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TORN CLASSICS - die Entstehung des Torniversums

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TORN CLASSICS 
Die Entstehung des Torniversums

Es darf wieder Platz gemacht werden, im Bücherregal...

Lange hat die Torn-Fangemeinde warten müssen, jetzt ist es endlich soweit: Nachdem die Abenteuer um den Wanderer bereits seit längerer Zeit in Buchform fortgesetzt werden, dürfen sich die Fans, vor allem jene, die die 50 Hefte umfassende Serie damals verpasst haben, jetzt auf eine Neuauflage im vertrauten Gewand der beliebten Zaubermond-Hardcover freuen.


Die ersten Bücher sind erschienen, die sicher oft gestellte Frage: "Wie hat eigentlich alles angefangen?" kann sich der geneigte Leser nun selbst beantworten. Aber im Moment pausiert die Buchausgabe schon wieder.

Ja, wie hat es denn nun angefangen damals im Jahr 2001? Es war zumindest kein leichter Start, den die neue, ursprünglich als Unterserie des Grusel-Schocker geplante Torn-Heftserie hinzulegen hatte: Immerhin gab es da bereits die MADDRAX-Serie, welche zwar inhaltlich etwas völlig anderes bot, deren Vorhandensein aber sicher bei einigen potentiellen Torn-Lesern die berechtigte Frage aufkommen ließ: Muss man das jetzt auch noch lesen bzw. kaufen? Wobei die comichafte Aufmachung der Hefte auch nicht jedermanns Sache war.

Das neue Projekt des bereits durch den "Konkurrenten" bekannten Michael J. Parrish erschien 14tägig im Wechsel mit Maddrax; es sollte sich allerdings schnell zeigen, dass Torn durchaus mehr zu bieten hatte, als nur die Wartezeit auf den nächsten Maddrax zu verkürzen, da die Serie einen ähnlich komplexen Hintergrund aufweisen konnte. Sehr schnell wurden auf der Leserseite die ersten Begriffe erklärt, damit der Leser nicht nur Bahnhof verstand. Und auch wenn der Schwerpunkt eigentlich auf Action lag, war schon nach den ersten Bänden erkennbar, dass es sich hier um ein ehrgeiziges, ambitioniertes Projekt, mit Kultpotential handelte.

Gekleckert wurde auch bei der Ausstattung nicht: Band 1 wurde mit einem Variantcover ausgeliefert und stellte obendrein gleich den Auftakt der ersten Trilogie dar! Ein doch recht unüblicher Start auch für eine zyklisch orientierte Serie. Liest man jedoch den ersten Band, muss man ganz klar feststellen, dass der Stoff tatsächlich niemals nur für ein Heft ausgereicht hätte.

Überhaupt hebt sich dieser erste Band vom Aufbau und der ganzen Erzählstruktur her doch erheblich von den meisten der nachfolgenden Bänden ab. Michael J. Parrish arbeitet hier mit einer akribischen Sorgfalt, einem gewaltigen Aufwand an Personen und Schauplätzen, wie es in der Form später nicht mehr vorkam. Ironischerweise kann man sagen, dass hier schon beinahe die Grenzen des im Heftroman Machbaren gesprengt wurden, so als hätte der Autor für sein ehrgeiziges Projekt ursprünglich gar nicht die Heftform in Betracht gezogen.

Den Hauptteil der Spannung beziehen die drei Romane der Trilogie natürlich hauptsächlich aus der Frage, wie denn nun aus dem ganz normalen Menschen Isaac Torn der einsame Wanderer wird, dessen Schicksal es ist, sein sterbliches Dasein aufzugeben und als einsamer Streiter im Auftrag der ominösen Lu'cen gegen Dämonen (bzw. Grah´tak) zu kämpfen. Dieser Werdegand wird von Parrish sehr ausführlich mit einem anfangs noch vergleichsweise ruhigem Erzähltempo, aber dennoch ungemein packend geschildert. Kaum ein Leser, der diese ersten drei Romane gelesen hat, wird darauf verzichtet haben, auch den vierten Band zu kaufen.

