»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Die einsame Schwester (Gaslicht Nr. 692)
Ausflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Die einsame Schwester«
Gaslicht Nr. 692 von Mona Farnsworth
Nach zwei beeindruckend robusten Mystery-Thrillern von Carol Hamilton Dyke folgt hiermit also noch eine Übersetzung von einer gewissen Mona Farnsworth – was sich auf den ersten Blick ja schon mal wie ein typisches Verlagspseudonym anhört.
Leider können auch längere Recherchen nicht so sonderlich viel über die Dame zu Tage fördern, denn ihre „Gothic Novels“ hat sie allesamt in den 70ern veröffentlicht – das vorliegende Werk „The Three Sisters of No End House“ übrigens im Jahre 1972. Es geistert da noch eine andere (oder die gleiche?) Mona Farnsworth durch den fiktionalen Literaturkosmos, als Pseudonym für eine gewisse Muriel Newhall, die wiederum von den späten 30ern bis in die 50er hochaktiv mit phantastischen Geschichten war – allein der finale Beleg liegt mir nicht vor.
Macht aber nichts, die gute Frau ist vermutlich sowieso nicht mehr unter den Lebenden und ich habe eh nicht vor, auf ihr herum zu dreschen, denn ich hab wieder mal zwei vergnügliche Stunden mit einem Romanheft verbracht.
Waren die letzten beiden Beispiele ja eher Thriller mit leicht übernatürlichem Anklang, wobei sich am Ende nichts davon als tatsächlich „supernatural“ herausstellte, haben wir es hier mit einer handfesten Spukstory viktorianischen Zuschnitts zu tun, die in bester Tradition von einigen Standardwerken wie etwa Daphne du Mauriers „Rebecca“ steht, nur eben ein bisschen flacher.
Da wird auf Zaudern und Zweifels alsbald verzichtet, stattdessen gibt es Geistererscheinungen galore, Türen öffnen sich, Dinge erscheinen und verschwinden wieder, Wachträume werden zu Visionen, Lichter zeigen sich in der Nacht und es gibt sogar ein veritables Geisterschiff am Rand der Menagerie zu verzeichnen.
Das sind aber alles nur gut angerührte und hinzu gefügte Elemente einer Geschichte, die in Sachen Familiengeheimnisse nur so in allen Angeln kracht, mit einem hübsch-mysteriösen Personenauflauf, dessen Zusammenhang solange nicht ganz geklärt wird, bis die Auflösung einen komplett unübersichtlichen Murks rund um den unvermeidlichen Inzest ergibt, dessen genetisch gordischer Knoten nur mit dem unvermeidlichen Hausbrand durchschlagen werden kann.
Leider, so kann ich mich wie üblich nur wiederholen, ist die Chose damit nicht hundertpro zu Ende gedacht worden, denn da bleiben noch so einige Fragen offen, die die Geschichte fröhlich antippt, um sie dann überraschend schnell zu einem feurigen Ende zu bringen, bei dem zumindest die Hauptfigur endlich ihr Glück findet. Mit zunehmender Beunruhigung donnern die Zeilen der finalen Seite 64 entgegen und man sieht mit Schrecken, wie immer noch nicht alles zufriedenstellend erklärt worden ist, aber schwupps, ist das Konfliktpotential verstorben und alle haben endlich die nötige Kohle in der Tasche.
