Männer der Zukunft: Karl Herbert Scheer
K. H. Scheer
Wobei man beachten muss, dass alle drei Kategorien nur mittelbar etwas über die Qualität der geschriebenen Roman verraten.
Unter den Leihbuchautoren der 50er Jahre gab es einige, die es auf mehr als zwanzig Bände brachten. Neben Wolf Detlev Rohr gehörten zum Beispiel Eberhard Seitz (J.E. Wells/Enrico Antares) und Joachim Puhle (Gerd Sandow) dazu. Trotzdem zählen die beiden Letzteren nicht zu den wirklich bedeutsamen Autoren. Anders liegt der Fall bei Karl Herbert Scheer.
Der 1928 geborene Autor hatte gegen Ende des Zweiten Weltkriegs Erfahrungen in der Kriegsmarine gesammelt. Er schrieb bereits 1948 seinen ersten SF-Roman, war aber auch in den Genres Kriminalroman, Abenteuerroman und Seeabenteuer tätig. Er verdiente seinen Lebensunterhalt im Gegensatz zu vielen anderen Autoren allein durch das Schreiben. Später gehörte er zum SFCD und gründete nach internen Querelen 1958 die SF-Interessengemeinschaft Stellaris.
Unter seinen etwa 40 Leihbüchern sind auch die ersten Romane zur späteren Serie ZbV zu finden. Dort wurde schon einiges vorweggenommen, was später die Perry-Rhodan-Serie prägen sollte, wie z.B. der Rückgriff auf fremde Technik oder das Vorhandensein einer ersten Menschheit. Rechnet man seine unter den Pseudonmyen Diego el Santo und Pierre de Chalon geschriebenen Seeabenteuer hinzu war Scheer einer der beliebtesten bzw. nach manchen Quellen gar der beliebteste Autor der fünfziger Jahre.
Konsequenterweise zog er sich daraufhin für einige Jahre als Autor und Exposeeschreiber aus der Serie zurück, feierte aber später ein Comeback. Schon in den sechziger Jahren hatte es kaum noch Romane ausserhalb des PR-Universums von Scheer gegeben.
Jetzt nutzte er die Zeit um seine ZbV-Romane als eigenständige Taschenbuchserie weiterzuführen. Zusätzlich überarbeitete er seine alten Leihbücher für eine Taschenbuch-Neusausgabe. Im Hintergrund zog er jedoch weiter die Fäden im Umfeld der Rhodan-Serie.
Die mehr als sechzig SF-Leihbücher erschienen zwischen 1952 und 1965. 18 davon zählten zur späteren ZbV-Serie. Ende der fünfziger Jahre erhielt Scheer einmal den deutschen HUGO. In seine Romane flossen oft die Erfahrungen aus seiner Zeit in der Marine ein. Seine Helden kamen vielfach aus dem militärischen Bereich. Auffallendes Kennzeichen war häufig ihre ausgefalle Statur und Größe. Gegenüber vielen anderen Leihbüchern hoben sich Scheer Werke stilistisch jedoch positiv ab. Nach dem Start von PR gab es naturgemäß nur noch wenige Einzelromane von Scheer, den letzten 1965.
"Geboren worden war Minc Beryl auf einem Planeten, dessen Sonne nur als winziger Fleck auf den Stereo-Karten der Milchstraße glänzte. Sein Leben war ein Traum gewesen, bis er schließlich im großen Saal der Weisheit erwachte. "Octavian III" nannte man den dritten Mond eines unbewohnbaren Riesenplaneten; aber es gab nur sehr wenige Lebewesen unter den Intelligenzen der Milchstraße, die sich unter der Bezeichnung etwas vorstellen konnten.
...Mehr als achttausend bewohnte Welten gibt es in der kleinen Sterneninsel, die man Milchstraße nennt. Siebenhundert intelligente Rassen auf allen Stufen der Technifizierung und Zivilisation bevölkern Planeten mit den verschiedenartigsten Lebensbedingungen. Die Raumfahrt steht in ebenso verschiedenartigen Stadien. Indessen die Wesen einer fernen Welt kaum die Gravitation ihres Planeten überwinden können, gipfeln die Erkenntnisse anderer Intelligenzen in überlichtschnellen Raumreisen.
