Horst Hübner und die Zeitkugel


Für mich und für viele andere steht Horst Hübner schlichtweg für die Zeitkugel, ist die Serie ohne ihn eigentlich nicht denkbar. Und doch, erfunden hat er die Serie nicht! Die Figuren und der technische Zeitreisehintergrund wurden von Hendrik von Buggenum und anderen Leuten entwickelt. Und Hübner ist tatsächlich erst mit der Nummer 10 in Erscheinung getreten.
Das ohne Hübner gefundene Konzept der Zeitkugel-Serie bestand darin, die drei Zeitreisenden abwechselnd in die Zukunft und Vergangenheit zu schicken. Die Zeitkugel selbst, die aus Paralysatoren, Lichtkanonen, Radartimern, Translatoren und Silberanzügen bestehende Ausrüstung bildeten den einzig verbindlichen Serienhintergrund. Dazu kamen die drei Zeitspringer. Lintberg, Hammer und Forster wurden als sportliche schlagkräftige Helden konzipiert. Bei Lintberg kam dazu eine überragende Intelligenz, bei Forster ein Händchen für Frauen und bei Hammer eine ausgewachsene Fresssucht. Einen Hintergrund in der Eigenzeit der drei gab es nicht. Lediglich Mr. Hopkins, der Sekretär des ominösen "Clubs der Sieben", der die Aufträge für die Zeitreisen vergab, trat ein paar Mal in Erscheinung. Auch einen persönlichen Hintergrund für die drei Helden sucht man in den Romanen vergeblich. Forster wird mal ein Haus in Lissabon zugeschrieben und seine guten Französisch-Kenntnisse werden erwähnt. Damit hat es sich aber auch.
Die Zukunftsreisen sind ohne Zusammenhang, es gibt keinerlei roten Faden. Meist spielen sie auf fernen Planeten. Lediglich Peter Steinhofer hat in seinen drei Romanen mit den Uraniern eine lose Verbindung hergestellt. Es gibt auch nur drei Romane, die ähnlich wie später Erde 2000, die Nachfolgeserie zur Zeitkugel, eine mögliche Zukunft auf der Erde zum Thema haben. In den Bänden 7, 9 und 19 geht es um Roboter, manipulierte Menschen und diktatorische Systeme und eine Besetzung des Planeten. Und auch die Vergangenheitsabenteuer sind jeweils abgeschlossene Einzelabenteuer ohne jeden roten Faden. Aber während die 12 Zukunftsabenteuer von sechs verschiedenen Autoren stammen, wurden die Reisen in die Vergangenheit eigentlich nur von dem Autorengespann M.R.Heinze und Richard Wunderer geschrieben, die zu dieser Zeit auch privat ein Team bildeten. Beide brachten in ihren Romanen Verweise auf die Bände des jeweils anderen und waren sich auch stilistisch so ähnlich, dass sie von den Lesern damals als ein Autor wahrgenommen wurden. In ihren temporeichen Romanen sind die historischen Ereignisse oft nur der Hintergrund für die Lösung von Kriminallfällen. So geht es in Band 2 (Ausbruch des Vesuv) um einen gestohlenen Pokal, in Band 14 (Erdbeben in San Francisco) um Juwelendiebstahl und Mord und auch Band 22 (Cagliostro) ist eher als spannender Kriminalroman zu lesen. Dazu kamen noch zwei Reisen in die Vergangenheit, die eigentlich keine Vergangenheitsabenteuer waren. Band 6 schildert eine Begegnung mit Ausserirdischen in der Kreidezeit und in Band 20 wird die Zeitkugel in eine fremde Dimension geschleudert, also beides ist eher in den Bereich der SF anzusiedeln. Ein Großteil der Spannung der frühen Romane ergibt sich aus dem Zeitdruck. Die Reisen sind nur auf 48 bis 96 Stunden angelegt, erst ab Band siebzehn dürfen es auch schon mal 5 Tage sein. Kaum angekommen, müssen die drei Zeitspringer sich auch schon Gedanken darüber machen, ob sie es rechtzeitig wieder zurück zur Kugel schaffen, die ansonsten unwiederbringlich verschwindet und sie in einer fremden Zeit stranden lässt.

