Schwermütige Fantasykost - Tad Williams' Shadowmarch
Schwermütige Fantasykost
Tad Williams »Shadowmarch«-Tetralogie
Tad Williams »Shadowmarch«-Tetralogie
Im deutschsprachigen Raum erscheint das Epos »Shadowmarch« bei Klett-Cotta. Bislang wurden die ersten drei Romane veröffentlicht, Band 4 soll 2011 herauskommen. In den USA ist der Abschlussband »Shadowheart« (nach den Vorgängerromanen »Shadowmarch«, »Shadowplay« und »Shadowrise«) bereits erschienen. Fantasyfans, die des Englischen mächtig sind und nicht noch länger auf das große Finale von Williams neustem Streich warten möchten, haben seit einigen Wochen die Möglichkeit, die Saga in ihrer ganzen Breite, vom eher unscheinbaren Anfang bis zum wuchtigen Finale, zu verfolgen.
Was sie erwartet, ist ein vielschichtiges, allerdings auch reichlich schwermütiges und leider nicht in jeder Hinsicht rundes High Fantasy-Epos.
Das »Shadowmarch«-Quartett Inhalt
Shadowmarch, auch Schattenmark genannt, ist der umgangssprachliche Name für den nördlichsten Teil des Kontinents Eion. Seit ihrer Vertreibung durch die sich immer weiter ausbreitenden Menschen leben dort die Qar, die Zwielichtvölker. Verborgen unter einem Schleier aus Nebel, der sich seit ewigen Zeiten nicht gelichtet hat, führen die Zwielichter hier eine Existenz fernab der ihnen verhassten Menschen.
Viele Jahrzehnte, ja, Jahrhunderte lang herrschte Waffenstillstand zwischen den Qar und den Menschen. Der brüchige Frieden findet nun allerdings ein abruptes Ende: Unter der Führung der unsterblichen Kriegerin Yasammez marschieren die Zwielichter in den Markenkönigreichen ein, jenen Landen der Menschen, die der Shadowmarch am nächsten liegen. Eine unheimliche Armee, wie sie keines Menschen Auge je erblickt hat, macht sich auf, Burg Southmarch, das Herz der Markenreiche, zu belagern und die Festung, die einst den Qar gehörte, zurückzuerobern.
Noch ahnen die Menschen in Southmarch nichts von der Gefahr, die ihnen aus der Schattenmark droht. Die Bewohner der Feste haben andere Sorgen. König Olin Eddon, der Herrscher der Markenlande, wird im Königreich Hierosol als Geisel gehalten. Nur ein unverschämt hohes Lösegeld kann ihn wieder zurückbringen. Geld, das die Barone Olins nur ungern zu zahlen bereit sind.
Während im Norden Eions die Probleme und Rivalitäten überhand nehmen, sieht sich der Süden des Kontinents mit ganz anderen Schwierigkeiten konfrontiert. In unersättlichem Machtstreben hat Autarch Sulepis, Herrscher über den südlich von Eion gelegenen Kontinent Xand und vermeintlicher Gott auf Erden, seinen Blick auf die nördlichen Nachbarreiche geworfen. Mit einem schier unerschöpflichen Heer unerschütterlich an ihn glaubender Soldaten und Beamter macht sich der nahezu allmächtige Regent daran, eine Invasionsflotte aufzustellen, um die Länder Eions zu unterwerfen.
Niemandem ist bewusst, dass die Qar und der Autarch ähnliche Absichten verfolgen, die weit über die bloße Eroberung neuer Herrschaftsgebiete hinausgehen. Die Zwielichter wie auch Sulepis streben ein weitaus höheres Ziel an. Im Zentrum ihrer Pläne steht Burg Southmarch oder vielmehr das, was unter der Feste begraben liegt. Ein uraltes Geheimnis drängt danach, gelüftet zu werden. Ein Geheimnis, dessen Enthüllung das Ende der Welt bedeuten könnte
Kritik
Wer Tad Williams und seine Werke kennt, der weiß: Die Epen des Amerikaners sind beileibe nicht für jedermann geeignet, und in keinem Fall kurzweilige Lektüre zum schlichten Nebenbeilesen. Williams Schaffen zeichnet sich durch düstere, komplexe Geschichten, vielschichtige Konstruktionen von Schauplätzen und Hintergründen sowie durch von inneren Dämonen verfolgten Protagonisten fernab üblicher Stereotype aus. Seine Sagas sind anspruchsvolle Epen, die die ganze Aufmerksamkeit des Lesers erfordern und ihm mitunter einiges abverlangen. »Shadowmarch« bildet da keine Ausnahme. In einem allerdings hebt sich die Reihe deutlich von den bisherigen Werken Williams ab: »Shadowmarch« ist mit Abstand das schwermütigste Fantasyepos, das ich je gelesen habe. Eine Eigenschaft, welche die Freude an der Tetralogie mitunter erheblich strapaziert.
