»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Treibjagd in der Hexenschlucht (Vampir Horror Roman 191)
Ausflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Treibjagd in der Hexenschlucht«
Vampir Horror 191 von Al Frederic (Holger Friedrichs)
Auch wenn ich seinen Stil später bei Prozessor Zamorra auch immer ein wenig zu mystisch-fantasyhaft fand. Da gibt es immer etwas zu entdecken, aber die übrigen Zeichner der Vampir-Horror-Romanserie sagten mir nun mal mehr zu, das war dann immer etwas unheimlich-abgründiger gestaltet.
Das hier vorliegende Titelbild – es wird ja für alle Leser mitgeliefert – gehört jetzt nicht zu den Geniestreichen, sobald man es in einer Horrorserie unterbringen will, zu grob und zu putzig wirkt das ach so brachiale Monster, das auch seinen Weg in den Roman findet – oder eben die Romanschöpfung seinen Weg aufs Titelbild (übrigens eines der Mysterien, die ich am liebsten für mich selbst zu jedem Roman gern dazu wüsste, was zuerst da war, die Henne oder der Horror... ).
Gut, es ist den Vorgaben entsprechend gestaltet, aber leider ist es – von einem unkundigen Geist am Kiosk aufgestöbert – praktisch grotesk gut dazu angetan, den schlechten Leumund des Romanheftgenres weiterzutragen. Zum Glück sind die Kenner gegen so etwas immun.
Wie üblich beschäftige ich mich auch hier mit einem Blindgriff, ich wusste also vorher nicht, was mich erwartet und mit Holger Friedrichs, einem bis in die späten 80er sehr produktiven Autor (u.a. für die „Seewölfe“, „Kommissar X“, „Dämonenkiller“ und einige Anthologieserien) hatte ich einen neuen Autor gegriffen (nicht zuletzt, weil „Dämonenkiller“ immer noch eine große Lücke in meiner Lesegeschichte darstellt). Bahn frei also für neue Erfahrungen.
Der Titel weist schon auf eine gewisse Dynamik hin, wenn von „Treibjagd“ die Rede sein soll, dürfte man einiges an Drive erwarten und wenn auch nie alles eitel Sonnenschein ist, dann habe ich hier wohl das liegen, was man rasantes Lesevergnügen nennt, mit ordentlich Druck auf der Tube und sogar ein bis drei Tässchen nackter Haut.
Ob die Handlung an der englischen Küste spielt, wirkt Friedrichs Roman irgendwie „anders“, nicht so steif produziert, sondern mehr wie ein Eintauchen in eine anderweitig längst laufende Handlung, zwar ausgestattet mit den gängigen Elementen eines Geisterjägers und seines (neuen) Assistenten und dämonischen Widersachern, die ein ganzes Dorf (british again) in ihre Gewalt gebracht haben, aber es gibt endlich nicht sofort irgendwelche Anhaltspunkte, wo man die Inspiration des Romans anderweitig verorten kann (oder es ist mir nicht bewusst).
Wo es hapert, ist beim atmosphärischen Aufbau, denn da ist ursprünglich einiges Potential verfügbar, aber Friedrichs hält sich nicht lange genug damit auf, sondern inszeniert praktisch „in your face“, so dass gar keine Zweifel und kein großes Mysterium möglich sind. Mit Volldampf ins Satansnest, die Guten und die Bösen sind klar und die Pferde gesattelt. Was so etwas aufwerten kann, sind kleine Extras, etwa wie die Begleiter und Waffen, die zum Einsatz kommen, speziell hier die federführenden und feuerspeienden Hexenhunde, die den enormen Bruch (es gehen im Verlauf der Handlung durch magisches Wachstum so einige Häuser komplett in Schutt und Asche) zu verantworten haben, während man endlich mal von Pistolen und Amuletten Abstand nehmen kann. Stattdessen also mal eine weißmagische Hundepfeife und äußerst effektive Kräuterbündel...
