»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Aus Sehnsucht nach Liebe (Gaslicht 429)
Ausflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Aus Sehnsucht nach Liebe«
Gaslicht 429 von Helen Orr
Nein, hier kommt ein ganz ordnungsgemäßes Familiendrama, welches in der zweiten Hälfte dann konkret in Richtung Krimi abrutscht und somit eigentlich eine nette Vorlage für einen unterhaltsamen, wenn auch etwas flachen TV-Film gewesen sein könnte.
Das einzige „Mysterium“ hier, dem ich zudem nicht vollständig auf die Spur kommen konnte, ist das um die merkwürdige Autorin namens Helen Orr, die ich schlicht und ergreifend nicht in einem erweiterten Literatenumfeld verorten konnte. Kurz gesagt: ich finde nichts anderes, was die Frau geschrieben haben könnte. Es gibt zwar eine Autorin namens Helen Orr Watson, die Romane mit Tieren in militärischem Umfeld verzapft hat (in den späten 40ern und 50ern), aber dieses „romantic mystery“ ist 1975 von Ace Books veröffentlicht worden und ich kann kein weiteres Werk aufstöbern und auch keine Pseudonymbezüge irgendwo her keltern. Ob nun Einwegpseudonym oder One-Hit-Wonder, es wirkt alles wie von einer jüngeren Frau geschrieben (H.O.Watson wäre um die 80 gewesen) und durchaus recht modern gestaltet, insofern verbleibt dies wohl ein Rätsel.
Überraschend ist jedoch, dass man diesen Roman praktisch als Blaupause für eine dieser in den 80ern und 90ern so typischen Anwaltsserien hätte nehmen können, die immer haarscharf an der Grenze zur Soap vorbei schrammen.
Selten habe ich für einen 60seitigen Heftroman so einen enormen Cast aufmarschieren sehen und daher kann ich mich dieses Mal wohl auch nicht beschweren, es gäbe zu wenig Auswahl für den Fiesling in dieser Geschichte.
Meine Güte, ein komplettes Anwaltsbüro mit Sekretärinnen und Assistenten, zwei Anwälten und ihren Sippen wird da aufgefahren und bisweilen war ich flott am Blättern, um zu rekapitulieren, ob die Heldin jetzt mit dem Kanzleipartner oder dem lernenden Justiziar gerade talkt.
Dabei wird sogar der o.a. Fiesling beinahe vergessen, denn der Konflikt entwickelt sich erst zur Halbzeit und der „Bösewicht“ wird eigentlich auch nur namentlich genannt, weil er sein horribles Werk nämlich nicht auf diesen Romanseiten in allen Details verrichten kann. Da ist es dann schon fast überraschend, wenn es irgendwann eine Leiche gibt und ein Täter gesucht werden muss.
An anderer Stelle würde ich dann jetzt vermutlich jammern und klagen, dass die Sülze das Mysterium erstickt, aber auch hier kriege ich erstaunlich Frisches serviert, denn die Heldin ist über zwei Drittel eigentlich solide durch mit Herzensangelegenheiten, bis sie dann irgendwann erschreckt feststellt, dass sie sich wohl gerade verliebt hat. Und so richtig in die Arme fallen sie sich am Ende auch nicht – das war vermutlich ultramodern damals. Oder so unpopulär, dass man nie wieder etwas von der Autorin verlangte.
Dafür versteht sich der Roman jedoch mehr als „Die Leiden einer gut motivierten ReNo-Gehilfin“, denn darum geht es hauptsächlich. Womit der Realitätsanspruch schon fast das Anziehenste an diesem Garn ist…
»Du darfst meinen Aktenkoffer tragen, Mac, das verleiht dir eine würdevollere Note.« Über die Schulter fügte er hinzu: »Übrigens eignet sich das Kostüm, das du anhast, bestens fürs Gericht!« (Damit wäre dann die Geschlechterfrage durch… )
Beginnen wir doch einfach mal mit der Trennung. Unsere Heldin heißt Jennifer MacKay und hat sich gerade von ihrem Glanztypen Howie getrennt, der ihr nach den Austern eröffnete, dass er schon verheiratet war. Nun läuft sie durch die Straßen, erwägt Suizid, Kampfbesäufnis und Extremheulen, doch als Selfmadegirl, die auch von ihrer Familie halb verstoßen wurde, packt sie der Stolz. Gerade hat sie bei der Kanzlei „Mann und Bartlett“ als Sekretärin angefangen und die Kohle finanziert ihre schöne Wohnung, da gibt man nicht einfach auf. Darüber hinaus soll sie die Nachfolgerin einer enorm verdienten Chefassistentin namens Serena Gillett werden.
