Düster morbide, erotisch und viktorianisch - »Feral 2«
Düster morbide, erotisch und viktorianisch
»Feral 2«
Den Geschichten sind wieder zwei redaktionelle Seiten vorangestellt, in denen der Leser einige Informationen zu den Geschichten erhält.
Der multimediale Teil wird mit diesem Heft ausgebaut. Es finden sich im Heft QR-Codes, die zu Kurzfilmen führen, die mit den Storys im Magazin in Zusammenhang stehen. Der erste Code führt zu einem Kurzfilm, der die Geschichte „Bad Night“ aus der ersten Ausgabe erzählt. Der Film ist allerdings einige Jahre vor der Comicgeschichte entstanden.
Ich war von dem Film sehr positiv überrascht. Amateurfilme kranken oft daran, dass die Einstellungen und Schnitte sehr langatmig sind. Der Schnitt des Filmes ist ziemlich gut gelungen und es macht Spaß der Handlung zu folgen. Dabei kann ich gern darüber hinwegsehen, dass der Wolfsmensch in einem leicht erkennbaren Kostüm steckt.
Das Blut des Teufels (11 Seiten)
Im 14. Jahrhundert stürmt eine versprengte Schar des aufgelösten Templerordens im Auftrag eines Baron das Kloster, dem Stephan als Abt vorsteht. Der charismatische Abt hat die Nonnen zur Messe in den Gebetssaal gerufen, als die Bewaffneten in die Kapelle eindringen. Er versucht, sich mit einer Beschwörung in ein anderes Wesen zu verwandeln, wird vorher aber getötet.
Die Templer richten unter den Nonnen ein Massaker an. Nur eine Handvoll der Frauen kann in die Gemächer Stephans fliehen und sich dort verbarrikadieren.
Eine der Nonnen entdeckt eine geheime Tür und sie gelangen durch einen Gang in einen Gebetsraum, der mit den Insignien finsterer Kräfte versehen ist.
Aus Verzweiflung von den Templern getötet zu werden, ruft eine der Nonnen den Teufel an und bittet ihn um Unterstützung. Der Leibhaftige erscheint und verwandelt die Nonne in die Hexe Shazzula. Die anderen Frauen macht er zu niederen Kreaturen, die Shazzulas Befehlen folgen.
Die Tempelritter betreten den Raum und werden von der Hexe und ihren Dienerinnen niedergemetzelt. Die Frauen haben den Angriff zwar überlebt, stehen nun aber im Dienste Satans.
Die Geschichte wurde von Alexander Iffländer geschrieben und von Ömer Yalinkilic in Szene gesetzt. Der düstere morbide Ton der Bleistiftzeichnungen passt sich sehr gut dem finsteren Verlauf der Geschichte an. Die Geschichte wird zwar von Panel zu Panel erzählt, durch die unterschiedlichen Größen bekommt die Story aber eine eigene Erzähldynamik. Zum Finale hin werden die Bilder immer größer und gehen stellenweise auch in einander über. Die Hintergründe sind mit zwei Techniken versehen. Zum einen sind sie mit verwässerten Grautönen ausgemalt, an anderer Stelle sind sie detailliert mit dem Stift ausgezeichnet. Das SW bekommt der Geschichte gut. Die Atmosphäre wirkt dadurch ziemlich bedrohlich und bei einer Kolorierung würde wahrscheinlich einiges an den Hintergründen verloren gehen.
Neben dem eigentlichen Titel hat die Geschichte mit „The Origin of Shazzula“ einen Zweittitel. Es ist wohl davon auszugehen, dass der Leser der Hexe in naher Zukunft wieder begegnen wird. Wie ein typisches Origin verfügt die Handlung über keinen überraschenden Twist. Sie beschreibt, wie die Nonne zur Hexe Shazzula wird und dass sie fortan im Dienste des Teufels steht.
Für den Charakter Shazzula hat sich Ömer Yalinkilic wieder etwas Besonderes einfallen lassen. Die Namensgeberin des Feral Magazins geht auf ein kanadisches Model zurück. Ebenso geht die Figur der Shazzula auf einen realen Charakter zurück. Sie wirkt als Kunstfigur in Filmen wie Phantasmagoria 2 oder Acid Babylon mit und ist live auf der Bühne mit der Doom Metal Band „Wolfennest“ zu bewundern. Auf der vorletzten Seite des Magazins befindet sich ein Foto mit Shazzula, die die erste Ausgabe von Feral in den Händen hält.