Was für mich diesen Roman auszeichnet, ist seine Tauglichkeit für ein ganz anderes Medium, denn wo nicht endlos erklärt und salbadert wird (das wird zwar mitgeliefert, aber die Dialog- und Charakterführung zählen nicht eben zu Friedrichs' Stärken hier), fällt der treibende Drive natürlich um so mehr auf – und das qualifiziert die „Hexenschlucht“ hervorragend für ein Hörspiel, wo man das Gebitche der fiesen Frauenfiguren, das Grollen der Monstren und die Ausweglosigkeit der Örtlichkeit gut hätte herausstellen können.
Was geschrieben manchmal etwas grotesk wirkt (etwa das monsterhafte Wachstum der Hunde bei Hexenwitterung), könnte man mit Soundeffekten so garnieren, dass die Einbildungskraft Purzelbäume schlägt.
Aber der Reihe nach...
»Ich habe einen neuen Job für Sie: Sie müssten meine Hunde ausführen! Beim Hexenzerfleischen!«
Alles beginnt aber mit einem ganz anderen neuen Job – und dem Beweis, dass man nicht unbedingt in die Provinz ziehen sollte. Henrik Straiton, bisher eher normaler Lehrer, soll der neue Schulleiter in dem kleinen britischen Küstenkaff Dromore West werden (kein Wort über Dromore Ost, aber naja...). Mit Eheweib Ginny (unwillig) und Tochter Romina (recht patent und natürlich knackig) zieht er frisch um und hat keinen Blick dafür, dass er eigentlich gar nicht für die Stelle drangewesen wäre.
Das Unglück beginnt sofort und auf der Stelle (Seite 1) mit einem elektrischen Schlag an der Gartenpforte, als die Packer noch nicht mal den Wagen leergeräumt haben und fortan geht Unheimliches vor, im Haus und in seinem Kopf. Straiton hat plötzlich Visionen von rennenden Frauen, es knirscht und klickt und ständig huscht etwas am Rande seines Gesichtsfeldes entlang.
Kurz darauf steht auch schon die direkte Nachbarin vor der Tür. Cybill Smith ist – formschön formuliert – direkt, dreist, schnoddrig, andeutungsvoll, leicht hämisch und Ginny ist sofort auf 120, als sie ihrer angesichtig wird. Kurz darauf fliegen beim Töchterlein die Fensterscheiben mit Lichteffekt raus und hastig werden seltsame Erklärungen gesucht und gefunden. Zu später Stunde beobachtet dann Ginny auch drüber bei den Smith eine Versammlung, die sich in eine Orgie und dann in einen Hexensabbat verwandelt – so sind denn auch schon alle Familienmitglieder schwarzmagisch beeinflusst.
Derweil sucht ein dürres Männlein namens Professor Red McKenzie einen Hüter für seine beiden treuen Hundis und findet diesen in dem arbeitslosen Bob Drexler, der schon mal eine Tierpension besessen hat. Drexler ist ein aufgeschlossenes Kerlchen, der auch nicht aus der Fassung gerät, als sich McKenzie als Dämonenjäger aus den Staaten vorstellt, der sich aufgrund einer Erbschaft im Besitz zweier großer „Hexenhunde“ befindet, mit denen man die Dämonenbrut jagen und aufstöbern kann. Die bisherige Besitzerin, die „Douglas“ (offenbar so etwas wie eine weißmagische Hexe), ist auf ungeklärte Weise brutal ums Leben gekommen und die Hunde haben sich bis dato in der Nähe ihres Hauses versteckt.
Drexler nimmt den Job an und fährt mit dem Prof zu der Hütte der „Douglas“, wo er nicht nur die Hunde findet, sondern auch ein unheimliches Wesen im Inneren. Per Beschwörung hetzt Red die Hunde auf das Monster, die darob zu monströsen Riesen anwachsen und das Vieh zerfleischen.
