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»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Der Klub der Henker (Vampir Horror Roman 226)

Schön war die Jugendzeit? -  Ausflüge in die RomanheftvergangenheitAusflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Der Klub der Henker«
Vampir Horror 226 von Georges Gauthier (Walter G. Mauckner)

In gewissen Umfange bin ich ja gewillt, Verständnis aufzubringen, wenn ich mich jetzt an einen weiteren Mauckner-Roman mache und der nicht ganz so interessant wie der erste (Nr. 214: Engel der Finsternis) ausfällt – immerhin war dies der fünfte Roman des Autors, der binnen 12 Wochen von ihm in der Serie erschien .


Wenn sich Mauckner nicht vorher eine dicke Auslieferungsschublade angeschrieben hatte, die er dann kontinuierlich verschicken konnte, dann darf bei so einer Quote mal die Qualität leiden.

Was ich aber eher unverzeihlich finde, sind uninteressante Romane, die außer einer ganz gut klingenden Prämisse dann nichts Dolles zu bieten haben – um schlussendlich sogar noch mit Titel und Cover lustigen Etikettenschwindel zu betreiben.

Was heißt eigentlich „schlussendlich“?

Der titelgebende „Klub der Henker“ hat mit der Romanhandlung nur sehr entfernt überhaupt etwas zu tun, es handelt sich um eine kleine Aggro-Versammlung von Kleinstadtjugendlichen, die einem zugereisten Gigolo mal ein bisschen Schiss machen wollen und so tun, als würden sie ihn in Kürze hinrichten. Tatsächlich aber kloppen sie ihn nur ein wenig zusammen und zerstreuen sich dann in alle Winde. Damit hatte es sich dann auf Seite 17 mit dem „Klub der Henker“ für diese Geschichte.

Und worum geht es dann?

Tja, das steht nicht ganz so sicher fest, es geht jedenfalls um zwei miteinander verbundene Männer, die sich auch sehr ähnlich sehen, wobei der Eine in Deutschland gerade heiratet und der Andere in der Bretagne gerade mal einen wegstecken möchte. Dumm nur, dass der Eine fühlt, was der Andere spürt. Und umgekehrt. Zumindest ein wenig.

Einem von ihnen wird übel mitgespielt und der reine Zorn (oder so?) lässt ein unheimliches Wesen sich manifestieren, das ihn dann...tja...in einen Vampir verwandelt.

Uhaha, Groar, Reißzähne, Braut in Nöten, Hausbrand, Ende. (Keine Sorge, ich mache gleich noch eine Zusammenfassung!).

In der Telegrammform liest sich das, wie der Engländer sagt, ziemlich „dull“ und so ist es dann auch – ein dürftiges Geschichtchen ohne Tempo, ohne Grusel, ohne alles, außer jetzt mal Mauckners durchaus beachtliche Wortgewalt, mit der er allerdings diesmal nur sehr Beliebiges herauf beschwört. Vielleicht waren da ja bei Verlag gerade ein paar Lücken zu füllen oder die Übersetzungen kamen nicht hinterher, aber vorne einen Axtreißer drauf zu pappen und drinnen dann Vampire zu präsentieren, die noch nicht mal zu Fangbiss kommen, ist schon ein starkes Stück.

Dazu fällt wie beim „Engel“ auch hier wieder auf, dass sich Mauckner zunächst scheinbar nicht für eine Epoche entscheiden kann, die Beschreibung der kleinen französischen Ortschaft liest sich wie Eifersüchteleien aus dem fernen 18.Jahrhundert (was auch zu den Henkern passen würde) und die parallele Hochzeitsfeier der Bajuwaren wird auch nicht recht zeitlich verortet. Irgendwann ist dann plötzlich von Autos oder modernen Sachen die Rede und der Leser merkt: ach ja, spielt doch im Hier und Jetzt.

Dabei wäre es vermutlich interessanter gewesen, die Parallelen in der Vergangenheit anzusiedeln, aber die nötige „Dramatik“ des letzten Romandrittels funktioniert leider nur mit modernen Verkehrsmitteln und ihren Tücken.

