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»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Die Stunde der Insekten (Vampir Horror Roman 331)

Schön war die Jugendzeit? -  Ausflüge in die RomanheftvergangenheitAusflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Die Stunde der Insekten«
Vampir Horror 331 von Miles Greene  (Hans-Jürgen Raben)

Ah, endlich mal wieder Hausmannskost.

Nachdem so viele Varianten von exotischen und weniger exotischen Grusel-Tableaus klassischer Bauart über meine Lesebrille geflimmert sind, habe ich mir jetzt mal wieder etwas SciFi-Bewährtes erbeutet.


Hans-Jürgen Raben war jetzt so gar kein Begriff für mich, aber so mancher Autor war eben nur phasenweise für die Serien tätig und hat nur wenige Beispiele seiner Kunst hinterlassen, so auch der  Journalist und PR-Berater, der gerade mal vier Vampir-Horror-Romane und ein Vampir-Taschenbuch veröffentlichte und sonst eher Krimis schrieb. Tatsächlich ist das sogar sein letzter Roman für den Horror-Heftroman, nachdem er mit dem (wie üblich bei Vampir eher nachlässig behandelten) Jubelband 300 eingestiegen war.

Hier gibt es keine Vampire, Werwölfe, Spuk usw. sondern das Standardprogramm, dass uns Kleine in den seligen 70ern und 80ern gern mal im Gruselkabinett von NDR3 an den Fernseher fesselte, klassischer Monsterfilmstoff aus der Atomparanoia-Phase der 50er Jahre in den Vereinigten Staaten, die hier noch einmal aufgegriffen wurden, nachdem auch die Rieseninsekten in den 70ern ein leichtes – wenn auch trashiges – Revival erfahren hatten. Tatsächlich hat das Titelbild sogar frappierende Ähnlichkeit mit der Pose der panischen Joan Collins auf dem Filmplakat für Bert I. Gordons unsterblichen Heuler „In der Gewalt der Riesenameisen“ aka „Empire of the Ants“, der auch heute noch ob der sämig-infantilen Einkopiertricks realer vergrößerter Ameisen jedem Betrachter vor Lachen die Schuhe ausziehen kann.
(Ich möchte in diesem Zusammenhang jetzt schon bemerken, dass das Titelbild des Romans übrigens mit dem Plot eigentlich nichts zu tun hat und sich auch Insekten in der Story eher rar machen.)

Wie es zu dieser Themenwahl kam, bleibt wohl ungeklärt, aber der generelle Insektenekel wird wohl eine flotte Rolle gespielt haben, anders ist der eindimensional voran rollende Racheplot nicht zu erklären, dessen interessantestes Element der Handlungsort, eine von gewaltigen Regenfällen überflutete Po-Ebene ist.

Raben macht da wenige Schlenker, hält sich nicht mit großen Nebenhandlungen auf, sondern setzt voll und ganz auf das erprobte Prinzip der mühsam unterdrückten Panik, während alle Beteiligten von der Zivilisation halb abgeschnitten sind und einfach nur weg wollen, wären da nicht besonders groß gewachsene Umstände.
Freimütig bedient sich der Autor bei Klassikern wie „Tarantula“ (das Wachstumsserum, das am Ende leider an seinem Erschaffer missbraucht wird und furchtbare Folgen zeitigt), „The Deadly Mantis“ (einem in Deutschland leider nicht sonderlich bekannten Monsterkracher rund um eine riesige Gottesanbeterin) und beliebten anderen Riesenspinnenfilmen.

Warum nun ausgerechnet Insekten, also Käfer, Bienen, Ameisen, Wespen, Tausendfüßler und Andere nicht in diesem „Insekten“-Roman auftauchen (gerade Bienen wurden in den 70ern ja rasend oft gecastet und der Roman erschien kurz nach der Filmbombe „Der tödliche Schwarm“), wird leider nicht geklärt, offenbar ist es aber dem Lektorat oder dem Verfasser selbst aufgefallen, der den Fauxpas praktisch roman-intern entschuldigt, als er die noch auftretenden Riesentierchen schon in einer Vorlesung zu Beginn als Nicht-Insekten bezeichnet und erklärt.

