Die Terranauten - Revolte auf Luna (Band 10)
Revolte auf Luna
Band 10 von Robert Quint (= Rainer Zubeil)
Band 10 von Robert Quint (= Rainer Zubeil)
Der 10. Band der Serie unterscheidet sich deutlich von den bisherigen: Diesmal agieren nicht in erster Linie die Stammcharaktere, sondern es überwiegen die (z.T. bereits in Band 9) neu eingeführten Figuren. Llewellyn und David werden bei der geplanten Flucht mitgezogen, dürfen bei der Befreiung von Leandes Geist helfen - mehr jedoch nicht.
Eine interessante Vorgehensweise, überraschend auch, weil es sich hier um den zweiten von vier aufeinander folgenden Robert-Quint-Romanen handelt und ich eigentlich einen durchgehenden erzählerischen Bogen erwartet hätte und dann doch für sich alleine stehende Romane vorgefunden habe.
Die neueingeführten Charaktere Scanner Cloud (aus Band 9), Morgenstern und Leande überzeugen; Cosmoral Jaschini hingegen ist nicht so geglückt: Wenn das Konzil von den besonderen Fähigkeiten der Psyter wusste, warum konnte sie sich nicht schützen und verfällt Scanner Cloud so sehr? Und musste diese Fähigkeit genau nach dem Roman eingeführt werden, wo bereits David terGordens Einflussmöglichkeit auf die Grauen definiert wurde? Durchaus schön erzählt, die dahinter stehende Naivität und Blindheit der Figur verleidet dem Leser jedoch diese Idee.
Insgesamt ist die rückwirkende Erklärung, dass Scanner Cloud seinen Aufenthalt in den Toten Räumen selbst geplant und durchgesetzt hat, wenig überzeugend und trivial - dies fällt um so mehr auf, weil der Roman als Ganzes wieder ein wirklich sehr guter Roman ist, der zweifelsohne auch als Taschenbuch seine Leser gefunden hätte und wohl auch als Neuauflage im Mohlberg-Verlag glänzend dastehen wird.
Das Internierungslager auf Luna wird vom Autor sehr komplex geschildert, der neue Handlungsort gewährt Robert Quint alle Möglichkeiten, die er zu nutzen weiß. Dass bereits so schnell nach Band 9 erneut ein Kerker gezeichnet wird, mag man als Wiederholung empfinden, doch das Geschehen ist in sich stimmig und logisch aufgebaut, so dass ich es eher als Stärkung der Serienkontinuität werten möchte.
Die Gesetzmäßigkeiten der Serie werden allerdings in einem anderen Punkt erneut gebrochen: Mit dem Hinweis auf Astos, einem mittlerweile in der Gefangenschaft verstorbenen Treiber, wird das Logenprinzip (sieben bis vierzehn Treiber bilden eine Loge) erneut unterwandert: Wurden bereits mehrmals im Handlungsverlauf eigentlich unmögliche Großlogen gebildet, durfte Astos die SAPHYR alleine im Weltraum II bewegen...
Keine Regel ohne Ausnahme, und das Universum der Terranauten ist komplexer als jede Gesetzmäßigkeit. Schade, dass diese Möglichkeit nur in einem kurzen Absatz erwähnt wurde.
Der Ausbruch selbst (quasi die 2. Romanhälfte) ist durchgehend spannend: Der Ausbruchsplan Scanner Clouds steht, die einzige noch vorhandene Hürde in Form von Leande wird bezwungen. Robert Quint versteht es, Action zu schildern, ohne dabei die Figuren zu vernachlässigen.
Dass die Treiber (und die Leser) dann mit dem Kaiserkraftantrieb der MIDAS überrascht werden, wurde gut vorbereitet - wenn auch nur in diesem Roman. Der Fluch der Serie: Sehr oft wurde das Geschehen der letzten Bände aus der Sicht Max von Valdecs geschildert, und nie wurde die MIDAS erwähnt...
