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»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Gefangen in der Spiegelwelt (Gespenster-Krimi 398)

Schön war die Jugendzeit? -  Ausflüge in die RomanheftvergangenheitAusflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Gefangen in der Spiegelwelt«
Gespenster-Krimi 398 von A.F. Morland (Friedrich Tenkrat)

Vierter Versuch – jetzt aber!!! Vielleicht aufgrund glücklicher Umstände fehlt mir ein ganzer Block von Beiträgen rund um den Dämonenhasser Tony Ballard (da fällt mir wieder auf, wie überemotional diese Hauptfigur manchmal gezeichnet ist…), so dass ich erst mit dem nun schon 50.Beitrag Friedrich Tenkrats zurück kehre, geschrieben so um 1981.


Es handelt sich dabei um einen der ersten TB-Romane, die ich damals als Jugendlicher aus dieser Serie abgriff, weil ab Band 388 die wackeren PR-Strategen dazu übergegangen waren, die Abenteuer dieses Helden mit einem Hinweissticker auf dem Cover zu versehen („Mit Tony Ballard“), was die Auswahl im Romangebrauchtladen (ja, so etwas gab es damals in den Großstädten noch reichlich, heute muss ich die Butzen mit der Lupe suchen dank Ebay…) natürlich stark vereinfachte.

Fast schon erfreulich war, dass ich mich an den Roman überhaupt nicht mehr erinnern konnte (aber wirklich mal Nullinger), weniger erfreulich war das Déjà-vu, ein zweites Mal übertölpelt worden zu sein, denn ich hatte mich auch damals darauf verlassen, dass mit der Erwähnung der Spiegelwelt im Titel auch einer der Großdämonen hier einen sensationellen Auftritt haben würde.

Tatsächlich ist der Titel genauso irreführend wie das komplett unpassende Titelbild (weder Frauen noch Kerzenleuchter und auch kein Skelettkapitän in diesem Roman) und auch Ajax, der Herr der Spiegelwelt findet höchstens im Gespräch kurze Erwähnung.

Modern gesprochen: die ganze Story ist ein einziger großer Teaser für „coming attractions“.

Als ich den Roman kaufte, war mir die Serie schon längst ein Begriff und konnte vor allem durch eine erkleckliche Anzahl wiederkehrender Gegner und ein erfreulich großes Helferteam punkten, eine Tendenz, die bei meiner Favoritenserie bis dahin, „John Sinclair“, seit dem fröhlichen Niedermachen der Mordliga und der Großen Alten leider rückläufig war.

Da standen sie dann neben dem unvermeidlichen Asmodis alle Spalier : Mago, Phorkys, Atax, Rufus und wie sie alle hießen und Tenkrat konnte praktisch in jedem Roman einen neuen Supergegner aus dem Hut zaubern, der sich einen finsteren Plan ausgedacht hatte, den es zu vereiteln galt.

Das machte den meisten Spaß aus, doch in der eigentlichen TB-Serie waren die finsteren Typen alle zu Beginn längst etabliert und so interessierte man sich doch für die Einführungen und Erstauftritte und begann die alten Gespenster-Krimis zu durchwühlen.

Dass die Einführungen manchmal gar nicht so spektakulär ausfielen (wie eben neulich bei Mr. Silver), war da schon fast Nebensache, aber ein leichtes Betrogenheitsgefühl hat mein fünfzehnjähriges Selbst wohl aus diesem Roman mitgenommen.

Hier also jetzt ein Roman über die Spiegelwelt, nur ohne Spiegelwelt und ohne den Herrn der Spiegelwelt, der zwar für den ganzen Sums verantwortlich zeichnet und dem der Ausgang sicher nicht gefällt, der aber nie persönlich das Wort ergreifen darf. Immerhin, der Name „Atax“ fällt, nicht ganz sowas wie Blofelds Stimme, Hände und weiße Katze, aber immerhin.

Stattdessen macht Tenkrat hier flotten Dienst nach Vorschrift und rattert einen „Freund-in-Not“-Standard vom Typischsten runter, offenbar war Frank Esslin einfach mal wieder dran.

Durch diese Lücke zwischen diesem und letzten Roman kann ich jetzt nicht von der Einführung des frühen Star-Dämons „Rufus“ berichten, aber schlussendlich kann ich positiv berichten, dass Tenkrat hier endlich seine fröhliche Schreibroutine gefunden hat, die die Romane um den Dämonenhasser so gut und flüssig lesbar machten. Natürlich heutzutage mit gewissen kuriosen Einschränkungen, aber sonst gäbe es auch diese Kolumne wohl nicht…   

Gefangen in der SpiegelweltTreffen sich vier Männer, besaufen sich, gucken Pornos und bestellen Nutten…
...so kann man den sehr, sehr flotten Start in diese Story definieren und was damals irgendwie im Lesefluss nicht so auffiel, das sorgt heute doch für den einen oder anderen irritierten Blick.

