Mehr Schein als Sein - Sumerki – Dämmerung (Сумерки) von Dmitry Glukhovsky
Mehr Schein als Sein
Sumerki – Dämmerung (Сумерки) von Dmitry Glukhovsky
Aber ebenso gut auch das Damoklesschwert der über der Menschheit schwebenden Gefahr der Apokalypse, der Götterdämmerung. Diese spielt auch eine zentrale, aber sich für den Leser als auch für die Hauptfigur erst langsam offenbarende Rolle in der Geschichte.
Dmitri Alexejewitsch, ein junger Übersetzer aus Moskau, wird mit der Übertragung eines geheimnisvollen spanischen Textes aus dem 16. Jahrhundert ins Russische beauftragt. Nach und nach gibt das geheimnisvolle Dokument seine Botschaft preis und lässt die Grenzen zwischen hier und jetzt und der Vergangenheit verschwimmen. Geschilderte Ereignisse des Schriftstücks scheinen sich in der Realität zu manifestieren und Menschen aus der Umgebung des Übersetzers kommen ums Leben. Mehr sei von der Handlung aber nicht verraten, nur noch soviel: dass die Story zum Schluß eine gänzlich unerwartete Wendung nimmt.
Klingt interessant, und anfangs scheint es das auch tatsächlich zu sein. Richtig, es scheint so. Mehr aber auch nicht. Glukhovsky schreibt zwar sehr routiniert und hat wohl auch sauber recherchiert und seine Hausaufgaben gründlich gemacht (man erfährt eine Menge über die Konquistadoren und die Maya-Kultur), allerdings verfällt er leider immer wieder in nervtötende Schwatzhaftigkeit. So sind seine Gedanken über die Orthodoxie oder das neue, post-sowjetische Russland zwar – für sich alleine betrachtet - durchaus interessant, allerdings treiben sie die Handlung nicht voran. Genauso verhält es sich mit seinen Schilderungen der russischen Traditionen und dem Alltagsleben der Moskauer , die für mich persönlich zwar durchaus interessant waren, da ich viel Zeit in Russland und speziell in Moskau verbracht habe; allerdings lenken sie gehörig von der Handlung ab und behindern sie sogar; zaghaft aufkommende Spannung wird meist leider schon im Keim erstickt (Kissen drauf und Schluß!).
Derlei Elemente sind Stilmittel und dienen einem Autor als Kolorit, das dem Leser behilflich ist sich in das Buch hinein zu versetzten. Dies gelingt aber nur, wenn sie sparsam und wohldosiert eingesetzt und keinesfalls zum Selbstzweck werden. Glukhovsky gelingt dies aber – trotz mehrmaliger Anläufe - ums Verrecken nicht: seine Betrachtungen und Schilderungen ufern immer wieder aus. Er kleckert nicht, sondern klotzt.
Ein Meister in der Schilderung solcherlei Nebensächlichkeiten in seinen Stories ist z. B. Stephen King: er setzt diese sparsam und illustrierend ein. Eine Gratwanderung, die gekonnt sein will. Ein Schritt zuviel, und der Leser stürzt in den bodenlosen Abgrund der klebrigen literarischen Ödnis. Glukhovsky schafft diesen Seiltanz nicht, er gibt Vollgas, bremst ab, denkt nach, sinniert und versucht dann verzweifelt, das rettende andere Ufer zu erreichen. Schafft er aber nicht, sondert landet in der klebrigen, bodenlosen Spinnengrube der Fadheit. Er illustriert nicht, sondern er tüncht und kleistert den Leser zu.
Das geheimnisvolle Dokument selbst, das im Roman immer wieder seiten- und ellenlang Platz ein-, bzw. eher wegnimmt, liest sich sehr mühsam und beschwerlich aufgrund seiner schwülstigen Zähflüssigkeit und seiner pseudo-altertümlichen Sprache. Bei diesen Passagen ließ meine Aufmerksamkeit dann auch sehr schnell nach; schon bald begann ich die Übersetzungsteile nur noch zu überfliegen. Was aber dem Verständnis des Romans nicht abträglich war, welch Wunder!
Irgendwann war aber auch das Ende dieses viel zu langen Romans erreicht, und das tröstet mit seiner überraschenden Wendung dann wieder ein wenig über die Längen hinweg und lässt die Story in anderem Licht erscheinen.
Insgesamt war das Thema ja erstmal originell und vielversprechend, allerdings war die Umsetzung zu holprig und unbeholfen. Der Stoff hätte eine gute Erzählung abgegeben, wenn der Autor sich auf die Hälfte (noch besser wäre ein Viertel gewesen) des Umfangs beschränkt hätte. Für mich war das Buch ein sehr zwielichtiger Langweiler. Ich vergebe daher nur 2 von 5 Mayakalendern.