Ein Reiseschriftsteller zwischen Magie und Technik - Alexander Röder "Der Sturz des Verschwörers"
Ein Reiseschriftsteller zwischen Magie und Technik
Alexander Röder »Der Sturz des Verschwörers«
Einführung
Viele Produkte der Phantastik sind heutzutage Nischenprodukte, die oftmals in sogenannten Kleinverlagen erscheinen. Bei Karl Mays Magischer Orient sieht die Sache jedoch etwas anders aus. Wie der Verleger Bernhard Schmid vom Karl-May-Verlag auf der Leipziger Buchmesse verriet, hat man dort die Reihe mit einer Auflagenzahl von immerhin 5 000 Exemplaren gestartet.
Die Handlung
Der dritte Roman der »Karl Mays magischer Orient«-Reihe steht ganz im Zeichen des Schut. Und das ist kein Zufall! Der Autor erklärt dazu:
"...nachdem der erste und zweite Roman geschrieben waren, stellte sich heraus, dass die Geschichte des Kampfes gegen den Schut noch nicht auserzählt war, und so wurde der dritte Roman "Der Sturz des Verschwörers" gewissermaßen eingeschoben..."
(Alexander Röder im Gespräch mit dem Zauberspiegel)
Damit unterbricht der Band gewissermaßen, die in den ersten beiden Romanen erzählte Geschichte. Zu Beginn freilich sieht es noch ganz anders aus. Die ersten Kapitel hätten sich auch als Abschluss des zweiten Bandes "Der Fluch des Skipetaren" geeignet. Kara Ben Nemsi, Halef und Scheich Haschim dringen in das alte Versteck des Schuts vor und treffen dort auf den bekannten Erzbösewicht, seinen Bruder den Magier Al-Kadir und die Hexe Qendressa, die ihnen im letzten Band so übel mitgespielt hat. Die beiden Schurken werden im Kampf besiegt und auch der treue Kampfgefährte und Koch Abdi wird befreit. Der einzige Schönheitsfehler ist, dass Qendressa die Flucht gelingt. Bald nimmt sie wieder Kontakt zu den Protagonisten auf. Weil der Schut ihr die versprochene Belohnung für ihre Dienste verweigert hat, rächt sie sich und liefert den Schurken und seinen Handlanger Hamd el Amasat an Kara Ben Nemsi aus. Doch schon nach kurzer Zeit entkommt er erneut unter Einsatz magischer Mittel. Anscheinend ist auch sein Bruder der Magier nicht endgültig tot, sondern greift aus dem Geisterreich heraus in das Geschehen ein. Erneut heften die Helden sich also an die Spur des Schuts und erkunden dabei sein ausgedehntes Reich. Dabei bekommen sie unerwarteterweise Hilfe von Sir David Lindsay, dem das im ersten Band erbeutete Schachspiel gestohlen worden ist. Fabrikationsanlagen und Paläste werden erkundet, bis es endlich zum finalen Showdown kommt. Hier mischt dann auch Scheich Hassim wieder mit.
Beobachtungen
Alexander Röder betätigt sich ganz wie seinerzeit Karl May als Ich-Erzähler Kara Ben Nemsi. Wie es sich für einen Reiseschriftsteller gehört, gibt es ausführliche Beschreibungen von Land und Leuten. Diesmal geht es hauptsächlich um den Westbalkan, namentlich Albanien und Montenegro. So erfährt der Leser unter anderem etwas über die dortigen Speisen und Essgewohnheiten. Des Öfteren verliert sich der Erzähler in persönlichen Gedanken und Überlegungen. Dabei wird vorbildgerecht immer wieder der moralische Kompass herangezogen. Es gibt aber auch wiederholt Überlegungen zum Wesen der Magie, die mit Wissenschaft und Technik verglichen wird. Nachdem Kara Ben Nemsi im ersten Band noch die Existenz der Magie geleugnet hatte, sie als Aberglaube oder Taschenspielertrick abgetan hatte, ist er nunmehr restlos von ihr überzeugt. Doch nun treibt ihn die Frage um, wie er dieses Wissen um die Magie und die vorhandenen magischen Artefakte in sein Leben und seinen Reisealltag integrieren kann.
