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»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Der Wald der Verfluchten (Jessica Banister 44)

Schön war die Jugendzeit? -  Ausflüge in die RomanheftvergangenheitAusflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Der Wald der Verfluchten«
Jessica Banister 44 von Janet Farrell

Schluss erst mal mit dem Wildwuchs der wahnwitzigen Frauen-Mystery, jetzt muss mal eine Heldin her, die mehr als ein Abenteuer am Start hatte. Die Rede ist von „Jessica Bannister“, ein Originalgewächs aus dem seligen „Mitternachts-Roman“, der bis 2001 über 800 Erscheinungen (Neue Romane und Nachdrucke) auf der Pfanne hatte und irgendwann sich auch mal an einer internen Serie mit einer wiederkehrenden Protagonistin versuchen musste.


Getestet an 13 Romanen im „Mitternachts-Roman“ - im konsumentenfreundlichen vierwöchigen Abstand, um die Resonanz abzuwarten -  war die Unterreihe so erfolgreich, dass der Bastei-Verlag gleich in die Vollen ging: als wöchentlich erscheinende eigene Serie.

Aber ach...das ist alles nicht so einfach mit den unheimlichen Mystery-Heldinnen, die nicht alles allein machen sollen (so weit geht die Emanzipation ja auch nicht, wie die zeitweise Wirkungsarmut der „weißen Hexe“ Damona King gezeigt hatte), da muss natürlich ein männlicher Helfer her, der sich aber zwangsläufig mit dem Herzblatt der Woche beißt. Heißt soviel wie, das Prinzip läuft sich irgendwann tot.
Gleichzeitig muss man aber aufpassen, ob das Format, das man sich da mühevoll zusammen geklaubt hat, auch noch ausreicht, wenn man erste Grenzen absteckt, um die Reihe in die Nähe der männlichen Helden aus dem Übernatürlichen zu rücken. Denn dann muss mehr Überbau her, weniger Offenheit und die Romantik fokussiert mehr und mehr auf eingespielte Figuren.

Daran ging die Serie dann – leider – auch zugrunde, denn nachdem man das Prinzip „Freie Romantik“ - also pro Folge ein neuer Knuddelbär erstmal zugunsten eines – ebenfalls latent übernatürlich begabten Galans – hintenüber hatte fallen lassen (womit auch der abenteuerliche Sidekick praktisch ins Nichts verschwand), wurde die Affäre alsbald zu kaltem Kaffee. Das Ende nahte mit dem 81.Abenteuer.

Zu diesem Zeitpunkt war das munter ausgekoppelte Seitenprojekt jedoch längst wieder in der Anthologie-Ecke gestrandet, denn nach 44 Wochen kehrte man – die Umsätze machten es zwingend deutlich – wieder in den „Mitternachts-Roman“ zurück mit der guten Jessica und schrieb brav wieder vierwöchentlich – immerhin noch fast zwei Jahre lang.
Das muss jetzt nicht zwingend an der Romanqualität gelegen haben (auch, wenn ich da qualitativ Bezüge sehe), sondern mehr an dem Wunsch der Leserschaft nach „same, same, but different“ - also dem Erhalt des romantischen ersten Schauers, sofern die Autoren – männlichen – dazu überhaupt überzeugend in der Lage waren.

Verfasst hatte das alles hauptsächlich Alfred Bekker, der eine ungeheure Produktivität quer durch alle Genres, speziell aber in der Science-Fiction entwickelt hat, wobei Jan Gardemann in der Frühzeit der Serie auch noch regelmäßig hinter dem Verlagssammelpseudonym „Janet Farrell“ steckte. Allerdings darf man wohl auch ein paar Vorbehalte anmelden, wenn nun gar keine Frauen an einer Frauenserie mitschrieben.

Erwischt habe ich bei meinem Zufallsgriff dann auch noch den – ausgerechnet – letzten Roman der eigenständigen Serie (just frisch wieder im Veröffentlichungszyklus für nachgewachsene Leserscharen), der eine Art Wasserscheide für die inhaltlichen Entwicklungen war, obwohl ich das erst im Nachhinein nachgelesen habe. Für einen genauen Blick ist die Story aber gerade deswegen wunderbar geeignet...

