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Skandal um Stalker - Tobias Bachmann "Stalker"

StalkerSkandal um Stalker
Tobias Bachmann »Stalker«

Und wieder gibt es eine Erstveröffentlichung im Gespenster-Krimi. Als Autor von Band 27 zeichnet wieder Tobias Bachmann, der auch schon Band 20 "Geist" beigesteuert hat.

Zwischenzeitlich gab es auch zwei neue Romane von Julia Conrad (= Barbara Büchner).

GeistDer Roman

"Mike war ein Streuner. Er hatte kein Ziel, aber eine Vergangenheit, die aus Kinderlachen und einer hübschen Frau bestand. Er hatte keine Ahnung, was damals geschehen war. Mittlerweile war ihm das auch einerlei. Aus unerfindlichen Gründen hatte er die ganze Scheiße überlebt und war seitdem unterwegs. Zu Fuß auf der Reise, allein von der Hoffnung getrieben, irgendeinen Überlebenden zu treffen, dem er vertrauen konnte. Oder mit ihm sein Essen teilte." (S.4)

Ein wahrhaft postapokalyptisches Szenario, das Tobias Bachmann hier entwirft. Als Mike in den Wäldern auf Stalker trifft, meint er endlich jemanden getroffen zu haben, mit dem er teilen kann. Gemeinsam verteidigen sich gegen einen Wolf, essen zusammen und erzählen sich ihre Geschichte. Stalker war schon vor der Katastrophe in der Gegend und ist mittlerweile ein echter Naturbursche mit langen Haaren und Rauschebart, der vortrefflich jagen und Fallen stellen kann. Doch als Mike auch noch den angebotenen Whiskey akzeptiert, hat das schwerwiegende Folgen.

Stalker hat Mike nämlich schon seit vier Tagen beobachtet. Er will den kräftigen, aber leider ahnungslosen Burschen, als Mitstreiter gewinnen, um gegen SIE zu bestehen. Sie sind so eine Art Werwölfe, die Menschen fressen, und unglaublich stark, ja schier unbezwingbar sind.

"SIE waren wie Tiere, obgleich SIE keine waren. SIE waren irgendetwas, was aus der Hölle gekommen war, zum Zeitpunkt der Apokalypse ... " (S.13)

Stalker erwägt sogar Mike als seinen Nachfolger aufzubauen. Sein Unterschlupf ist eine von einem Zaun umgebene Block- und Jagdhütte, die über etliche Geheimgänge verfügt und durch zahlreiche Fallen geschützt wird. Außerdem gibt es dort einen Bunker mit etlichen gemauerten Verliesen darin. Einst befand sich hier eine Tierstation.

In den ehemaligen Tierzwingern hält er seine Gefangenen. Mike ist nämlich nicht der einzige, den er sich geholt hat. Da gibt es z.B. die junge Marie, dann einen zehnjährigen Jungen namens David, einen alten Mann, der sich Noname nennen lässt, und eine schwarze Frau, die Sheryll heißt. Noname ist schon seit vier Monaten "Gast" von Stalker, die anderen kamen danach. Stalker versorgt sie mit Essen und Trinken und beschützt sie vor den Gefahren des grauen Landes. Marie muss ihm aber auch sexuell zu Diensten sein. Außerdem wäscht er regelmäßig alle Gefangenen mit Benzin, damit ihr Geruch keine Kreaturen anlocken kann. Nach und nach erfährt Mike mehr über seine Leidensgenossen. Marie ist eine überaus attraktive ehemalige Sängerin. Noname ist ein alter Mann und ein ehemaliger Politiker. David hat von Zeit zu Zeit Visionen, die er aber nicht recht zu deuten vermag. In diesen Visionen erscheint Mike als Ritter, der den Drachen tötet.

"Ihr habt es hier doch gut! Euch fehlt es an nichts! Hier seid ihr sicher! Ihr müsst nur meinen Anweisungen Folge leisten. Mehr verlange ich nicht!" (S.30)

Doch das Bild des überbesorgten Beschützers bekommt bald weitere Risse. Es stellt sich heraus, dass Stalker die Gefangenen als Lockvögel für die Kreaturen benützt. Tatsächlich werden Menschen, die von den Monstren gebissen werden, bald selbst zu tödlichen Wolfskreaturen. Stalker sucht anscheinend ein Gegenmittel, um dies zu unterbinden.

Doch auch das ist nur die halbe Wahrheit.

