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Die phantastischen Welten des Karl-Ulrich Burgdorf: Jenseits der Universen 2021 Apex-Verlag

Die phantastischen Welten des Karl-Ulrich BurgdorfJenseits der Universen
2021 Apex-Verlag
(Als Paperback und E-Book, ca. 210 Taschenbuchseiten)

Mit »Jenseits der Universen« präsentiert Karl-Ulrich Burgdorf ein Prequel zu »Delta Omicron«. Die Erwartungshaltung ist hoch – auch 2 Jahre nach meiner Erstlesung ist »Delta Omicron« positiv in Erinnerung.

Bei der Ersterkundung eines ansonsten sehr unscheinbaren Sonnensystems stößt die DEIMOS auf ein unbekanntes Flugobjekt.

Jenseits der UniversenIm Inneren werden nur ein Rundgang und ein leerer Raum entdeckt sowie eine schwache fünfdimensionale Strahlung angemessen. Das Forschungsschiff transportiert die 40 Meter durchmessende und 10 Meter hohe Kristallscheibe zur EXPERIMENTALSTATION TEST. Während des Transportes erhöht sich die Strahlung mit jeder Transition.

Auf TEST stellt der Zentralcomputer ein Forschungsgruppe für die Untersuchung des Artefakts zusammen; Michael Manninghouse wird als Leutnant der Abwehr dem Projekt zugeteilt.

Bereits bei der ersten Erkundung des Inneren der Kristallscheibe kommt es zu einem   massiven Zwischenfall. Michael Manninghouse versucht, die Hintergründe zu klären. Er möchte mehr über das Objekt und dessen Funktion herausfinden - und auch mit den Erbauern in Kontakt treten. Dabei droht er, unter die Räder des Militärs zu kommen …

Mit der ersten Hälfte des Romans erzählt Karl-Ulrich Burgdorf eine geradlinige SF-Story: Die Erforschung eines unbekannten Sonnensystems, die Entdeckung eines außerirdischen Artefakts, die Überführung zu TEST, Spekulationen und Hypothesen und weitergehende Forschung – der Autor weiß, was Leser sich von einem SF-Roman erhoffen.

Die Beschreibung der DEIMOS und vor allem der EXPERIMENTALSTATION TEST gehen in die Tiefe, man ahnt – unabhängig vom erläuternden Vorwort -, dass der Autor diese Szenarien noch öfter nutzen wird bzw. bereits genutzt hat. Die Automatismen und Routineabläufe an Bord der DEIMOS sind stimmig gezeichnet, als Leser taucht man in das Bordgeschehen ein und würde gerne anheuern.

„(…)
   Für einen kurzen Augenblick blieb Larissa im Schott stehen und ließ ihre Blicke durch den Raum schweifen. Obwohl sie die DEIMOS schon seit drei Jahren kommandierte, war sie immer wieder fasziniert von der funktionalen Schönheit, die die Zentrale in Momenten höchster Alarmbereitschaft ausstrahlte. Leise Stimmen vereinigten sich mit dem Summen computerisierter Kontrollgeräte zu einer monotonen Hintergrundmusik. Und über allem leuchtete der aktivierte Hauptbildschirm, der dreidimensional den Weltraum in Flugrichtung des Schiffes zeigte eine unendliche Schwärze, nur unterbrochen von den ruhigen Lichtpunkten, die die Sterne waren.
    (…)“

»Jenseits der Universen«  E-Book (Tolino) Seite 16

Die DEIMOS-Handlung wird auf TEST fortgesetzt, und obwohl ein Wechsel der Hauptcharaktere damit einhergeht, ist dies nur konsequent.

Die Hypothesen, die die Wissenschaftler im weiteren Verlauf aufstellen, bilden einen eigenen Handlungsschwerpunkt. Die Dispute und Erläuterungen, die bei vielen SF-Romanen nur sehr oberflächlich geschildert oder dem Leser gar nur als Ergebnis vereinfacht präsentiert werden, verleihen dem Roman zusätzlich Tiefe.
Besonders gefällt dabei die Einbindung Edwin A. Abbotts Darstellung einer zweidimensionaler Welt, die seinem Werk Flatland entlehnt ist. Faszinierend! Diese 1884 veröffentlichte Novelle kannte ich bislang nicht.

Die Crew und die Wissenschaftler der DEIMOS werden sehr sympathisch-kompetent dargestellt, der lockere Tonfall, der nicht ins flapsige abgleitet, gefällt.

Positiv hervorzuheben: Die komplette Schiffsführung der DEIMOS (Kapitän, 1. Offizier) ist weiblich, und auch der Bordcomputer wurde von der Besatzung Sophia getauft. Der Roman wurde 1977 geschrieben, zu einer Zeit, als weibliche Protagonisten sich ihre Berechtigung in wichtigen Funktionen bzw. als Hauptfigur innerhalb der SF erst noch erkämpfen mussten. Bei »Jenseits der Universen« wurde diese Konstellation über eine einzelne Figur hinausgehend bereits als normal und ohne jegliche Hervorhebung dargestellt. Diese positive Kritik hätte natürlich stärker gewirkt, wenn der Roman tatsächlich zeitnah zur Entstehung veröffentlicht worden wäre.