Allein der Piraten-Hintergrund, der dann ein „Goonies“-ähnliches Ende provoziert, kommt im späten 19.Jahrhundert (oder frühen 20.Jahrhundert, die Zeit der Handlung wird nie so ganz geklärt) nicht mehr so ganz überzeugend rüber und der ganze übernatürliche Mummenschanz hat auch nicht die sicherste Herkunft. Aber wer wird sich denn über solche Kleinigkeiten aufregen…
»Ich vererbe dir all mein Geld. Du musst nur in diesem Geisterhaus übernachten!« - »Drei Tage?« - »Neenee, für immer! Mit drei leicht irren Schwestern!«
Okay, die Ansage hat die Komplettwaisin Janet Lowry vom Testamentsvollstrecker vielleicht dann doch nicht bekommen, aber nach dem Tode der Eltern, dann der Großmutter und dann einem Aufenthalt bei christlich-aufnehmenden Leuten, weiß sie ein gutes Auskommen durchaus zu schätzen, vor allem weil sie mal nicht zu den patenten Gothic-Novel-Tussis gehört, die notfalls eben mal gleich vier Berufe auf einmal stemmen, weil das Leben manchmal scheiße zu einem ist.
Ihre Aufgabe ist also, in einem recht abgelegenen Haus an der Küste von Maine (so irgendwann rund um 1900-1910) mit ihren entfernten Cousinen zu hausen und schon gibt es das nötige Auskommen. Der übliche Grauzausel mit dem Pferdewagen namens Sam Parker (wortkarg UND vorwarnend), der ihr das auszureden versucht, während er sie dennoch ins scheinbare Verderben kutschiert, deutet schon mal an, dass das kein Sommerurlaub der leichten Art wird und das Haus ist schon mal enorm geräumig bis gruselig von außen.
Und dann erst von innen: da wartet nämlich Kusinchen Elizabeth, eine ehemalige Opernsängerin, die seit einem Unfall (aha!) im Rollstuhl sitzt. Die hat aber im Gegenteil zu ihren spinsterhaften Schwestern Addie und Mary keinen total an der Waffel, sondern noch alle sieben Sinne zusammen.
Gemeinsam leben sie einsam, unter Sparzwang, mit wenig Sinn für gutes Essen und unter totaler Ergebenheit gegenüber ihren verstorbenen Daddy Noah Hamlin unter diesem Dach zusammen.
Janet wird im dritten Stock einquartiert und teilt ein Zimmer mit einem SEHR GROSSEN DUNKLEN Schrank, der sich zur Begrüßung gleich mal von selbst öffnet. Na, dafür gibt es bestimmt eine Erklärung. Dringlicher ist da schon die Anwesenheit des häuslichen Helfers „Happy“ (ahem!), einem knapp volljährigen Jungen, der zugleich Gärtner, Hausmeister, Träger (Elizabeths), Mädchen für alles, Zuträger und Spion ist und in schön ungebildeten Halbsätzen radebrecht.
Noch unangenehmer (abgesehen von der kargen Abendmahlzeit), ist das allabendliche Verabschiedungsritual der drei Damen vor dem großen, düsteren, horriblen Portrait des ehemaligen Hausherren. Besagtes Bild setzt sich dann auch gleich mal in unübliche Bewegung, was aber noch als Irrtum abgetan wird.
Am nächsten Morgen sieht alles viel freundlicher aus, wenn auch die Verpflegung grottig bleibt. Aber dafür gibt es ja am Strand den brummigen Sam Parker, der Janet gleich noch eine Roastbeef-Stulle mitbringt und für den nächsten Tag ein Hummer-Sandwich verspricht (sowas geht auch nur in Maine…).
Und es gibt weitere Bekanntschaften: erst entdeckt sie einen alten Zausel (namens Zeke), der am Strand nach etwas Ungenanntem gräbt, dann wird selbiger von zwei jungen Männern namens Luke und Mark vertrieben. Die sind ihre Halbbrüder, da der alte Noah Hamlin noch einmal verheiratet war (mit einer gewissen Polly) und mit dieser zwei weitere Kinder hatte. Die beiden dürfen allerdings angeblich No End House nicht betreten, auch wenn sie darin aufgewachsen waren.
Janet freundet sich mit beiden an (die angeblich zwei-eiige Zwillinge sein sollen), doch die Schwestern daheim versetzt die Bekanntschaft praktisch sofort in helle Panik. Nach einem Päuschen meldet sich auch wieder der Schrank in ihrem Zimmer zu Wort, öffnet sich und lässt ein tiefes Stöhnen vernehmen.