Der Wald der Verfluchten»Atemlos...durch den Wald...«
Willkommen in Darrenby in Yorkshire, einem Örtchen, wie ihn nach meiner bescheidenen Ansicht immer nur Peter Cushing und Christopher Lee bewohnen konnten, der sich aber auch in den seligen 90ern offenbar immer noch großer Beliebtheit erfreut.
In Darrenby haben sie ein Problem mit den Wald, allerdings handelt es sich nicht um Borkenkäfer oder liebeshungrige Dachse, sondern um Totengeister von finsteren Puritanern aus dem Jahr 1620, die in diversen knorrigen Bäumen gefangen sind und immer mal wieder gern ausbrechen würden. Das wird aber wiederum von den Einheimischen dank diverser magischer Schnitzholzpfahlrituale und einem rotglühenden Stein tapfer verhindert.

So auch in dieser Nacht, wenn auch ein Bärenbeiß namens Reverend Meany (ob er „blue“ ist, kann ich nicht sagen) die Meute zusammenscheißt, weil sie so das Böse in den Bäumen immer nur zurück drängen können, aber eben nie besiegen.

Überblendung zur gerade romantisch agilen Heldin Jessica Bannister in – where else – London. Die hat ihr Herz und auch sonst ne Menge an den knuffigen Tom Howard (ein langweiligerer Name war gerade nicht verfügbar) verloren, der mit ihr viel gemeinsam hat. Den letzten Fall im letzten Band haben sie gerade mühevoll überlebt und nun hat sie weiche Knie, denn der gute Tom ist ein Charmeur vor dem Herrn.

Sie haben auch viel gemeinsam, denn während Jessica einen übernatürlichen Draht via Träumen und Visionen hat, die ihr bisher ihre Arbeit beim London Observer mit vielen interessanten Themen verschönt hat, leidet Tom darunter, sich an seine früheren Leben sehr vital erinnern zu können (und es gab so einige) und dies als Belastung empfindet, die er erst in einem asiatischen Kloster unter Kontrolle gebracht hat (es trägt den Namen „Pa Tam Ran“ und steht vermutlich beim Thai an der Ecke auf der Karte...).

Nach einer Runde SchnubbeldieKatz geht es am nächsten Morgen in die Redaktion, wo das Computerzeitalter gerade ausgebrochen ist und Jessica sich an Seitenumbrüchen und ähnlichem rummühen muss, bis ein Blick auf einen Bürobonsai ihr eine Vision von einem dämonischen Wald verschafft.

Kurz darauf schickt ihr Chef die beiden prompt in Richtung Darrenby, weil da ja so ein streitbarer Reverend wohnt, der bei seinen Exorzismen immer gern die Besessenen zwangsläufig gleich mit tötet, was die Behörden natürlich nur so mittelgut finden.

Flugs geht es erstmal in das heimische Okkultarchiv von Tante Beverly Bell, die gar nicht – und sowieso schon mal – von der Horror-Oma abgeguckt ist und natürlich zu jedem übernatürlichen Effekt ihren lieben Senf (plus Tee und Gebäck) hinzu geben kann. Es gibt also ein paar Seiten Hintergrundinfos und obwohl in Abenteuer 57 angekommen, flattert der Heldin sofort der Blutdruck und es gibt schlechte Träume galore. Weniger tough also, mehr Drei-Wetter-Taft.

Am nächsten Tag geht’s los und die Holde ist sofort knatschig, als Tom angibt, sich da in Yorkshire ja auszukennen. Innerlich legt sie sofort einen kompletten Reichstagsbrand hin, weil offensichtlich ER wiederum IHR noch nicht alles von sich erzählt hat, drei Wochen nach der ersten Begegnung!!! Während wir schon mit dem Zaunpfahl auf sie einprügeln, von wegen „vermutlich kennt er es aus einem früheren Leben“, ist sie bratzig, bis sie irgendwann frechweg zur Romanmitte angibt, es ja sowieso schon vermutet zu haben. Ja, nee, Drama Queen, is klar...

Darrenby erweist sich als der beliebte Hammer-Films-Gammelflecken, wo die 1870er nie ganz zu Ende gegangen sind, mit einem Gasthaus, einem knorrigen Wirt und vielen lustigen Fratzenschnitzereien. Zwei davon hatte man auf der Straße schon vorsorglich überfahren (ungewollt natürlich), weswegen der Trouble vorprogrammiert ist. Der Wirt ist erst unwillig, dann netter, dann informativ und von Grauen erfüllt, also ganz wie es im Handbuch steht und setzt sofort seinen Kumpel George darauf an, für Pfostenersatz zu sorgen, weil es schon im Geäst rauscht.
Das geht aber nur mit Mühe gut und für einen Begleiter ziemlich schief, denn ein mobiles Gebüsch dreht ihm den Hahn ab.