Aber nun mal schnell zum Plotgespinst...

Die Stunde der InsektenWürde der wahre verrückte Wissenschaftler bitte mal kurz aufstehen?
Ach, da ist er auch schon! Und er hört auf den rassigen exilkroatischen Namen Branco Furiani, was auch gut zu seinen übergeschnappten wutschnaubenden Weltherrschaftsplänen für Insekten passt, die nun so komplett sinnbefreit rüber kommen.

Zunächst ist er noch der Assistent von Professor Kurt Amtmann, DER Kapazität auf dem Sektor Insekten, doch just als er mit seinem noch nicht ganz ausgereiften Wachstumsserum einem Skorpion erst zu erstaunlicher Größe und dann zu flotten Mutationen verhilft, fliegt er achtkantig aus der Assi-Stelle.

Das vergrätzt Wahnsinnige ja immer tierisch, also packt er seine Sachen, injiziert sein Mittelchen noch einem fiesen Viech (namens Solifuga, von dem man ausgehen kann, dass ihn Normalsterbliche nicht mit einem bekannten Tier in Verbindung bringen können), blastert auf der Straße drei Leute um und verschwindet spurlos.

Naja, vielleicht nicht ganz spurlos, denn das Tierchen, eine Walzen- oder Sonnenspinne, wächst zu Kleinwagengröße heran, meuchelt zwei Polizisten und läuft im Labor amok. Amtmann, sein US-Kollege Chuck Wegner und ein weiterer Doc namens Eckert müssen mit Axt und Gasexplosion ans Werk, ehe das Vieh endlich letal abfackelt.

20 Jahre später: die Beteiligten der apokalyptischen Laborsause wollen sich, wieso auch immer, ausgerechnet in der italienischen Po-Ebene zum Familientreff einen Urlaub gönnen. Leider strömt es in Gießen oder gießt in Strömen, jedenfalls ist die Gegend ein einziger Matschpfuhl und die Beteiligten verspäten sich.

Wegner ist mit seiner jüngeren und etwas direkten Ehefrau und Sohnemann Lennie unterwegs, als er sich von einer Herberge aus auf den letzten Reiseabschnitt macht. In Nebel und Regel kollidiert er mit etwas „Großem“ und rutscht mit dem Auto fast von der Straße.

Als er dem Grund für den Beinaheunfall nachgeht, findet er seilartige Schnüre und einen monströsen Kokon, in dem die Leiche Eckerts eingewickelt ist. Offenbar ist auch eine riesige Spinne mit im Spiel, doch viel schlimmer wiegt der darauf folgende Verlust von Auto, Frau und Kind.

Derweil wartet die Familie Amtmann bereits auf den Kollektivurlaub: Vater Kurt, Mutter Karin, der zwanzigjährige Thomas und der neunjährige Alfie, der die Klappe nicht halten kann. Nach allerlei Gestichel erreicht der erschöpfte Wegner sein Ziel und fällt den Amtmanns praktisch ohnmächtig in den Schoß.

Währenddessen hat der lokale Bauer Giovanni Santadi keine Freude an seiner Frau und seiner Minestrone, weil sein Hof nämlich von einer gigantischen Gottesanbeterin heimgesucht wird, die das Ehepaar trotz schrotbewerter Gegenwehr verknuspert.

Heim in der Herberge hat man Wegner wieder in die Waagerechte gebracht und kommt mit deduktiver Zusammenarbeit (ein Ansässiger hatte von einem Insektenforscher in der Nähe mit vielen Treibhäusern berichtet) zum dem Schluss, dass Branco Furiani seine finstere Rache plant. Ein Blick auf die Gottesanbeterin erledigt dann den Rest von Zweifeln.