Am nächsten Tag verkündet ihr der Personalchef Tony Stinnett dann schon die mögliche frohe Kunde, denn Serena kommt langsam in die Jahre und kann Unterstützung vertragen.
Damit nähert sich „Mac“ (wie sie im Rest des Romans von allen genannt wird) natürlich auch der Familie Mann an: Bennett ist der brillante Strafverteidiger, Thea ist seine kritisch beäugte zweite Frau, seine erste Holde starb angeblich durch Suizid und mit seinen Kindern aus erster Ehe, Jeffrey und Judy, geht es mehr schlecht als recht. Ein weiteres Zwillingssohnpärchen hat man auch noch, sind aber unwichtig (Autorin verzichtet auf Namen!).
Da ihr Serena die Stelle dennoch lieb verkauft, ist sie dabei, auch wenn sie wegen ihres Aussehens nicht sicher ist, ob das nicht Probleme mit der (leicht pferdegesichtigen) Thea provoziert.
Einige Wochen darauf läuft es schon ganz prachtvoll, Bennett ist begeistert, Serena kann sich mehr um Theas Bedürfnisse kümmern und dennoch wirkt sie oft müde und kaputt. Gemeinsam mit dem Kanzlisten Dennis Fielding darf Mac Bennett Mann zu einem Fall vor Gericht begleiten und ist total begeistert von dessen ruhiger Souveränität. Dass sie nebenbei noch kleinere Aufgaben für Thea erledigen soll, schmeckt ihr allerdings weniger.
Kurz darauf vermittelt sie ihren alten Job bei Spinnett ihrer Freundin Gwen, was beidseitig gut ankommt, wenn auch nicht bei Gwens derzeitigem Freund. Bald darauf zieht Gwen auch noch zu ihr in die Wohnung und wirft ein Auge auf Dennis Fielding, während Mac bereit ist, mal mit dessen Kollegen Dave Stone auszugehen.
Kurz darauf wird Mac von Thea zum Wochenentaufenthalt bei den Manns eingeladen, angeblich leicht affektiert und mit der Bitte um Mitbringen eines Tennisdress (klar, Tippsen spielen dort offenbar alle Tennis…). Auch die Kinder sollen dann anwesend sein. Mac ist nicht sicher, was das soll und hegt auch so eine Abneigung gegen Thea, weil diese die fragile Serena mit Aufgaben unter Druck setzt.
Zum Wochenendaufenthalt wird sie dann von Jeffrey und Judy Mann mit dem Cabrio abgeholt; Jeff, ein Maler, wirkt etwas hochmütig und spitzzüngig, Judy ist der Typ unreifes Weißbrothirn, hat alle drei Minuten neue Ideen über die Lebensplanung und kriegt aber nichts davon geschissen. Ihre neueste Idee: zu Daddy in die Kanzlei und dort juristisch richtig durchwischen, aber dazu müsste sie mal irgendeinen Abschluss machen.
Für Mac läuft das Wochenende dann recht eckig, sie fühlt sich nicht wohl, findet aber Beachtung als Thea erwähnt, dass in ihrem Haus die Kinderbücher von Esta MacKay sehr geliebt werden. Esta ist zufällig ihre Tante und einzige vertraute Verwandte. Irritiert ist Mac allerdings, als Thea annimmt, sie hätte keine Familie – allein, Jennifer hat nur keinen Kontakt zu den Ihrigen. Zum Abschied äußert sich Thea, sie würde sich wünschen, dass Mac einen guten Einfluss auf Judy hat. Das also ist ihre Aufgabe.
Das ist wohl auch dringend nötig, denn Judy hasst Thea, wie Jeff auf der Rückfahrt deutlich durchblicken lässt. Thea hat ihrem Männe wohl untergejubelt, dass seine Kinder aus erster Ehe eine Enttäuschung wären, darum ist auch Jeff nicht so begeistert von ihr. Erfreut teilt er ihr mit, dass er begeistert darüber ist, wie sie ihren eigenen Weg geht und auch mal Widerworte hat. Zum Schluss fragt er höflich, ob er sie anrufen kann und knutscht ihr dann noch einen. Das nimmt sie sympathisch.
