»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Die Todesgöttin (Gespenster-Krimi 400)
Ausflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Die Todesgöttin«
Gespenster-Krimi 400 von Frank deLorca (Gerhard Hundsdorfer)
Hier jetzt also das volle vierte Hundert von Bastei und nicht mal ein namhafter Geisterjäger durfte antreten, stattdessen ein simpler Einzelroman von Gerhard Hundsdorfer, der ja ein mehr als solider Schreiber, aber eben doch ein Vielschreiber war – gab es da denn wenigstens etwas mehr zu entdecken, ein gewisser Kniff, ein schöner Handlungsort?
Ja, und zwar die Exotik von Indien.
Schwüles Wetter, rückständige Umgebung, postkolonialer Hintergrund und obendrauf natürlich – das sagt ja schon der Titel – die vielfarbigen Hindugottheiten.
Ehrlich gesagt hatte ich bei dem Titel auf etwas Abseitigeres gehofft, aber dann war es doch die gute alte Göttin Kali, die hier allerdings unter dem Alias „Durga“ antritt. Und das dann auch nicht wirklich persönlich, sondern in Form einer robusten messerwerfenden (was sonst?) Sekte und einer fieseligen Riesenschlange.
Klingt alles schön bunt? Ist es auch!
Geschrieben im seligen Jahr 1981 kann man rückblickend es kaum vermeiden, einen vergleichenden Blick etwa auf das zweite Indiana-Jones-Abenteuer zu werfen, das ein ähnliches Sujet verfolgte, komplett mit einem alten Palast, einem Radja unter übernatürlichen Zwängen, Geheimgängen und einem augenrollenden Gegner, der rachegeifernd jedes noch so freundlich vorgetragenes Friedensangebot ausschlägt. Fehlt nur noch eine Lorenfahrt durch eine Mine.
Diese lustigen Pulp-Wurzeln kommen dem Roman zugute, wenn der übernatürliche Faktor auch nur unzureichend entwickelt scheint und in der zweiten Hälfte dann gänzlich kippt, wenn man schlussendlich sieht, wer den Finsterlingen am Ende den unvermeidbaren Garaus macht, nämlich nicht der anglizierte Held mit der Parabellum.
Was in der ersten Hälfte dann aber noch funktioniert wie geschmiert – wie im letzten Roman beeindruckte mich die Story durch eine sehr flüssige erste Halbzeit – gerät dann später zunehmend etwas uneben, wenn der Autor sichtlich bemüht ist, die scheinbar ausweglose Situation der „Helden“ in eine dramaturgisch funktionierende Problemlösung umzusetzen und dennoch auf die nötige Seitenzahl zu kommen.
Wie schon so oft werden sich dann die nötigen Schwierigkeiten gebastelt und Hindernisse ausgelegt, bis gegen Ende die Kaninchen gleich in Reihe aus dem Zylinder gezogen werden, damit nicht nur drei wackere Krieger gegen Dutzende von blutdurstigen Durga-Jüngern antreten müssen.
Zum Beweis also jetzt die Synopsis…
Der Lord ist fort… *
Na gut, vielleicht war er auch Baronet! Henry Portland, seines Zeichens ehemaliger Kolonialoffizier (natürlich in Indien) hat ganz tief in die Besteckkiste gegriffen und nun versammelt sich die glücklichen und weniger glücklichen Erben, um sich am Nachlass zu bereichern.
Der Hauptteil fällt – das ist ja wohl klar – an das knackige Mägdelein im bald schon knappen T-Shirt, die Lieblingsenkelin Jennifer Portland, herzensgut und gar nicht gierig.
Zu Titel und umfangreicher Penunse gehört noch ein Überraschungspaket, denn ein Palast im fernen Udaipur, eine Schenkung des Maharadschas hat Großvater gleich noch mit drauf gelegt.
Wenn man schon einen Palast bekommt, darf man entsprechend ganz aus dem Häuschen sein, doch Jennifer und ihr knorker Anwalt Morton Scott haben so gewisse Bedenken (ist ja nicht um die Ecke), hat doch Opi an eine Ecke des Schriftstücks noch gekritzelt: „Hüte dich vor der Schlange!“
Bissl kryptisch könnte man meinen und das stimmt auch, denn darüber werden sich die Figuren noch mehrfach während der Story erregen. Bevor Jennifer zur indischen Landedelfrau erblüht, will sie aber noch einen Blick auf das Anwesen werfen und dafür hat sie vierzig Tage Zeit.
Der rasante Morton ist natürlich mit von der Partie, denn wie so viele erfolgreiche Anwälte in England war er zuvor – latürnich – Inspektor bei Scotland Yard. Nebenbei kocht ihm natürlich bei seiner Mandantin schon der Sud, aber die ist einer nicht nur juristischen Verbindung wohl auch nicht ganz abgeneigt, weswegen sie auch schon bald regelmäßig in die Kiste springen.