"... Es regeneriert sich selbst. Ein paar Stunden noch, dann wird die Wunde sich geschlossen haben, so als ob sie nie da gewesen wäre. Diese - vielleicht auch natürlich entstandene - Evolution eines Menschen wird die nächste Generation derer sein, die überleben werden." (S.47)

Der Skandal
Was macht denn nun diesen Roman so empörend? Ganz einfach, es geht um den Charakter Sheryll. Zunächst scheint klar, was der armen Frau passiert:

"Dann hörte Mike Sherylls Schrei. Noch bevor er aufblickte, wusste er, dass es ein Schrei des Todes war. Ein Schrei, der sagte, dass es jetzt zu Ende ging
...
Und während das Mary-Ding Sheryll zerfetzte und zerfleischte und dazu überging, das was von Sheryll übrig war, schmatzend aufzufressen ..." (S.41)

Doch dann reibt man sich ein paar Seiten weiter verwundert die Augen, Sheryll ist wieder putzmunter und "reitet am Ende in den Sonnenuntergang":

Sheryll sagte nur: "Wo ist Stalker?
...
Als die Tür endlich aufschwang, stürmte David auf Sheryll zu und warf sich ihr in die Arme. Sheryll bedachte ihn mit Küssen, und es war einfach nur rührend, die beiden so zu sehen" (S.56)
"Und jetzt?", sagte Sheryll. "Wohin geht unsere Reise?" (S.64)

Eine Erklärung dafür liefert der Roman nicht. Einige Leser fanden das Ganze nicht gerade prickelnd. So schrieb einer davon beispielsweise:

"Zum Roman: Dieser Band ist für mich einer der besten Beweise, dass ein Lektorat nur eine Legende ist. ...bis Seite 56 fasste ich für den Roman eine "sehr gute" Wertung ins Auge. Ich möchte begründen, warum es nicht dazu kommt: Auf Seite 41 wird Sheryll "zerfetzt, zerfleischt und schmatzend aufgefressen" - ab Seite 56 spielt sie wieder unbeschadet mit, als wenn nichts gewesen wäre. Das ist einfach unzumutbar; wenn ein Lektor das nicht bemerkt, hat er in betrügerischer Absicht sein Salär erhalten oder ist definitiv im falschen Metier tätig. " (Wolf55 im John-Sinclair-Forum)

Ein anderer Leser griff dies auf und machte sich dazu so seine Gedanken, die dem Verlag in kein gutes Licht stellen:

"Ich vermute schon lange, dass Bastei keinen Lektor hat. Anders ist das nämlich nicht zu begründen. Klar, Bastei ist einer der miesesten Verlage, die wir haben, das weiß man und das schluckt man eben auch, wenn man lesen will, was nur noch hier angeboten wird. Aber es ist arg." (Wynn im John-Sinclair-Forum)

Das wiederum konnte Bastei-Redakteur Mad-Mike nicht so stehen lassen. Empört schrieb er:

"Was hier an Verschwörungstheorien über "das Lektorat von Bastei" verbreitet wird, ist unglaublich und sollte mir eigentlich keine Antwort wert sein. Aber wenn man seit 40 Jahren diesen Job macht und nun lesen muss, dass man quasi die ganze Zeit über Däumchen dreht, verletzt mich das tief." (zitiert nach John-Sinclair-Forum)

Eine erstaunlich abgeklärte Reaktion kam vom Autoren selbst:

