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Götter auf Erden - Göttergarn - Kurzgeschichten aus dem Leseratten Verlag

GöttergarnGötter auf Erden - »Göttergarn«
Kurzgeschichten aus dem Leseratten Verlag

Die Funtastik Antho aus dem Leseratten Verlag widmet sich diesmal dem Thema Götter. Eine bunte Riege von nordischen, griechischen und noch exotischeren Trägern der Macht sorgt für Wirbel auf Erden. Und meist agieren die Götter dabei unfreiwillig komisch.

Aber werfen wir einen Blick auf die Anthologie...

GöttergarnZur Einführung
Herausgeberin Veronika Lackerbauer wurde von einer Frage nicht mehr losgelassen:

"Die Sagen und Heldenmythen aus längst vergangenen Zeiten und ihre göttlichen Taten kennt man, aber heißt es nicht, dass Götter unsterblich wären? Dann müssen sie doch immer noch irgendwo da draußen sein, oder nicht? Wie kommen Götterväter wie Zeus, Jupiter oder Odin eigentlich damit zurecht, dass niemand mehr von ihnen wissen will? Haben der technische Fortschritt, die Globalisierung, die unendlichen Weiten des Intenets das göttliche Leben irgendwie beeinflsst?" (Vorwort zu Göttergarn)

Nach dem erfolgreichen "Schnittergarn" aus dem Jahre 2018 mit Geschichten über den Tod, geht es nun also um die alten Götter.

Die Geschichten

C.G. Bittner "Der Serverraum der Unterwelt"
Todesgott Hades steckt in der Bredouille. Seit dem Aufspielen der neuen Software stimmt etwas nicht und niemand kann mehr seine Unterwelt betreten. Kurz entschlossen entführt er die Programmiererin Alexis Sorbas. In ein paar Stunden muss sie alles richten, sonst verliert Hades seine Zulassung. Gut, dass die Enddreißigerin ihre Zimtschnecken dabei hat.

Eine köstliche Persiflage auf die Bürokratie und die Tücken der Software.

Marina Clemmensen "Feurio"
Der aztekische Feuergott Xiuhtecuhtlis und seine Begleiterin Maren, die ihn kennengelernt hat, weil sie auf einer Party einmal nach Feuer gefragt hatte, erkunden in der langen Nacht der Museen eine Privatsammlung. Dort gibt es Ausstellungsstücke aus allen möglichen Kulturen. Und einige der Exponate sehen merkwürdig echt aus.

Der Feuergott und Maren kabbeln sich wie ein langjähriges Ehepaar. Extrem hoher Spaßfaktor.


Robert von Cube "Drei Falten auf der Couch"
Gott auf der Couch eines Psychiaters. Er berichtet über seine Probleme mit den Menschen seiner Schöpfung. Und wird zuweilen von seinem Therapeuten regelrecht in die Enge getrieben.

Oberflächlich spaßig, aber mit tiefschürfendem Hintergrund.

Thomas Heidemann "Die Feuersturm-Chroniken 5: Love, Axe and Rock'n Roll"
Die Feuersturm macht einen erfolgreichen Überfall und erbeutet einen vielversprechenden Container von Luigi Calzone. Doch statt der erwarteten Ladung Tiefkühlpizza findet das Enterkommando den Tourbus der Gruppe Screaming Ears. Gleichzeitig beschließt Gott bei Axe und Saszqua Nägel mit Köpfen zu machen. Er beauftragt Cupido beide mit seinen Pfeilen zu beehren und damit ihre Beziehung auf Dauer zu besiegeln. Doch leider unterläuft dem Liebesgott ein verhängnisvoller Fehler. Er trifft zwar Saszqua, aber nicht Axe, sondern den Chef der Screaming Ears. Sollte es jetzt zum Vollzug der Paarung kommen, werden die beiden auf immer und ewig ein Paar. Axe unternimmt alles um dies zu verhindern.