Mit Band 10 betrat Horst Hübner dann die Zeitkugel-Bühne und zwar als Feuerwehrmann! Es wurde dringend ein Text für das schon vorhandene Titelbild gebraucht. Und weil das so gut klappte, schrieb er auch schnell noch die Nummer 11 hinterher. Tatsächlich war er aber zunächst nur einer von sage und schreibe 8 Autoren, die bis Band 15 bei der Zeitkugel in Erscheinung traten. Wichtiger für die Serie war zunächst, dass er auch die redaktionelle Leitung übernahm. Und schon in Band 13 startete er dann die große Leserbefragung:
"Liebe Zeit-Kugel-Freunde!Und die Leser antworteten. Eine Folge davon war die Einführung der "Zeit-Kugel-Post" mit Band 18. Hübner schrieb dazu:
Im 'Club der Sieben', der die kostspieligen Expeditionen von Professor Lintbergs Zeit-Kugel-Mannschaft finanziert, ist ein Streit um den Nutzen von Zeitreisenn in die Vergangenheit und in die Zukunft entbrannt.
Drei Mitglieder des Clubs plädieren für verstärkte Reisen in die Vergangenheit, drei sind für mehr Reisen in die Zukunft. Ein Mitglied hat sich bei der Abstimmung der Stimme enthalten. Das Ergebnis ist also unentschieden.
Nun schreiben Sie uns, liebe Zeit-Kugel-Freunde, wie Sie entscheiden würde! Teilen Sie uns kurz mit, ob die Zeit-Kugel-Mannschaft öfter in die Vergangenheit oder öfter in die Zukunft reisen soll.
Ihre
Zeit-Kugel-Redaktion"
"Bei uns häuft sich die Post mit Bitten, eine Leserecke einzurichten. Viele Briefeschreiberinnen und Briefeschreiber wünschen Kontakt mit der Redaktion und mit anderen Zeit-Kugel-Lesern, um Probleme diskutieren und Themen erörtern zu können."Gab es zunächst nur kurze Auszüge aus den Leserbriefen, so änderte sich das schnell und die Leserseite entwickelte sich zu einem unverzichtbaren Teil der Serie. Hier berichtete der vielseitig interessierte Hübner auch gerne mal über neue Forschungsergebnisse im Bereich Astronomie, Raumfahrt und Geschichte.
Die Abstimmung brachte ein eindeutiges Ergebnis. Die große Mehrheit der Leser sprach sich für mehr Reisen in die Vergangenheit aus. Hübner versprach:
"Künftig werden Lintberg, Frank Forster und Ben Hammer mehr den Geheimnissen und rätselhaften Ereignissen der Vergangenheit nachspüren. Die Freunde der Reisen in die Zukunft werden dennoch nicht zu kurz kommen."

Hübners erste vier Romane fügten sich zunächst nahtlos in die Reihe ein, waren nicht besonders herausstechend. Band 10, offiziell eine Reise in die Vergangenheit, war in Wirklichkeit eine SF-Roman. Hübners Atlantis ist eine Stadt der Zukunft mit Gleitern und Weltraumhafen. Die ganze Atmosphäre dort nimmt ein wenig die spätere Erde 2000 Serie vorweg. Immerhin feiern dort die Körperlampen ihren Einstand. Band 11 ist dann ein lupenreines SF-Abenteuer. Auf einem fremden Planeten entdecken die Zeitreisenden eine aussterbende Zivilisation, die aus Menschen der Erde hervorgegangen ist, die in grauer Vorzeit den Planeten verlassen haben. Dazu gibt es angreifende Insektenvölker und einen aggressiven Nachbarplaneten. Und hier bedient Hübner auch noch das damals in der Zeitkugel weit verbreitete Klischee der allzeit willigen Frauen, die nur auf die Zeitreisenden gewartet haben. Band 16 ist dann zwar eine richtige Reise in die Vergangenheit und spielt in Ägypten zur Zeit des Baus der Cheopspyramide, aber auch hier gibt es starke SF-Elemente. Eine Bruderschaft mit übernatürlichen Fähigkeiten, die ihren Ursprung im untergegangenen Atlantis hat, nimmt eine zentrale Rolle im Roman ein. Beide Themen - Ägypten und Atlantis - werden im Laufe der Zeitkugel später noch häufiger aufgegriffen. Ägypten etwa spielt in den Bänden 35 (Cleopatra), 48 (Entdeckung des Grabes von Tut-ench-Amun), 58 (Cleopatra in Rom/Ermordung Cäsars) 65 (Flucht der Juden aus Ägypten) und 86 (Brand der großen Bibliothek in Alexandria) eine Rolle, Atlantis in Band 53 (Thule) und natürlich in Band 18 der Serie Erde 2000. Band 17 ist dann wieder ein reines SF-Abenteuer und der wohl einzige Horror-Roman innerhalb der Serie. Auf einem fremden Planeten werden notgelandete Raumfahrer von nachts umherstreunenden und "singenden" Bestien bedrängt, dazu gibt es Unsichtbare, eine mittelalterlich anmutende Festungsanlage und ein Mitglied der Besatzung nach dem anderen verschwindet auf geheimnisvolle Art und Weise.

