Männer der Zukunft: Jay Grams
Jürgen Grasmück wurde 1940 geboren. Seit 1957 wurde er schriftstellerisch tätig. Durch eine fortschreitende Krankheit mit wechselhaftem Verlauf an den Rollstuhl gefesselt, fiel es ihm schwer, termingebunden zu arbeiten. Dennoch lebte er von Ende der 50er-Jahre bis Ende der 80er-Jahre von seiner schriftstellerischen Tätigkeit, bevor er in den Bereich der Esoterik wechselte, wo er als Verleger und Buchhändler tätig war. Er schrieb nicht nur SF, sondern auch Krimis und Horror. Letzteres Genre begründete er in der deutschen Heftszene und war dort der unbestrittene Star. Eine ausführliche Biografie gibt es hier.
Zwischen 1957 und 1964 erschienen 18 Leihbücher von Jay Grams, die wie damals üblich auch in den Heftreihen nachgedruckt wurden. Seine Romane hoben sich durch eine unterschwellig immer vorhandene drohende Grundstimmung von der damals üblichen Produktion ab. Näheres zum Leihbuchschaffen findet man hier. Jay Grams war damals einer der wichtigsten Leihbuchautoren. Wohl nur Wolf Detlef Rohr und K. H. Scheer waren zu dieser Zeit noch bekannter und anerkannter. Grams verstand es aber, unverwechselbare Romane mit hohem Wiedererkennungswert vorzulegen. Hard-SF hat er freilich nicht geschrieben.
Hier ein Klappentext-Beispiel:
"Die Raumschiffe des Galaktischen Verbandes durchkreuzten seit Jahrzehnten das heimatliche Universum. Ihre Fahrten galten der Forschung und Hilfeleistung für in Not geratene Welten. Sel Ori, der Kapitän der Xolyor, befand sich mit einer Ladung Medikamente auf dem Fluge zum Planeten Sopra V, wo seit einiger Zeit eine furchtbare Krankheit wütet. Es scheint fast so, als rühre die Seuche von kosmischen Strahlen her. Sei Ori soll schon bald die Bestätigung für diese Vermutung erleben, denn als sie sich gerade Sopra V nähern, beobachtet die Besatzung ein fremdes Raumschiff, das laufend gebündelte Strahlungen ausstößt. Die Raumfahrer erkennen, daß dies der Grund für die unzähligen Erkrankungen sein muß und beschließen, umzukehren und der Regierung zu berichten.
Sofort wird eine Flotte von 200 kriegsmäßig ausgerüsteten Raumschiffen zusammengestellt, die den Eindringlingen entgegentreten sollen. Nur wenige Schiffe kehren mit einer grauenvollen Nachricht zurück. Auch die Xolyor ist verschwunden. Nur schwer gelingt es den Technikern, einen Weg zu finden, dieses unbekannten Feindes Herr zu werden. Es muß aber gelingen, den Feind zu schlagen, wenn nicht alle Planeten des Galaktischen Verbandes ins Verderben gestürzt werden sollen. Wird dies gelingen?"
(Klappentext zu Feinde im Universum)
Mit dem Niedergang der Leihbuchverlage wechselte er in den Heftbereich. Ausgehend von seiner Mitarbeit bei Mark Powers gehörte er zum "zweiten Team". Gemeint ist damit, dass die SF-Heftszene in der Bundesrepublik damals zweigeteilt war.
Es gab einerseits den Moewig Verlag mit der Perry Rhodan-Serie, wo die Autoren bei Perry Rhodan, Terra, Terra Extra und Terra Sonderband/Taschenbuch sowie in den Perry Rhodan-Planetenromanen veröffentlichen konnten. Andererseits gab es die übrige Verlagsszene. Mit einer kurzen Unterbrechung erschienen von 1962 bis 1969 bei Pabel, Kelter und Bastei Konkurrenzserien zu Perry Rhodan. Zuerst Mark Powers, dann Ren Dhark und Rex Corda, schließlich Ad Astra.
Es bildete sich ein Stamm von Autoren, die dort mitarbeiteten. Am bekanntesten ist sicher H. G. Francis, aber auch Manfred Wegener, Thomas Mielke, Arno Zoller, Hermann Peters (Staff Caine) und Peter Krämer (Peter Theodor) gehören dazu. Diese Autoren schrieben Einzelromane für Utopia, Utopia Großband, Zauberkreis SF und Zauberkreis Exklusiv.
Bei Zauberkreis Science Fiction erschienen neben einigen Nachdrucken 19 neue Romane von Grasmück, jetzt unter dem neuen Pseudonym Jürgen Grasse. 20 Prozent der ersten 100 Romane dort stammten aus seiner Feder. Und Zauberkreis SF war in der Zeit von 1966-1968 die wichtigste deutsche SF-Heftreihe. Dort erschienen damals vier bis fünf Romane im Monat. Und während bei Terra und Utopia Storysammlungen und jede Menge Übersetzungen gedruckt wurden, waren es bei Zauberkreis nur Werke deutscher Autoren. Auch der Anteil der Nachdrucke aus dem Leihbuchbereich war bei Zauberkreis deutlich geringer als bei der Konkurrenz. Niemals zuvor oder danach sind in einer Heftreihe so viele neue SF-Romane erschienen. Dann wurde die Erscheinungsweise leider auf vierwöchentlich runtergefahren.