Die Feuersturmchroniken sind jedesmal ein Höhepunkt der Anthos. Der liebenswerte Chaot schafft es irgendwie immer wieder dem Chaos am Ende zu entkommen.

Jürgen Höreth "Über das Bemühen sich ungebetener Gäste zu entledigen"
Thor vermisst seinen Hammer Mjölnir. Hat er ihn nur verlegt oder haben die zahlreichen Asylanten in Asgard etwas damit zu tun? Odin hat nämlich vielen Göttern Asyl gewährt. Da gibt es etwa Herakles, Aruman den indischen Affengott, Ares, Dionysos, Hephaistos und Yama den indischen Totengott. Und welche Rolle spielt Loki? Als das Chaos um sich greift, zwingt Freya ihren Gatten Odin einzugreifen.

Klamauk und Slapstick am laufenden Band. Ein echter Angriff auf die Lachmuskeln.

Agga Katell "Schinken der Macht"
Die alten Götter haben abgewirtschaftet und wollen ihre Macht übergeben. Götterbater Zeus ruft zum Wettkampf um die Nachfolge auf. Er verspricht, wer ihm den Schinken der Macht bringt wird neuer Herrscher. Es sind zahllose neue Götter, die sich beteiligen: Sugar, die Göttin derSüßigkeiten, Tivi, die Göttin des Fernsehens, Dubro, der Gott der Dummheit, Fuba, der Gott des Fußballs, Monetaria, die Göttin des Geldes und Dowjones, der Gott der Börse und des Dax und Pees, der Gott des Autos. Alle rätseln zunächst, entwickeln dann ihre eigenen Ideen.

Eine Geschichte für Feministinnen. Die durchaus amüsante Aufzählung der neuen Gottheiten und ihrer Aktivitäten, mündet leider in eine platte Auflösung. Motto: Frauen an die Macht und alles wird gut.

Tanja Kummer "Götterstatus"
Krag, der Tod der Tiere, will unbedingt ein Gott werden. Sein Kollege, der Tod für Menschen, muss seine Beziehungen in die Götterwelt spielen lassen und organisiert eine Götterparty. Dort kann Krag sich aufführlich mit allen möglichen Göttern austauschen.

Setzt die Geschichte "Ein komischer Vogel" aus Schnittergarn fort. Lesenswert!

Veronika Lackerbauer "Von Lug und Betrug"
Zeus bekommt Probleme mit seiner Gattin Hera. Seine beiden Brüder Poseidon und Hades haben sich nämlich im Olymp einquartiert. Doch Zeus möchte seine ausgezogene Gattin zurück gewinnen. Kurz entschlossen zieht er mit seinen beiden Brüdern und seiner Tochter Anastasia zu einem Bekannten nach Berlin. Die so entstandene WG ist allerdings chaotisch. Und dann verliebt sich Anastasia auch noch in einen jungen Mann. Zeus ist außer sich!

Vergnügliche Kost!

Andrea Lopatta "Lightning and Frightening"
Der Club der Donnergötter sucht neue Aufgaben. Zeus, Jupiter, Teutates und Jesus(!) beschließen eine Art Escape Room aufzumachen. Dort sollen alte Götter- und Heldensagen nachgespielt werden. Und zwar so naturgetreu wie irgend möglich.

Wieder eine Geschichte die viel mit dem Thema Klimaschutz arbeitet. Die Erhebung von Jesus zum Donnergott konnte mich allerdings nicht wirklich überzeugen. Das gibt zwar die Möglichkeit, ein paar Bibelsprüche aus dem Neuen Testament einzubringen, aber entbehrt doch irgendwie jeglicher Grundlage. Und auch das Ende überzeugt mich nicht wirklich.

