»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Der Lockruf des Wahnsinnigen (Silber-Grusel-Krimi 278)
Ausflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Der Lockruf des Wahnsinnigen«
Silber-Grusel-Krimi 278 von Marcos Mongo (N.N.)
Ich motze ja ziemlich viel, aber das soll nicht heißen, dass ich jetzt gnadenlos mit den damals sehr tätigen Autoren abrechnen möchte. Aber die viel beschriebene schwankende Qualität mancher Serien macht es nun mal nicht jedem Beteiligten möglich, in den Rang eines Befähigten für eine eigene Serie aufzusteigen, sofern die Intention jemals bestand.
Natürlich bin ich mir im Klaren darüber, dass die besondere Liebe der Gruselfans zu ihren Heften nicht eben die gleiche Entsprechung im Western-, Heimat- oder Liebesromangenre findet (tatsächlich scheint dort ja die Austauschbarkeit das eigentliche Qualitätsmerkmal zu sein). Auch der viel besungene Krimi hebt und hob sich eigentlich meistens nur von der breiten Masse ab, indem die Hauptfigur ein kleines Alleinstellungsmerkmal, einen bekannten Namen oder den Ursprung in einer Buch- oder Filmreihe hatte.
Auch bei den Gruselfans sind die Ansprüche der Leser wechselnd oder eben auch schwankend, gebunden an den Ausbau des Serienuniversums oder die Langlebigkeit, aber der immer gleiche Ablauf wird zumindest teilweise nicht allwöchentlich nicht toleriert. (Gut, eine Ausnahme scheint jahrelang die Serie„John Sinclair“ gewesen zu sein, die irgendwann auf sehr sehr übersichtliche Plots und sehr mechanische Abläufe verfiel, an deren Ende immer eine Silberkugel oder ein aktiviertes Kreuz stand. Immerhin: Jason Dark schickte seinen Helden regelmäßig rund um die Welt!)
Die Schemata sind zumindest ähnlich, aber das Genre ist eigentlich so breit aufgestellt, dass mehr möglich ist als der immer gleiche mechanische Ablauf übernatürlicher Bedrohungen auf der britischen Insel in oder in der Nähe von altertümlichen Bauwerken mit Geschichte.
Also freue ich mich über jedwede Form der Exotik und die Reichhaltigkeit des Übernatürlichen.
Aber dazu braucht es Autoren, die sich im Genre wenigstens ein bisschen heimisch oder wohl fühlten und eine gewisse Begabung für das Unheimliche hatten und sich ihre Verortung nicht nur anhand älterer Romane schnell angelesen hatten, obwohl sie eigentlich für andere Genres (meistens: Krimi) topkonditioniert waren.
An so einen bin ich hier geraten, spekuliere ich mal ins Blaue, denn diese Mad-Scientist-Story aus der Hypno-Ecke riecht trotz seiner technischen Frankenstein-Verweise und tödlichen Kunstdrogen doch sehr stark nach einem soliden Kriminalfallermittlung, auf die man einige bunte Gruselstreusel verteilt hat.
Die wiederum sind so vage mit dem Fall verbunden, dass es schon einer nachträglichen Triple-Erklärung bedarf, um sie einerseits zu begründen und andererseits miteinander in Verbindung zu bringen.
Dabei ist der Roman nicht einmal schlecht geschrieben, er ist nur äußerst bieder und wirft seine Plot-Ansätze recht wild ineinander, als hätte der Autor mit mehrfachen Ansätzen neu begonnen.
»Morgen, Mr. Cotton!« - »Hey, nur weil man Kollege Phil heißt, bedeutet das doch nicht...«
Ein ordentlicher Grusler beginnt immer erst mal mit einem Startopfer und in diesem Fall heißt es Larry Grossman. Der folgt, sich halbwegs fremdbestimmt fühlend, einer mysteriösen Verabredung und trifft auf offener Straße sich selbst in Skelettgestalt, nur sein Kopf ist noch ein menschlicher. Würgehände setzen seinem Leben ein Ende.
Damit ist das ein Fall für das Spezialteam von Lieutenant David Warner, zu dem auch noch sein Kumpel Phil Korner und ein Typ namens Morelli gehören. (Die Handlung spielt übrigens damit in New York!)
Die Spezialabteilung – die zwar diese berühmt-berüchtigten unerklärlichen Fälle behandelt, weil keine Polizei der Welt mehr ohne diese Abteilungen auskommt, solange es Gruselromane gibt - bekommt auch schon bald noch mehr zu tun, gibt es doch sowieso schon zwei weitere Opfer mit verzerrten Gesichtern.
Ein Anwalt namens Artur Parker hat gleichzeitig dasselbe Problem mit der verängstigen, scheinbaren Fremdbestimmung. Nachts träumt er von axtbewehrten Mordanschlägen auf seine Person, ausgeführt von einem guten, leider aber schon toten Kollegen (bei einem Unfall gestorben), weswegen sein Psychologe Dr. Berger auch nach Feierabend gut zu tun hat.
