in der das Schicksal der Serie wohl praktisch wöchentlich auf der Kippe stehen konnte – Martin Eisele ganz groß in die Serie eingestiegen und hatte gleich mal sechs Romane am Stück verfasst. Das bringt natürlich mehr Kontinuität in einen romanübergreifenden Plot – in der Folge wurde die Serie nun wirklich endlich etwas interessanter, auch wenn ich bis zum Ende der Serie im Gespenster-Krimi der Meinung bin, dass man die Möglichkeiten der Hauptfigur nie ganz ausgeschöpft hat. Sobald aber in den Romanen verschiedene Figuren immer mal wieder auftauchen und Bezüge zu früheren Romanen auftauchen, verspürt natürlich das Publikum den stärkeren Reiz des „Dranbleibens“ - so verkaufen sich auch TV-Serien mit dem Thema der Woche und dem kleinen Plus eines staffelumspannenden Story-Arc wesentlich besser.

In der Folge kam es so zu dem erzählerischen Glücksfall, dass sich fast nur noch zwei Autoren die gesamte Folgeserie ausdachten (weil es bei DK eben nie einen Masterplan gegeben hatte), nämlich Eisele und ab Band 64 eben Wolfgang Hohlbein (aka „Henry Wolf“), nur von gelegentlichen Zweiteilern von Hans-Wolf Sommer (aka „Vernon Graves“) abgesehen.

Während ich Hohlbeins Beiträgen den dritten Teil der DK-Tests widmen will, hatte ich mich chronologisch richtig erst einmal auf Eisele konzentriert, von dem ich nun natürlich erwartete, dass sich das Niveau zumindest auf den gut lesbaren Romanstandard der übrigen Bastei-Gruselserien heben würde, schließlich hatte der Autor ja auch eine Handvoll sehr guter John-Sinclairs beigesteuert (bspw den mir gut in Erinnerung gebliebenen „Traumdämon“ (JS116)).

Zu diesem Zweck habe ich mir gleich zwei aufeinander folgende Romane eingepfiffen, weil ich den Fortsetzungscharakter einfach besser abgreifen wollte (daher fließt in mein Fazit auch ein wenig die Wirkung von DK86 „Der Hai-Dämon“ mit ein) – und ja, das hat, bei aller Liebe zu separiert konsumierbaren Einzelabenteuern durchaus die nötige Struktur.


Eisele, der auch im Fantasy- und Jugendbuchbereich sehr aktiv war, ein Buch- und Leseliebhaber erster Garnitur, machte später ja durch zahlreiche Begleitromane zu Kinofilmen und sehr vielen Romanübersetzungen von sich reden (wenn auch meistens dann unter dem Namen „Martin Baresch“) und anders als bei manchmal sehr bemüht wirkenden Plots vieler Anthologieautoren kann man hier ganz gut den Drive spüren, mit der die Stories in die Tasten gekloppt wurden, da wusste der Autor zumindest, wohin er unterwegs war, mit der nötigen Prise Spaß dabei und ungeachtet gewisser Erwartungen und Vorgaben an so eine Serie.

Verortet ist mein Testroman – schon wieder – in Holland, speziell in Amsterdam, offenbar geben die Anlage der Stadt, die Grachten und Geschichte einen guten Hintergrund für eine solide Gruselgeschichte, obwohl die Story an sich jetzt auch in einer anderen Großstadt verortet sein könnte. Aber man muss ja schon froh sein, wenn nicht alles und jedes in London spielt...

Die Monster-Freaks von AmsterdamSympathy for the Freaky...
In „good old Amsterdam“ hat sich eine Gemeinde von monströsen Freaks unter die Menschen gemischt, wenn auch nicht allzu oft sichtbar. Dabei handelt es sich um ehemalige Dämonen, die irgendwann bei den höllischen Heerscharen in Ungnade gefallen sind und statt im ewigen Feuer zu grillen, wurden sie brutal zu entstellten Gestalten umgeformt und leben nun als „Monster-Freaks“ eine gequälte Existenz. Aber immerhin haben sie sich und das macht es erträglich.

Doch nun schlägt die Hölle zurück und will es den Verunstalteten nicht zu schön machen, also werden von Asmodis (der schon wieder!) persönlich zwei Dämonen entsandt, um die Gemeinde aufzureiben und ggf. nochmals „umzuformen“. Keine schöne Aussicht, wie es sich am Beispiel der armen Verena Kelter erweist, die zwar nichts verrät, hinterher aber nicht viel Lebenswertes mehr an sich hat, als sie von ihren Gefährten Renee van Thorn und Paul Vonjer gefunden wird. Kurz darauf werden die Höllenhelfer „Vetter Mord“ und „Vetter Totschlag“ entsandt, um die Zentrale der Freaks zu enttarnen und bringen den menschlichen Helfer der Freaks, Martin Limat, zwecks Informationsgewinn um.