Um falschen Schlussfolgerungen zuvorzukommen: Schwermütig meint nicht düster. Letzteres ist »Shadowmarch« in jedem Falle auch; der Grundton des Quartetts ist deutlich dunkler, als es etwa in »Das Geheimnis der Großen Schwerter« der Fall ist. »Shadowmarch« verfügt darüber hinaus aber noch über eine ungemein bedrückende, eben schwermütige Atmosphäre. Hauptursache hierfür ist die fatalistische, stets trostlose Einstellung ALLER erzählender Hauptfiguren.
Charakterorientierte Geschichten finden im Allgemeinen meinen vollen Zuspruch. »Shadowmarch« beweist, dass sich die Konzentration auf die Handlungsträger aber auch negativ auswirken kann.
Nichts prägt die Charaktere aus »Shadowmarch« so sehr wie ihre Probleme, ihre Ängste und Sorgen. Ob es nun die des Lebens überdrüssige unsterbliche Qar-Kriegerin Yasammez ist, der wegen seines verkrüppelten Armes unter Depressionen leidende Prinz von Southmarch oder ein verkannter Poet, der sich in die falsche Frau verliebt, alle Figuren haben mit schweren Problemen zu kämpfen, die ihr Dasein zum größten Teil bestimmen. Hoffnung geht den Handlungsträgern dabei fast vollständig ab, weshalb der Leser schnell das Gefühl bekommt, ganz Eion liege unter einer Wolke von Schwermut und Trübsinn begraben.
Nichts gegen ein wenig Melancholie, aber der Weltschmerz, mit dem Williams Figuren diesmal geschlagen sind, macht die Lektüre von »Shadowmarch« zeitweilig zu einer echten Herausforderung.
Das zweite große Problem der Reihe besteht darin, dass sich Williams gleichermaßen in der Vielschichtigkeit seiner Story wie dem Schwermut seiner Protagonisten verliert. Dass er es grundsätzlich versteht, eine Vielzahl von Facetten zu einer einzigartigen, hochspannenden Geschichte zu verbinden, hat er in »Das Geheimnis er Großen Schwerter« und »Otherland« eindrucksvoll zur Schau gestellt. Diesmal gelingt es Williams leider bei Weitem nicht so gut, alle Aspekte seiner Erzählung unter einen Hut zu bringen.
Im Laufe der Lektüre stellt sich das Gefühl ein, Williams möchte zu viel auf einmal. Zum einen wäre da die Rahmenhandlung an sich zu nennen, die sich in ihrer ganzen Breite nur langsam vor den Augen der Leser entfaltet und auf dem Weg zur vollkommenen Klarheit viele Umwege nimmt und falsche Fährten legt. Transportiert wird dieser an sich schon verschlungene Rahmen innerhalb einer Vielzahl einzelner Handlungsstränge, die sich mit den jeweiligen Protagonisten befassen die wie üblich in großer Zahl vorhanden sind und alle ihre eigene, meist größtenteils unabhängige Geschichte erzählen. Dadurch, dass Williams charakterorientiert erzählt, wird in den Einzelsträngen zudem noch eine ganze Menge Input bezüglich des Innenlebens der Figuren transportiert. Hinzu kommen ausführliche Beschreibungen verschiedenster realer wie traumweltlicher Schauplätze, verschiedene komplexe, miteinander verwobene mythologische und historische Hintergründe und die ausführliche Darlegung der bereits beschriebenen bedrückenden Atmosphäre.
All dies zusammen genommen sorgt einerseits für einen ausgesprochen dichten Romankosmos, wie man ihn in dieser Durchdachtheit nur selten findet. Andererseits geht der Wunsch, immer noch ein wenig mehr in die Geschichte hineinzupacken, sehr zu Lasten der Darstellung der handelnden Personen. So verabschieden sich einzelne Figuren etwa sang- und klanglos aus dem Geschehen, ohne dass man am Ende erfährt, was aus ihnen geworden ist; der ein oder andere Storybogen bleibt daher offen. Zudem wirken die Liebesgeschichten des Romans reichlich unglaubwürdig und leider auch steril, da sie mit den übrigen Teilen der Story nicht im Mindesten harmonieren und sich zudem, wenn überhaupt, in Sprüngen entwickeln.