Währenddessen sind Jessica und Tom bei Reverend Meany angekommen und spulen die Journalistenchose ab, wie sie ebenfalls im Handbuch steht: erst nicht reingelassen werden, dann Bedrohung durch Faktotum mit Büchse, dann ein mürrischer Reverend, der erst vom Wissenstand der Frau langsam überzeugt werden kann und stante pede behauptet, das Böse erstmal von der Leine lassen zu müssen, damit man es loswerden kann.

Da steht auch schon der Mob mit Fackeln (Echt jetzt?) vor der Tür und lässt erstmal Dampf ab, doch just bevor die Stimmung auf die Spitze (die Heugabelspitze?) getrieben wird, entfleucht einem Baum in der Nähe einer der Puritaner-Totengeister von irgendwelchen Hexern und fährt in den guten George. Zusammen mit unkontrolliertem Wildwuchs haben wir eine hübsche Panik auf der Schwelle.

Wieder in Darrenby, schließt sich der Mob erneut zusammen und greift sich unsere Helden als Sicherheitsopfer und schleift sie in den Wald (auf den Hexerfriedhof) und startet das Ritual erneut, was aber daneben geht, bis Meany ganz große Geschütze auffährt...

»Guten Tag, ich bin die Okkultreporterin, die gar nichts kann...«
Äh, ja!
Och nö!

Ich bin weißgott nicht sonderlich anspruchsvoll, aber was der gute Alfred Bekker hier so runter getaktet hat, ist nun wirklich nur convenience food, schön vorgekocht und aufgewärmt.

Das schmeckt wie vieles schon zuvor, nicht zu dröge, gar nicht blutig, ein bisl schauerlich und von vorne bis hinten aus der Vorformatierungsfabrik.

Ich bezweifle nicht, dass es dafür dankbare Abnehmer gegeben hat, die sich sicherlich einen Keks gefreut haben, dass der Herzschmerz sich endlich in eine Beziehung geflüchtet hat, aber die Mischung aus einem eher konventionellen Horrorschinken von sehr altem Schrot und Korn und den bemühten Einflüssen einer frischen Liebe kommt doch sehr bemüht und schnarchig daher.

Da ist der Gruselplot noch das Beste daran, obwohl der Autor offenbar seine Themenwahl selbst nicht ganz so ernst nehmen konnte, denn da gibt es diese wunderbare Szene mit dem Dorfmob, dem der scheinbare Finsterling vorhält, was der Aufmarsch denn solle? Und die Fackeln? Worauf erst mal gar nichts kommt, weil die tapfere Jessi nämlich mit Handy telefoniert und Artikel am PC schreiben muss, was zwangsläufig zu komischen Kontrasten führt.

Da ist wohl nichts Moderneres eingefallen, angefangen mit den albernen Holzschnitzereien und aufgehört mit den albernen „Quantanii“, den „Totenteufeln“, die hier alles bedrohen.

Immerhin ist die Action ganz solide, aber der Serienunterbau knarzt doch gewaltig, vor allem weil Heldin und Held zwar irgendwie im Okkulten verortet sind, aber eigentlich nichts dazu beitragen können, was in solchen Plots immer dazu führt, dass entweder Dritte den entscheidenden Streich gegen das Böse führen müssen oder der jeweilige dämonische oder geisterhafte Miesepeter das Instrument zu seiner Vernichtung praktischerweise mit sich führt.

So läuft der Showdown dann auch willenlos in das Schema „Ach, wie hoffnungslos sind wir heute wieder...“, während ich auf die Uhr schaue und zum dritten Mal nach Reverend Meany läuten lasse, der nicht nur den Kugelblitz los-, sondern auch gleich sein eigenes Leben lässt, worauf Darrenby sich jetzt endlich für die erste Pizza-Hut-Filliale qualifizieren könnte.