Sukkubus (5 Seiten)
Lily landet mit der sehr viel jüngeren Lizzy im Bett. Nach dem ersten Liebesspiel berichtet Lily von dem Tag, an dem sie ihren ersten Orgasmus hatte. Sie hatte sich selbst befriedigt und mit ihrem ersten Höhepunkt den Teufel heraufbeschworen. Danach hat der Fürst der Finsternis mit ihr geschlafen und sie zur Frau gemacht. Mit dem Akt ergreift der Teufel Besitz von ihr und sie beginnt sich körperlich zu verändern. Die junge Lizzy glaubt ihr kein Wort und möchte nochmal mit Lily schlafen. Dabei bemerkt sie nicht, wie auch sich körperlich zu verändern beginnt.
Fazit
Mit der vorliegenden Geschichte legen Texter Falko Kurtz und Zeichner Ömer Yalinkilic eine Story vor, die dem angekündigten Erotikanteil des Magazins am nächsten kommt. Waren bisher an einigen Stellen nackte Brüste zu sehen, wird der Leser in dieser Geschichte Zeuge des Liebesspiels zweier Frauen. Der Orgasmus bei der ersten Selbstbefriedigung Lilys hat zur Folge, dass ihr der Teufel persönlich erscheint. Hat die katholische Kirche am Ende doch recht, wenn sie Selbstbefriedigung als Sünde brandmarkt? Daraufhin schläft sie mit dem Leibhaftigen und gerät so völlig in seinen Bann. Sie wird zu seiner Dienerin und einem Sukkubus. Ein Sukkubus ist eine weibliche Dämonin, die besonders schön und lüstern ist. In der Regel sucht sie sich Männer, um mit ihnen zu verkehren. In diesem Fall ist das Opfer nicht ein Mann, sondern eine Frau.
Auf dem Cover befindet sich eine der Nonnen aus der ersten Geschichte mit freiem Oberkörper. Die Brüste sind geschwärzt, wahrscheinlich um die Ausgabe problemlos im regulären Handel anbieten zu können. Der Innenteil richtet sich dann sowieso nur an die Interessierten.
Falko Kurtz arbeitet als Lektor und Buchhalter in Berlin. Seit 2015 schreibt er regelmäßig Geschichten für den Horror Schocker bei Weissblech Comics. Für Feral ist diese Story seine erste Arbeit.
Vater unser
Im Herbst des Jahres 1871 ereignet sich eine Mordserie in den Straßen Londons. Die Polizei ruft einen Arzt herbei, um die Leiche des letzten Opfers zu untersuchen. Der Mediziner ist davon überzeugt, dass ein Tier die Menschen gerissen haben muss. Der Inspektor ist der Auffassung, dass es sich bei dem Täter um einen Menschen handeln muss.
Nach Abschluss der Untersuchung besucht der Doktor seinen Sohn, der in derselben Klinik als Arzt beschäftigt ist, wie sein Vater. Der Sohn zieht sich seit einiger Zeit in sein Haus zurück und ist auch nicht zur Arbeit erschienen. Zu seinem Entsetzen offenbart ihm der Sohn, dass er sich mit den Arbeiten von Charles Darwin auseinander setzt, denn er selbst ist ein Verfechter des Schöpfungsmythos, wie er in der Bibel nachzulesen ist.
Der Vater vernimmt ein Geräusch aus dem Keller und steigt die Treppen hinab in das Gewölbe. Dort findet er ein schrecklich deformiertes Wesen, dass der Sohn vor einiger Zeit verletzt am Ufer der Themse entdeckt hatte. Er behandelte das Wesen und sein Appetit wuchs, so dass bald Menschen nötig waren, um dessen Hunger zu stillen. Voller Entsetzen tötet der Vater das Wesen und entdeckt im Körper des Wesens ein ungeborenes, aber schon lebendes Junges. Schluchzend fordert der Sohn den Vater auf, seinen Enkel zu töten.