Horst Hübner als Hauptautor
Betrachtet man die gesamte Serie Zeitkugel ist Horst Hüber mit 45 von 90 Romanen eindeutig der Hauptautor.
Wenn man genauer hinschaut, ergibt sich aber ein differenzierteres Bild. Im ersten Drittel der Zeitkugel-Serie war Horst Hübner zwar ein wichtiger Autor, aber eben eigentlich nur einer von vielen. Dies soll einmal kurz mit Zahlen belegt werden:

Abgesehen von der Ausrichtung der Themen, veränderte Hübner aber auch weitere Dinge in der Serie. So brachten die Zeitreisenden z.B. immer häufiger Dinge (Z.B. Geld) aus ihrer Eigenzeit mit in die Vergangenheit und nahmen sie nicht wieder zurück. Dann wurde eine Funkverbindung in den Radartimer eingebaut. Und auch die Figuren selbst wurden immer weiter verändert. Aus Ben Hammer wurde Schritt für Schritt der eigentliche Star der Serie. Sein anfangs immer wieder herausgestellter Hunger (Stichwort: Fresssucht) wurde nicht mehr so betont. Hatten in den ersten Bänden seine Naivität und seine spontanen Handlungen die Zeitreisenden vor Probleme gestellt, so wurde daraus ein ausgeprägtes Bauchgefühl, dass oft die Rettung aus der Not bedeutete. Zunehmend glänzte er nicht nur durch Körperkraft und Tüfteleien, sondern auch durch profundes Wissen. Ja selbst die anfangs geschilderte Unbeholfenheit gegenüber dem weiblichen Geschlecht, wich einem souveränen Auftreten. Anders bei Lintberg. Mit dieser Figur ging Hübner nicht annähernd so fürsorglich um. Aus dem hochintelligenten und durchtrainierten Mann, der freundschaftlich mit seinen Mitarbeitern umging, wurde nach und nach ein oftmals ängstlicher Mann, der seinen Mitarbeitern gegenüber den Chef herauskehrte, zudem körperlich oft nicht mit den beiden anderen mithalten konnte. Ausserdem wurde er sparsam (Stichwort: Geiz) und brachte das Team häufiger durch unbesonnene Alleingänge in Gefahr. Frank Forster wurde dagegen zunehmend zum Mann ohne Eigenschaften. Eine gewisse Kaltblütigkeit und Adleraugen sowie gute Manieren, mehr blieb eigentlich nicht übrig. Im Mittelpunkt standen fast immer Hammer und Lintberg.

Während die anderen Autoren auch schon mal in die Bereiche Horror (Merz u. Brand) oder Fantasy (Merz) abtauchten, blieb Hübern seinem Konzept treu. Seine Romane so ab der Nummer 50 sind das, was heute noch das typische Zeitkugelfeeling ausmacht. Im Mittelpunkt der Romane steht das jeweilige historische Ereignis, das so nahe wie möglich bei den historischen Quellen beschrieben wird. Für alle Rätsel werden mögliche vernünftige Erklärungen geliefert, auf irrationale oder fantastische Elemente - die auch Hübner beispielsweise in Band 36 über den fliegenden Holländer noch gebraucht hatte - wird verzichtet. Die jeweilige Zeit wird anschaulich zum Leben erweckt, Marktreiben, Gerichtsverhandlungen, Maskenbälle, Tavernen, Schiffe etc. werden geschickt in die Handlung eingebaut. Dazu kommen Action-Elemente wie Verfolgungjagden, Beschattungen oder Handgemenge, die sich daraus ergeben, dass die Zeitspringer den Unwillen einiger Zeitgenossen erregen oder z.B. mit realen Personen verwechselt werden. Und das ganze wird dann mit witzigen und ironischen Dialogen zwischen den drei Hauptpersonen garniert. Dazu kommen technische Probleme mit der Zeitkugel oder Handicaps bei der Besatzung wie Erkältungen, Vergiftungen oder Sehstörungen.
Wenn man der Wikipedia Glauben schenken darf, gibt es ursprünglich nur zwei verschiedene Themenkreise im Heftroman: Liebe und Abenteuer. Die Zeitkugelromane von Hübner sind denn auch klassische Abenteuerromane. Die Helden erleben überall auf der Welt ihre Abenteuer und dabei werden fremde Zivilisationen, Kulturen und Völker vorgestellt. Im Unterschied zu Sun Koh etwa kommt aber auch der Faktor Zeit hinzu. Man begnügt sich eben nicht mehr mit der Gegenwart sondern nimmt auch die Vergangenheit hinzu. Wie oben bereits ausgeführt, gibt es dabei durchaus Themenkreise, die immer wieder aufgegriffen werden. Dabei kommen Antike, Mittelalter und Neuzeit beinahe ausgewogen zum Zuge. Generell kann man sagen, dass Deuschland, Frankreich, England, Russland und Italien die wichtigsten Schauplätze für die mittelalterlichen und neuzeitlichen Zeitreisen liefern. Auch das übrige Europa wird nicht vergessen: Tschechien, Niederlande, Rumänien, Österreich und die Schweiz beispielsweise. Afrika (ausser Ägypten) und Australien kommen dagegen gar nicht vor und Südostasien sind ganze zwei Bände gewidmet.