Hilfe tut Not, denn Eckerts Tochter Hannelore sowie Wegners Familie mit Helen und Lennie finden sich in einem Treibhäuser mit integriertem Mutantenstadl-Urwald wieder, mit einem durchgeknallten Furiani noch dazu.

Der Rettungstrupp macht sich auf die Strümpfe, um die Angehörigen vor den schlimmen Tieren zu bewahren (komplette zweite Hälfte des Romans), stößt aber immer wieder auf leichte Schwierigkeiten. So trennt man sich überflüssigerweise zwischendurch, Thomas landet in einer Zelle mit einer gigantischen Spinnenassel und muss befreit werden und Hannelore kann fliehen, läuft aber prompt in die Klebefädenfalle einer gigantischen Schwarzen Witwe (was sich dann durch einen Titanenkampf mit der Gottesanbeterin erledigt).

Am Ende bedroht Furiani noch Alfie, kriegt dann aber selbst eine Spritze seines Mittels ab und mutiert zum lustigen Matschkopfmonster, während die Treibhäuser um ihn rum in Flammen aufgehen. Er will noch die „Mantis“ auf die Familie hetzen, wird dabei aber selbst ein Opfer. Chuck verteidigt sich fortan heroisch gegen das Vieh und ein Militärhubschrauber erledigt dann den Rest.

Am Ende richtet es immer das Militär...
…so auch hier, allerdings nicht mit absoluter Feuerkraft, denn Chuck hat sein Riesenmonster am Ende schon ziemlich gut angeschossen, dennoch hilft so ein Heli immer prima, wenn der Rest der Protagonisten nur aus Frauen und Kindern besteht, die in den 70ern ja nun so gar nicht für den Kampf gegen Fünf-Meter-Insekten befähigt waren.

Aber das ist Mosern auf recht stabilen Niveau, denn abgesehen von der bereits erwähnten Abwesenheit gängiger Insekten (so kommt nun wirklich nicht eine einzige Ameise in diesem Roman vor, obwohl man auf dem Cover ein sehr sehr großes Exemplar abgebildet hatte), kommen Rieseninsekten jetzt zwar nicht ausgesprochen gruselig, aber beklemmend ist das Ergebnis in einigen Passagen doch durchaus.

Da sei vor allem die Dschungelexpedition im Treibhaus genannt, bei der Frau und Kind sich durch eine fröhlich-aggressiv mutierende Flora und Fauna schlagen müssen (Spinnen, Spinnen und noch mehr Spinnen), bei den diversen Konfrontationen mit dem furiosen Furiani oder beim Spinnenangriff im Nebel zu Beginn.

Raben geht die Story nicht eben hochliterarisch an, sondern erzählt praktisch visuell, die meisten Szenen würden sich auch brauchbar für einen Film oder ein Hörspiel eignen. Es wird nicht verziert und geschwurbelt, sondern nüchtern eine Extremsituation unter Druck geschildert, die hauptsächlich darunter leidet, dass Raben offenbar nicht gewillt ist, auch nur einen „guten Menschen“ ex gehen zu lassen, ausgenommen den armen Eckert, der als Einziger (allerdings sozusagen im Off) stirbt.

Großartige Hintergründe braucht Raben auch nicht, Furiani darf mal etwas von der Dominanz der Insekten faseln, die so eindeutig ist, dass er sie dann ja auch gleich mal beschleunigen kann (normalerweise lassen sogar Wahnsinnige ihre Tränke erst einmal ausreifen und 20 Jahre nach seinem Rauswurf scheint Brancos Serum immer noch nicht ganz schadlos für seine Versuchstiere zu sein), das war es auch schon.

Die Helden des Tages wiederum sollen alles studierte Insektologen (jaja, ich weiß...) sein, bekleckern sich aber weder mit Ruhm, noch mit besonderem Wissen, packen die Sache aber schnell und zweckgebunden an.