Frank Esslin, Arzt und Vertreter der WHO-Gesundheitsorganisation leistet sich nach seiner Rückkehr nach New York mal wieder einen lockeren Herrenabend mit drei guten Freunden. Ausgerichtet wird das fröhliche Besäufnis von seinem Freund Hec Polanski, der Frank und seinen Bekannten Derek Morwenna und Cristobal Gerrick zu einem gut ausgearbeiteten Programm einlädt: erst wird ordentlich druckbetankt, danach setzt sich das Herrenquartett zu ein paar einschlägigen Filmen zusammen und später um die Geisterstunde herum sollen die vier gemieteten Hoppelhäschen vorbei kommen und die Proseccovorräte dezimieren...

Zum Glück greift die Hölle vor dem Jugendschutz ein und sendet einen grauen magischen Pfeil aus, der in der schon recht erhitzten Wohnstatt detoniert. Daraufhin fällt die Testosteron-Bridgerunde kollektiv in Bewusstlosigkeit.
Als Erster wieder  in der Waagerechte ist Frank, während seine Kumpels etwas länger brauchen. Frank denkt natürlich sofort an schwarzmagische Einflüsse und weil Polanski sowieso sofort das baldige Ende ihres Lebens befürchtet, informiert er vorsorglich mal Kumpel Tony in London über das Geschehene.

Leider kommen die Mädels vor Tonys Atlantiküberquerung in der Wänner-WG an und bieten sofort eine gute Altherren-Vorstellung von sexuell-monetär motivierten Engagement an, während die Herren eigentlich erstmal Hemd und Hose auslüften müssten.
Doch es kommt gar nicht mehr zu Schlüpfrigkeiten, denn Polanski verwandelt sich plötzlich in ein zähnefletschendes Monster und attackiert eine der Schönen, die arme Rosina. Vor Hecs Würgegriff gibt es kein Entkommen, trotz enthemmten Kampfeinsatzes und erst als die Gute tot ist, schafft es Cristobal, Polanski mit einem Ascher zu erschlagen.

Das ruft – nach einiger Gegenwehr der Mädels – die Polizei in Gestalt von Lieutenant Quinto Fiorentini (Bombenname!!!) auf den Plan, der den geschilderten Einfluss des Okkulten verwirft und die Schuld an Mord- und Totschlag einer Überdosis LSD zuschreibt.

Die drei verbleibenden Herren der anfänglichen Runde landen in einer Zelle auf dem Revier, wobei Derek Morwenna sich besonders aggressiv gebärdet.
Als Fiorentini gerade den als Ersten zum Verhör bittet, eskaliert die Situation: auch Morwenna verwandelt sich in ein Monstrum, zerstört das halbe Revier und geht stiften. Kugelsicher scheint er zudem auch noch zu sein.

Tony und Mr.Silver sind indessen mit Tucker Peckinpahs Privatjet Richtung New York abgeflogen und der Silberdämon ergeht sich mal wieder in nicht erklärten, düsteren Andeutungen.

Morwenna attackiert indes auf seiner Flucht den mittelmäßigen Schauspieler Spencer Brinkley auf offener Straße, verfolgt ihn und beißt ihn zu Tode. Kurz darauf erschießen ihn die verfolgenden Beamten in einem Park, jetzt erfolgreicher mit ihren Kugeln.

Im Revier leistet Fiorentini Abbitte und schickt Gerrick und Esslin nach Hause, obwohl Frank lieber in sicherem Gewahrsein geblieben wäre.
Parallel dazu treffen auch Tony und Silver in Franks Wohnung ein und diskutieren erst einmal alle bestehenden Fakten. Silver bringt die sogenannte Spiegelwelt ins Spiel, wo alles Gute oder Böse dann jeweils ins Gegenteil verkehrt würde. Insofern hätte man das Gute in den vier Männer gegen gerade noch so schlummerndes Böse ausgetauscht, welches sich nach und nach Bahn bricht.
Tony rechnet mit Gerricks baldiger Verwandlung, war er doch länger unter der Einwirkung des Pfeils als Frank. Als Tony und Silver nachschauen wollen, ist Gerrick längst getürmt.

Während Tony erstmals den Namen „Atax“, des Herrn der Spiegelwelt und der „Seele des Teufels“ hört, verfolgen er und Mr. Silver Gerrick bis in eine Tanzschule, wo der Besessene die hübsche Dolores Cox angreift und sich dabei endgültig verwandelt.
In einem harten Kampf können sie vermeiden, dass Gerrick jemanden tötet (woraufhin er wieder verwundbar gewesen wäre) und ihn schlussendlich mit magischen Kräften still legen.

Derweil sperrt Vicky Bonney vorsichtshalber den beunruhigten Frank im Keller des Hauses ein, um bei einer kommendenVerwandlung eine Tür zwischen sich und ihm zu haben. Natürlich erwacht das Böse in ihm und Frank versucht sich erfolglos aus dem Gefängnis heraus zu argumentieren. Also bemüht er monströse magische Kräfte und befreit sich, kann aber die gerade noch rechtzeitig zurück gekehrten Tony und Silver nicht bezwingen.

