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Zukunft von Gestern auf dickem Papier - Weigands »Das utopischphantastische Leihbuch nach 1945«

Jörg Weigands Abenteuer UnterhaltungZukunft von Gestern auf dickem Papier
»Das utopischphantastische Leihbuch nach 1945«

Noch vor der Erfindung des Internets hätte ich für das von Jörg Weigand bei DVR vorgelegte Buch »Das utopischphantastische Leihbuch nach 1945« getötet. Seitdem es aber das »www« gibt, ist diese Buch eher ein Anachronismus. 

Dennoch nehme ich als alter Sack dieses Werk mit einer gewissen Freude zur Kenntnis, zumal Jörg Weigand es kenntnisreich zusammengestell hat.

Jörg Weigands Das utopischphantastische Leihbuch nach 1945Aus Weigands Vorbemerkungen

Das sogenannte Leihbuch, das zwischen 1948 und ca. 1976 in Deutschland (bzw. in der Bundesrepublik Deutschland) speziell für gewerbliche Leihbüchereien hergestellt wurde, ist bislang nur in Teilbereichen ausreichend erforscht. In dieser Darstellung soll lediglich dem Leihbuch mit utopisch-phantastischem Inhalt mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden, speziell auch deswegen, weil sich bei diesem Genre der Unterhaltungsliteratur eine besonders interessierte Sammlergemeinde gebildet hat.
Den Schwerpunkt der utopisch-phantastischen Leihbücher bildet die Science-Fiction, die hier auch unter weiteren Bezeichnungen wie „technischer Roman, „wissenschaftlich-technischer Roman“ oder schlicht „Zukunftsroman“ auftritt. Darüber gibt es bereits etliches Material, insbesondere über Autoren und ihre Werke.
Zur reinen Science-Fiction kommen wenige Horror-Titel. Weswegen also diese Bestandsaufnahme?
Meine Lektüre quer durch die Genres des Leihbuchs brachte mir sehr rasch die Erkenntnis, dass weitaus mehr Titel als bislang angenommen, phantastischen Inhalt transportieren – und sei es nur in einzelnen Elementen. Solche Science-Fiction- und phantastischen Elemente finden sich in zahlreichen Kriminal- und Abenteuerromanen, aber auch – wenngleich nur vereinzelt – in sogenannten Frauenromanen, vorzugsweise Arztromanen.
Ob in diesen Romanen der fünfziger und sechziger Jahre mit Laserpistolen geschossen oder mit atomaren Handfeuerwaffen geballert wird, ob der Held durch eine neuentwickelte chemische Methode eine für Waffen undurchdringliche Haut erhält oder ob der Kriminalinspektor es gar mit gespenstischen Wesen aus der Anderswelt aufnehmen muss – das alles ist Phantastik; und daher für den engagierten, möglichst auf Vollständigkeit erpichten Sammler von hohem Interesse.

In Zeiten des Internets und der zahlreichen Seiten, die sich mit der Science Fiction (bzw. dem Zukunftsroman, Utopischem Roman oder welcher Firmierung auch immer) auch und gerade in Leihbuchform befassen, könnte man durchaus zu dem Schluss kommen, dass dieses Buch von Weigand eher überflüssig ist und wohl keinen originären Nutzen erfüllt. In den späten Siebzigern oder frühen Achtzigern des vorigen Jahrhundetrts wäre es eine Offenbarung gewesen.

Jörg Weigands Das utopischphantastische Leihbuch nach 1945Nun haben wir 2019 und eine im Grunde wertvolle Titelliste der SF-Leihbücher von Jörg Weigand erscheint nun doch endlich in Buchform. Und ja, es ist in mancherlei Hinsicht überflüssig, weil im Netz das alles aus diesem Buch aufzufinden ist.

Ich sehe dieses Buch dann doch eher mit sehr gemischten Gefühlen. Natürlich habe ich begeistert darin geblättert. Habe nach diesem oder jene Titel gesucht (und gefunden). Ich wühlte in Erinnerungen an die Lektüren der Romane von Jürgen Grasmück, Kurt Brand, K.H. Scheer, Clark Darlton und anderer Verfasser, die ich einst besaß. Dieses Buch ist für mich pure Nostalgie und ja ich bin auf der einen Seite begeistert.