"Gab es Magie überhaupt, wenn man nicht an sie glaubte oder sie gar nicht als solche erkannte? Oder gab es sogar viel mehr Magie, als man es auch als Eingeweihter oder Erfahrener vermuten würde - weil man wiederum Dinge als natürlich ansah, wo sie vielleicht doch magisch waren?
...
Ich bezweifelte, dass die Zauberei an sich ein Teufelswerk war. Wenn sie zur Welt gehörte, dann war sie nicht böse, sondern es waren die schlechten Menschen, die sie für finstere Taten nutzten. Und dann war die Magie doch nur ein Werkzeug wie die Anwendung der Naturwissenschaften in der Technik. Mit diesem Gedanken konnte ich leben, wenngleich mich die Unterscheidung jener beiden Dinge wohl noch einige Zeit umtreiben würde. Denn wenn ich auch anerkennen musste, dass die Veränderung einer Landschaft auf eine gewisse Art und Weise wohl nur mit Magie zu bewerkstelligen war, so wollte ich doch nicht künftig in jedem kleinen Ereignis oder Ergebnis das Wirken von Zauberei sehen. Denn was würde es bedeuten, wenn ich, der ich zuvor nur Wissenschaft und Technik gesehen und daran geglaubt hatte, nun alles auf Magie und Zauberei beziehen würde? Dann hätten sich meine Weltsicht, mein Weltbild, meine Welt nicht erweitert, sondern wiederum eingeengt, nur in einem anderen Maße. Das wollte ich tunlichst vermeiden, um mir einen klaren Blick zu bewahren."
(S.397f)
Magische Artefakte werden in diesem Band nur behutsam eingesetzt. So eröffnen bestimmte Edelsteine magische Straßen im Reich des Schuts. Und auch der Mussadas, jenes Instrument zur Erkennung des wahren Charakters magischer Verzauberungen, spielt eine wichtige Rolle. Im Karaul des Schuts stoßen die Abenteurer auf allerhand wundersame Dinge und auch das letzte Refugium des Schurken, ein an ein Schiff erinnerndes Stahlhaus über einem Wasserfall hat allerhand staunenswerte Einrichtungen. Magische Kreaturen sind ebenfalls nur sparsam eingesetzt. Immerhin hat der Ifrit aus Alexander Röders "Die Zedern des Libanon" aus der Anthologie "Auf phantastischen Pfaden" seinen Auftritt.
Dafür gibt es wieder etliche Verweise auf zeitgenössische Literatur, Erfindungen etc.
Fazit
"Der Sturz des Verschwörers" ist der erste Band von »Karl Mays magischer Orient«, in dem keine neue Figur in den Mittelpunkt gestellt wird. Im Grunde geht es hauptsächlich um den Schut und seine Machenschaften. Von den althergebrachten Figuren bekommt immerhin Sir David Lindsay einige neue Facetten. Das gleiche gilt auch für Halef, der deutlich sebstbewußtere Konturen bekommt und mehr und mehr vom Helfer zum gleichberechtigten Partner Kara Ben Nemsis wird. Die neuen Figuren Al-Kadir, Scheick Haschim, Abdi und Qendressa müssen sich diesmal mit relativ kurzen Auftritten begnügen. Kara Ben Nemsis Gedanken und Überlegungen nehmen dafür breiten Raum ein. Wenn man genau liest, beweist Alexander Röder dabei einen feinen Humor, vorausgesetzt man kennt die reale Lebensgeschichte Karl Mays und kann sie damit vergleichen. Ich bin jedenfalls gespannt auf den Abschlussband von Röders Tetralogie, der im Herbst erscheinen soll.
Der Sturz des Verschwörers