Später wird sie von Luke aus ihrem Zimmer zu einem Gespräch am Strand gelockt, wo dieser ihr eröffnet, dass sie möglichst schnell verschwinden sollte (angeblich soll ihr Leben aber nicht in Gefahr sein...*grübel*) und dazu gibt es noch eine Reihe von komplexen Andeutungen.
Am Abend wird dann der zehnte Todestag des unheimlichen Noah begangen, direkt vor dem Portrait, was nicht eben eine fröhliche, sondern eher eine unheimliche Wirkung hat, denn Janet spürt eine unwirkliche Eiseskälte. Sie schafft es ins Zimmer (inclusive des sich öffnenden Schranks) und pennt bis tief in die Nacht.
Viel später weckt sie glockenklarer Operngesang von Elizabeth, die inzwischen nur noch einmal im Jahr überhaupt ihrer Kehle Töne entlockt. Elizabeth warnt Janet ebenfalls, zu fliehen, doch wieder in ihrem Zimmer sieht sie vom Fenster im Licht eines Blitzes einen aufgetakelten Schoner vor der Küste ankern. Kurz darauf verschwindet das Schiff wieder spurlos.
Am nächsten Tag folgt die nächste Spaziergangsrunde: erst Sam mit dem Frühstück, dann Mark und Luke, welche hellauf von der Erwähnung des Schiffes begeistert sind. Als sie von dem Gesang bei Nacht erzählt, erfährt sie endlich ein paar Details. Elizabeth hatte damals die Chance auf eine Gesangsausbildung erhalten. Sie ging in die Welt, während Addie und Mary Mark und Luke aufzogen, da ihre Mutter früh gestorben war. Doch als vor zehn Jahren Noah starb, musste sie zurückkehren, um nicht enterbt zu werden. Zwar hat sie sich noch eine Weile dagegen gewehrt, aber dann folgte ihr mysteriöser Treppensturz, der nach Auffassung der beiden jungen Männer von Noahs Geist verursacht gewesen sein muss.
Daheim bei Tisch (die Mittagessen verdienen zumindest diesen Titel) wird sie mit dem Wissen der Schwestern über ihre Treffen konfrontiert und regt sich gepflegt darüber auf, dass Zuträger Happy ihr offensichtlich nachspioniert. Happy war wohl ein Findelkind, dem damaligen Hausherren treu ergeben – und nun entsprechend den Schwestern.
Während des Mittagsschlafs hat dann auch Onkel Noah seinen geisterhaften Auftritt aus dem Kleiderschrank, der ihr droht, wenn sie nicht den Kontakt zu Luke und Mark abbricht und seinen Einfluss geltend macht. Das schreckt Janet aber nicht ab.
Nächtens entdeckt sie erneut eine geschwenkte Laterne am Strand, verirrt sich aber im Haus, als sie nachschauen will und wird erst von Luke heraus geholt, der sie erneut warnen möchte (was auch nötig ist, denn sie werden beide um ein Haar von einem Ast erschlagen). Luke gibt vor, nicht mit der Laterne am Strand gewesen zu sein – aber zum Abschied gibt es endlich einen Schmatzer!
Am folgenden Tag tut Janet endlich auch mal was im Haushalt (ich hatte mich schon gefragt…) und findet dabei ein Bild von der verstorbenen zweiten Frau Polly – und steckt es kurzerhand ein. Als am Strand jedoch Mark das Bild sieht, geht er recht böse auf die Barrikaden und attackiert Janet, um an das Bild zu gelangen. Luke kann das entkräften, doch Janet vermutet in Mark auch böse Seiten. Was die Laterne anbetrifft, so vermuten alle den alten Zeke am Strand.