Es ist erregend, wie die einzelnen Entwicklungsstufen, Sorgen und Nöte geschildert werden. Bewohner des gleichen Himmelskörpers erschöpfen sich in atomaren Kriegen. Andere Rassen ersticken in Problemen, die einem Menschen unverständlich erscheinen müssen. Niemand kann genau sagen, wo der Sinn endet und der wahrscheinliche Unsinn beginnt. Nur auf "Octavian III" gibt es Wesen aus allen hochintelligenten Rassen der Galaxis, deren Denken und Fühlen mit allen Gegebenheiten koordiniert ist. Es sind die Korrektoren, zu denen ein Mensch namens Minc Beryl stößt. In ihnen vereint sich das Wissen aller Milchstraßenbewohner. Erkenntnisse, die man längst vergessen glaubt, werden auf "Octavian III" vervollkommnet. Es geschieht zum Nutzen aller Lebensarten, deren Entwicklung von den Korrektoren beobachtet und unauffällig eingerichtet wird. Eine unerhörte Technik beherbergt der kleine Mond, dessen Elitebesatzung wissen sollte, was gut und was schlecht ist. Die Eingriffe der ausgeschickten Korrektoren sollten zum Nutzen anderer Lebewesen dienen
Zum Nutzen . . .?"
Scheers Bedeutung für die Rhodan Serie kann gar nicht überschätzt werden. Bis zum Schwarm-Zyklus (500-569) konzipierte er allein den Roten Faden der Serie. Bis Band 963 war zumindest Mit-Exposeeautor. Dementsprechend bestand Perry Rhodan aus einer nicht enden wollenden Abfolge von kriegerischen Konflikten. Nach den aus heutiger Sicht eher durchwachsenen ersten Zyklen hatte Scheer so etwa ab Band 150 und der beginnenden Auseinandersetzung mit den Blues eine gewisse Routine entwickelt.
Die Großzyklen Meister der Insel (200-299) und Zeitpolizei/M-87 (300-399) zählten denn auch zu den Höhepunkten der Serie. Scheer schrieb auch die Bände mit den runden Nummern, also 50, 100 und zuletzt 500. An Figuren steuerte er z.B. Atlan und Icho Tolot bei, die noch heute dazu gehören. Auch die Siganesen setzte er häufig in Szene, unvergessen ist Lemy Danger. Akribisch arbeitete er den (Waffen)-technischen Hintergrund der Serie aus. Beim Ableger Atlan war er für die Exposees bis Nummr 80 zuständig und schrieb er den Jubiläumsband 100.
Ende der sechziger Jahre als Perry Rhodan mehr und mehr in die Kritik geriet, stand Scheer in der vordersten Schusslinie. Wegen seiner Vorliebe für Waffentechnik, militärische Auseinandersetzungen und imperiale Szenarien wurde er zur Reizfigur für die progressiven Kritiker. Dabei wurde auch versucht, Bezüge zum Nationalsozialismus aufzuzeigen. Etwa Atlantis als auch im dritten Reich gängigem Mythos, Atlan als Vorzeigearier, Perry Rhodan als Führerersatz etc.. Aus dieser Zeit stammt wohl auch die Bezeichnung Scheers als "Handgranaten-Herbert" Scheers zeitweiser Rückzug aus der Serie, der aber mit gesundheitlichen Problemen begründet wurde, machte den Weg frei für eine weniger martialisch ausgerichte Neuorientierung. Für Scheer persönlich wird dies eine schmerzliche Erfahrung gewesen sein. Er wehrte sich auf seine Art gegen die Anwürfe. Der Beginn des Schwarm-Zyklus liest sich wie eine Abrechnung mit den 68ern. Die Galaxis ist verdummt, nur eine kleine Gruppe von Menschen kommt mit der neuen Situation zurecht, nennt sich Homo Superior. Den alten Recken um PR begegnen sie mit Hochmut, halten sich für den überlegenen nächsten Schritt der menschlichen Evolution. Am Ende vergehen sie sang- und klanglos, während Rhodan und seine Leute, die Galaxis retten.
