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Die dunklen Seiten eines Klassikers - Broms "Der Kinderdieb"

Peter Pans dunkle SeitenDie dunklen Seiten eines Klassikers
In »Der Kinderdieb« erzählt der amerikanische Schriftsteller Brom eine moderne Variante des Klassikers »Peter Pan« – und bringt in seiner meisterlichen Erzählung die düsterste Seite von J.M. Barries legendärem Märchen zum Ausdruck


„Wie so viele vor mir fasziniert mich die Geschichte von Peter Pan sehr (...). Doch wie so viele andere hatte ich ein Bild von Peter Pan im Kopf, das ihn als liebenswerten, koboldhaften Scherzbold zeigte (...). Jedenfalls so lange, bis ich den ursprünglichen »Peter Pan« las, (...) das nicht bereinigte Original von James Barrie. Da bemerkte ich die dunklen Untertöne und lernte zu schätzen, was für eine wunderbar gefährliche und zuweilen auch grausame Gestalt Peter Pan eigentlich ist. (...)


Hier ein Zitat aus dem Originalbuch: „Die Anzahl der Jungen auf der Insel variiert natürlich, je nachdem, wie viele getötet werden und derlei. Und wenn sie den Eindruck machen, dass sie erwachsen werden (...) jätet Peter sie aus.“ (...)

Er „jätet sie aus“? Wie bitte? Was soll das heißen? Tötet Peter sie? (...)

Ich bekam den Satz einfach nicht mehr aus meinem Kopf. Wie viele Kinder hatte Peter gestohlen, wie viele waren gestorben, wie viele ausgejätet worden?"
Brom, »Der Kinderdieb«, S.649 f.

Dieses Zitat aus der Nachbemerkung des Romans »Der Kinderdieb« macht deutlich, was den Leser erwartet, wenn er zum Roman des amerikanischen Autors und Zeichners Brom greift: Ein düsteres, blutiges Werk, das, anders als die lustig-fröhliche Disney-Variante, nicht die Vorzüge einer Welt, in der man immer Kind sein darf, anpreist, sondern das sich ganz auf die dunklen Seiten von J.M. Barries weltbekannter Märchenerzählung konzentriert.

Zum Thema „Peter Pan“, zu der Originalgeschichte, ihren Deutungen und auch zu den verschiedenen Verfilmungen ist vor Kurzem im Zauberspiegel ein Artiktel erschienen, und zwei weitere werden folgen, die diese und viele weitere Aspekte und Hintergründe in aller Ausführlichkeit beleuchten. Wer Interesse hat (und ich kann jedem nur empfehlen, einen Blick auf diese exzellenten Beiträge zu werfen), der folgt einfach diesem Link zur Artikelübersicht zum Thema Peter Pan im Zauberspiegel (Peter Pan und sein Schöpfer - Die Übersicht) und erfährt dort eine Menge Wissenswertes über den Jungen, der nie erwachsen wurde.

An dieser Stelle möchte ich daher auch nicht weiter auf die Hintergründe der originalen Peter Pan-Geschichte eingehen und mich stattdessen voll und ganz auf den Roman »Der Kinderdieb« konzentrieren. Um eines dabei gleich von vorne herein festzuhalten: Broms düsteres Fantasymärchen ist ein herausragendes Machwerk, das nicht nur Peter Pan-Liebhaber begeistern wird. Jeder, der der dunklen Seite der Phantastik etwas abgewinnen kann, sollte »Der Kinderdieb« zur Hand nehmen. Unbedingt. Das Buch ist ein wahres Meisterwerk.