Aber fassen wir das mal zusammen:

Der Klub der HenkerJaja, die Templer natürlich mal wieder...
Frankreich: in dem kleinen Städtchen St.Paul-le-Bat (aha!) sucht Claude Berger (alias Claus Berger) nach etwas zum Knuspern, vorzugsweise die leckere Yvonne, die er mit seinem patenten Violinenspiel auch schon so gut wie in der Tasche und im Bett hat. Er ist just unterwegs zu einem Stelldichein samt Anschleichanleitung, als er von einer Gruppe maskierter Vermummter niedergeknüppelt wird.

Man schafft ihn gefesselt in eine Gruft und erschreckt ihn mit roten Kutten und gibt an, das „Tribunal der Tempelritter“ zu sein. Er wird dann verbal verbannt und gezüchtigt, was er aber überhaupt nicht einsieht, weil er die doofe Dorfjugend erkannt hat und deswegen verbal ausfällig wird. Daraufhin dreht einer der Kuttenträger am Rad und prügelt ihn grün und krümelig, kann aber von seinen Kameraden mit Mühe von Totschlag und Mord abgehalten werden, denn ganz soo krass drauf waren sie dann doch nicht.

Diverse Kilometerchen entfernt lässt es eine Hochzeitsgesellschaft in Bayern ordentlich krachen, denn der Anatol Masur (waaaah!) hat endlich seine Marianne geheiratet und alle freuen sich, schließlich gibt es was zu picheln und jeder darf einen halben Ochsen essen oder so. Der Bräutigam sieht aber gar nicht gut aus, krümmt sich, zieht sich zurück und wird dann vom Schulmeister und Baustoffhändler im Flur gefunden, bewusstlos und mit zwei Beulen am Kopf. Der herbei gerufene Arzt kann nichts finden, was das ausgelöst haben könnte, dennoch diskutieren die Gäste gleich volle fünf Seiten darüber.

Als er wieder weiß, wo vorne und oben sind, ist Anatol natürlich arg besorgt, hat er doch neulich schon sein Auto geschrottet, als er während der Fahrt einen akuten Anfall von Verfolgungswahn bekam, was er für eine seltsame Schizophrenie hielt.

Während er so im Bette liegt, fühlt er plötzlich den heftigen Schmerz flotten Auspeitschens, worauf er wieder ohnmächtig wird – was seine holde Gattin als Erholungsschlaf interpretiert, als sie nach ihm sieht. Offenbar fühlt Anatol, was Claude gerade erlebt.

Am nächsten Tag am Traualter (in Bayern wird offenbar schon am Tag vorher getafelt), hat er wieder einen Anfall, umarmt eine Frau, schreit etwas davon, in die Schulter getroffen worden zu sein und macht wieder auf ohnmächtig.

Das ist übel, denn in Frankreich ist Folgendes passiert: nach Rache sinnend wollte Claude den perfekten Mordplan entwerfen, um den Sohn des Bürgermeister Pierre Debord (der ihn so übel verkloppt hat) zu meucheln.

Irgendwie springt die Handlung aber dann in die Amtsstube der Gendarmen, wo Pierre offenbar irgendwann Claude in die Schulter gestochen hat, als dieser gerade mit Yvonne knuffelte.

Alle sind stinkig, aber Yvonne erklärt es so, dass Claude ihr gerade Selbstverteidigung beibringen wollte und Pierre das alles falsch verstanden hätte. (Ja nee, is klar...).

Claude geht mit Schulderwunde ins Hospital und gut ist es.

Derweil überzeugt ein wackrer Gottesmann Anatol davon, dass er nicht vom Teufel besessen ist und ein findiger Arzt vermutet, dass es eine verwandtschaftliche wie sensorisch-psychische Verbindung mit einem anderen Menschen geben könnte, schließlich weiß Anatol nichts von seiner Herkunft (aufgefundenes Kriegskind aus Ostpreußen).

Als Claude das Krankenhaus verlässt, ist Yvonne aus dem Örtchen verschwunden, von der Familie gut verschickt. Damit ist der Weg frei für die pure Rache, schon grinst eine Teufelsfratze aus dem Spiegelbild hervor. In der Nacht erscheint dann ein dunkles Wesen und macht ihn irgendwie zu einem Vampir.

Gleichzeitig läuft Yvonne in München beim Umsteigen ausgerechnet Anatol über den Weg und bietet dem leidenden Ehemann endlich ein Ziel für seine Vermutungen, als sie ihm von Claude erzählt, der Anatol total ähnlich sieht.