In Indien verpassen sie – angeblich – ihr letztes Flugzeug und müssen mit dem Zug nach Udaipur reisen. Just angekommen werden sie sofort am Bahnhof auf einen zwergenwüchsigen Schlangenbeschwörer mit einer riesigen Kobra aufmerksam, der eine sehr beschwörende Wirkung auf Jennifer hat. Kaum hat man sich dem finsteren Zwerg entzogen, stellt sich schon ein blinder Greis in ihren Weg und lässt erneut den „Hüte dich...“-Spruch vom Stapel.
Per Taxi lässt man sich ein Hotel empfehlen und bekommt Doppelzimmer mit Seeblick (Jennifer schläft nun bestimmt nicht mehr allein, aus vielerlei Gründen). Draußen erhebt sich am Seeufer gegenüber der Radja-Palast und nebenan die Dhesai-Butze, die der Baronet vererbt hat.
Kaum angekommen, steht schon der nächste Gast in der Tür: Anwalt Pattaya Singh ist ein Kollege eines britischen Kollegen und steht zu Diensten, vor allem auch beim Übersetzen. Scott ist misstrauisch und überprüft das in London telefonisch, doch alles scheint in Ordnung zu sein – leider war der Brite zuvor nicht ganz so vorsichtig gewesen und hatte dem lieben Taxifahrer alle Infos zukommen lassen, die man so braucht als Verschwörer. Singh ist recht gewitzt und klärt schon mal auf, dass es im Dhesai-Palast umgehen soll, dass nahebei ein sinistrer Tempel steht und dass seit dem letzten Ausstieg aus einem Flugzeug eine gewisse Khand-Sekte jeden ihrer Schritte begleitet hat.
In der Nacht beobachtet Morton dann auch Lichter im Palast und noch später bekommen sie Besuch von einer holden Riesenschlange, die aber wieder Leine zieht, als Morton wach wird. Geschickt hatte sie der Zwerg.
Am nächsten Morgen begleitet Singh die beiden dann zum Radja, um dort die nötige Aufwartung zu machen – unangenehm ist nur die penetrante Anwesenheit eines kahlköpfigen Hutzelsekretärs namens Gomar, der offenbar mehr weiß und denn Radja latent in der Tasche hat. Der freut sich dennoch über mögliche neue Nachbarn und ordnet eine Schiffspassage zum naheliegenden Erbstück an, damit Jennifer und Morton sich das Haus ansehen können. Leider ist Gomar mit von der Partie.
Im Haus findet man eine grässliche Götzenstatue der Durga, auf die ein abgetrennter Schlangenkopf gespießt ist – offenbar ein Überbleibsel der löblichen Tat, die Sir Henry vor vierzig Jahren vollbrachte, als er den damaligen Radja vor der Schlange rettete (inclusive Durchbohren des größten ihrer Diener, Sadoo) und für die er den Palast geschenkt bekam.
Jennifer hat eigentlich keine große Lust mehr auf einen Umzug nach Indien und der naheliegende Kali-Tempel auf einer kleinen Insel behagt ihr noch weniger. Also entscheidet man sich schnellstens für einen Verkauf, für den man Singh einspannt – den Radja will man aber erst am nächsten Tag über diese Entscheidung unterrichten.
Leider verspäten sich die Herren am kommenden Nachmittag zum vereinbarten Termin, also fährt Jennifer allein zum Radja, der sich nicht eben begeistert zeigt, dass sie das Gebäude für Knete losschlagen wollen. Als sie zurück zum Hotel schippern will, betäubt sie jedoch Khandry einer der Mitglieder der Khand-Sekte mit den signifikanten Narben und entführt sie.
Bald darauf wacht Jenny in einem robusten Kerker unter dem Durga-Tempel wieder auf und kann auch durch nichtmonetäre Schenkungsabsichten keine Freilassung erreichen. Stattdessen soll sie, wie so üblich an jedem sechsten Vollmond per Schlange und Messer der Göttin Durga geopfert werden – weil Großvater damals eben nur halbe Sachen gemacht hat.
Tatsächlich ist der bösartige Zwerg der besagte Sadoo, den man genauso wenig so einfach meucheln kann wie die Riesenschlange, die nämlich zwei Köpfe hat und praktisch gleichzeitig mit ihrem besten Diener draufgehen müsste. Zum Glück ist erst in zwei Tagen Vollmond und Jennifer hat Galgenfrist.
Scott und Singh kommen schon bald auf den richtigen Trichter, was denn nun wieder passiert ist und schiffen sich zum Radja-Palast ein. Dort macht Morton ein richtiges Fass auf, scheisst Gomar zusammen, verlangt aber leider nur die Schlüssel für Dhesai, wo die gute Jenny ja nun leider nicht ist.
Jenny hockt derweil geknickt im Kerker und versucht vergeblich, ihren Entführer Khandry zu bestechen, der selbst tierisch Muffe vor der Riesenkobra hat.
Nach dessen Abgang kriegt sie Besuch von dem blinden Alten vom Bahnhof, genannt Mamatu, der einstmals ein Diener des großen Ganesha war, bis er von der Riesenschlange gebissen wurde.
Wo andere stantepede verrecken, hat Mamatu nur sein Augenlicht verloren und nähert sich tapfer seinem unsterblichen hundertsten Geburtstag.