Warum? Das möchte ich Euch im Folgenden erläutern. Doch zunächst zum Inhalt des Buchs – und zu seinem Autor

BromDer Autor: Brom
Gerald Brom, ein amerikanischer Autor und Zeichner mit einer Vorliebe Gothic Fantasy, wurde am 9. März 1965 in Albany, Georgia geboren. Sein Vater war Pilot der US-Armee, weshalb Brom in seiner Jugend viel von der Welt sah und in einer Vielzahl unterschiedlicher Länder wie etwa Deutschland und Japan lebte. Die Angewohnheit, lediglich mit seinem Familiennamen zu unterzeichnen, stammt ebenfalls aus dieser Zeit, wurde er als Jugendlicher doch fast ausschließlich bei diesem gerufen.

Brom begann seine künstlerische Karriere als Werbeillustrator. Unter anderem fertigte er Aufträge für Firmen wie Coca Cola und IBM an. Wenige Jahre später wandte sich Brom verstärkt der visuellen Ausgestaltung von fantastischen Rollenspielen zu. Heutzutage arbeitet er als freiberuflicher Zeichner und Illustrator (er zeichnet unter anderem Artwork für Comics, Computerspiele und Romane) sowie als Autor dunkler Fantasyromane.

»Der Kinderdieb«
Der KinderdiebBroms Fantasymärchen »Der Kinderdieb« ist in der Gegenart angesiedelt. Zu Beginn begleitet der Leser einen Elfenjungen namens Peter, der verzweifelten Kindern einen Ausweg aus ihrem misslichen Leben anbietet. So befreit er im Prolog ein Mädchen aus den Klauen ihres pädophilen Vaters. Im ersten Kapitel trifft man dann auf Nick, die zweite Hauptperson des Romans neben Peter. Nick befindet sich in argen Schwierigkeiten, hat er doch gerade einem Drogendealer, der sich im Haus seiner Großmutter einquartiert hat, den Drogenvorrat gestohlen. Dieser soll als Startkapital für Nicks neues Leben dienen, welches der Junge fernab von seinem verhassten Zuhause, weit weg von Junkies und niederträchtigen Klassenkameraden, beginnen möchte. Doch der Ausreißversuch geht schief. Ehe sich Nick versieht, haben die Gangster ihn aufgespürt. Der Junge ist sich sicher, dass sein letztes Stündlein geschlagen hat – als ihm unerwartet der geheimnisvolle Peter zu Hilfe kommt und die Drogendealer ausschaltet.

Innerhalb kurzer Zeit gelingt es Peter Nick davon zu überzeugen, wie toll das Leben in Freiheit, ohne die festen Regeln der Erwachsenenwelt, ist. Erst ein wenig zögerlich, doch dann mit immer mehr Begeisterung folgt Nick dem Elfenjungen in seine Heimat, zur Insel Avalon.

Dies ist der Beginn eines albtraumhaften Abenteuers. Vollkommen unvorbereitet findet sich Nick in einem Reich wieder, in dem finstere Kreaturen lauern, in dem Tod und Verderben zum Alltag gehören. Avalon ist alles andere als ein Paradies, das es den Worten Peters nach eigentlich sein sollte.

Schon bald will Nick nur noch fort von der magiedurchdrungenen, gefährlichen Insel. Doch um einen einen Weg von Avalon zu finden, muss es ihm erst einmal gelingen, die Schrecken dieses Reichs zu überleben ...

Der KinderdiebEin düster-packendes Fantasymärchen
Als ich die Empfehlung der Verlags, »Der Kinderdieb« sei erst für Leser ab einem Alter von 16 Jahren geeignet, das erste Mal betrachtete, war ich zunächst skeptisch. Als jemand, der Peter Pan bislang nur in der Zeichentrick-Version aus dem Hause Disney kannte, konnte ich mir kaum vorstellen, dass die Geschichte um den Jungen, der nicht erwachsen werden möchte, derart düster aufbereitet werden könne, dass man sie jüngeren Lesern lieber vorenthalten sollte.

Was soll ich sagen? Ich habe mich geirrt.