Nach so vielen kritischen Worten mag man sich nun fragen, ob sich die Lektüre von »Shadowmarch« überhaupt lohnt. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Ein echtes Must read ist das Quartett nicht. Mit Williams bisherigen Werken kann sich das High Fantasy-Epos nicht messen. Von vorne herein ausschließen sollten Fantasyfans die Reihe deshalb aber noch lange nicht. Sie mag zwar nicht auf Augenhöhe mit »Otherland« und Co liegen, bietet Genrefans allerdings durchaus eine Vielzahl interessanter Lesestunden.
Ich sage ganz bewusst Genrefans. Man muss schon ein waschechter High Fantasy-Fan sein, um »Shadowmarch« etwas abgewinnen zu können. Die wuchtige Saga samt ihres bedrückenden Grundtons ist nur etwas für Leser, die sich für Epen wie George R.R. Martins »Das Lied von Eis und Feuer«, Lynn Flewellings »Tamír Triad« oder (ganz besonders(!)) Bernhard Hennens »Elfen«-Saga begeistern können. Wer von phantastischer Unterhaltung dieser Art nicht hundertprozentig überzeugt ist, der wird an »Shadowmarch« nicht viel Freude haben.
Sollte man besagte oder ähnliche Epen allerdings zu den Favoriten der eigenen Lesegewohnheiten zählen, ist man gut beraten, das »Shadowmarch«-Quartett zur Hand zu nehmen. Zunächst einmal ist Williams nämlich ein hervorragender Erzähler. Sein Stil ist ebenso eingängig wie einem mittelalterlich anmutenden phantastischen Abenteuer angemessen. In prachtvollen, wenn auch dunklen Bildern entwirft der Autor ein ausgesprochen umfassendes, durchdachtes Universum, das mit einem reichhaltigen Background zu punkten versteht.
Des Weiteren überzeugt »Shadowmarch« durch eine gewaltige Portion fesselnder Dramatik. Kraftvoll schreitet die Story von einem Ereignis zum nächsten, ein jedes ausdrucksstark in Szene gesetzt. Der Spannungsbogen der Saga steigert sich dabei kontinuierlich vom ersten Teil der Reihe bis zum großen Finale, das zu den dramatischsten Enden gehört, die ich jemals im Rahmen eines Fantasyepos lesen durfte.
Besonders gelungen finde ich zudem die sich nur allmählich vollziehende Enthüllung der Rahmenhandlung im Ganzen. Immer wieder bringt Williams sein Publikum zum Stauen, überrascht mit neuen, vollkommen unerwarteten Wendungen und ungeahnten Auflösungen von Andeutungen und Geheimnissen, hinter denen der Leser ganz andere Enthüllungen vermutet, als sie schlussendlich tatsächlich beschrieben werden.
Keine Frage, »Shadowmarch« ist ein Epos, das, allen Schattenseiten zum Trotz, eine ganze Reihe von Vorzügen genießt, die Freunde dunkler, charakterorientierter Fantasyepen mühelos Respekt abringen können.
Und die Moral von der Geschicht
Fakt ist: »Shadowmarch« ist Williams bis dato schwächstes phantastisches Epos. Die Reihe kann in keinster Weise mit seinen übrigen Sagas mithalten. Zu schwermütig und in mancher Hinsicht unvollständig, weiß die Reihe nur bedingt zu überzeugen. Nicht-High Fantasy-Leser wird die wuchtige, bedrückende Saga zudem davor abschrecken, jemals wieder ein weiteres Fantasybuch auszuprobieren.
Wer bereit ist, sich auf ein ausgesprochen elegisches und ungemein komplexes phantastisches Werk einzulassen und diesem für viele Lesestunden seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu widmen, der wird ein trotz nicht zu verleugnender Schwächen beeindruckendes, hochdramatisches Epos zu Gesicht bekommen. Leser von Hennen oder Martin sollten den »Shadowmarch«-Büchern in jedem Fall eine Chance geben.
Persönlich kann ich nicht verhehlen, dass mich die »Shadowmarch«-Tetralogie ein wenig enttäuscht hat. Von Tad Williams bin ich weitaus packendere Epen gewohnt. Ich hoffe sehr, dass die kommende Reihe etwas weniger schwermütig und dafür im Ganzen runder wird als diese. Mit von der Partie bin ich auf alle Fälle wieder ganz egal, ob es nun drei oder, was eher zu erwarten ist, vier Bände werden.