Die beiden betäubten Monstren werden dann mittels eines komplizierten magischen Rituals wieder zum Seelentausch gezwungen, bei dessen Durchführung sich die guten UND die bösen Gerricks und Esslins materialisieren. Doch unsere Helden bleiben siegreich und eine Rache des bösen „Atax“ wird in Aussicht gestellt…

Das sind die Beine von Dolores…
Ich stelle immer wieder fest: das Langweiligste in den TB‘s, mal abgesehen von den seitenlangen Inserts rund um potentielle Zwischendurchopfer (hier z.B. Dolores und ihr Tanzlehrer oder eben Spencer Brinkley und für Koitus nicht ausreichend karrieregeile Schönheit), sind die Showdowns, in denen immer diese fulminanten Spencer/Hill- aka Silver/Tony-Battles stattfinden, kurz nachdem der sonst eher inaktive Silver (hier ist er wortkarg, weil abergläubisch, damit die Lösung des Falls nach hinten rausgeschoben werden kann) mit einer Erklärung und einer möglichen Lösung um die Ecke gekommen ist.

Klar, dass Tenkrat seine Allzweckwaffe Silver nicht ultimativ einsetzbar machen wollte (weswegen sie auch verschiedentlich ihre Kräfte verlor oder die Seiten wechselte), aber das Verschweigen von möglichen wichtigen Fakten, weil der Silberdämon nun heute mal abergläubisch sei, gehört zu den „plot devices“ via Vorschlaghammer, die ich heute so gar nicht mehr liebe.

Ansonsten ist dieser Roman übersichtlich, rund und flüssig weggeschrieben, hat nicht mehr ganz so viele Füller und wieder mal eine Reihe von Figuren, denen man keine Kante ans Bein labern muss, ehe sie die Existenz des Bösen als aktive Kraft akzeptieren. Ist halt so bei Tenkrat, läuft! Vielleicht auch in Sachen Tempo keine schlechte Lösung.

Die Bedrohung an sich kommt allerdings aus der Mottenkiste, wobei die Eroberung von gerade mal vier (bzw. acht, die Mordopfer zählen auch dazu) Seelen den betriebenen Aufwand via magischen Pfeil niemals rechtfertigt. Man hätte den magischen Zünder ja auch per Pizza liefern lassen können, aber so ist es halt einprägsamer.

Wie die Chose mit dem Abzählreim ablaufen wird, dürfte schnell klar sein und das temporäre Problem der Kugelundurchlässigkeit (vor dem ersten erfolgt Mord jedes Monstrums) kapiert auch jeder Zehnjährige recht schnell, ehe es noch einmal durchkonjugiert wird. Die entstehenden Bestien (wir erfahren nur: Monsterfratze, Amoklauf usw.) sind wenig aufregend und bestenfalls unterer Mittelklassestandard: mal würgen sie, mal beißen sie, das war es dann.

Das beste Stück Aktivität geht wieder mal an Nebenfigur Frank Esslin, der sich mit Vicky dann ein boshaftes „Lass mich raus“-Duell liefern darf, welches aber vom Ablauf her auch ziemlich schnell fest steht, andernfalls wäre Schnuckelchen wirklich zur Deppentrine mutiert und ich glaube nicht, dass Tenkrat ob seines etwas wackligen Geschlechterweltbilds (oder das, was er in den Romane dafür ausgeben musste) das wirklich wollte.

Die kleinen Augenbrauenheber in diesem Roman sind lediglich die LSD-Vermutungen der New Yorker Polizisten, die sich echt unheimlich gestalten und vermutlich von Warnbroschüren und einschlägigen Exploitationfilmen inspiriert waren.

Noch lustiger ist die zu Beginn angedeutete Männerparty, wo die heißen Streifen (denen Frank hier sogar einen „künstlerischen Wert“ zuspricht), noch per Filmprojektor auf die Leinwand geworfen werden. Man bedenke, 1981 war ein Videorekorder noch nicht in jedem Haushalt zu finden! Und Pornos liefen manchmal noch auf Kinoleinwänden.

Natürlich ist Esslin kein Typ, dem man ein käufliches Haserl bestellen kann und er fasst (NATÜRLICH) insgeheim den Plan, nach den Pornos und vor der Penetration zu verduften – das alles sind Szenen, die damals gewagt-witzig sein sollten, heute einen gewissen Fremdschämreflex auslösen. Im Film hätten sie vermutlich besser funktioniert.

Dennoch, kein wichtiger, aber bisher der rundeste TB-Roman und der Erste, der beweist, was für einen Entwicklungsprozess dieser Serienheld durchgemacht hat und wie Tenkrat seinen Tony entwickelte.
Und diese Phase sehen wir uns in den kommenden Folgen noch ein wenig an...

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