Derweil hat Straiton keinen guten ersten Arbeitstag: Cybill belästigt ihn fluchend, der Bürgermeister und die Verwaltung sind nicht zu erreichen und in der Schule macht ein anderer Lehrer namens Duke Murdock seltsame Andeutungen darüber, wie es zu der Anstellung gekommen ist und was mit Straitons Vorgänger passiert sein könnte. Nach Vorstellung des hauptsächlich weiblichen Kollegiums (aha!), taucht eine von ihnen, eine gewisse Margit Feather bei ihm auf und macht ihm ein dreifach eindeutiges Angebot, das er aber ablehnt.
McKenzie und Drexler sind inzwischen mit den Hündchen Vinci und Tore ebenfalls in die Gegend gereist und laufen immer dorthin, wo die Hunde etwas Aussichtsreiches wittern. Ein einsam gelegenes Haus bei Dromore (West) wird zu ihrem Ziel, wo die Hunde eine Hexe und einen Hexenmeister attackieren, die aber entkommen können. Im Ort schließlich kehrt man in dem Gasthaus von Angus Kilcock ein, der – oha – gleichzeitig auch noch der Bürgermeister ist. Er ist auch die letzte Bastion des christlichen Glaubens und hat sein Lokal mit Kreuzen gepflastert, dennoch geht ihm übel die Muffe. Deswegen ist er auch nicht sonderlich hilfsbereit, dummerweise erzählt McKenzie auch nur äußerst sparsam, dass er die letzte Hoffnung auf Rettung ist.
Am nächsten Morgen rettet Drexler beim Gassigehen anscheinend die gute Romina vor fünf üblen Rockern (Nietenhosen und so...), allerdings hatte die Gute/Böse (jetzt unter Einfluss) den Angriff offenbar für sich geplant (das muss man sich mal schmecken lassen, plant die eigene Vergewaltigung...). Währenddessen versucht Cybill Smith noch einmal, Ginny unter ihren Einfluss zu bringen, wird aber wieder gestört. Henrik wird zur gleichen Zeit von Leonard Feather an seinem Auto attackiert, weil er angeblich dessen Tochter Margit belästigt habe. Daraufhin verflucht ihn der Dicke, der zufällig auch noch der führende Hexenmeister ist.
McKenzie kommt nun endlich per Dorfchronik an die Backstory der Gegend: so um 1586 wurde das Dorf schon einmal von einem Pirate con Satansjünger namens Fisura und seinen Männern übernommen. Die Frauen wurden zu Satansjüngerinnen und Hexen, die Männer in Monster verwandelt und über die Klippen getrieben. Irgendwann hat die Krone die Gegend dann gesäubert, aber der obligatorische Erbe konnte natürlich nicht gefunden werden. Dessen Nachkomme, eben jener Feathers, ist nun nach vierhundert Jahren bereit für einen zweiten Großversuch.
Als Straiton nun wieder erwacht, mutiert er auch bald prompt munter vor sich hin, hat einen Unfall, wird gejagt und verwandelt sich in das Titelbildmonster, das aber von seiner beeinflussten Frau gar nicht richtig wahrgenommen wird. Folge: Grunz!
McKenzie und Drexler treten nun gemeinsam in Aktion, bevor beim finalen Hexensabbat in den Bergen die Kacke final am Dampfen ist. Zeit für ein paar riesige Hexenhunde...
Hexen sind okay, aber nackt müssen sie sein...
Und so geht es zum Ende hin in das große Gewimmel, wenn wie durch ein Wunder die monströsen Hexenhunde die ganzen unglücklichen Dorfbewohner, allesamt Satansjüngerinnen oder obskure Monstermutationen nur noch anritzen müssen, um sie von dem Höllenfluch zu erlösen und wieder zu normalen Menschen zu machen, obwohl am Anfang ein Vieh sich in ein appetitlich-stinkendes Kuddelmuddel verwandelt hatte.