Und noch ein Überraschung hat er dabei: das heilige Messer, mit dem man die Schlange meucheln muss. Nun muss Jennifer nur noch entkommen und zum Ganeshatempel kraulen.
Scott und Singh haben inzwischen im Dhesai einen seit 30 Jahren nicht bemerkten Brief Sir Henrys gefunden, den er wohl mal besser mit nach England genommen hätte und wo die ganze Backstory von vor 40 Jahren noch mal zusammenfaselnd erläutert wird. Er verrät auch den Lageort des heiligen Messers, was die Herren dann später aber – logo – ergebnislos suchen.
Mit dem Dolche hat sich Jennifer beim nächsten Verpflegungsbesuch Khandrys befreit und hechtet in die Fluten zur Ganesha-Insel, wo Mamatu in der Gestalt eines brennenden Dornbuschmannes (ahem…) schon auf sie wartet.
Als Scott und Singh ihr Verlies später aufstöbern, werden sie von der Sekte angegriffen und nur Scott gelingt die Flucht. Derweil wird der Radja endlich vom Pflichtgefühl gepackt, sich gegen die Khands zu erheben, doch Gomar und Sadoo locken ihn in einen Hinterhalt.
Scott hat sich nun zu Mamatu durchgeschlagen und bekommt von ihm das heilige Messer zwecks Schlangenköpfung zurück gegeben und darf Jennifer kurz in seine Arme schließen.
Gemeinsam aktiviert man die fleißige indische Polizei und attackiert dann punktgenau zum Vollmond die Geheimbündler, just als sie den Radja und Singh opfern wollen. Und weil es so raucht und qualmt, nimmt Mamatu dem guten, aber nicht sonderlich effektiven Morton das heilige Brotmesser wieder ab und meucheln seine dämonischen Widersacher einfach selbst.
Jetzt aber wieder ab nach Europa…
Hey, ist das ein Dolch, den ich dort vor mir sehe? **
Ja, man merkt es dem Ende der Inhaltsangabe sicherlich an – das letzte Drittel macht nur bedingt irgendwelchen Sinn, weil der Autor sichtlich bemüht war, die nötigen Seiten mit ausreichend Action zu füllen. Besonders horrible Gruseleffekte sind und waren da übrigens nicht zu erwarten, der Horrorfaktor beschränkt sich auf den Giftzwerg, die nicht sonderlich eindrucksvolle Riesenschlange und wenn man so möchte, den brennenden Tempeldiener, die Stimme aus dem Dornbusch. Ansonsten könnte das auch ein britischer Thug-Sekten-Thriller nach Schema F sein.
Das kurioseste Artefakt dieses Plots ist übrigens das – recht unscheinbare – heilige Messer, dass am Ende blitzfix in einem Satz das Reptil und den Zwerg aufschlitzt, vorher jedoch so etwas wie der unglückliche MacGuffin sein muss, nie dort wo man ihn braucht.
Morton scheint man als „hero of the day“ erkoren zu haben, doch abgesehen von seinen gut gefüllten Magazinen kriegt er auf der mystischen Seite leider nicht viel zustande und der Mangel an übernatürlichen Elementen muss sogar Hundsdorfer aufgefallen sein, denn als es hart auf hart kommt, muss der zahnlose blinde Greis den Tag retten, nachdem er ein Stündchen zuvor das rituelle Schneidwerkzeug gerade zwecks Prophezeiungserfüllung erst aus der Hand gegeben hatte.
Naja, ein schönes Indienabenteuer, rasant und mysteriös am Anfang (natürlich stolpern die Europäer total ahnungslos in die fremde Kultur und fragen ausgerechnet bei der Figur nach, der sie voll und ganz vertrauen können) und überdies ein bisschen klischeehaft. Die bösen Khands haben oftmals drei Narben (so kann man sie leichter erkennen), der Erzböse ist klein, der fiese Sekretär kahl und verwachsen, die Kobra mit ihren Augen aus dem Dschungelbuch (Disney).
Später wird es dann sehr auffällig verwandt mit einem gewissen Dr.Jones, doch Hundsdorfers Radja-Plot war ja vorher da, dafür gebührt ihm die Ehre. Allerdings inszeniert er diesen und andere Drehs rund um Figuren, die sich als Sektenmitglieder entpuppen viel zu offensichtlich, um einen Überraschungseffekt auslösen zu können, denn entweder gebärden sich die Finsterlinge so offensichtlich wie Knallchargen oder es rutscht ihnen ein verschwörerischer Blick mit einem heimtückischen Grinsen heraus. Da büßt der Autor einiges an Wirkung ein.
Ansonsten eine passable Abenteuerstory mit sehr wenigen Facepalms, vielleicht keine wirkliche Krönung der Serie, aber jetzt auch kein erzählerischer Tiefpunkt – stattdessen schon die zweite brauchbare Exotenstory in Reihung.
So macht das wieder viel mehr Spaß und als Nächstes versuche ich es wieder mit einer fast vergessenen Unterserie (sogar dem ersten Band), also drückt mir die Daumen…
*Im Gedenken an Roger Moore!
** John Wayne in Julius Cäsar
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