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Frauenpower - Zwielicht Classic 16

Zwielicht ClassicFrauenpower
Zwielicht Classic 16

Nach zwei Jahren geht es endlich weiter mit Michael Schmidts "Zwielicht Classic" Reihe.

Wieder präsentiert uns der Herausgeber "herausragende Stories und vergessene Perlen" aus dem letzten Jahrzehnt und dazu zwei klassische Geschichten aus der Zeit vor 100 Jahren.

Zwielicht Classic16Einführung
Fast sah es so aus, als ob Michael Schmidt sich nur noch auf das Magazin Zwielicht konzentrieren würde. Die Pause bei der Schwesterreihe Zwielicht Classic ist nach zwei Jahren jetzt jedoch beendet. Man macht dort weiter, wo man zuletzt aufgehört hatte. Neben den Geschichten aus dem letzten Jahrzehnt gibt es auch wieder zwei Stories aus der Zeit Anfang des letzten Jahrhunderts. Und auch das optische Aushängeschild der Reihe ist geblieben. Wie seit Band 10 liefert Oliver Pflug auch diesmal wieder das sehenswerte Cover ab.

Die Geschichten
Silke Brandt "Vertrebrae"
Diese stilistisch anspruchsvolle Geschichte handelt von zwei grausamen Mörderinnen. Erzsébeth Báthory und Darja Saltikova, die eine lebte im 16.Jahrhundert in Ungarn, die andere im 18.Jahrhunderts in Rußland. Beide brachten Dutzende von jungen Frauen um. Die Autorin versetzt das Ganze mit homosexuellen und sadomasochisten Motiven.

Michael Tillmann "Tibetanisches Windspiel"
Ein Einsiedler ist nach dem Tode seiner Frau der Einsamkeit überdrüssig. Da erhält er unerwarteten dämonischen Besuch. Eine Story mit einer Prise Sex.

Hanns Heinz Ewers "Das Hya-Hya-Mädchen"
Während einer Expedition ins innere Guyanas erkrankt ein deutscher Expeditionsteilnehmer. Er kann keine Nahrung bei sich behalten und verlangt im Fieberwahn immer wieder nach Milch. Schließlich kommt Soeur Victorine der rettende Einfall. Die Rettung durch eine Einheimische hat jedoch ihren Preis. Eine Geschichte aus dem Jahr 1928.

Marianne Labisch "Trost oder Qual?"
Diese kurze Story um den Tod eines Kindes ist zwar durchaus anrührend, aber sie erzählt eigentlich keine Geschichte. Und ein fantastisches Element gibt es im Grunde auch nicht.

Ina Elbracht "Federgeld"
Eine Geschichte mit spannenden exotischen Elementen, die im Museum angesiedelt ist. Der kleine Angestellte Fritz Klein hat es mit einem Kotzbrocken von Chef zu tun. Für Fritz bleibt die Arbeit, während sein Vorgesetzter Ottmar von Heimbach die Lorbeeren einheimst. Eines Tages besucht Alice Abraham das Museum. Zur freudigen Überraschung von Fritz teilt sie seine Begeisterung für die melanesische Abteilung.  Und dann entdeckt Fritz per Zufall noch eine fast vergessene Kiste. Eine Story, die in der Zeit kurz nach 1900 spielt.

Frederic Brake "El Viaje"
Eine junge Frau widersetzt sich ihrer Vermählung. Das erregt den Zorn des Ältesten. Sie gefährdet damit die überkommenen Bräuche, die einen tieferen Sinn haben. Es gibt eine schöne Pointe.

Karin Reddemann "Herzblut"
Hier erhält der Leser Einblicke in die junge Ehe zwischen Niklas und Vanessa. Alles scheint gut, doch der gemeinsame Flohmarktbesuch schafft Probleme. Ein unvollendetes Bild weckt unterschiedliche Begierden. Sie ist nur interessiert an dem schönen Rahmen, ihn hingegen überkommt der unstillbare Drang, das unvollendete Bild weiter zu malen. Dadurch verändert sich das gemeinsame Leben.

Willy Seidel "Der Garten des Schuchân"
Die Novelle aus dem Jahr 1912 führt in die ägyptische Wüste. Dort nehmen Nomaden eine verlassene Oase in Besitz. Dazu wird zuerst ein böser Afrid besiegt. Zunächst scheint alles zu gelingen, doch von Anfang an gibt es Spannungen zwischen dem Anführer Sadaui und seinem jüngeren Halbruder Schuchân. Diese Novelle ist der längste Beitrag des Bandes.

Die Artikel
Nils Gambert "Lord Dunsany"
Hier wird kenntnisreich über den anglo-irischen Adeligen geschrieben, der zu den Vorbildern H.P. Lovecrafts zählte. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den biografischen Daten des Autors. Und natürlich wird auch seine Beziehung zu H.P. Lovecraft beleuchtet. Ein überaus kenntnisreicher und detaillierter Artikel.

Karin Reddemann "Die dunkle Muse"
Der schon bekannte Parceforceritt durch Literatur und Film. Diesmal geht es um Kolja, den Menschenfresser, einen kasachischen Massenmöder aus dem letzten Jahrhundert. Weiter widmet sich die Autorin Bela Lugosi, dem bekannten Draculadarsteller. Zeilen von Percy Shelly, dem früh verstorbenen Ehemann der Frankensteinautorin Mary Shelly, regen sie ebenfalls zu Spekulationen an. Ganz allgemein werden dann Gedanken zum Thema Friedhof und zum Umgang damit, in Realität und Film, ausgebreitet. Anschließend erfahren wir mehr über Joachim Kroll, den Kannibalen von Duisburg. Weiter geht es mit dem Slasher "Your next" aus dem Jahre 2013. Und schließlich wird eine ziemlich unbekannte Seite aus Astrid Lindgrens Schaffen besprochen. Mit "Soylent Green" wird ein weiterer Film vorgestellt. Und zum Schluss gibt es Wissenswertes um "Der Glöckner von Notre Dame" und zwar um Buch und die Verfilmungen. Ein bunter Strauß von Gedanken und Infos wie wir es von der Autorin kennen.

Meine Gedanken
Ich bin froh, dass es mit Zwielicht Classic weiter geht. Mittlerweile erscheinen dort die besten Stories aus den Jahren 2011 bis heute. Und siehe da, plötzlich sind die weiblichen Autoren in der Mehrheit. Von den sechs Stories dieser Periode stammen diesmal vier aus der Feder von Frauen. Mir hat es besonders "Federgeld" von Ina Elbracht angetan. Das Herzstück des Bandes stellt jedoch zweifellos "Der Garten des Schuchân" dar. Willy Seidel versteht trotz der teilweise antiquierten Sprache und den heute ungebräuchlichen ausführlichen Beschreibungen eine dichte Atmosphäre zu erzeugen. Mit der Präsentation von Geschichten aus der Zeit zwischen 1800 und dem Zweiten Weltkrieg deckt Zwielicht Classic ein bisher kaum beachtetes Feld ab, das es verdient aus der Vergessenheit geholt zu werden. Der Band liefert natürlich wie gewohnt zusätzliche Informationen wie die Quellenangaben zu den Stories und Infos zu den Autoren.
Meine Empfehlung: unbedingt lesen!

Zwielicht Classic 16
Michael Schmidt (Hrsg.)
Cover: Oliver Pflug
EUR0 9,50
192 Seiten
Selbstverlag 2021

Kommentare  

#1 mammut 2021-11-22 08:07
Vielen lieben Dank, Uwe, für diese tolle Rezension.

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