Nachdem er sich bei diesem eine weitere angstlösende Hypnosesitzung geholt hat, lässt die beruhigende Wirkung leider wieder nach. Getrieben eilt Parker durch die Straßen, entert einen Imbiss, mampft etwas und kriegt dann einen so seltsamen Gesichtsausdruck, dass der Wirt ihm die Rechnung erlässt. Davon hat Parker aber nicht viel, denn er steuert ein anderes Gebäude an, in dem man ihm mit einer Axt den Rest gibt.
Inzwischen kommt auch David Warners Untersuchung in die Gänge, denn man findet ein Streichholzbriefchen aus dem „MAN Club“ in Grossmans Sachen, was natürlich die heiße Spur ist.
Im erlesenen Privatclub kreuzen Phil und David kurz die Klingen mit dem Manager Buster Lake, der zugeben muss, dass zwei der drei Opfer Mitglieder waren.
Kaum sind sie draußen, kloppt der fiese Manager auf einen (wie üblich bärenstarken, riesenhaften) angestellten Farbigen namens Ramon ein, der ein kindliches Gemüt hat und allerlei Drecksarbeiten erledigen soll, was einem netten Mitglied namens Dr. Berger (soso…) gar nicht gefällt.
Derweil geraten die Polizisten an Parkers Sekretärin, die unfreiwillig dazu beiträgt, das letzte Opfer zu identifizieren – und auch er war Mitglied im MAN Club, da muss doch was Böses hinter stecken.
Weitere Ermittlungen laufen nicht so glücklich: Phil pirscht sich an den Club ran und kriegt ordentlich was auf Hirn, Warner trifft sich mit einem Informanten namens Harry Stone, der just an der Stelle des Satzes abbricht, um sich sein Wasser abzuschlagen, als er gerade verraten will, wofür der Club nur Tarnung ist. Prompt wird er auf dem Klo per Drahtschlinge gemeuchelt.
Die Polizisten erbetteln sich in der Folge einen Durchsuchungsbeschluss für den Club – finden dort aber nur eine geheime Spielhölle vor.
Weil die Polizisten (und der Roman) jetzt an einem toten Punkt sind, kommt nun der Zufall ins Spiel: ein mittelalter Argentinier namens Carlos Alvarez, der seine Ersparnisse in ein Geschäft in New York investieren wollte, wird von einem Unbekannten derb (und naiv) über den Tisch gezogen und um seine Kohle gebracht. Während er ruhelos durch die Straßen streift, findet er durch Zufall den schwarzen Lincoln des Betrügers wieder und folgt ihm per Taxi durch die Stadt. Als er ihn zur Rede stellt (recht handgreiflich) wird er von einem baumlangen Farbigen namens Ramon niedergeschlagen und bekommt eine Injektion in den Arm.
Als er wieder erwacht, befindet er sich inmitten von zahlreichen Leichenteilen in einem abbruchreifen Haus (die sich bewegenden Leichenteile stellen sich als Angsttraum heraus) , kann es aber wegen des roboterhaften Farbigen an der Tür nicht verlassen. Mittels einer gebastelten Fackel treibt er seinen Bewacher in die Flucht. Weil er dann zur Polizei läuft, haben Warner und Korner wieder ein Spur. Leider hat das Mittel in Alvarez‘ Blutkreislauf eine fatale Nebenwirkung: es zersetzt langsam aber sicher die Gehirnzellen, so dass der Argentinier immer schwächer wird. Er kann aber noch den Tipp mit dem Lincoln und einem eindeutigen Fingerzeig im Auto geben.
Dieser Fingerzeig, die Initialen B. B.führen Warner zu Dr. Benjamin Berger, der in Wirklichkeit ein verkannter Wahnsinniger mit einem noch durchgeknallteren Plan ist.
Berger hat inzwischen den Kollegen Morelli in seine Gewalt gebracht und infiziert und lockt auch Warner und Korner in eine Giftgasfalle, aus der sie jedoch entkommen können. Dann hetzt er den Riesen Ramon auf die beiden, der beiden nach Kräften die Fontanelle eindellt, bis ihnen nichts Besseres mehr einfällt, als ein Magazin in ihren Angreifer zu entladen. Dabei entdecken sie auch eine Art implantieren Sender hinter dem Ohr des Toten, der aus dem sanftmütigen Riesen einen Mordroboter gemacht hat. Morelli können sie leider nicht mehr retten, doch Berger muss fliehen und fährt zu dem Haus, in dem Alvarez gefangen gehalten wurde.
Als sie selbiges stürmen, hat der Irre das Gebäude schon in Brand gesetzt und die Polizisten können nur im letzten Moment entkommen. Berger verbrennt freiwillig.
Und weil das alles noch nicht so viel Sinn ergibt, findet parallel der Polizeiarzt Dr. Miles Bergers Aufzeichnungen und klärt den ganzen Kokolores auf: Berger hat das gehirnkontrollierende Implantat genauso erfunden wie eine gefährliche Hypnosedroge, die Ängste nehmen soll, aber zufällig das Gehirn zerstört. Mittels seiner Versuche, vorzugsweise an seinen unwilligen Patienten (die Clubmitglieder), kam er nebenbei auch gleich noch an größere Geldsummen, die die Opfer unter Hypnose „freiwillig“ von ihren Konten abhoben.