Romantik gibt es zwar, aber die beruht meistens darauf, dass Jessi die Knie zittern oder weich werden und sie dringend eine Schulter zum Dranschmiegen braucht, zum vorehelichen Verkehr kommt es erst gar nicht. Da kann man sich dann dem „Charme des Blicks nicht entziehen“,während er zärtlich über ihre Haare streicht und ihr einen Kuss schenkt. Das ist so altmodisch gedrechselt, das passt prima zu dem Anachronismus des gesamten Settings.

Und seitenweise Tante Bell und ihr Dachboden-Kolchak-Archiv ist übrigens auch nicht abendfüllend.

Dazu kommt, dass die Dialoge bemüht, gestelzt und hölzern wirken und jeglicher Witz aus der Story gesaugt wurde, was ja auflockernd hätte wirken können.

So war es klar, dass man mit der Serie auf die Dauer keinen Staat machen konnte.

Im nächsten Band – der dann wieder in die Anthologieserie eingegliedert wurde, ging dann auch bald der Sidekick ab in die Kulissen (der schon hier nicht mehr auftrat), womit angeblich der Spaßfaktor der Serie abstarb, aber Tom ist auch so schon blass für zwei, da kann sogar die deutlich zwischen den Emanzipationen stehen gelassene Jessica nicht mithalten. Und trotzdem müffelt das alles nach Second-Hand-Damona-King.

Womöglich gehe ich mit dem Roman zu hart ins Gericht, denn ich habe wesentlich Schlimmeres gelesen, aber wieder wurde eine mögliche Frauenserie durch die Vorgaben vergeigt – und vermutlich das Unvermögen der Autoren wie Autorinnen rüber zu kommen.

„Der Wald der Verfluchten“ ist solide und glatt runter geschrieben und vielleicht gerade deshalb so ungemein unspektakulär – obwohl einen brauchbaren Standardgrusler im Herrengenre hätte abgeben können.

Ich lasse jetzt lieber noch mal einen Roman aus dem Bereich „Melissa“ an mich ran, nicht die „Freundin der Geister“ aus den Comics, sondern aus dem Romantik-Thriller-Resort...vielleicht wärmt der ja dann immerhin das Herz. Oder die Füße!

Kommentare  

#1 Andreas Decker 2016-08-16 10:07
Tante Bell, die hatte ich ja schon wieder völlig verdrängt. Grusel. Heute würde man die vermutlich durch das magische Internet ersetzen, wo die Heinzelmännchen jedes uralte Dokument auf der Welt eingescannt haben.

Ja, die gute Jessi war eine absolute Klischeesammlung. Gardemann fand ich damals im Gegensatz zu Becker aber gar nicht so übel. Mit einer so dünnen Idee wie seinem Amulettkonzept bei Kelter über 100 Romane zu schreiben, das nötigt einem dann doch Respekt ab. Er war auch so clever, seine Heldin verheiratet sein zu lassen, was den ermüdenden Verehrer der Woche überflüssig machte.

Die gute Jessica legt Bastei gerade wieder als Ebook auf. Zusammen mit dem grottigen Hellmann. Jetzt brauchen sie nur noch den Kung Fu-Western aus dem Archiv zu kramen ;-)
#2 Laurin 2016-08-16 17:32
Kann mich noch daran erinnern, die Romane (als eigene Serie) damals in den noch vorhandenen Romanauslagen (waren damals auch mehr als Heute) gesehen zu haben. Hatte mir ja schon in den Fingern gekribbelt, alleine weil hier mal eine Frau den Ton angibt und nicht immer der übliche blonde Held ohne Fehl und Tadel. Aus irgend einem Grund zuckte meine Hand aber immer wieder zurück, wenn ich kurz davor stand, mal zuzugreifen. Wer weiß, wozu die Eigenmächtigkeit meiner Hand gut war (im Nachhinein betrachtet). :lol:
Ansonsten hatte ich aber damals (glaube ich mich zu erinnern) so zwei recht ansprechende Romane aus der Reihe der Mitternachts-Romane gelesen. Fragt mich aber heute nicht mehr nach den Titeln. Erinnere mich nur noch das in einem Roman ein weiblicher Vampir vorkam.
#3 Thomas Mûhlbauer 2016-08-17 13:59
Wenn der Roman schon nichts getaugt hat, so ist Silvans Rezenion dazu ganz famos zu lesen. Und für den blauen Meany gibt es von Sgt. Pepper einen Bonuspunkt.

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