Petra Pribitzer "Hermes bringt's"
Hermes arbeitet im Paketdienst. Doch er wird durch Meldungen über ständig neue Naturkatastrophen aus seinem Alltagstrott gerissen. Er übergibt den Job vorübergehend an Pan und macht sich auf die Suche nach Zeus. Doch das ist gar nicht so einfach. Der Olymp ist verlassen und an indische Gottheiten vermietet. Athene ist mittlerweile Buchhändlerin und Aphrodite leitet einen Nachtclub. Zeus ist beim Zirkus untergekommen, wo er den Elefanten gibt. Er gibt Hermes den Tip mal bei Hades vorbeizuschauen. Denn für die Katastrophen ist niemand anderes als Demeter, Hades Schwiegermutter verantwortlich.

Eine amüsante Tour de Force durch die griechische Götterwelt. Der Spaß wird ein wenig getrübt durch die permanten Hinweise auf den frevelhaften Umgang der Menschen mit der Umwelt.

Marco Rauch "Himmelstraße 42"
Wenkmann ist ein außerirdischer und macht mit seinem intelligenten Raumschiff Urlaub auf der Erde. Eines Tages erhält er eine Einladung von einem Unbekannten und zwar so richtig altmodisch per Post. Als er ihr nachkommt landet er in der Himmelstraße 42. Ein gewisser Gott...fried empfängt ihn dort. Er hat die Einladung aber nicht verschickt. Wie sich herausstellt ist Wenkmann in einer Art Großraumbüro gelandet, wo alle aktiven Gottheiten der Erde ihrer Arbeit nachgehen. Und schließlich stellt sich heraus, dass Cthulhu, die Einladung geschickt hat. Sein Glaube droht nämlich auszusterben.

Auch hier eine ironische Geschichte gespickt mit einigen ernsten Einsichten.

Bianca M. Riescher "Die 7 Plagen des Imhotep"
Imhotep und Amonothep sollen vor ihrem verdienten Ruhestand noch ein letztes Bauvorhaben umsetzen. Die alten ägyptischen Götter wollen einen Hotelkomplex in einem abgelegenen Gebiet umsetzen. Sie dürfen dabei aber ihre göttliche Macht nicht nutzen. So kommt es, dass sie sich nicht nur mit den ständigen Änderungswünschen der Götter beschäftigen müssen, sondern sich auch noch mit den kleinlichen Baurecht und der Bürokratie der Einheimischen herumschlagen. Was können sie dagegen tun?

Über die kleinliche Bürokratie lässt sich immer wieder ironisch herziehen. Solange man nicht selbst davon betroffen ist, bleibt sie eine Garantie für den Einsatz der Lachmuskeln.

Regine D. Ritter "#TheOldGods"
Mit einer modernen Göttin bekommen wir es in dieser Story zu tun. "Insta, die Göttin des Influencertums und der Profilierungsneurosen, Filterblasen und Katzenfotos". Erst becirct sie Heimdall und dann mischt sie eine Party von Bastet auf. "Das ist eine meiner Fähigkeiten. Die Leute vergessen Diskretion und Datenschutz und erzählen mir freiwillig jeden Scheiß über sich."

Ironie ist Trumpf in dieser Geschichte.

Thorsten Scheib "Auch nur ein Mensch
Alltag in einer Nervenklinik. Patienten mit allen möglichen Krankheitsbildern, die sich z.B. für Jesus halten. Einer glaubt ein Gott zu sein, der hier seinen Urlaub verbringt. Oder ist es ganz anders?

Diese Story versteht es humorvolle und nachdenkliche Passagen stimmig zu verbinden. Sogar eine gehörige Portion Action ist mit dabei.

Kornelia Schmid "Die Wege des Einhörnchens sind unergründlich"
Wie gliedert man ein straffällig gewordenes Einhorn wieder in die Gesellschaft ein? Vor dieser Frage steht Paulus. Ein Auftrag, der den Heiligen in verschiedene Tempel, zu einem Orakel und letztlich auf den Jahrmarkt führt.