»Der Kinderdieb« ist ein Roman, der definitiv NICHT für jüngere Semester und Menschen mit einer Abneigung gegen finstere, zeitweilig sehr brutale Erzählungen geeignet ist. Schon der Auftakt, wie Peter ein Mädchen vor ihrem Vater rettet, der im Begriff ist, sie zu vergewaltigen, ist alles andere als leichte Kost. Und doch ist diese Szene nicht mehr als die Spitze des Eisbergs ...

Broms Peter ist nicht der fröhliche, unbeschwerte Held, als der Peter Pan in der Disney-Verfilmung dargestellt wird. Sein Peter ist ein vom Leben und vom Hass der Mitmenschen auf seine Andersartigkeit gezeichneter Charakter, der zum Erreichen seiner Ziele im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen geht. Geprägt von furchtbaren Erlebnissen in seiner Vergangenheit, ist Peter ein rücksichtsloser, nur sich selbst und seinen Idealen verpflichteter Junge, für den andere wenig mehr sind als Mittel zum Zweck.

Und nicht nur Peter (der übrigens stets nur bei diesem Namen genannt wird; der Nachsatz „Pan“ wird an keiner Stelle der Geschichte erwähnt) wird von seiner düsteren Seite gezeigt. Auch sonst hat Brom eine sehr finstere Erzählung geschrieben. Die Kinder, die Peter mit nach Avalon genommen hat, nennen sich selbst „Teufel“; sie leben in einem heruntergekommenen Dreckloch, müssen beständig um ihr Leben kämpfen (was sie mit grimmiger Freude auch tun) und wagen immer wieder brutale, meist blutige und verlustreiche Überfälle auf eine Gruppe von christlichen Pilgern, die auf Avalon leben. Diese Pilger darf man sich nun wiederum nicht als friedliebende Menschen und damit als Opfer einer gewissenlosen „Gang“ vorstellen. Schon als sie vor vielen Jahrhunderten unter der Führung fanatischer, kompromissloser Prediger die Insel erreichten, waren sie alles andere als umgängliche Zeitgenossen. Dann wurden sie zu Gefangenen Avalons, zu Unsterblichen, denen es unmöglich ist, den Nebel, der Avalon umgibt, zu durchdringen und die Insel wieder zu verlassen. Fest davon überzeugt, im Fegefeuer gelandet zu sein (immerhin leben die verschiedensten Feenvölker auf Avalon), verfiel so mancher christlicher Pilger dem Wahnsinn. Ein endloser Krieg zwischen ihnen und den ursprünglichen Bewohnern der Insel begann – ein Krieg, der in der Handlungsgegenwart seinen Höhepunkt erreicht.

Keine Frage, »Der Kinderdieb« ist düster und brutal. Da wird gekämpft, geflucht und gemordet. Menschen und Feenwesen werden verstümmelt und gequält, und nicht selten rollen Köpfe und spritzt Blut. Der Grundtenor des Romans kündet von einer Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit, der Ausweglosigkeit. Alles auf Avalon scheint verdorben.

Inmitten dieser tristen, grausamen Welt leben und sterben die Figuren des Buchs. Figuren, die von Brom konsequent den Bedingungen ihrer Umwelt angepasst wurden. Mit erschreckender Beiläufigkeit schildert der Amerikaner, wie Kinder auf brutale Art und Weise andere Menschen ermorden, wie sie mit grimmiger Genugtuung in die Schlacht ziehen und mit Freude ihre Gegner in Stücke hauen. Und nicht nur die Kinder, auch alle anderen Protagonisten sind Spiegelbilder des wilden, schmutzigen, finsteren Avalons, sowohl im Aussehen als auch im Verhalten.

Nein, mit dem abenteuerlichen Nimmerland aus dem Zeichentrickfilm hat Broms Peter Pan-Version nichts gemein.