Daheim verlässt Freundin Gwen dann ihren Tom, weil es da nicht weitergeht, aber sie hat ja praktisch schon Ersatz.
In der Folge will sich Judy wohl an Mac hängen, doch die Lunch-Termine werden durch die vielen Besorgungen für Thea verhindert. Das nimmt Judy persönlich und kündigt schnippisch den Kontakt.
Danach kaut sie das alles mit Tony Stinnett durch, dann mal wieder mit Jeff, der berichtet, dass Judy erzählt, Mac würde sich häufig mit ihr treffen. Danach geht sie zur Abwechslung mit David Stone aus. Als sie folgend plant, ihre Tante Esta zu besuchen, funkt Thea dazwischen, die sie wieder übers Wochenende einladen will. Mac lehnt in Serenas Beisein ab und auch wenn anscließend noch Bennett interveniert, erklärt sie auch ihm, dass sie Judy gar nicht mehr gesehen hat und sich deswegen und generell auch nicht Influencer für die ausgeflippte Tochter sieht.
Nach einem schönen Wochenende bei ihrer Tante ist dann zumindest Serena plötzlich sehr still und verschlossen zu ihr und Mac vermutet, es ist wegen der Widerworte. Eine weitere Einladung Theas kann sie ablehnen, weil sie bei Jeff im Strandhaus eingeladen ist. Erstmals macht Thea eine recht griffige Bemerkung dazu.
Mac und Jeff haben an dem Wochenende dann Spaß am Strand, essen, flirten, bis Judy kommt und sich mit Mac versöhnt.
Tage später kommt die Mitteilung, dass Judy zurück zur Schule gehen soll, auf Anordnung von Thea, die Judy ziemlich fertig gemacht hat. Serena nennt Mac im Büro lobend einen Katalysator, was diese nicht versteht. Später meldet sich Jeff bei ihr. Bei beiden Kindern ist der Hass jetzt angeblich in voller Blüte und er hat schon fast Angst vor einer Kurzschlusshandlung.
Der große Regen kommt über die Stadt und am nächsten Tag, beim nächsten Anruf, will Jeffrey lieber den Kontakt zu Mac abbrechen, weil die Manns nicht gut für andere Leute sind. Kaum hat er aufgelegt, hat sie eine Epiphanie: sie weiß jetzt, das sie ihn seltsamerweise liebt. Na, wie sie wollen...
Kurzentschlossen springt sie in ihren Wagen und düst zur späten Stunde noch zu seinem Strandhaus (es ist so gegen zehn), findet ihn dort aber nirgends vor. Vermatscht und durchnässt wieder daheim, hat sie sich eine Erkältung eingefangen und muss sich telefonisch von Manns Partner Bartlett erzählen lassen, dass Thea verschwunden wäre. Bis sie sich ins Büro gequält hat, hat man Theas leeren Wagen gefunden.
Nun beginnt die Polizei Ermittlungen, denn man weiß, dass Judy ihren Flug verpasst hat, jedoch jemand einen späteren Flug genommen hat. Jeff erzählt, dass Theo angeblich Kopfschmerzen bekommen hat auf dem Weg zum Flugplatz, Judy mit einem Taxi weiter fuhr und Thea zurückkehren wollte. Das habe er telefonisch von Judy erfahren. Angeblich sei er gegen halb acht wieder im Strandhaus gewesen.
In der Gewissheit, dass das nicht stimmt, schleppt sich Mac wieder ins Bett, wo ein Arzt sie aufsucht. Am nächsten Morgen startet sie aber dennoch wieder ins Büro, wo ihr Lisa, Bartletts Sekretöse, erzählt, man habe Theas Leiche im einem Teich gefunden, offenbar wurde die Dame erschlagen. Serena nimmt es schwer, Lisa vermutet schon, sie würde sich jetzt zur Ruhe setzen. Als auf einer Zeitung plötzlich die Schlagzeile prangt, dass Jeffrey wegen Mordes verhaftet sei, fällt die geschwächte Mac in Ohnmacht.