Noch allein am Strand sitzend hat Janet plötzlich eine Vision von einer Truhe auf einem Speicher, doch eine schnelle Recherche wird durch Happys Auftauchen verhindert, der sie erst warnt und dann ihr Freund sein will, dessen klamme, kalte Hände aber freundschaftliches Aufwallen verhindern. Wieder in ihrem Zimmer, öffnet sich erneut der Schrank und sie sieht ein schreiendes Gesicht zwischen ihren Kleidern, was eine Ohnmacht provoziert.
In der Nacht schleicht sie sich schließlich auf den Dachboden und findet am Ende die Truhe, die die Habseligkeiten von Zweitfrau Polly enthält, inclusive ihres Tagebuchs. Polly bedankt sich dann auch gleich mit einer ätherischen Erscheinung, doch eine herabfallende Lampe (Noah, du Sau!) sorgt für die nächste Bewusstlosigkeit.
Im Bett, gut umsorgt von einem Dr. Stanton, ist das Büchlein verschwunden.
In der Nacht kehrt Luke zu ihr zurück, wird aber von den Schwestern bei ihr überrascht.
Diese aufkeimende Liebe erfordert einen sofortigen Familienrat und Elizabeth erklärt auch sofort, warum Hochzeit nicht infrage kommt: jahrhundertelange Inzucht hat die Familie fast zugrunde gerichtet, Janet ist zumindest teilweise von einer anderen Blutlinie, aber Fortpflanzung wird dennoch nicht empfohlen.
Bei der nächsten Visite erzählt Janet Dr. Stanton von dem Tagebuch, doch er geht nicht weiter darauf ein. Langsam erholt sie sich, wird jedoch stetig von Happy die Treppen hinauf getragen, was fast in einem Annäherungsversuch endet – jetzt kriegt sie Angst vor dem Gehilfen.
Später findet sie das Tagebuch wieder in dem Kleiderschrank, kommt aber erst in der Nacht dazu, darin zu lesen – und wird wieder unterbrochen, von den Laternensignalen und dem wieder auftauchenden Schoner.
Ergo läuft sie erst zum Strand, wo der alte Zeke gerade eine Dachschindel ausgegraben hat. Doch er wird von Mark (im Böse-Modus) angegriffen, woraufhin Janet zu schreien beginnt. Das wiederum ruft Luke auf den Plan und es entbrennt eine Schlägerei zwischen den Männern, die nicht zuletzt wohl auch aus Eifersucht geführt wird. Schlussendlich gewinnt Luke und verscheucht seinen Bruder, Janet nimmt die von Zeke fallen gelassene Schindel an sich. Sie entdeckt Zeichen und Symbole darauf, wird jedoch erneut von einem Unbekannten angegriffen und zerbricht die Schindel in zwei Teile – und verliert einen davon.
Tags darauf kehrt Dr. Stanton zurück und erklärt, dass er das Tagebuch in den Schrank gelegt habe und dass sie es angesichts der Ereignisse sofort lesen soll. So erfährt Janet, dass Polly sehr unter dem tyrannischen Noah gelitten hat und ein Verhältnis mit einem gewissen „S.“ hatte. Was Noah beruflich machte – die Familie war sehr reich, wie an einem sehr großen geschenkten Smaragd zu erkennen war – hatte Polly in einer typischen Nacht mit Schoner am Strand auch herausgefunden: Noah Hamlin war ein Pirat.
Als das fest steht, lockt Pollys Stimme Janet wieder zu dem Kleiderschrank und führt ihre Hand, um ihr eine Geheimtür zu zeigen, hinter der eine Treppe in die Tiefe führt. Dort entdeckt sie Pollys Skelett (komplett mit Smaragd) und wird wiederum von Happy angegriffen, der nun endgültig die Hormone für sich entdeckt hat. Kurz bevor sie an der wieder verschlossenen Geheimtür überwältigt wird, schlagen Luke und Stanton in letzter Sekunde diese ein und verletzen Happy so tödlich am Kopf. Zeke kommt mit den Schindelhälften und findet im Boden schließlich einen großen Edelscheinschatz, den sich Noah zusammengeraubt hatte. Weil Polly das herausgefunden hatte, wurde sie ermordet und eingemauert.