Nach diesen Ausführungen mag sich der ein oder andere nun – zurecht – fragen, was mich dazu bringt, »Der Kinderdieb« als „Meisterwerk“ zu titulieren. Sollte das Buch nur deshalb gut sein, weil es nicht nett und freundlich, sondern finster und blutig ist? Mitnichten! Denn Gewalt und ein düsteres Setting machen noch lange keine meisterhafte Geschichte aus. Genau das ist Broms Fantasymärchen aber: eine meisterhafte Geschichte, wie man sie so viel zu selten zu lesen bekommt.

Der KinderdiebWarum »Der Kinderdieb« ein unvergessliches Meisterwerk ist
Zunächst einmal sollte man sich vor Augen führen, dass die Gewalt und das düstere Ambiente nur zwei von vielen Bestandteilen sind, die »Der Kinderdieb« ausmachen. Ich will an dieser Stelle nicht verhehlen, dass die mitunter recht drastischen Darstellungen und die bedrückende Atmosphäre ihren Reiz haben; als bekennender Fan dunkler Phantastik – der in diesem Buch voll auf seine Kosten kommt – wären anders lautende Behauptungen meinerseits nicht mehr als bloße Heuchelei.

So hart und gnadenlos der Roman zeitweilig aber auch sein mag, Brom gelingt es stets, Gewalt nicht zum Selbstläufer verkommen zu lassen. Sie ist ein Teil der albtraumhaften Natur Avalons, und als solcher ist sie, wie alle anderen dieser Natur eigenen Aspekte auch, treffsicher in die Handlung eingebaut. Dass ich in diesem Beitag lang und breit auf die dunklen Seiten des Romans eingehe, liegt vor allem daran, dass es nun einmal gerade die Härte und die Dunkelheit der Story sind, die jemandem, der Peter Pan bisher nur in der Disney-Version kennt, als erstes in Auge springen. Broms Erzählung ist allerdings mehr als nur eine Aneinanderreihung düsterer, brutaler und blutiger Sequenzen. Viel mehr.

»Der Kinderdieb« handelt von Verantwortung, von der Pflicht eines jeden, nicht vor seinen Problemen und den Konsequenzen seines Handelns davonzulaufen, sondern sich seinen Dämonen zu stellen. Brom erzählt eine Geschichte über Freundschaft und Menschlichkeit im Angesicht der Finsternis, eine Geschichte, die den Leser berührt, wie es nur einige wenige Erzählungen in diesem Ausmaß vermögen.

Zugegeben, das mag nun etwas hochtrabend klingen. Während der Lektüre des Buches werden besagte Motive aber tatsächlich schnell offenbar.

Nichtsdestotrotz (und das sollte einem ebenfalls bewusst sein, wenn man sich auf das Buch einlässt) gilt aber: »Der Kinderdieb« ist in allererster Linie ein äußerst düsteres Fantasymärchen, das nicht zuletzt wegen der exzellenten Darstellung der dunklen Aspekte der Geschichte zu begeistern weiß.

Doch das Buch hat natürlich noch mehr zu bieten. Bleiben wir zunächst einmal bei der zuvor schon angesprochenen emotionalen Wirkung der Erzählung: Brom lässt die Emotionen seiner Leser Achterbahn fahren. Seite an Seite mit den Protagonisten empfindet man Freude und Entsetzen, grimmige Genugtuung und tiefe Trauer. Man fühlt mit ihnen, man leidet mit ihnen. »Der Kinderdieb« ist ein bewegendes, emotional aufwühlendes Werk, dessen Kraft man sich kaum entziehen kann.