Aus den aus der Leihbuchzeit stammenden ZbV-Büchern entwickelte Scheer in den siebziger Jahren eine der wenigen deutschen SF-Taschenbuchserien. Fast im Alleingang verfasste er die 50 Bände umfassenden Abenteuer um die Geheime Wissenschaftliche Abwehr. Die beiden Helden Thor Konnat und Hannibal Xerxes Utan haben es zunächst mit Agenten und Spionage finsterer irdischer Mächte aus dem asiatischen Raum zu tun.
Zahlreiche Verbesserungen durch Operationen und technische Ausrüstung machen sie zu einem ganz speziellen Team, das z.B. immun gegen Hypnose ist. Schließlich stoßen sie auf die Hinterlassenschaften eines vorgeschichtlichen großen Krieges zwischen den alten Marsianern und Invasoren vom Deneb. Unter anderem reisen sie später in diese Zeit zurück.
Kennzeichen der Serie waren die militärisch kurzen Titel. Eigentlich passte die martialische ZbV mit ihren oft schwarz-weissen Schilderungen nicht mehr so recht in die siebziger Jahre, trotzdem erlebte die Serie zwei Auflagen.
Fast alle von Scheers Leihbüchern wurden in den sechziger Jahren innerhalb der Terra-Reihen des Pabel/Moewig Verlages neuaufgelegt. Terra Extra war jahrelang sogar nur seinen Romanen und denen von Clark Darlton vorbehalten. In den siebziger Jahren erschienen sie dann schließlich in der Taschenbuchreihe Utopia Bestseller.
K.H. Scheer ist rückblickend einer der wichtigsten Autoren der Leihbuchszene. Und dies nicht nur wegen seines enormen Ausstosses an neuen Romanen. Der damals junge Autor hob sich von den eher betulichen Schreibern der Vorkriegszeit ab.
Scheers Einzelromane und seine ZbV-Serie sind eher Geschmackssache. Der Trend zur Military in den letzten Jahren dürfte ihre Attraktivität sicher wieder erhöht haben. Unbestritten ist aber, dass Scheer mit seiner Konzeption von PR die Blaupause für alle anderen deutschen SF-Serien im Heftformat lieferte.
Dazu gehören die zyklische Ausrichtung ebenso wie die Gestaltung der Hauptperson als Anführer der Menschheit. Von allen Epigonen unerreicht blieb seine akribische naturwissenschaftliche-technische Grundlagenarbeit, die der Serie eine seitdem unerreichte Homogenität verlieh.
Kommentare
Die Thematik um TRAITOR konnte bei mir wieder einen Hauch dieser Zeit zurückbringen. Band 500 (Auftauchen des Schwarms) von K.H. Scheer ist nach wie vor einer meiner Lieblingromane.
Jo, stimme zu!
Aber daher kam seine Vorliebe für U-Boote, im zbV wie im frühen Perry oder Atlan.
Kleine Korrektur: Der Schwarmzyklus ging bis Band 569; nicht nur bis Band 567.
Hat sich mal wieder ein Ältestleser ausgekotzt? Das Scheer-Konzept "Größer - weiter weg - länger her" war schon beim Schwarmzyklus eigentlich ausgereizt, wenn nicht gar überreizt.
Hätte Scheer nicht beizeiten den Exposé-Stab an William Voltz weitergereicht, dann wäre es spätestens Ende der 1970er vorbei gewesen mit Perry Rhodan. Mag sein, dass die reine Massenträgheit noch bis Band 1000 gereicht hätte, aber das wäre dann der Grabstein gewesen an Stelle eines Aufbruchs zum nächsten Tausender.