Doch jeder Höhenflug geht mal vorüber (was verzeihlich ist, denn keine Heftserie kann nur aus Höhepunkten bestehen) und spätestens ab Band 5 kam dann die erste Ernüchterung. Der Serienalltag begann, und somit eine Reihe von Einzelromanen, die in der Regel immer nach demselben Schema abliefen: Torn erhält von den Lu'cen einen Auftrag und führt diesen aus. Auch wenn die Schauplätze immer abwechslungsreich blieben und irgendwann - neben dem typischen Oberbösewicht Mathrigo - die ersten Gegner auftauchten, die nicht am Ende des Romans das Zeitliche segneten, so machte sich doch eine gewisse Routine bemerkbar, und im direkten Vergleich mit dem fulminanten ersten Band gewann man als Leser beinahe den Eindruck, dass der Autor möglicherweise "gebremst" wird und erst mal ein paar Einzelromane erscheinen sollten, um auch Gelegenheitsleser zufriedenzustellen.

Doch dann - endlich - kündigte der Autor den ersten größeren Zyklus an, in dem es um die Suche nach dem "Dämonichron" gehen sollte, einem Artefakt, das für die böse wie für die gute Seite gleichermaßen wichtig war, ließen sich diesem doch wertvolle Informationen über die Grah´tak entnehmen, was die Finsterlinge natürlich verhindern wollten. Die Jagd nach dem Dämonichron begann auch viel versprechend, allerdings hätte es dem Stoff gut getan, etwas gerafft zu werden. Zumal auch hier zunächst wieder Heft für Heft nach einem ähnlichen Schema vorgegangen wurde (Torn erhält einen Schlüssel, um einen bestimmten Schauplatz zu erreichen, muss dort den nächsten Schlüssel finden, um von dort wieder zum nächsten Schauplatz befördert zu werden usw.) Gegen Ende des Zyklus gelang es Parrish dann aber noch, das Tempo zu erhöhen und eine entscheidende Wendung im bis dahin allzu vorhersehbaren Handlungsverlauf herbeizuführen.

Abgesehen von dem unnötig als Trilogie präsentierten und somit zu lang gezogenen Schluss, konnte man den ersten Zyklus als durchaus gelungen betrachten.

Zumal Torn hier auch noch so etwas wie einen Gefährten fand, der allerdings nur zwischendurch einmal und dann erst wieder gegen Ende des letzten Heftzyklus auftauchte. Überhaupt war das Thema "Gefährten - ja oder nein" ein gern und oft diskutiertes auf der Leserseite. Letztendlich aber funktioniert die Figur Torn mit ihrer inneren Zerrissenheit und dem an den "Silver Surfer" erinnernden mystischen Flair, das ihn umgibt, nur allein. Ein ständiger Begleiter wie ein "Mr. Silver" oder "Suko" wäre hier - zumindest in der frühen Phase - fehl am Platz gewesen.   

Es folgten wieder die obligatorischen Einzelromane, doch nach diesem ersten Versuch eines großen Zyklus wurde der rote Faden in der Serie spürbar deutlicher. Parrish baute auch einige Hauptgegner ein, die man mit Ausnahme der kleinen Sadia alle als gelungen bezeichnen darf. Ein Kind als böse Helferin eines Dämons - das hätte nicht sein müssen. Auch hatte Parrish nicht immer ein glückliches Händchen bei der Namensgebung seiner Charaktere. Einigen sah man an, dass sie an bestimmte Eigenschaften angelehnt waren, die man mit der entsprechenden Figur in Verbindung brachte: Etwa "Sadia" (sadistisch), oder Schizophror, was so offensichtlich war, dass es Leserschelte gab. Allerdings konnte man diese wenigen Missgriffe verschmerzen, angesichts der Vielzahl an phantasievollen Begriffen, die keinesfalls konstruiert wirkten, sondern einfach rund und irgendwie authentisch klangen. 

Ein weiterer Punkt, der den etwas zarter besaiteten Leser schon mal ungläubig den Kopf schütteln ließ, waren die doch recht martialischen Kämpfe, bzw. die äußerst detailliert beschriebenen Splatterszenen. So packend und atemberaubend Parrish es versteht, Action-Szenen darzustellen, so maßlos übertrieben wirkte es, wenn in manchen Heften alle paar Seiten graue Gehirnmasse durch die Luft spritzte.

Auch dafür gab es Leserschelte und die übertriebenen Ekelszenen ließen gegen Ende der Serie tatsächlich nach. Überhaupt hatte Parrish immer ein offenes Ohr für die Wünsche und Anregungen seiner Leser, wenn man sich auf der Leserseite auch ab und an einen etwas bissigeren Ton oder etwas mehr Humor gewünscht hätte.