Für meinen Geschmack ist die Story ein wenig zu sehr der christlichen Tradition verhaftet, punktet aber mit einem köstlich über die Stränge schlagenden Einhorn.

Jana Nabea Schwarz "Götter und Gartencenter"
Die "Interuniverselle Pantheons-Rechtsbehörde" (IPR) versucht die Menschen langsam an die Existenz der alten Götter zu gewöhnen. Eines ihrer Projekte dreht sich um Zeus, Poseidon und Hades, die drei alten griechischen Götter. Sie sollen durch die Arbeit in einem Gartencenter langsam an die moderne Welt herangeführt werden. Marktleiter Matthew Darling muss jedoch erst lernen, mit den Eigenarten der neuen Mitarbeiter zurecht zu kommen. Während Zeus alles daran setzt zum "Mitarbeiter des Monats" ernannt zu werden, beschäftigen sich seine Brüder eher damit, Teile des Gartencenters ihrem angestammten Lebensraum anzupassen.

Empfehlenswerte Geschichte nicht nur für regelmäßige Besucher von Gartencentern!

Meine Gedanken
Zuerst einmal eine persönliche Vorbemerkung. Es war nicht so einfach wie gewöhnlich sich auf diese amüsanten Geschichten einzulassen. Erst wollten die Kriegsbilder aus der Ukraine keine rechte Freude aufkommen lassen. Wahrscheinlich steckt tief in mir doch einer dieser freudlosen Protestanten, die Spaß und Freude für eine unverzeihliche Sünde halten solange irgendwo auf der Welt Menschen in Not sind. Dann kam eine Coranaerkrankung, die naturgemäß wenig mit Spaß zu tun hatte. Doch Ende gut, alles gut. Hier ist sie nun die Besprechung.

Die Anthologie kommt in gewohnt hohem Standard daher. Es gibt biografische Infos zu allen Autoren und ein Götterglossar zur Orientierung. Die Geschichten sind abwechslungsreich und gut lesbar. Zwar wiederholen sich manche Motive wie die Kritik an der Bürokratie und die griechischen Götter haben ein klares Übergewicht, doch das tut dem "Fun" keinen Abbruch. Veronika Lackerbauer hat bei der Zusammenstellung ein glückliches Händchen gezeigt. Auch das Cover von Chris Schlicht mit seinem Comicstil gefällt mir.
Mein Fazit: Absolut empfehlenswert!

Göttergarn
Veronika Lackerbauer (Hrsg.)
Cover: Christine Schlicht
332 Seiten
ISBN 978-3-945230-59-6
Euro 18,00
Leserattenverlag 2021

Kommentare  

#1 matthias 2022-07-10 10:29
Ich lese seit jahrzehnten Phantastik und glaubte einen Großteil aller Autoren (m/w/d) zu kennen. Jedenfalls dem Namen nach.
Aber von dieser o.g. Anthologie ist mir nicht ein Autor (m/w/d) bekannt.
Sollte ich also mal testen, wenn nicht der "Fun" wäre ...
#2 Hermes 2022-07-10 18:05
Also zumindest Torsten Scheib sollte Dir bekannt sein, wenn Du im Bereich der phantastischen Kurzgeschichte unterwegs bist.
www.amazon.de/Torsten-Scheib/e/B0046ZWEWW%3Fref=dbs_a_mng_rwt_scns_share
#3 matthias 2022-07-10 20:51
Zähneknirsch!
Aber ich kenne ihn nicht.
Sollte ich aber, denn nach einigem Suchen in meinem Archiv "entdeckte" ich eine ungelesene Anthologie "DIABOLOS", welche ein Schattendasein bei mir fristete. Da ist er dabei!
Mal sehen
#4 Hermes 2022-07-12 22:13
In der aktuellen Ausgabe des Horrormagazins Zwielicht (Nr.17) gibt es übrigens auch eine Geschichte von Torsten Scheib: "Ein besonderes Näschen".

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