Aber das waren dann wohl Kinkerlitzchen, eine ganze Ortschaft wollte Friedrichs wohl doch nicht hinmeucheln und weil es denn so schön ist – und die Dame sich ja schmackhaft nackt präsentiert hat – hat sich zwischen zwei Zeilen der gute, wenn auch noch sehr eckig vorgehende Drexler in die hübsche Straiton-Tochter Romina verguckt hat, die sich damit der Dämonenjäger-Connection herzlichst anschließt: Großvater, Pärchen und Hund, da geht doch das Herz auf!
Aber Spott beiseite, das war wirklich ein ungewöhnliches Beispiel für einen Roman eines recht produktiven Schreibers, der mal gegen den Trend zielt, ohne dass es im Lektorat sofort einen Aufstand wegen akuten Stilbruchs gibt.
Natürlich ist es „very british“, wenn der – natürlich – Pfeife rauchende Schulleiter sich im Kreise gift- und geifersprühender Megären so wunderbar tumb stellt, weil er von dem Höllentrubel mal so gar nichts mitbekommt, bis ihm die Hauer aus dem Mundwinkel wachsen.
Ein bißchen weniger lustig ist der Umgang mit der mütterlichen Ginny, die über lange Strecken von der Inbesitznahme durch die Nachbarin durch kleine Zufälle abgehalten wird, aber dennoch meistens in einem hypnoseähnlichen Zustand so gar nüscht mitbekommt, was zu Hause so alles quer läuft. Da schwebt über deutlich ein „darf ja nicht zu schnell gehen“ über der gesamten Handlung, die ganz flott von der Hand geht.
Gut, Hundepensionär Bob ist mal voll dabei, dann wieder leicht blockiert und taugt nur bedingt zum „hero“, aber Rumpelstielz McKenzie ist einfach herzig, so viel Spaß muss sein.
Fast unbemerkt bleibt, dass Friedrichs auf Blut und Gekröse fast gänzlich verzichten kann (es taucht mal ein abgetrennter Kopf auf, aber das kann auch vorgetäuscht sein) und sich die Leichen nicht zwangsläufig stapeln müssen. Um so putziger, dass die Gebäude vor Ort gleich reihenweise draufgehende, sobald Fido und Lumpi mal wieder aus ihrem Anzug platzen.
Leider warf Friedrichs bei „Vampir“ bald das Handtuch, weil ihn „Dämonenkiller“ auch so gut beanspruchte, aber leider ist das traurige Schicksal dieser gut geplanten Serie (in der Erstauflage zumindest) ja weithin bekannt und nur ein weiteres Kapitel dafür, dass die bestentworfenen Serien immer den traurigsten Ausgang zugunsten des Kommerziellen nehmen.
Wie schon gesagt, die Story als Hörspiel würde deftig krachen, vielleicht überlegt es sich ja noch mal jemand.
Für die weiteren Fortsetzungen wende ich mich jetzt den 200er-Bänden zu und stöbere da noch etwas herum, vor allem bei den Stammautoren – die Serie bietet momentan einfach noch die besten Entdeckungen...
Kommentare
Aber das hat sich geändert. Seine Dämonenkiller finde ich zwar immer noch bestenfalls Mittelfeld - auch wenn er die Ehre hatte, einen indizierten Roman zu schreiben -, aber etliche seine VHR gefielen mir bei der erneuten Sichtung ziemlich gut. Vor allem, wenn der Schauplatz Italien war, wo er ja zu der Zeit lebte. Da kam viel Lokalkolorit rüber, und im Gegensatz zum Pseudoengland vieler Kollegen klang es glaubhafter als bei anderen.
Den besprochenen Roman habe ich mal begonnen zu lesen, aber nach etwa 20 Seiten entnervt wieder weggepackt: haarsträubender, unausgegorener Unsinn!