Ein Manko, dass in zweifacher Hinsicht erneut angesprochen werden muss, sind die fehlenden Zeitangaben. Der Roman ist zeitlich nicht zu den Vorgängerbänden einzuordnen, und auch die verstreichende Zeit der einzelnen Handlungsstränge während des Romans lässt viele Interpretationen zu. Hier hat die große Konkurrenz eindeutig die Nase bei allen Zyklen vorn!
"Vielleicht", flüsterte Tout alias David zurück, "sind nicht wir zu bedauern, sondern der Psyter."Fazit: Kurz und prägnant: Wieder ein hervorragender Roman.
Morgenstern zwinkerte irritiert. "Wie kommen Sie darauf?"
"Es ist eine große Verantwortung. Vielleicht zu groß. Die Liebe ist die stärkste Triebkraft des Menschen. Glauben Sie nicht, dass es sehr schwer ist, alle Hoffnungen derjenigen zu erfüllen, denen man die Liebe gegeben hat?"
Der kleine Mann kratzte sich am Kinn. "Ich habe mir darüber noch keine Gedanken gemacht", gestand er fast mürrisch.
(Die Terranauten Band 10: Seite 36 Spalte 1)
Kommentare
Als Autor zeichnet wiederum der überragende Robert Quint, alias Thomas Ziegler.
Ziegler kann in diesem Roman all seine Stärken ausspielen. Die Mondkerker mit seiner gesellschaftlich mutierten Pseudo- Hirarchie, farbenbunte Charaktere und das in den vordergrund gestellte emotionalisierte Handeln aller Akteure. All dies zusammen mit einer gehörigen Portion Action ergibt einen verspielten, aber in jeder Phase unterhaltsamen Roman.
Was mir immer wieder bei Ziegler auffällt, sind seine mit einer knappen Leichtigkeit kreierten Figuren. Das hat schon fast Dickensche Qualitäten. Allein die Namen haben schon soviel Atmosphäre: Scanner Cloud, Teschnapur, Morgenstern, Leande und, und und...
Völlig ungehemmt reißt Ziegler seine Leser mit in die klaustrophobische Düsternis der Mondkerker und spinnt hier eine Ausbruchsstory par exelance.
Aus Scanner Cloud, den wir bereits aus dem vorhergehenden Heft kennen wird dann mal eben einer der letzten Überlebenden der Rasse der Psyter, die die Fähigkeit besitzen, dass die Menschen sie förmlich lieben müssen. Und diese Fähigkeit wendet er dann auch an der Cosmoralin Evita Jaschini, der grauen Oberbefehlshaberin der Mondkerker, an.
Ein junges verwirrtes Mädchen, psychisch krankgemacht durch die Verhöre der Grauen Garden, entpuppt sich als Dreh- und Angelpunkt zur Fluchtmöglichkeit, denn früher einmal war sie Computerexpertin und diese Fähigkeit wird nun gebraucht, um den Überwachungscomputer der Mondkerker mit Hilfe des alten Bergwerkrechners außer Gefecht zu setzten.
Es sind vor allem diese Konstellationen, die die Ziegler- Romane zu etwas besonderem machen.
Nicht die Technik wird hier zum Pseudo- Hauptdarsteller, sondern es bleiben stets die Menschen. Und deren Leidenschaften, Träume und Motivationen bleiben für den Leser zu jeder Zeit nachvollziehbar.
Ansonsten ist natürlich auch der sehr klare, inhaltlich geschlossene und mit allerlei verdeutlichenden Metaphern angereicherte Schreibstil des Autors dafür verantwortlich, dass sich Zieglers Romane als wesentlich fesselnder erweisen, als jene Serienbeiträge, die streckenweise ihre Motivation zu verlieren
scheinen (siehe Band 2,5 u. 8 ).
Für mich ist Band 10 ein würdiger und vor allem auch atmosphärisch passender Nachfolger zu dem
erstklassigen Band 9.