Autor Mr. Hyde und Zeichner Ömer Yalinkilic präsentieren dem Leser eine Geschichte, die im viktorianischen England angesiedelt ist und auf den ersten Blick ein wenig an eine Jack the Ripper Version erinnert.
Wie bei dem großen Vorbild werden in den Straßen Londons schrecklich entstellte Leichen entdeckt, die auf einen Serienkiller schließen lassen. Der Twist der Story besteht zum einen darin, dass der Sohn des untersuchendes Arztes mit den Vorfällen zu tun hat. Der erfahrene Leser wird diesen Zusammenhang bereits nach wenigen Panels ahnen. Der eigentliche Twist wird gut vorbereitet und kommt dann in den letzten Panels mit voller Wucht. Der Vater äußert bereits zu Beginn der Geschichte, dass er ein Verfechter des Schöpfungsmythos ist und die Lehren Darwins ablehnt. Der Sohn steht den Ideen Darwins sehr viel aufgeschlossener gegenüber. So nutzt er den Fund des halbamphibischen Wesens, um mit ihr ein Kind zu zeugen und die Lehren Darwins an diesem Beispiel zu erforschen.
Die Zeichnungen sind ziemlich düster gehalten. Insbesondere der Regen auf den ersten beiden Seiten unterstreicht diesen Charakter. Die Hintergründe und Personen sind sehr detailliert ausgearbeitet. Die verwaschenen Hintergründe fallen in dieser Geschichte weg und weichen einer aufwendigen Zeichenarbeit.
Flesh City
In einer fernen Zukunft sind Maschinen und Menschen immer weiter miteinander verschmolzen. Die Menschen optimieren sich immer weiter mit kybernetischen Bauteilen und verbessern so ihre Leistungen. Bereits kleinen Babys werden erste Implantate eingesetzt, um sie leistungsfähiger zu machen.
Allerdings ist es nicht möglich, komplett auf die biologische Lebensform zu verzichten, denn einige genetische Anteile sind nach wie vor auch für die optimierte Rasse notwendig. So werden einige biologische Wesen als Brutstätten für diese Anteile gehalten. Diese rein biologischen Wesen sind nicht bei Bewusstsein oder interagieren miteinander.
Die neue Rasse ist stolz, denn sie haben die Prozesse des Lebens unter Kontrolle bekommen.
Diese Geschichte ist nicht wie ein klassischer Comic aufgebaut. Sie wirkt eher wie eine Abfolge illustrierter Bilder, in der sich ganzseitige Zeichnungen und Fließtext abwechseln. In der Regel meide ich derartige Geschichten, da sie auf mich oft unentschlossen wirken. Will der Autor eine Comicgeschichte erzählen oder einen Roman schreiben?
Meine Freundin blätterte in der zweiten Feral Ausgabe und blieb in der vorliegenden Geschichte hängen. Aus dem Augenwinkel vernahm ich nur ein entsetztes „Oh, mein Gott. Was ist das denn?“. Da war mein Interesse dann doch geweckt.
Die Geschichte hat keinen eigentlichen Twist. Sie wird aus Sicht eines der kybernetischen Operateure geschildert, die für die Menschenbank zuständig sind. Das eigentliche Grauen der Story ergibt sich aus der Selbstverständlichkeit heraus, dass die Menschen als Organbank gehalten werden. Die Wortwahl des kybernetischen Operateurs ist technokratisch detailliert und eiskalt auf den Punkt gebracht. Jede Form von Emotion scheint der neuen Rasse rausentwickelt zu sein.
Die ganzseitigen Bilder sind grauenerregende, kleine Kunstwerke. Sie erinnern an Science Fiction Storys der 70er Jahre und könnten einem Comic Enki Bilals oder Alejandro Jodorowskys entsprungen sein.
Der Autor und Zeichner der Geschichte ist unbekannt. Der Comic hat zudem eine kleine Reise hinter sich. Entstanden ist er in Großbritannien. Er wurde der Verlegerin eines türkischen Comicmagazins angeboten, das nach ein paar Ausgaben eingestellt wurde. Von ihr hat Ömer Yalinkilic diese Geschichte erhalten, die aber den Namen des Autoren vergessen hat.
Feral 2