Allen voran ist dies der brillanten Zeichnung der Protagonisten zu verdanken. Den Figuren, die Brom entworfen hat, wohnt ein geradezu ungeheures Maß an Leben inne. Ob Mensch oder Feenwesen, gut oder böse, die Charaktere des Romans sind glaubhaft dargestellt und verfügen über eine Tiefe, wie sie den meisten Erzählungen fehlt. Der Autor legt ein erstaunliches Talent an den Tag, was den feinfühligen, differenzierten Umgang mit Protagonisten und ihren Entwicklungen anbelangt. So gelingt es ihm durchweg, dem Leser die Beweggründe der Figuren, seien sie nun edel, eigennützig oder gar bewusst zerstörerisch, nachvollziehbar zu vermitteln. Der Kern einer guten Geschichte, habe ich einmal gelesen, sind überzeugende Personen, in die sich der Leser hineinversetzen, deren Motivationen, Gedanke und Gefühle er nachempfinden kann. »Der Kinderdieb« ist der Beweis dafür, wie wahr die Aussage doch ist.

Nicht minder überzeugend ist das Setting, das Brom entwirft. Ein Tim Burton auf dem Höhepunkt seines Schaffens hätte es nicht besser machen können. Die Handlungsorte, allen voran Avalon, sind ebenso phantasievoll wie düster in Szene gesetzt, und die Atmosphäre des Romans enthält genau den richtigen Mix aus Spannung, Bedrückung und Abenteuer, der dem geneigten Freund dunkler Phantastik das Herz schneller schlagen lässt.

Geradezu brillant ist die Story an sich. Brom versteht es, beständig an der Spannungsschraube zu drehen. Der Leser hat kaum Zeit zum Luftholen, schon geschieht wieder etwas Neues, mit dem man so kaum gerechnet hat. Von Seite zu Seite stößt man auf überraschende Entwicklungen und Ereignisse, stets fallen dem Autor neue Wendungen ein, die man nicht vorhergesehen hat.

Auf zwei Aspekte möchte ich in diesem Zusammenhang besonders hinweisen:

Zum einen wäre da der Umgang des Autors mit dem Prinzip von Gut und Böse zu nennen. Um es kurz zu machen: Eine derartige Trennung, ja, selbst die heutzutage so beliebte Abstufung in verschiedene Grauschattierungen, existiert nicht. Brom kümmert sich nicht darum, was vermeintlich gut und böse, was richtig und falsch ist. Statt sich mit einem Schema aufzuhalten, das „gute“ und „böse“ Taten auf welche Art auch immer angeblich objektiv zu begründen und festzulegen versucht, legt er den Fokus ganz auf die Beweggründe und inneren Befindlichkeiten seiner „Helden“. In der Welt, in der diese zu Hause sind, geht es ums nackte Überleben. Ideen von Gut und Böse haben da keinen Platz. Sehr oft kommt es vor, dass eine Figur gezwungen ist, Dinge zu tun, von der weiß oder es zumindest ahnt, dass sie falsch sind. Für große Bedenken bleibt jedoch keine Zeit, und so handeln die Personen oft entgegen ihren inneren Werten. Doch ist das, was die Figur getan hat, objektiv tatsächlich unter allen Umständen falsch oder gar böse? Diese Frage bleibt im Angesicht des Schreckens auf Avalon unbeantwortet und dem Nachsinnen des Lesers überlassen. Ein ausgezeichneter Schachzug des Autors, dem es dadurch immer wieder gelingt, mit den Emotionen seines Publikums zu spielen. Insbesondere in jenen Momenten, in denen man sich mit einer bestimmten Person über einen wie auch immer gearteten Sieg freut – nur um kurz darauf erschrocken innezuhalten, weil man feststellt, dass man gerade etwas gut geheißen hat, was im Grunde den eigenen Wertvorstellungen zuwiderläuft.

Zum anderen ist das exzellente Finale des Romans hervorzuheben. Brom gelingt es in unnachahmlicher Art und Weise, alle Handlungsstränge, mehr noch, alle Konflikte, die sich im Laufe der Geschichte aufgetan haben, in den letzten Kapiteln zusammenzuführen und zu einem vernünftigen Abschluss zu bringen. Allen voran die Entwicklungen, die die verschiedenen Charaktere durchgemacht haben, finden eine glaubhafte Auflösung. In den letzten Kapitel von »Der Kinderdieb« offenbart Brom noch einmal all sein Können und erschafft ein folgerichtiges, durch und durch gelungenes Finale, das seinen Höhepunkt in einem ebenso dramatischen wie ungewöhnlichen Endkampf vor atemberaubender, außergewöhnlicher Kulisse findet.

