Willkommen zurück in Osten Ard zum Zweiten- Die Hexenholzkrone 2 von Tad Williams
Willkommen zurück in Osten Ard zum Zweiten
»Die Hexenholzkrone 2« von Tad Williams
Da ist er nun, der zweite Teil der Hexenholzkrone und damit das Ende des ersten Bandes von „Der letzte König von Osten Ard“. In der Originalausgabe eigentlich ein Buch („The Witchwood Crown“), wird auch in der deutschen Ausgabe kein Hehl daraus gemacht, dass es sich eigentlich nicht um zwei Teile, sondern den geteilten ersten Band handelt. „Die Hexenholzkrone 2“ startet mit den letzten zwei Seiten des ersten Bandes, und schließt dann nahtlos mit Kapitel 32 an.
Nachdem Prinz Morgan am Ende des letzten Buches auf den Hjeldinsturm geklettert und dort gestürzt ist, finden wir ihn nun leicht verletzt, aber nicht ernsthaft zu Schaden gekommen wieder. Dieser Vorfall ist aber für das Hochkönigspaar und vor allem für Simon ein weiterer Beweis dafür, dass dringend etwas geschehen muss, um aus Morgan einen verantwortungsbewussteren Thronfolger zu machen. So wird beschlossen, dass Morgan trotz aller Bedenken von Miriamel mit Graf Eolair zu den Sithi in den Aldehorte reisen soll, um die verletzte Sitha zu ihnen zurück zu bringen.
Währenddessen weiht Tiamak den Novizen Etan in den Bund der Schriftrolle ein und überträgt ihm den Auftrag, an seiner Stelle nach Süden zu reisen. Etan soll dort die letzten Spuren des verschollenen Josua zu verfolgen, denn schließlich will das Königspaar ihr letztes Versprechen an den alten Isgrimnur halten und dessen Paten finden.
In Nabban werden die Unruhen derweil immer größer. Aus Sicht der Kinderfrau der Herzoggemahlin, der Wranna Jesa, erfährt der Leser, wie der Herzog noch stärker von seinem Bruder unter Druck gesetzt wird und wie es zwischen Eisvögeln und Sturmvögeln, wie sich die verschiedenen Anhänger nennen, zu mehr und mehr Reibereien kommt.
Auch bei den Protagonisten auf Seiten der Nornen tut sich einiges. Der Baumeister Viyeki wird unter großer Heimlichtuerei von einem Trupp Soldaten für einen Auftrag der Nornenkönigin abgeholt. Nach einiger Zeit muss er erkennen, dass ihn dieser Auftrag weit in die Lande der Sterblichen zu führen scheint. Seine Geliebte Tzoja muss in seiner Abwesenheit um ihr Leben fürchten, denn ohne ihn ist sie der Rache seiner eifersüchtigen Ehefrau hilflos ausgeliefert. Die gemeinsame Tochter und Opfermutige Nezeru ist immer noch mit dem Trupp um Befehlshaber Makho und dem geheimnisvollen Sterblichen Jarnulf unterwegs, der mehr und mehr ihr Interesse weckt.
Und auch der Handlungsstrang um den Grasländer Fremur wird weitergeführt. Die Hochzeit seiner Schwester Kulva soll gefeiert werden, was ein großes Ereignis ist, denn schließlich ist der gemeinsame Bruder der beiden der Than des Clans. Doch dann kommt alles ganz anders und Fremur findet sich plötzlich in einer ganz neuen Rolle wieder.
Auch in der zweiten Hälfte der „Hexenholzkrone“ weiß Williams weiterhin zu überzeugen. Wie bereits in der Besprechung zur ersten Hälfte beschrieben, eröffnet sich dem Leser mit Osten Ard eine facettenreiche, liebevoll gestaltete und faszinierende Welt, die ihresgleichen sucht. Zwar kommen einige der Wendungen für den Leser nicht gerade überraschend, wie beispielsweise der Aufbruch von Prinz Morgan zu den Sithi oder die Entwicklungen zwischen Nezeru und Jarnulf, was mich persönlich aber nicht weiter gestört hat. Denn natürlich muss der verzogene Prinz irgendwann raus in die Welt, um sich weiterzuentwickeln, und dass das dann tatsächlich so kommt, tut der Geschichte eigentlich keinen Abbruch, auch wenn dieser Verlauf dem Leser von vorneherein klar war.