Natürlich stimmt das alles nicht (Lügenpresse!), man hat ihn lediglich zur Vernehmung mitgenommen, da er am Flughafen bei der Umbuchung von Lisas Flug erkannt worden war. Dennoch hat die Polizei noch keinen Hauptverdächtigen.
Bei einem Besuch mit Bartlett bei den Manns, hört sie noch einmal wie Judy ihre Geschichte des betreffenden Abends nacherzählt. Dabei hat Mac das Gefühl, die Geschichte sei erdacht und sowohl Jeff wie auch Bennett würden das wissen. Auch Bartlett hat dieses Gefühl, dass hier jemand geschützt werden soll und die Geschichte abgesprochen ist. Auf jeden Fall will Bennett nun keine Fälle mehr übernehmen und sich fortan um seine Familie kümmern.
An der Beerdigung nimmt sie mit Serena teil, die trotz der Tragödie recht aufgeräumt wirkt. Als sie am nächsten Tag jedoch mit Tony Stinnett einen Besuch machen will, finden sie in der Wohnung Serena tot auf. Sie hat Schlaftabletten genommen und in einem Abschiedsbrief den Mord an Thea gestanden.
So erfahren sie auch, dass Serena erst spät – und durch Macs Widerstand, benutzt zu werden – gemerkt hat, dass sie stets von herrschsüchtigen Frauen dominiert und ausgenutzt worden war. Dass sie Thea nicht geliebt, sondern eigentlich gehasst hatte, bemerkte sie erst nach und nach. Die Behandlung von Judy und Jeff gab dann den Ausschlag. Sie hatte den Mord geplant, doch Thea dann verpasst und wurde von ihrem Opfer unterwegs zufällig aufgelesen. Dann hatte sie mit einer Pistole Thea zu dem Teich gezwungen, wo sie in einem Handgemenge ihre Vorgesetzte erschlagen hat.
In der Folge bleibt Bennett seinen Vorhaben treu, sich mehr um die Kinder zu kümmern, Jeff und Mac versöhnen sich wieder. Jeff macht ihr eine Liebeserklärung, sie aber bittet um mehr Zeit, die er ihr wiederum gewährt.
»Sie sollten ein Kopftuch umbinden. Meine Schwester Judy wollte unbedingt offen fahren, und jetzt sieht sie aus wie eine aus dem Busch.«
Das ist jetzt lediglich eine recht grobe Zusammenfassung, die bei der Lektüre nicht im Mindesten so linear ausfällt. Schon bei der Auftaktszene, die aus Introspektive der verlassenen Mac und ein paar Rückblenden besteht, aber über fast sechs Seiten geht, hab ich Böses vermutet. Später kommt die Autorin (wenn es denn eine ist) aber dann ein bisschen besser in die Gänge und arbeitet sich hochtaktig durch ihr recht umfängliches Personal.
Es gibt tatsächlich ein Dutzend handelnde oder zumindest mehrfach auftretende Figuren (Mac, die vier Manns, Gwen, Lisa, zwei Kanzlisten, Spinnett, Serena, Bartlett und ein paar Statisten), von denen man sich immer mal wieder irgendeine bedeutende Gewichtung erwartet, die dann aber doch nicht oder noch nicht kommt. Bennett bspw taucht in der Gerichtsszene auf und wird von Mac so angeschwärmt, dass man schon Böses befürchtet, kommt dann aber erst mit der Polizei in der Schlusssequenz so richtig zurück. Jeffrey wiederum, der tatsächliche „love interest“ geht erst nach mehr als einem Drittel der Story ins Rennen. Und zwischendurch findet die Verfasserin immer wieder Zeit für Zäsuren: Tante Esta, David Stone, Dennis Fielding, Tony Stinnett, dann Gwen als Mitbewohnerin und später dann immer prominenter Lisa und ihr Chef und Kanzleipartner Bartlett. Sie alle erzählen den Plot nach, berichten und bewerten, was Mac alles nicht weiß. Dazwischen hüpft die grobe Vaterkomplex-Judy wie aus der schlimmsten Soap entsprungen umher und verbreitet jede Menge wirre Ideen.
Nur eins fehlt diesem Roman, abgesehen vom Fokus natürlich: ein wirklicher Schurke. Dass Thea hier die fiese Möpp sein soll, das wird nach und nach klar. Oder vielleicht doch nicht? Eigentlich wird das gar nicht klar. Böse Leute sollen – um Emotionen zu provozieren – natürlich auch böse Sache tun oder sagen. Doch Frau Orr belässt es leider meistens nur beim Prinzip Behauptung.
