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Another Tale of five books (1) - Für Menschen verboten

The Tale of five booksAnother Tale of five books (1)
Für Menschen verboten

Im Folgenden unternehme ich den  erneuten Versuch, einige  SF-Leihbücher aus den  fünfziger und sechziger Jahren zu rezensieren. Ich habe mich  dabei auf weitere fünf Stück festgelegt, die ich aus meinem Fundus nach Belieben wähle. Also nach dem Zufallsprinzip. Dabei werde ich, wie bei Rezensionen üblich, kurz den Inhalt erklären und dann  feststellen, ob das Buch auch heute noch lesens- bzw- beurteilenswerte SF darstellt.

Ich werde nicht über Leih-Buchverlage oder Autorenpseudonyme referieren, sondern die Bücher als das nehmen, was sie sind. Es wird also immanent der reine Band  und sein geschriebener Inhalt bewertet.

Für Menschen verbotenFür Menschen verboten
von Jay Grams (Jürgen Grasmück, 1940 - 2007)
Deutschland: 1959
Bewin-Verlag, B. Winterbach K.G.,Menden/Sauerland


Zum Klappentext:

Nach einer Serie verunglückter Raketenstarts hat Morgan Collins, der Leiter der amerikanischen Raketenbasis, ein seltsames Erlebnis; er erfährt das Datum seines Todestages.Er liest es in einem Verzeichnis, das ihm der Zufall in die Hände spielte.Unter vielen fremden Namen findet er auch den eigenen und wenn er den Aufzeichnungen glauben will, muß er sich auf einen baldigen Tod gefaßt machen.Als sein Todestag ist der 30. August angegeben,und bis dahin sind es nur noch wenige Wochen. Morgan glaubt nicht an übernatürliche Dinge. Er hält das ominöse Sterbeverzeichnis für einen makabren Scherz. Aber dann macht er die Bekanntschaft des Mannes, der das Sterberegister verloren hat, und da vergeht ihm das Lachen.Der unheimliche Fremde stellt sich vor als ein Beauftragter der Überzeit-Vereinigung, und durch ihn erlebt Morgan Collins eine Reise, wie sie zuvor noch keinem Erdenmenschen zuteil geworden ist.Von diesem Fremden erfährt Collins aber auch, warum alle Bemühungen der Menschen, tiefer in den Weltenraum vorzustoßen, scheitern mußten. Doch wiewohl er dem Fremden glauben müßte, startet Collins weitere Raketen und versucht dem Tode ein Schnippchen zu schlagen, der ihn am 30. August treffen soll.

Analyse und Kritik:Morgan Collins steht hier in der ersten Hälfte als Person im Vordergrund mit seinen persönlichen Problemen. Warum die Menschen mit primitiven Weltraumraketen, die kaum zum Mond kommen, geschweige denn zum Mars, eine Gefahr im Weltall darstellen, wird auf den ersten hundert Seiten nicht thematisiert: es geht hauptsächlich um Morgan Collins, mit seinen Ängsten und Problemen: die Raketen, die nicht starten und dauernd explodieren, sind nur ein Nebeneffekt der Erzählung: der Autor erweist hier als ein Vertreter der klassischen Kausalidee, das alles an Geschehen bereits vorherbestimmt sei. Ein parmenidisches Blockuniversum, in dem jede Einzelheit eines menschlichen Lebens und Schicksals bereits exakt vorausgeplant und nicht veränderbar ist.Eine Welt ohne freien Willen und ohne den Laplacschen Dämon der Unvorhersagbarkeit physikalischer und damit auch soziologischer Ereignisse.

Der Autor will dies dem Wirken einer höheren, göttlichen Entität zuschreiben, deren selbsternannte  Stellvertreter die Aliens sind, die sich als Agenten der „Überzeit-Agentur“ ausgeben; diese Darstellung  ist beinahe rührend und wirklich einen Orden des katholischen Offiziums zur Verbreitung des monotheistischen Glaubens an eine einzige Übergottheit wert: das ist schade, denn  ohne diesen pseudo-theologischen Überbau könnte der Autor hier wirklich eine spannende kosmische  Geschichte erzählen über normale Menschen, die mit einer fremdartigen übergeordneten, weltlichen Autorität in einen Konflikt geraten.Die Aliens tarnen sich als Menschen, leben Millionen Lichtjahre entfernt und verhindern durch Sabotage, dass die Menschen, auch die Russen, nicht nur die Amerikaner, in den Weltraum gelangen, weil die Menschheit dafür nicht reif sei.Nicht einmal zum Mond dürfen sie.Das Primärziel auch  der echten Weltraumfahrt in den fünfziger Jahren. Die Probleme, die der Mensch Collins mit seinen Raketen und der Sabotage durch die Überzeit-Aliens hat, werden dann recht ausführlich in der zweiten Hälfte des Bandes beschrieben.Hier liegt der Schwerpunkt nicht auf den Gefühlen des Weltraumingenieurs, sondern auf der Technik und den Problemen damit.Das ist nicht ganz unspannend, wie die "Überzeitlichen" so verschiedene Sabotagemöglichkeiten haben. Amerikanische Raketen explodieren meist beim Start oder etwas später, russische werden nur vom Kurs abgelenkt und treffen den Mond nicht  ...