Sehr wohl als störend empfunden habe ich allerdings die Teilung der Hexenholzkrone in zwei Bücher. Eigentlich wollte ich das gar nicht thematisieren, weil das ja inzwischen bei umfangreicheren Fantasyromanen fast schon gängige Praxis zu sein scheint und auch sicher aus mancherlei Gründen seine Berechtigung hat. Allerdings hat es hier schon einige Seiten gebraucht, bis ich mich wieder in Williams´ Welt hineingefunden hatte, und das, obwohl das Erscheinen des ersten Buches ja erst zwei Monate zurückliegt. Und so positiv ich es eigentlich finde, dass man nicht versucht hat, den Eindruck zweier Bände statt eines geteilten Bandes zu vermitteln und den Leser direkt in das nächste Kapitel wirft, ist es dann doch schade, wenn man wieder einige Seiten für mühsames Einlesen braucht. Da hätte für mich eine kurze Zusammenfassung der einzelnen Plots geholfen, oder zumindest eine Darstellung des letzten Standes, der mir zumindest bei den weniger häufig vorkommenden Figuren nicht mehr gänzlich klar war.
Nach überwundenem Ärger über diese unnötigen Hindernisse ist es aber wie immer ein Vergnügen, Williams durch seine Welt zu folgen. Alles, was schon in der ersten Hälfte des Buches gut war, bleibt es auch weiterhin, wobei „Die Hexenholzkrone 2“ nach der beschriebenen Einlesephase fast noch mehr Spaß macht als der erste Teil. Nun kennt man auch die neuen Figuren, die nicht schon aus dem ersten Zyklus bekannt waren, ganz gut und findet auch hier die eine oder andere Identifikationsfigur. Zudem ist die Handlung insgesamt etwas temporeicher als in der ersten Hälfte, was auch daran liegt, dass Simon und seine alten Gefährten sich etwas weniger an alte Taten erinnern (was aber auch sehr nett war in der ersten Hälfte), sondern zunehmend mit aktuellen Problemen konfrontiert werden.
Als ich vor einiger Zeit davon hörte, dass Tad Williams einen neuen Zyklus in Osten Ard schreibt, war ich nicht sicher, ob es ihm gelingen wird, das richtige Maß zwischen Bekanntem und Neuem zu finden. Denn einerseits möchte man als Leser zwar in das vertraute Osten Ard zurückkehren, in dem auch ruhig ein paar Parallelen zum früheren Zyklus herrschen können, aber bei einem erneuten Krieg gegen die Nornen als Haupthandlung hatte ich ein wenig befürchtet, dass Williams vielleicht nur eine Art Neuauflage seines „Geheimnis der großen Schwerter“ präsentieren würde. Das ist einer der Gründe, warum ich zweite Teile von Filmen oft so misslungen finde, da dann so oft einfach der Inhalt des ersten Films mit ein paar Änderungen wieder aufgewärmt wird. Gott sei Dank ist das aber (soweit man das nach dem ersten Band beurteilen kann) bei „Der letzte König von Osten Ard“ keineswegs der Fall. Es handelt sich um eine eigenständige Geschichte mit zahlreichen neuen Facetten und Schauplätzen. Diese Tatsache zeigt einmal mehr, wie viel Potential Williams´ Welt bietet und wie viel dem Leser nach dem ersten Zyklus noch gar nicht erschlossen war.
Es ist eine große Freude, zu sehen, wie Williams an den unterschiedlichen Schauplätzen seine Protagonisten platziert und an die richtigen Positionen bringt für all das, was noch kommen wird. Und wie man gute Cliffhanger ans Ende seiner Bücher setzt, weiß Herr Williams ebenfalls ziemlich genau. Bis die Neugier auf den weiteren Zyklus allerdings gestillt wird, wird es wohl noch ein Weilchen dauern. Wann der zweite Band (im Original „The Empire of Grass“) erscheint, ist bisher noch nicht bekannt.