Anatol will natürlich sofort und auf der Stelle seinen Zwillingsbruder aufsuchen, fühlt er doch, dass da einiges im Argen ist, was mit Vampiren zu tun hat. Er schreibt seiner Marianne eine Notiz und fährt per Auto los.

Marianne ist am Morgen jedoch ein patenten Mägdelein und sichert sich den nächsten Air France-Flug und überholt den Göttergatten in der Luft, um natürlich in St.Paul dem werdenden Vampir in die Hände zu fallen. Passend dazu fackelt der rasende Pierre gerade das Häusle ab und wird dann von Claude gemeuchelt. Im Kampf mit Marianne pfählt er sich auch noch an seinem gesplitterten Violinenbogen und mit Anatol auf Rettungsmission können dann die Flitterwochen beginnen.

In Bezug auf Claudes und Anatols Herkunft stellt sich leider nichts Neues raus, aber das wohl sowieso Nebensache...

Ein Reißer, wie er im Buche steht...
...ist diese Story natürlich nicht, das wird wohl jeder Leser jetzt erfasst haben.

Das Wettrennen Marke Tour de France bringt zwar im letzten Drittel einen Hauch von Tempo in einen total statischen Roman, aber das rettet den Käse leider dann auch nicht mehr.

Stirnrunzeln darf ich schon mal für die ausgefallene Sequenz rund um die „Selbstverteidigung“ verteilen, die wohl als Clou gedacht war, Anatols Hochzeit möglichst auffällig zu sprengen. Leider springt die Handlung von Claudes ausgefeilter Mordlust plötzlich in eine Polizeibesprechung, bei der erörtet wird, ob der zugereiste Claude dem Mädchen brutal an die Wäsche wollte oder wieso Pierre notgedrungen zu Messer oder Degen gegriffen hat. Wieso ist Claude jetzt doch zu Yvonne gegangen, anstatt Pierre platt zu machen. Wollte Yvonne ihn ranlassen? Woher der Motivationswandel? Und wieso wird uns gerade diese, etwas interessantere Szene überhaupt antiklimatisch vorenthalten? War der Roman zu lang?

Das könnte daran liegen, dass wir uns am Anfang mit der Dorfdeppenjugend aufhalten müssen (die übrigens irgendwelche Kutten tragen und keine Henkersmasken, liebe Texter!) und danach seitenlang lesen, wie die Bajuwaren Brand und Ehrmanntraut sich argumentativ im Kreis drehen, während sie den Bräutigam im Flur finden – noch dazu ohne langfristiges Ergebnis.

Vielleicht war das sogar noch ganz gut, denn weder Claude noch Anatol sind rasend interessante Figuren, denken viel, tun wenig und geben noch weniger in Sachen Charakter preis, beide keine Identifikationsfiguren. Yvonne hat noch weniger Kontur, allein das Mariandl bringt etwas Witz in die Angelegenheit.

Der Leser versteht dann auch sehr viel schneller als die Beteiligten, was in diesem Fall Sache ist und was erst zur Romanmitte vermutet wird. Da stellt man sich natürlich auf einen ostpreußischen Fluch oder Ähnliches ein, doch die Herkunftsvermutung bleibt eine solche und wird bis zur letzten Zeile weder erklärt noch angedeutet.

Dass man von bösen Geistern bei Bedarf in einen Vampir verwandelt werden kann, ist im Genre auch irgendwie neu, ebenso wie der angeblich insgeheim geäußerte Wunsch, genau so ein Wesen zu werden, wobei mir da ein rächender Werwolf doch eher einläutet hätte. Woher das Geistwesen nun kommt (aus den Tiefen von Claudes Seele etwa), bleibt auch nebulös.

Also: gute Idee, aber ziemlich geschwätzig und nicht eben aufregend, aber noch halbwegs erzählerisch folgerichtig angeordnet (bis auf die Auslassung aus Spannungsvermeidungsgründen).

Das Dumme ist jetzt nur, dass ich als Nächstes gleich noch Mauckner direkten Folgeroman auf dem Stapel habe, den ich jetzt auch lieber zügig wegfuttere, in der Hoffnung auf bessere Autoren, die da noch folgen sollen...

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