»Der Kinderdieb«: Ein dunkles Märchen für Erwachsene
Die vom Autor persönlich angefertigten, düsteren Illustrationen, die den Roman durchgängig zieren, offenbaren vielleicht am besten das, auf was sich der Leser einlässt, wenn er zu »Der Kinderdieb« greift. Broms Peter Pan-Version ist ein hartes, finsteres und brutales Fantasymärchen, das für zarte Gemüter und Kinder unter 16 Jahren tatsächlich in keinem Falle geeignet ist.

Wer dunkler Phantastik allerdings etwas abgewinnen kann (und das muss man, um diese Geschichte wahrhaft zu mögen), der sollte »Der Kinderdieb« in jedem Falle eine Chance geben. Die exzellent konstruierte Story und die herausragende Darstellung der Charaktere machen das Buch ebenso zu einem einmaligen Erlebnis wie zweifelsohne auch der gelungene, teilweise äußerst drastische Einsatz dunkler und gewalthaltiger Elemente.

Das Ziel Broms war es, eine zeitgemäße, auf die Schattenseiten Peter Pans bezogene Geschichte zu erzählen. Das ist ihm voll und ganz gelungen. »Der Kinderdieb« gehört zu jenen Romanen, die man unbedingt gelesen haben sollte. Ein Buch, bei dessen Lektüre man die Welt um sich herum vergisst, ja, ein Buch, dessen Geschichte einen auch lange nach Beendigung der Lektüre nicht mehr loslässt – ein düsteres Meisterwerk eben, das seinesgleichen sucht.

 

Der KinderdiebDaten zum Buch
Der Kinderdieb
(The Child Thief)
von Brom
aus dem Amerikanischen von Jakob Schmidt
erschienen: Frühjahr 2010 (Deutschland); 2009 (USA)
656 Seiten; 16,95 €
ISBN: 9783426283295
PAN Hardcover (DroemerKnaur)

Kommentare  

#1 Beate Rocholz 2010-02-13 16:42
Danke für diese Buchrezension!
Ich war schon immer ein Fan der gezeichneten Welt Broms - nach Deiner Abhandlung über sein aktuelles Buch, werde ich mich nun auch seinen schriftlichen Werken widemen und "Der Kinderdieb" in jedem Fall lesen wollen.
Wobei ich jetzt auch neugierig geworden bin, ob ich mir nicht auch seine früheren Werke wie z.B. "The Plucker" (2005) anschaffen werde ...
#2 Gabriel Adams 2010-02-14 10:15
@suelidia

Freut mich, dass dir die Rezension zusagt. Ich kann das Werk wirklich nur empfehlen: "Der Kinderdieb" ist eines der packendsten und ungewöhnlichsten Fantasyabeneteuer, die ich kenne. Ein Horrormärchen, wie man es als Fan dunkler Spannung einfach lieben muss!
Viel Vergnügen bei der Lektüre!
#3 Bettina.v.A. 2010-02-14 14:29
wie ... er "jätet" sie aus *grusel*. Da muss ich doch gleich mal ins Original rein schauen.
Danke für die Rezi, Jochen, die macht wirklich Appetit auf das Buch. Und danke für das Artikellob :oops: . Leider dauern die anderen Artikel noch ... das Versagen meines Hinterkopfes gegenüber der Eisplatte war leider ausgesprochen gründlich.
#4 Reva 2010-02-17 12:28
Bin eigentlich kein grosser Fan solcher Geschichten, aber deine Rezension hat mich doch sehr neugierig gemacht! Werde es mir wohl besorgen müssen ;-)

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