Eine weitere Ebene im Roman ist die Persönlichkeitsentwicklung Michael Manninghouses. Bereits mit seinem Eintreten in den Roman (einer Kampfsimulation mit Außerirdischen) wird sein innerer Konflikt aufgezeigt: Er ist Leutnant der Abwehr, und lehnt einige nicht zu hinterfragende militärische Gegebenheiten ab. Als Leser spürt man früh, dass er Änderungen anstreben wird; die Verknüpfung mit der Haupthandlung ist dann sehr elegant und für die Hauptfigur alles andere als angenehm.

„(…)
   Daraufhin hatte der Professor tief geseufzt. „Sie haben ja recht, Mike. Aber dieses abartige Training ist eben Teil Ihres Jobs, genauso, wie es Teil meines Jobs ist, mit Hilfe meines Stabes Menschen durch psychologische Tricks zu manipulieren, und Sie glauben gar nicht, wie sehr mir das manchmal widerstrebt. Meine einzige Rechtfertigung ist, daß ich auf diese Weise Mord und Totschlag innerhalb der Station verhindere. Schauen Sie, Mike“ - seine Stimme wurde dabei seltsam weich - „ich versuche seit jeher, mein Leben nach dem traditionellen jüdischen Konzept des 'Tikkun Olam' auszurichten – dem Heilen und Reparieren einer kaputten Welt. Und daß die Welt das bitter nötig hat, wissen Sie genau so gut wie ich, sonst würden wir dieses Gespräch nicht führen. 'Tikkun Olam' ist für mich die einzige Rechtfertigung, manchmal Dinge zu tun, die ich zwar für falsch, aber dennoch für notwendig halte. Lehm kann man nicht anfassen, ohne sich die Hände schmutzig zu machen, aber mit ein wenig Geschick – und natürlich auch mit ein wenig Glück – gelingt es uns am Ende manchmal doch, aus diesem Lehm am Ende etwas Schönes zu formen.“
   „Wir müssen uns also die Hände schmutzig machen, wenn wir etwas Positives bewirken wollen?“
   „Ich fürchte ja. Und das 'Spiel' ist eben ein Teil dieses Schmutzes.“
   (...)“

»Jenseits der Universen« E-Book (Tolino) Seite 39

Auch über die anderen Figuren (DEIMOS-Crew, Wissenschaftler) werden die Schatten des terranischen Imperiums dargestellt. Einerseits kollegialer Umgang und die Möglichkeit für Wissenschaftler, eigene Thesen nachgehen zu können, andererseits permanente Überwachung und die Gefahr, auf reine Funktionalität reduziert zu werden. Karl-Ulrich Burgdorf präsentiert eine gespaltene Zukunftswelt.

Der Leiter des Stabilisierungsstabes, Jeremias Cornelius Vogel, ist ebenfalls eine Figur, die aus »Delta Omicron« bekannt ist. Die dort bestehende Vater-Sohn-ähnliche Beziehung mit Michale Manninghouse wird in »Jenseits der Universen« überzeugend aufgebaut. Die jüdische Figur erhält in diesem Roman deutlich mehr Szenen – und sein 1. Kontakt mit den Außerirdischen hat schon eine kuriose Note. Gerade seine jüdisch geprägte Charakteristik gestaltet den Erstkontakt sehr positiv.

Abwehrchef Alistair Reed, der Manninghouse in die Bredouille bringt, weiß als Figur zu überzeugen. Seine Betrachtungsweisen sind konträr zu jener Manningshouses; gleichzeitig aus seinem Blickwinkel bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehbar. Die Figur würde sich als Bösewicht in jedem James-Bond-Film gut machen.

Überraschend früh werden die Außerirdischen eingeführt, wenngleich Anfangs nur in kurzer Sequenz; der Leser erhält gegenüber den menschlichen Charakteren einen Wissensvorsprung. Wer Karl-Ulrich Burgdorfs Werke kennt, weiß, dass der Autor wenig mit vordergründigen Spannungsmomenten arbeitet und mehr auf einen sich kontinuierlich entwickelnden Roman setzt, bei dem Wendungen gut vorbereitet werden.

Dass Michael Manninghoue beim Erstkontakt eine große Rolle einnimmt, wurde durch »Delta Omicron« vom Autor bereits gespoilert - der Ablauf ist dann aber doch überraschend. Die Spur, die zu einem der Fremden führt, wurde gut gelegt. Während ich bei Filmen die Technik, im Nebenbei für später Relevantes einzubringen, leider viel zu oft durchschaue und Wendungen vorhersehen kann, wurde ich bei »Jenseits der Universen« mehrfach überrascht.

Im Schlussteil des Romans werden erwartungsgemäß viele Handlungsfäden zusammengeführt. Die aufgestellten Hypothesen werden erweitert und ergänzt – und doch geht es mittlerweile um wesentlich mehr: Um das Leben Michael Manninghouses.  

Fazit:
»Jenseits der Universen« überzeugt auf allen Gebieten: Die bodenständige Grundstory ist gut gewählt, mehrere überraschende, sehr gut vorbereitete Handlungswendungen und (meist) sympathische Figuren runden den Roman ab. Spannung auf allen Ebenen.
Ein großer Wurf!

  

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