Sehr selbstherrlich von den Aliens,  aber wir sind eben im kalten Krieg - mitten im Weltraum - da sind alle Mittel recht, wie es scheint.Da gibt es keine Gleichbehandlung, jedenfalls nur qualitativ.Beide Großmächte kriegen keinen `rauf, also keine Rakete ins All. Ohne die theologische Überbau-Prämisse wäre der Band lesbar. So hingegen wirkt der Roman teilweise wie die Propaganda eines Gläubigen, der mit Hilfe einer Geschichte andere nichtgläubige Menschen überzeugen will.Warum die Menschen mit primitiven Weltraumraketen, die kaum zum Mond kommen, geschweige denn zum Mars, eine Gefahr im Weltall darstellen,wird auf den ersten hundert Seiten auch  nicht thematisiert: beides ein klarer Minuspunkt. Der Protagonist kommt übrigens pünktlich zum Schluss des Bandes um. Ende des Romans … keine menschlichen Raketen im Weltall … außerdem soll die Menschheit sich selbst im Jahre 2000 auslöschen, so steht es geschrieben im Buch der Überzeitlichen mit ihren Zeitmaschinen, die übrigens per Knopfdruck auch vom Menschen leicht bedien- und beherrschbar sind … na ja.

Zum Stil: der Schreibstil ist klar, geradlinig, äußerst verständlich, ohne große Formulierungsfehler,aber einfach gehalten. Kurze Sätze, auch eingeschobene Nebensätze kommen vor. Sehr viele Dialoge, die den Lesefluss naturgemäß beschleunigen.Auffällig ist die dauernde Erwähnung des vollständigen Namens des Protagonisten:

„Morgan Collins stand auf. Morgan Collins begann zu grübeln“.

Langeweile kommt eigentlich nicht auf beim Lesen, allerdings wirken die Schilderungen in der Vergangenheit äußerst primitiv und dürftig. Der Autor vermischt Babylon mit Assyrien und kennt sich nicht wirklich in der Geschichte der Antike von Vorderasien  aus.Er verwendet Etemenanki, den sogenannten Turm von Babylon, aber seine Quelle scheint nur die Bibel zu sein; die er, theologisch ungebildet, wohl für wörtlich hält und den alten Mythos des „Turmes zu Babel“ klassisch   wie aus einer Kinderstunde für Klein-Fritzchen in der Sonntagsschule interpretiert.Wie in den fünfziger und sechziger Jahren üblich, wird die Menschheit fälschlich als „Rasse“ bezeichnet.

„Die menschliche Rasse hat keine Zukunft!“

Nimmt man den Satz wörtlich im Sinne der Semantik, den Unterschied zwischen Konnotation und Denotation betreffend, hat der Autor recht  ... aber dafür gibt es keinen Pluspunkt.Der Begriff hatte tatsächlich keine Zukunft in der SF-Literatur. Grins.

Alles in allem versucht Grams hier eine spannende Geschichte aufzubauen, was ihm mit diesem, damals  zwar nicht unoriginellen, aber doch etwas dünnen Plot nicht wirklich gelingt. Da gab es andere Autoren, die mit diesem Thema besser umgingen.Deshalb kann der Roman nicht als empfehlenswert oder lesenswert betrachtet werden. Man kann ihn also einmal im Leben  mit einem Aha-Effekt lesen, wird ihn aber kein zweitesmal in die Hand nehmen wollen.Eine Kurzgeschichte würde dem Thema besser gerecht werden als ein aufgeblähter Roman.

Abschließend noch ein Kommentar zum anscheinend damals beliebten Titel: „Für Menschen verboten.“ Es gibt mindestens zwei weitere Werke in der deutschen  SF-Literatur mit diesem Begriff. Einmal ein bei Goldmann erschienener Roman von Lloyd Biggle  (SF Nr.48) und einen Perry-Rhodan-Roman aus dem Posbi-Zyklus von William Voltz (Band 143).

Fazit: mit der heutigen SF-Unterhaltungsliteratur kann der Band aufgrund seiner Naivität und der doch wirklich einfachen Schreibe sowie der Unbildung des Autors auf  keinen Fall mithalten.In der damaligen Zeit und geschrieben für fünfzehnjährige Enthusiasten mochte das anders sein, doch selbst ein in Bayern geprägter Primaner hätte bereits damals das Buch wütend weggeworfen oder zumindest seufzend beiseite gelegt. Selbst eine bearbeitete, überarbeitete Neuauflage würde nur die Literaturhistoriker und die Sammler interessieren, nicht aber den kundigen SF-Leser. Der Autor hatte ja dann später seine Meriten auch  woanders geholt.

Das Urteil reicht  daher nur für eine Supernova von fünf möglichen.

Schade – aber so ist es.

Leider konnte ich nicht eruieren, von wem das doch recht gute Retro-Titelbild stammt.Wer hier mehr weiß: be welcome!

2020 by Holger Döring

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