Derweil besuchen Damona und ihr Partner Mike Hunter gerade einen Pub in London und damit ihren Freund Inspektor Ben Murray von der Londoner Polizei, der gerade zarte Bande zu einer Taxifahrerin namens Laurinda McIntire knüpft, da sie sich von einem früheren Fall (DK79) her kennen. Die beiden planen just einen Erholungsurlaub nach Amsterdam (logo!).

Kurz darauf hat Damona eine Vision des jungen Sehers Thomas Warner (ebenfalls aus früheren Fällen, DK 62/63), der sie auf die Freaks aufmerksam macht und ebenfalls nach Amsterdam schicken möchte. Parallel dazu werden sie und Mike auch noch von dem Fürsten der Höllen-Engel angegriffen (weitere Bezüge auf vergangene Hefte), den sie aber abwehren können.

Derweil verfolgen „Mord und Totschlag“ einen Hinweise des inzwischen toten Limats genau zu der Pension, in der sich Murray und McIntire ein paar schöne Tage machen wollen. Die beiden attackieren mit einigen Höllenhelfern die Pension und richten jede Menge Chaos an. Schließlich töten sie – zumindest sieht es so aus – Laurinda.

Während die Freaks noch überlegen, ob sie angesichts der Bedrohung ihre Kräfte bündeln sollen, kommen Damona und Mike per Heli eingeflogen und kommen in den Einzugsbereich der Dämonen. Die erwecken flugs eine kleine Armee von halbskelettierten Untoten aus den Grachten und lassen sie auf die unwissende Stadt und ihre Geisterjäger los. Während sie bemüht sind, die Untoten in eine magische Falle zu locken, machen die beiden die Bekanntschaft von Paul Vonjer, der ihnen sehr, sehr zögerlich sogar hilft. So werden sie auch über den eigentlichen Konflikt aufgeklärt.

Während Ben Murray erfährt, dass der Seher Thomas Warner auf magischem Wege Laurindas Lebensfunken vor dem Auslöschen bewahrt hat und er alsbald gegen die Pensionsinvasoren mit harten Mitteln losgeht, bewahren Vonjer dämonische Kräfte Damona und Mike vor einer fatalen Pattsituation mit Vetter Totschlag. Anschließend macht sie den Freaks ein unterstützendes Angebot...

»Irgendwie schmecken die Koteletts heute besser, Marge!« - »Das liegt daran, dass ich sie diesmal gesalzen habe, Homer!«
Jaja, so kleine Gewürzspitzen können schon eine ganze Menge ausmachen, wenn man die üblichen Kreisch-und-Renn-Plots mit marodierenden Monstern, Hexen und Vampiren mal ein wenig aufpeppen will. Eisele hat offenbar mit DK genau das gemacht, was einige Gruselserien zumindest gewisse Perioden lang gut funktionieren ließ: Personal aufbauen, Wiedererkennungswert steigern, Lieblingsfiguren ausbauen, Emotionalität mit den Figuren fördern.

Ich kann jetzt leider nicht konstatieren, dass Damona und Mike ungemein an Profil gewonnen hätten. Die halbherzig halb-offene Beziehung der beiden ist schon fast der einzige namhafte Charakterzug neben der Tatsache, dass Damona rassig ausschaut (im Folgeband darf sie sogar mal nur mit Stringtanga Hotelbesucher irritieren) und Mike meistens ein von Pech verfolgter Aktivposten ist und die beiden sich hie und da anfrotzeln. Die Luger mit den Silberkugeln im Anschlag, dazu noch ein silberner Dolch (beim Hai-Dämon), da verkommen Hexenerbe und Hexenherz meistens zu Requisiten im Hintergrund, die nur in den nötigsten Fällen zum „deus ex machina“ taugen. Was schade ist, denn so rückt eine Figur mit ausbaufähigem magischen Erbe in die Nähe bekannter Scotland-Yard-Inspektoren, die scheinbar alle die gleiche Bewaffnung mit sich führen.