"Mit der aktuellen Ausgabe 27 "Stalker" ist mir was blödes passiert:
Ein Charakter (Sheryll) stirbt ... und lebt später wieder, als wäre nichts geschehen.
In einem anderen Forum regt man sich darüber gerade ziemlich auf - zurecht, wie ich finde - weswegen ich folgenden Versuch einer Erklärung verfasst habe:
Der Fehler, dass Sheryll stirbt und später wieder lebt, ist ...
.... total dämlich.
Das hätte so nicht passieren dürfen.
Ich könnte euch jetzt was erzählen, über die Phase, in der der Text entstanden ist, über verschiedene Schaffensperioden, über unterschiedliche Fassungen, und über eine Verlagstragödie, weswegen das Manuskript mehrere lange Jahre auf der Festplatte vermoderte.
Dann könnte ich euch erzählen, von der plötzlichen Möglichkeit, das Staub ansetzende Manuskript als Gespenster-Krimi zu veröffentlichen; von der Freude darüber und dem übereilten Verschicken einer Datei, damit Bastei mal schauen kann, ob es aufgrund der Endzeit-Thematik überhaupt passt.
Und dann würde ich euch gerne von einem Lektor erzählen, von einem Verlagsmitarbeiter, der sagt: »Hey, Herr Bachmann, da haben Sie aber nen Blödsinn verzapft, bitte ändern Sie das, bevor es in den Druck geht« ...
Doch von Letzterem kann ich euch nichts erzählen, denn dergleichen ist nie passiert.
Dabei mache ich Bastei keinen Vorwurf. Ich selbst hätte das Manuskript natürlich noch mal durchsehen müssen, bevor ich es abschickte - habe ich aber nicht. Denn wie Ihr ging ich eigentlich davon aus, dass da noch mal wer drüberliest.
Da nichts kam, ging ich davon aus, dass alles passt.
Und dann sowas.
Wie gesagt: Ich wiege meine Hände nicht in Unschuld. Der Fehler entstand während des Schreibprozesses, der von vielen Unterbrechungen in einer komplizierten Lebens- oder Schreibphase gezeichnet war. Da kann dergleichen mal passieren. Ein Lektor, ein Testleser, ein Korrektor hätte dergleichen merken müssen.
Glaubt mir: Mich ärgert das am allermeisten. Ich könnte mir die Haare ausreißen, deswegen.
Mehr als entschuldigen kann ich mich an dieser Stelle nicht, denn mit der Unterschrift unter den Vertrag ist das Manuskript Eigentum des Verlags und einen Neudruck im Rahmen einer »Neuauflage« der Reihe, wird es sicherlich nicht geben.
Was es geben wird, ist ein neuer Gespenster-Krimi aus meiner Feder. Diesmal ohne so furchtbare Fehler, wie in »Stalker«. Dessen könnt Ihr euch diesmal sicher sein. Erscheinen soll das Ding im Februar 2020, glaube ich.
Nun, und vielleicht zeigt die Geschichte Bastei, dass zumindest eine Korrekturprüfung doch Sinn macht. Zumindest hoffe ich das. Ich will auch nicht über den Verlag lästern, sondern werde ihn stattdessen darüber in Kenntnis setzen und meine Gedanken dazu mitteilen (das kann ich erst jetzt machen, da ich heute erst meine Belegexemplare bekommen habe) - ob es was bringt, kann ich natürlich nicht versprechen!
Aber, Ihr habt recht: Da ist noch viel Luft nach oben. Gleichermaßen für euch Leser, als auch für uns Autoren. Ich für meinen Teil kann nur versprechen, daraus gelernt zu haben und hoffe, dass Ihr mir auch weiterhin gewogen bleibt.
Liebe Grüße
Tobias Bachmann" (zitiert nach John-Sinclair-Forum)

Und zu guter letzt gab es dann auch noch eine Rückmeldung vom Lektorat:

Derzeit erreichen uns vermehrt Leserbeschwerden zu dem Gespenster-Krimi Band 27 Stalker". Zu Recht wird darin vor allem ein inhaltlicher Fehler bemängelt eine Tote spielt plötzlich wieder mit , der nicht hätte passieren dürfen.
Bei dem Manuskript war eine derart starke Bearbeitung nötig, dass wir es aus Zeitgründen an einen externen Lektor geben mussten, der es auch sehr intensiv bearbeitet und viele inhaltliche Widersprüche korrigiert hat. Dass ihm dabei leider dieser Fehler entgangen ist, dafür können wir uns nur in aller Form entschuldigen. Wir versichern euch, dass alle BASTEI-Manuskripte von ausgebildeten Lektoren gründlich geprüft und bearbeitet werden, und wir tun unser Bestes, dass so etwas nicht wieder vorkommt. (zitiert nach John-Sinclair-Forum)

Wer es noch ausführlicher haben will, schaue bitte ins John-Sinclair-Forum!

Meine Gedanken
"Stalker" ist ein spannender Roman, der mit seiner Endzeitthematik auch sehr gut ins MADDRAX-Universum gepasst hätte. Mike ist ein sympathischer Protagonist, der es dem Leser leicht macht, sich mit ihm zu identifizieren. Stalker ist dagegen ein unheimlicher und undurchsichtiger Gegenspieler. Auch die vier anderen Charaktere machen einiges her. Ist die Atmosphäre der Geschichte auch sehr ansprechend, und die Spannung durch die unvorhersehbaren Wendungen durchgehend hoch, so gibt es doch Abzüge bei der handwerklichen Gestaltung. Der Fehler mit Sheryll ist leider nicht der einzige, wenn auch natürlich der gravierendste.

Die Aufnahme des Romans im John-Sinclair-Forum und die Reaktion des Verlages bzw. seiner Mitarbeiter, bezeugt zweierlei. Einerseits haben einige  Leser durchaus häufiger schlechte Erfahrungen mit Basteiromanen gemacht und sind entsprechend sensibilisiert. Die Verlagsmitarbeiter andererseits sind frustriert über die Art und Weise wie sie und Bastei in den Foren angegangen werden und reagieren entsprechend dünnhäutig. Im Fall Stalker muss man feststellen: grober Schnitzer. Punkt. Hut ab vor der selbstkritischen Reaktion von Tobias Bachmann.

Ich habe mir anfangs vom Gespenster-Krimi nicht allzu viel erwartet und eigentlich auch nicht mit neuen Romanen gerechnet. Die aktuelle Entwicklung mit regelmäßig eingestreuten neuen Titeln hat mich positiv überrascht. Ich bin schon neugierig auf den nächste Woche erscheinenden Roman von Sören Prescher.

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