Zwar befürchtet man am Anfang noch, die Kinder könnten den Tag versauen (tun sie nicht) oder ist halbwegs hoffnungsfroh, dass Helen eine leicht verwöhnte Bitch ist, die an ihrem Manne und Kinde gerne mal rumnölt (und ihrem Sohn auch mal einen drüberzieht!), wird das alles zwecks Action und Familienrettung wieder fallen gelassen.

Das größte Fragezeichen erhebt sich übrigens über dem Gesamtzusammentreffen der Beteiligten, bei dem der Romangott Zufall sein bizarres Haupt erhebt. Unsere Helden wurden nämlich nicht in die Falle gelockt, sondern treffen REIN ZUFÄLLIG in der Po-Ebene auf ihren komplett irren Erzfeind! Echt jetzt?

Es ist also nicht alles nach dem klassischen Hollywoodkonzept mit den sperrigen Nebenfiguren, die man reihenweise einen grauenhaften Tod sterben lassen kann, gestrickt, aber Setting und Atmosphäre stimmen zumeist und machen den Roman zu einer recht kurzweiligen Angelegenheit, so dass man Rabens Abschied aus der Serie ja schon fast wieder bedauern muss.

Insgesamt also leichte, aber funktionierende Kost für Monster- und Mutationsfreunde, die ich mir gern mal gefallen lasse – und wesentlich besser als die Übersetzung diesen Ratten-Endzeit-Schunds „Wenn die Ratten kommen“, den ich mir am Anfang dieser Reihe mal zu Gemüte geführt habe.

Bis zum nächsten Jahr!

Kommentare  

#1 Andreas Decker 2016-12-30 09:59
Tierhorror war zu der Zeit in England sehr beliebt, da kann man zwei Regalbretter mit füllen. Freilich waren alle diese Romane ziemlich heftig, abgesehen von dem Herbert und ein paar zusammengestrichenen Smiths ist da so gut wie nichts über den Kanal gekommen.

Raben war ein solider Erzähler. Ist Geschmacksache, aber ich fand den 300 am gelungensten. 302 habe ich als schwer langweilig in Erinnerung, 305 war vom Thema auch nicht gerade neu, so eine Indiengeschichte, aber nicht schlecht. Seine Romane wären ohne die Inhaltsrestriktionen bestimmt besser gewesen. Das hat oft jede Dramatik ausgehebelt.
#2 Laurin 2016-12-30 12:15
Nun ja, an mir sind diese Tier-Horror-Romane wohl völlig vorbei gelaufen. Dafür waren sie mal im Film präsenter. Da ich Spinnen in der Regel eher ekelig empfinde, kann man im Film mit guten Spezialeffekten bei mir aber schon was reißen. Im Roman allerdings reicht da wohl bei mir die Bezeichnung "Spinne" nicht aus um mir eine Gänsehaut zu verpassen. Da müsste der Autor schon einige Klimmzüge mehr machen. Ich frage mich da auch, warum die immer so riesig sein müssen? Hatte mal irgendwo gelesen, dass wenn Spinnen wie z.B. eine Tarantel etwas größer wären als ein Dackel, dann stände der Mensch bereits potentiell auf deren Speiseplan. Das wäre doch mal eine Idee, zumal sich ein Vieh auf Waldi-Größe auch noch besser verstecken kann als ein Riesenvieh, das gleich von der gesamten Luftwaffe beackert werden kann. Aber gut, das klassische Hollywood-Monster war damals ja noch über lange Zeit weder recht riesig (Tarantula von 1955) oder aber normal klein und gemein (Phase IV von 1974) . Dazwischen klaffte irgendwie gähnende Leere. Und bei mehreren verschiedenen Viechern muss man schon auf die wirklich ekligen Sorten umsteigen (schön gemacht in der Schlucht bei dem Remake von King Kong von 2005), sonst wirkt das wohl gerade in einem Roman, ohne visuelle Bilder, schnell wie Biene Maja's Wiese auf groß.

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