Thea bürdet Serena viel Arbeit auf, wird behauptet. Thea lädt Mac affektiert zum Wochenende ein – wird behauptet! Thea kontrolliert ganz doll ihren Mann und lässt kein gutes Haar an Jeff und Judy – wird behauptet! Thea macht Leute klein und fertig – wird behauptet. Allein: sehen oder lesen kann man davon leider überhaupt nichts.
Wann immer Thea auftritt, ist sie vielleicht hochstrukturiert und dominierend, aber sachlich, nur einmal gibt sie einen gallebitteren Kommentar ab, als Mac die Wochenenden absagt. Sauron und Darth Vader sind Finsterlinge? Reines Hörensagen, wenn man nicht dabei war.
Wieso das am Ende einen Mord rechtfertigt, kann ich leider nicht filtrieren. Müssen Ehefrauen erst sterben, damit Staranwälte wieder ein Auge für ihre vier Kinder kriegen? Noch dazu Kinder, die a) erwachsen und selbstständig sind (Jeff) oder b) beim besten Willen nicht nur durch Aufmerksamkeit „geheilt“ werden können, sondern dringend Therapie und Medis brauchen (Judy). Selbst Serenas – dieser kleinen, fragil geschilderten Frau – monströser Finalhass, der sie zur Affekthandlung treibt, scheint da dann doch übertrieben und setzt sich wohl mehr aus älteren Erfahrungen zusammen, die über Thea hinaus gehen.
Funktioniert hätte das alles trotzdem, doch Mrs.Orr ist so damit beschäftigt, ihr recht aufgeklärt und selbstständig arbeitendes Panoptikum an Figuren am Laufen zu halten, dass sie vergisst, mal ein paar markante Punkte zu setzen, wie die Charaktere auszugestalten (und andere lieber fallen zu lassen) oder Plotwendungen wirklich schwer und gewichtig auszustatten.
Daraus wurde ein Roman, in dem unglaublich viel los ist und gleichzeitig total wenig. Innen- und Außensicht Jennifers halten sich produktiv die Waage, aber ein schlüssiger Charakter wird leider nie aus der Protagonistin. Sie bekommt eine brauchbare, weil selbstständige Basis mit, doch dann verhält sie sich angesichts unterschiedlichster Persönlichkeiten manchmal stark widersprüchlich oder erklärt ihre Zu- bzw Abneigung nicht wirklich gut.
So könnte die Story auch heißen: „Wie ich in einer namhaften Anwaltskanzlei Karriere machte und nebenbei an einem Familiendrama teil hatte“, denn effektiv ist der Roman nichts Anderes. Auf Seite 44 erst verschwindet Thea, als man sich schon fast damit abgefunden hat, dass kein Spannungsfaktor mehr kommen wird. Der Rest gestaltet sich um selbstbewusste Frauen, die zupacken können, nicht ganz so platte Zutraulichkeiten wegstecken und kein Problem damit haben, quer durch die Arbeitsstelle zu daten. Karriere first, Männer second – und das ist recht modern für 1975, nur könnte man das dann am Ende hier als Beliebigkeitsplot auslegen.
Ob mir das gefallen hat? Schwer zu sagen: es war mühsam reinzukommen, dann aber abwechslungsreich und vielseitig, so dass man den noch fehlenden Plot und den unterentwickelten Konflikt erst bei der Nachanalyse bemerkt. Eine relativ kitschfreie Beziehungsanbahnung wird von kleinen Flirtaussetzern manchmal übermütig torpediert, aber insgesamt hab ich mir schon mehr vor einem Roman gegruselt, weil es nie richtig sülzig wird. Die Heldin ist emotional, aber wenn es darauf ankommt, sehr aufgeräumt – jedoch dann immer wieder kurz davor überemotional zu reagieren. So wird ein unruhiger Roman darauf, wie eine ruckelige Karussellfahrt, bunt, aber leicht verstörend.
So gerät auch der Titel passend (trifft auf Judy, Jeff, Gwen und Mac zu), aber viel zu gepitcht angesichts des sachlichen Umgangs mit dem Thema im Plot. Ich verbleibe da besser in „Sehnsucht nach guten Romanheften“...