Diese Wahrheit kann Addie nicht ertragen und läuft davon – um natürlich sofort die ganze Bude abzufackeln, welche wie Zunder brennt. Alle fliehen über das Dach und die Luken, nur Zeke stirbt bei einem Fenstersturz. Mark rettet mit Mary Elizabeth vor den Flammen, kommt aber selbst im Feuer um. Stanton erklärt, dass sein Vater damals der besagte „S.“ war und damit auch der Vater der Zwillinge, was einen Inzest zwischen Luke und Janet ausschliesst. Und Elizabeth, das verfluchte Haus los und mit dem Schatz saniert, erhebt sich aus ihrem Rollstuhl und beginnt zu singen…
»Darf ich die ganzen Sachen noch etwas verkomplizieren, bevor ich weitere Informationen rausrücke? Das macht die Sache spannender... und länger...«
Oh ja, ich hab Spaß gehabt. Auch wenn das wieder einer der Romane ist, die ununterbrochen Puzzleteilchen des Mysteriums anbieten, anfassen oder rumreichen, um dann doch erst mal wieder zum Essen zu läuten und alles aufschieben, um ein paar persönliche Komplikationen in den Weg zu stellen. Beliebt in diesem Genre sind dann auch die veritablen Ohnmachtsattacken, die neben den normalen Nacht- und Mittagsschlafpausen die notwendigen Zäsuren ausmachen. Hier eine Lampe auf die Rübe, dort eine Schreckohnmacht, das gibt Gelegenheit, die nötigen Erklärungen wirklich mal wieder bis auf die letzten fünf Seiten aufzuschieben und alles im Unklaren zu lassen.
Dort, kurz vor Mitternacht sozusagen, häufen sich dann die zu Ende zu erzählenden Fädchen in einem dermaßen großen Knäuel an, dass man praktisch mit einem Telegramm die Pointe zugeschickt bekommt.
Ein gutes Beispiel sind die langwierigen Komplikationen rund um das Tagebuch, dass erst 15 Romanseiten und mehrere Tage, nachdem es erstmals gefunden wurde, endlich mal aufgeschlagen wird, nachdem es erst weg war, dann vom Arzt gefunden, studiert und wieder ohne Kunde in den Schrank gelegt wurde. Dann muss es mehrfach versteckt werden, bis dann der Arzt doch wieder auftaucht und angibt, Janet müsse es jetzt aber sofort lesen und ähnlich dringlich ist der Fall da auch schon beim Leser, der innerlich schreit: „Ja, nun mach doch endlich…!“
Generell ist sonst alles drin, was diese „victorian gothic novels“ so brauchen: das Familiengeheimnis, der böse Tyrann, das finstere Gespenster, einen uralten Zausel, brummiges Landvolk, irre Schwestern, ein Rollstuhl, Tagebücher, Gruselschiffe vor der Küste, Laternen am Strand und ein Brüderpärchen, welches nach freundlichem Start noch in emotional gütig (und blond) bzw. sexuell triebgesteuert (und dunkelhaarig) eingeteilt wird.
Durch die übliche dramaturgische Schräglage (vielleicht ist das auch wieder ein Ergebnis der Kürzungen bei Pabel, ich kann die Original-Seitenangabe irgendwie nicht finden), werden so einige Figuren betont, die eigentlich gar keinen Zweck haben, z.B. der brummige Sam Parker, der drei Auftritte, aber eigentlich keine Funktion hat. Die schrägen zwei der drei Schwestern kommen leider auch zu kurz und Dr. Stanton erweist sich als so eine Art Last-Minute-Solution für diverse inzestuöse Problemchen.