Ende der Sechzigerjahre gab es eine entscheidende Zäsur. Grasmück schrieb zunächst innerhalb der Reihe Zauberkreis Silber-Krimi seine ersten Horror-Romane. Damit begann sein Aufstieg zum ungekrönten Herrscher im Horrorbereich (Macabros, Larry Brent etc.). Neue SF-Romane allerdings kamen nicht mehr von ihm, aber es finden sich immer wieder SF-Elemente in diesen Romanen. Immerhin wurden von der Mitte der Siebzigerjahre bis zum Ende der Reihe 1985 bei Zauberkreis etliche der alten Heftromane wieder neu aufgelegt, teilweise mit neuem Titel versehen. 1985 erschien sogar noch einmal ein neuer Roman, bei dem es sich freilich um ein Manuskript aus den Sechzigern handelte. Und vor Kurzem wurde einer seiner Romane im Bereich der Kleinverlage neu veröffentlicht.
Erste Serienerfahrung sammelte Grams, als er 1962 zwei Romane zu Mark Powers beisteuerte. 1966/67 ging es dann bei Rex Corda weiter. Dort kam er immerhin auf vier Titel, während es in der Nachfolgeserie Ad Astra bei einem Band blieb. Obwohl Grams einen beachtlichen Ausstoß von Romanen vorlegte, war er nur bedingt für Serien geeignet. Seine Krankheit machte es schwer, termingerechte Ablieferung zu garantieren. Trotzdem gab es wohl um 1965 herum ein Angebot aus der Perry Rhodan Redaktion. Die Zusammenarbeit kam nicht zustande. Man kann aber spekulieren, was wäre geworden wenn? Wie wäre er mit der Technikbegeisterung eines K. H. Scheer oder Kurt Mahr zurechtgekommen? Hätte Grams PR verändert? Vielleicht auch stärkere Horrorelemente eingefügt? Hätte er vielleicht mit Willi Voltz zusammen die Serie neu ausgerichtet? Wäre er Voltzens Nachfolger geworden? Oder hätte er Perry Rhodan wieder verlassen und hätte sich doch dem Horrorroman verschrieben?
Jay Grams zählt zu der Generation von Autoren, die in ihrer Jugend über den SFCD und Utopia zur Science Fiction gestoßen sind. Ende der 50er-/Anfang der 60er-Jahre gehörte er zu den produktivsten Leihbuchautoren und wurde auch in den Heftreihen nachgedruckt. Ähnlich wie Kurt Brand hatte er einen unverwechselbaren Stil entwickelt und hob sich damit aus der Masse der Autoren heraus. Im Heftbereich war er Mitte bis Ende der Sechzigerjahre - was die Einzelromane angeht - der vielleicht produktivste deutsche Autor überhaupt. In den Serien blieb seine Beteiligung freilich immer überschaubar. Schwer einzuschätzen inwieweit er mit seinen Romanen jüngere Kollegen beeinflusst hat. Auch wenn er sich in seinen Werken nie sehr weit von den Leihbuchzeiten entfernt hat, war er doch so "modern", dass seine Romane bis Mitte der Achtzigerjahre immer wieder gerne nachgedruckt worden sind.
Eine in meinen Augen treffende Einschätzung ist die Einordnung von Grams als "Jugendbuchautor". Gemeint ist damit, dass er spannende, leicht verständliche Romane geschrieben hat, die ohne große technische Vorkenntnisse gelesen werden konnten. Und wie bei Manfred Wegener war die SF für Grams/Shocker letztlich nur eine Zwischenstation. Überschattet von der alles überragenden Bedeutung des Autors für den Gruselbereich ist sein Werk im SF-Bereich - zu Unrecht - ein wenig in Vergessenheit geraten.
Kommentare
Anmelden von hier aus funktioniert nicht.
Das ist ... ziemlich suboptimal. Insbesondere als ich gerade für den Zauberspiegel etwas Werbung machen wollte.
Zitat: Ganz stimmt das nicht, Uwe.
Wenn ich auf Macabros klicke, dann tut sich die Seite Fehler 404 auf, wenn ich aber auf Larry Brent klicke, dann funktioniert es.
Aber der Artikel ist schon Wahnsinn! Wirklich toll.
Bloß eins habe ich anzumerken: Du schreibst, dass Björn Hellmark in MAC 31 "Der Unheimliche aus dem Totenbrunnen" wieder in die Gegenwart der Erde zurückkehrt, aber das stimmt definitiv nicht. In diesem Roman trifft er wieder mit Rani Mahay zusammen.
Nach Marlos - und somit in die Gegenwart der Erde - kehrt er in MAC 32 "Kreatur der Verdammnis" zurück - und stellt fest, dass Carminia Brado in Vollmondnächten zu einer mörderischen Riesenspinne mutiert ...
Vielleicht kannst Du das mal entsprechend ändern.
Oder soll ich es machen?
Änderungen im Artikel muß du mit Horst absprechen, denn der ist vom ihm...
Tja, wenn man bei einem Link dann nicht auf den Namen des Autors achtet ...