Wir können alles aufklären, solange es nur ein Irrer getan hat!
Klingt alles nicht ganz spektakulär, oder?
Klingt eigentlich wie ein stabiler „Jerry Cotton“-Roman, bei dem man die Jagd auf einen Serientäter mal eben mittels einer ominösen Hypnose/Droge zu einem Gruselroman aufgeblasen hat (naja, man hat es halt versucht).
Mehr ist das Ergebnis dann auch nicht, ein solider, zumindest in Ermittlungsangelegenheiten ordentlich geschriebener Krimi, der lediglich dort Schwierigkeiten hat, wo er unheimlich sein soll.
Dass Dr. Berger der Finsterling sein muss, wird dabei recht flugs klar, spätestens wenn Berger erst als behandelnder Arzt und dann als Clubmitglied auftritt (und ein recht freundliches noch dazu), aber der Autor bemüht sich, die Erzählfäden noch etwas zu verwirren, indem er in die Mad-Scientist-Story noch schnelle einen rätselhaften Club mit illegalem Glücksspiel einbaut, ein Ort, an dem sich die Parallelhandlungen überschneiden.
Leider wollen nicht alle Puzzleteile so formschön passen: man braucht schon die vorletzte Seite, um zu registrieren, was die Mordopfer zu solchen gemacht hat und wie sie ihr alptraumhaftes Schicksal erleiden mussten. Offenbar war Berger der Täter, verifiziert wird das aber nicht.
Der Rest des Romans hat weiträumig mit diesen Mordermittlungen und Vorgängen weniger zu tun, allein die Zwischenspiele bleiben mysteriös: da wird erst Korner kaputt geprügelt von einer Gruppe von Schlägern, die man zunächst beim Killer verortet, die aber wohl doch zum Spielclub gehören.
Aber Korner dürfte dann der einzige Polizist sein, der so einer handfesten Fährte nicht nachgeht, solange er nicht umgebracht wird.
Der Mord an dem Informanten ist noch rätselhafter, weil unmotivierter, denn Stone wollte Warner nur erzählen, was hinter dem Club steckt: hier haben die Macher offenbar aber keine Skrupel, den Mann zu erwürgen. Wenn es denn die Gangster waren.
Der Rest vom Fest (ca. das letzte Drittel) dreht sich dann um die Jagd auf den eigentlichen Täter, eine handfeste Verfolgungsjagd mit ordentlich Kloppe und allem was dazu gehört, mit dem obligatorischen Hausbrand als finales Sahnehäubchen (sehr originell, hat es ja noch nie gegeben).
Das ist alles so raum- wenn auch nicht magenfüllend, dass man das alles nachträglich noch erklären muss, leider sogar indem man die Aufzeichnungen des Irren im Nachgang liest.
So finden die „gruseligen“ Teile dann doch noch zusammen, aber es erscheint unwahrscheinlich, dass man damit auch nur ein Kätzchen hätte vertreiben oder aufschrecken können.
Berger selbst ist dabei der größte Schwachpunkt, denn ob er nun irre mit oder ohne Kontrollverlust ist, hängt total von der jeweiligen Situation ab. Er will Ramon helfen, macht den Farbigen dann aber mittels Schmerzinduktion zu einem Mordgesellen. Er entwickelt Mittelchen, hat aber eine mutierte Profilneurose und sucht sich vogelwild Versuchstiere unter seinen Patienten, nur weil die eben dies gar nicht sein wollen. Und geldgeil ist er wohl auch noch, zumindest wird das erwähnt.
Inkonsistenz ist wohl das Attribut, dass ich am ehesten mit seiner Zeichnung verbinde.
Aber naja, er hat ne Macke!
Alles in allem also etwas für Freunde des nicht ganz so Übernatürlichen, eher handfeste Kost und damit nicht schlecht, wenn auch mit der heißen Nadel auf Grusel gestrickt.
Immerhin, ich habe wesentlich schlechtere Romane gelesen, mit kurioseren Elementen und gröberen logischen Schnitzern, nur glaube ich kaum, dass der Autor eine große Zukunft im Horrorgenre hatte, gerade deswegen hätte mich die Identität durchaus interessiert.
Ein Zwitter also, aber immerhin ein gut lesbarer.
Vielleicht sind ja die noch „anonymeren“ Romane am Ende die interessanteren, weil man sie nicht automatisch im Oeuvre eines anderweitig bekannten Autors verortet und so gleich abkategorisiert.
Bleibt zu schauen, ob sich da nach den Mongos noch andere Schätze finden lassen...
Kommentare
Und nachdem ich Jahre später in diverse reingelesen habe, hat sich mein Urteil nicht geändert. Der konzentrierte Durchschnitt und meistens nicht mal das. (Nicht, dass die Nicht-Mongos da besser gewesen wären.) Da ist auch nicht ein Roman hängen geblieben, weil die Idee mal originell oder der Stil besser gewesen wäre.