Aber: mit Murray, McIntire und Warner sind wiederkehrende Nebencharaktere drin, mit Kirgal-Chan und Zarangar sogar wiederkehrende Widersacher und das steigert wirklich den Reiz, eben den nächsten Roman zu lesen („Der Hai-Dämon“ entpuppt sich dann erzählerisch leider als lediglich netter Roman von der Stange, der den Kampf gegen besagten Dämon im schottischen Moor (!!!) beschreibt - „Sand Sharks“, „Snow Sharks“ oder „Sky Sharks“, anyone?).

Wofür man noch dankbar sein darf: endlich mal nicht „Gut gegen Böse“-Standard, sondern „Böse gegen Böse (mit Guten)“, wobei die Freaks eigentlich so nett geschildert werden, dass man sich fragt, warum sie noch nicht erlöst sind.

Die Mischung ist zwar etwas wild, gerade wenn die Höllenhelfer mit MP's in der Pension um sich schießen und nie ganz klar wird, ob „Mord“ und „Totschlag“ nicht eher Karikaturen von Dämonen sein sollen, aber zumindest die Untoten-Episode an den Grachten hat Saft und Kraft und am Ende zieht sogar mal ein Täuschungstrick gegen die üblichen Showdown-Standards.

Was nicht so gut funktioniert, ist der Storyaufbau, der lange braucht, bis er in die Gänge kommt: die Freaks diskutieren sich mehrfach in Inserts seitenweise einen Wolf, ohne inhaltlich großartig von der Stelle zu kommen, der einführende Anschlag auf Verena Kelter fängt zwar atmosphärisch gut an, dauert dann aber zu lange, ihr Auffinden noch länger. Auch die dämonischen Attentäter kommen  kaum von der Stelle und das Zusammentreffen mit den allseits bekannten Urlaubern fügt dem Geschehen zwar den nötigen Druck hinzu, macht den unglaublichen Zufall aber kaum plausibler. Wobei: ohne diese Zufälle wäre es auch nicht so komplex-familiär.

Festzustellen wäre also: mit Eiseles Einfluss wird so ein Roman eben in die Nähe gut funktionierender TV-Serien mit Wiedererkennungswert gerückt, genau das, was so eine Serie braucht und was „John Sinclair“ (ungefähr bis Band 350) und „Tony Ballard“ (ungefähr bis Band 75) ebenfalls richtig gut hinbekamen: bau dir ein Arsenal netter und verlässlicher Figuren auf und entkomme der Beliebigkeit. Das Gleiche mache bitte mit den Gegnern, die im Hintergrund die Fäden ziehen – Wiedersehen macht Freude. Dass Eisele offenbar ein Faible dafür hatte, den „shadow of doom“ zu verteilen und ständig darauf hinzuweisen, dass man „in sein/ihr Verderben rennt“, seinem „Schicksal begegnet“, „der Schatten des Todes“ über jemandem liegt und diese dann wissen, „dass sie verloren sind“ - macht die Sache ungemein seriell im Sinne der schlimmsten Cliffhanger. Nur leider laufen 50 Prozent der Leute auch 20 Seiten weiter noch putzmunter durch die Handlung.

Natürlich gab es keine wirklich ausgefuchsten Serien-Exposés bei DK, was schade ist, aber für Eiseles und Hohlbeins Bemühungen gebührt ihnen Dank, denn dass eine Serie nach „hinten raus“ immer besser wurde, kommt auch nicht allzu oft vor. Was den Namen eines Serienhelden (-heldin) trägt, sollte auch erzählerisch dem Serienprinzip folgen und nicht immer nur den gleichen Namen anbieten und in dieser Richtung hatte DK so den entscheidenden Schritt gemacht.

Als nächste schau ich mal bei Wolfgang Hohlbein rein, der ja auch über 30 DK's produzierte, wenn auch einen Gutteil davon erst noch im Gespenster-Krimi. Womit ich natürlich ans relative Ende der eigenständigen DK-Serie reisen muss, aber wenn man schon so oft Hohlbeins Heftromanprosa genossen hat (und von der bin ich wirklich Fan gewesen), dann wird das hoffentlich von entsprechender Güte sein...

Kommentare  

#1 Andreas Decker 2016-07-12 11:10
Ich weiß noch, dass ich damals über die, sagen wir, Unbekümmertheit gestaunt habe, mit der hier ein Konzept aus dem Dämonenkiller verarbeitet wurde.

Aber die eingeführte Kontinuität hat der Serie schon gutgetan. Ohne diese Bemühung wäre sie bestimmt schon zwei Jahre früher eingegangen.

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