Wieder mal schade schade, denn das Finale (abgesehen mal von der etwas absurden Prämisse, um 1890 seien noch Finstergesellen mit Totenkopfflagge vor der US-Ostküste rumgefahren) in dem Geheimgang trifft in Sachen Setting und Figurenkonstellation eigentlich die richtigen Töne, inclusive des semi-brünftigen Halbwilden, der stetig die Fußlahmen im Haus durch die Gegend trägt und plötzlich die fliegende Hitze bekommt.
Viele Details gehen leider unter, z.B. warum die Angaben über den Schatz auf der Schindel stehen, bzw. was da überhaupt steht und warum sie am Strand vergraben war – nicht zuletzt von wem eigentlich. Wie man damit den Schatz finden kann, weiß nur Zeke, dessen Matrosentätigkeit bei den Piraten man sich auch zusammen reimen muss. Auch wissen immer alle, dass Polly ja früh verstorben war, dass sie aber in Wirklichkeit verschwand und lange Zeit im Keller hing, wirft darauf auch ein anderes Licht.
Warum alle Betreffenden so viele fiese Befürchtungen haben, schreibt Frau Farnsworth auch nicht, rückblickend gesehen, am Ende kann man praktisch das komplette Verhalten der Schwestern auf die Drohungen des Geistes schieben; was und wie viel nun Luke und Mark geahnt oder gewusst haben, fehlt hier im Nachgang leider. Und die Happy-End-Lösung, die bei den katastrophal komplizierten Familienverhältnissen eine sorgfältige Aufdröselung verdient gehabt hätte, erfolgt praktisch als Postskriptum auf der letzten halben Seite, das ist einfach ein bisschen zu wenig.
Was die Gespenster angeht, so kann sich die Autorin nicht ganz entscheiden, wie stark sie deren Einfluss nun betont. Der ominöse Schrank wird offenbar von Noahs und Pollys Geist benutzt, allerdings fehlt seine kalte Präsenz dann ausgerechnet zum großen Finale, nachdem er vorab ja seine zeitlich unbegrenzte Einflussnahme auf alle Hausbewohner noch betont hatte. Aber da greift man ja sowieso schon zur Allzwecklösung, indem man die geistesschwächste Schwester (you know, incest and stuff…) die Bude in absoluter Rekordzeit abfackeln lässt, als hätte sie seit Jahren Napalmdepots hinten den Wänden versteckt gehalten.
Was die Figuren angeht, so kommt Janet passabel davon (es gibt wesentlich weinerlichere und gefühligere Frauenfiguren, die mehr nerven), wenn sie auch offenbar bequem in diesem Haus logiert, ohne einen Finger zu rühren. Luke ist mir ein wenig zu sehr der schmalzgewichste Rittersmann in blonder Rüstung, während Marks Schwenk zum schwanzgesteuerten Hobby-Soziopathen etwas unrealistisch daher kommt. Interessanterweise hat ausgerechnet die generell durchgeknallteste Figur, die unglückliche Musikkarrierefrau im Rolli (Bombenrolle für eine junge Bette Davis!) am ehesten noch ihre sieben Sinne zusammen, obwohl mir schon eine Mahlzeit mit ihren Trulla-Schwestern genügen würde, damit der Draht aus der Mütze springt.
Trotz aller üblichen kompositorischen Schwächen (im ersten Drittel zu breit in der Exposition, dann mit endlosen Verzögerungen zwecks Spannungssteigerung, schließlich ein total hektischer Schlußspurt ) hab ich mich über diese amerikanische Mystery-Variante gefreut, die prima dem Dickenschen Prinzip folgt, dass mehr Leute einen Roman bunter machen können und es gar nicht genug erzählerische Knoten geben darf.
Folglich muss ich jetzt mal in Richtung Krimi oder Western weiter reisen, auf dass ich da vielleicht auch ein paar Uraltkracher ausgraben kann, die noch nicht an der Jerry Cotton-Hüftsteifheit leiden. Aber auch da lass ich mich gern eines Besseren belehren...