Auf der anderen Seite vermisse ich den Komfort von Listen in elektronischer Form, in der ich nach Titel oder Verfassern oder Verlagen gliedern kann. Dort ist mein Suchkomfort deutlich höher.

Dennoch, so ein Buch zu haben und es nutzen können hat was. Es ist wohl eher für Fossile gemacht, die mangels Nutzung des Internets nun den Schluss einer Datenlücke erkennen. Aber manchmal fühle ich mich auch wie dein Fossil. Auf jeden Fall ist »Das utopischphantastische Leihbuch nach 1945« das Werk, das uns uns in den Achtzigern fehlte. Aber es ist ein wunderbar und wirklich sachkundig gemachtes Buch.

Kommentare  

#1 matthias 2019-09-13 12:27
Das Leihbuch an sich geht langsam seinem Untergang entgegen. Es ist heute absolut nicht mehr zeitgemäß.
Ich war mal im Besitz von Hunderten Leihbüchern und denke noch mit Grausen an den Platzbedarf dieser dicken Bücher. Wie schnell wird ein Zimmer davon gefüllt!
Das Leihbuch selber hat also ausgedient, aber die Texte sollten digitalisiert und somit "gerettet" werden. Anfänge sind da, aber nicht annähernd ausreichen, um von einer "Rettung" zu sprechen.

Wenn man im Ebay nach diversen Leihbuch-Autoren sucht (Rex Yale, Eddie Mills usw.) findet man hohe Angebotspreise, welche aber nicht gezahlt werden. Bei den tatsächlich verkauften Büchern sieht man, wie das Interesse erlischt.
Schade!
#2 matthias 2019-09-14 11:01
Wo sind die gegenteiligen Meinungen?
Beweist mir, dass ich unrecht habe.
Es würde mich freuen, von einem Leihbuch-Sammler zu hören, welcher jünger als 50 Jahre zählt.

Mich hat dieser Artikel wieder dem Leihbuch näher gebracht, nachdem dieses 20 Jahre völlig aus meinem Blickfeld verschwand.
Nun werde ich mir sicherlich keines dieser "Ziegelsteine" kaufen, aber als EBook hätte ich schon gerne den einen oder anderen Abenteuer-Text gehabt.
Im Internet habe ich allerdings nichts gefunden ......
#3 Hermes 2019-09-14 21:08
Ein paar Texte von Hans Peschke alias W. Brown gibt es als Ebook.
#4 matthias 2019-09-14 22:13
zitiere Hermes:
Ein paar Texte von Hans Peschke alias W. Brown gibt es als Ebook.

Stimmt, von den SF-Texten gibt es einige als Ebook, aber das Abenteuer-Genre ist nicht zu finden. Und gerade hier liebte ich die einfach gestrickten Abenteuer der 50iger Jahre, wo man auch sprachlich noch nicht der PC frönte und auch mal "Neger" sagen durfte.
#5 Laurin 2019-09-15 00:59
Zitat matthias:
"Wo sind die gegenteiligen Meinungen? "

Nun ja, ich persönlich würde mich hüten, hier eine gegenteilige Meinung zu äußern. Zwar bin ich auch locker über die 50 Jahre (kratze eher bereits an die 60 Lenze), hatte allerdings selbst in meiner Jugendzeit keine Berührungspunkte zum Leihbuch in unserer Stadt.

Das einzige, wo man mit wenig Taschengeld zugreifen konnte, war früher ein kleiner Laden, der gebrauchte PR-Romane wieder für ca. zwei Groschen das Heft nochmals verkaufte. Allerdings war auch diese Zweitverwertung eben im wesentlichen nur auf diese SF-Serie beschränkt, da sie wohl schon damals recht gerne gelesen wurde und es eben Leser gab, die die Heftromane danach für Pfennigbeträge pro Heft dort im Laden wieder zum Weiterverkauf abgaben.

Und da lesen von älteren Romanen bei vielen in der jüngeren Generation heute nicht unbedingt hoch im Kurs steht, dürften es gerade die Geschichten aus den Leihbüchern enorm schwer haben, noch Interessenten zu finden. Da dürfte sogar vieles wohl auch für immer verloren gehen.

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