Mit Band 30 startete dann der große "Callista-Zyklus", der sich - mit einigen Unterbrechungen - bis zum Ende der Serie hinzog. Kein schlechter Schachzug des Autors, denn so konnte der Leser zwischendurch mal wieder Luft holen und bekam etwas Abwechslung geboten. Vor allem die Einführungstrilogie um die Lupanen (Parrishs äußerst gelungene Werwolf-Variante) wusste zu gefallen, und darf - zusammen mit dem genialen ersten Band - sicherlich ohne Übertreibung als absolutes Highlight der Serie gewertet werden.

Vor allem, weil Parrish hier ein Kunstgriff mit seinem Helden Torn gelang, der weitreichende Auswirkungen auf den weiteren Serienverlauf haben sollte: Er ließ ihn situationsbedingt in die Rolle eines Finsterlings schlüpfen, was den ohnehin schon innerlich zerrissenen Torn auf die wohl härteste Probe seiner Heldenlaufbahn stellte. Plötzlich musste der Wanderer Entscheidungen treffen, die gegen den letzten Rest seiner Menschlichkeit verstießen, an die er sich noch klammerte. Er konnte, durfte nicht mehr einfach so das Lux zücken, um den Gegner einfach auszuschalten. Um in diesem Kampf siegreich zu sein, galt es trickreich und diplomatisch vorzugehen, um einerseits nicht aufzufallen und andererseits nicht gegen seine eigene Maxime zu verstoßen. Dieses mitzuverfolgen war ein wahrer Genuss und Parrish lief hier wirklich zu Höchstform auf.

Nicht einmal mit dem großen Finale des Zyklus (Band 47 - 49) konnte diese Klasse noch einmal erreicht werden, zumal hier der Auftaktband leider arg gestreckt wirkte. Parrish beschreibt hier auf zwei Dritteln eines Romans, wie Torn mithilfe eines Echsenvolkes auf die Sklavenwelt Kalderon gelangt, was sicher spannender gewesen wäre, wenn der Wanderer diese Welt nicht bereits in einem früheren Roman mittels Dimensionstunnel betreten hätte.    

Auch Unterstützung durch Co-Autoren bekam Michael J. Parrish, wobei man sagen darf, dass diese eine durchaus solide Arbeit ablieferten. Einige Romane von Steve Salomo rangierten in der Lesergunst gar höher, als so mancher Parrish-Roman. Allerdings gelang es keinem der Gastautoren, den Helden der Serie so darzustellen, wie Parrish es vermochte. Parrish liebte spektakuläre Auftritte seines Helden. Es war immer ein bisschen Pathos dabei, wenn Torn "die Maske fallen ließ" und den ehrfürchtig staunenden Sterblichen seine wahre Gestalt präsentierte, aber das gehörte ganz einfach zu einem guten Torn-Roman dazu. Auch ließ der Autor es sich nicht nehmen, Torns Übermenschlichkeit gezielt einzusetzen, meistens dann, wenn Menschen, die ihm wichtig waren, bedroht wurden, oder wenn ihm selbst in der Maske des vermeintlich Schwächeren Ungerechtigkeit widerfuhr. Das konnte bzw. machte nur Parrish selbst mit der Figur und das war einfach herrlich zu lesen.

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Als dann schließlich Band 50 erschien, war sicherlich der eine oder andere Leser überrascht, wenn nicht verärgert, hatte Parrish doch in Band 48 noch auf die Frage eines besorgten Lesers geantwortet, der Serie drohe keine Einstellung. Aber irgendwo stimmte das ja auch - immerhin wurde auf der letzten Seite bereits das erste Zaubermond-Buch angekündigt, nur brauchte es natürlich etwas Zeit, das alte Format zu verabschieden, und vor allem sich auf eine neue Erscheinungsweise einzustellen.

Soweit also der Rückblick auf die Dinge, die da kommen werden ... Unterm Strich kann man sagen, dass es sich auf jeden Fall lohnt, die Torn Classics-Bücher zu lesen, sofern man einige Durststrecken in Kauf zu nehmen bereit ist, gerade zu Anfang der Serie. Wenn man nun zynisch sein will, könnte man auch sagen, es reicht, den 8-seitigen Comic in Band 50 der Heftserie zu lesen, um auf dem Laufenden zu sein, doch damit würde man dem Autor Unrecht tun. Und man würde etwas Einzigartiges verpassen: Die Entstehung des Torniversums ...

Stefan Robijn 

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