Daten zu den Büchern der »Shadowmarch«-Saga (soweit erschienen)
Was sie erwartet, ist ein vielschichtiges, allerdings auch reichlich schwermütiges und leider nicht in jeder Hinsicht rundes High Fantasy-Epos.
Das »Shadowmarch«-Quartett Inhalt
Shadowmarch, auch Schattenmark genannt, ist der umgangssprachliche Name für den nördlichsten Teil des Kontinents Eion. Seit ihrer Vertreibung durch die sich immer weiter ausbreitenden Menschen leben dort die Qar, die Zwielichtvölker. Verborgen unter einem Schleier aus Nebel, der sich seit ewigen Zeiten nicht gelichtet hat, führen die Zwielichter hier eine Existenz fernab der ihnen verhassten Menschen.
Viele Jahrzehnte, ja, Jahrhunderte lang herrschte Waffenstillstand zwischen den Qar und den Menschen. Der brüchige Frieden findet nun allerdings ein abruptes Ende: Unter der Führung der unsterblichen Kriegerin Yasammez marschieren die Zwielichter in den Markenkönigreichen ein, jenen Landen der Menschen, die der Shadowmarch am nächsten liegen. Eine unheimliche Armee, wie sie keines Menschen Auge je erblickt hat, macht sich auf, Burg Southmarch, das Herz der Markenreiche, zu belagern und die Festung, die einst den Qar gehörte, zurückzuerobern.
Noch ahnen die Menschen in Southmarch nichts von der Gefahr, die ihnen aus der Schattenmark droht. Die Bewohner der Feste haben andere Sorgen. König Olin Eddon, der Herrscher der Markenlande, wird im Königreich Hierosol als Geisel gehalten. Nur ein unverschämt hohes Lösegeld kann ihn wieder zurückbringen. Geld, das die Barone Olins nur ungern zu zahlen bereit sind.
Während im Norden Eions die Probleme und Rivalitäten überhand nehmen, sieht sich der Süden des Kontinents mit ganz anderen Schwierigkeiten konfrontiert. In unersättlichem Machtstreben hat Autarch Sulepis, Herrscher über den südlich von Eion gelegenen Kontinent Xand und vermeintlicher Gott auf Erden, seinen Blick auf die nördlichen Nachbarreiche geworfen. Mit einem schier unerschöpflichen Heer unerschütterlich an ihn glaubender Soldaten und Beamter macht sich der nahezu allmächtige Regent daran, eine Invasionsflotte aufzustellen, um die Länder Eions zu unterwerfen.
Niemandem ist bewusst, dass die Qar und der Autarch ähnliche Absichten verfolgen, die weit über die bloße Eroberung neuer Herrschaftsgebiete hinausgehen. Die Zwielichter wie auch Sulepis streben ein weitaus höheres Ziel an. Im Zentrum ihrer Pläne steht Burg Southmarch oder vielmehr das, was unter der Feste begraben liegt. Ein uraltes Geheimnis drängt danach, gelüftet zu werden. Ein Geheimnis, dessen Enthüllung das Ende der Welt bedeuten könnte
Kritik
Wer Tad Williams und seine Werke kennt, der weiß: Die Epen des Amerikaners sind beileibe nicht für jedermann geeignet, und in keinem Fall kurzweilige Lektüre zum schlichten Nebenbeilesen. Williams Schaffen zeichnet sich durch düstere, komplexe Geschichten, vielschichtige Konstruktionen von Schauplätzen und Hintergründen sowie durch von inneren Dämonen verfolgten Protagonisten fernab üblicher Stereotype aus. Seine Sagas sind anspruchsvolle Epen, die die ganze Aufmerksamkeit des Lesers erfordern und ihm mitunter einiges abverlangen. »Shadowmarch« bildet da keine Ausnahme. In einem allerdings hebt sich die Reihe deutlich von den bisherigen Werken Williams ab: »Shadowmarch« ist mit Abstand das schwermütigste Fantasyepos, das ich je gelesen habe. Eine Eigenschaft, welche die Freude an der Tetralogie mitunter erheblich strapaziert.
Um falschen Schlussfolgerungen zuvorzukommen: Schwermütig meint nicht düster. Letzteres ist »Shadowmarch« in jedem Falle auch; der Grundton des Quartetts ist deutlich dunkler, als es etwa in »Das Geheimnis der Großen Schwerter« der Fall ist. »Shadowmarch« verfügt darüber hinaus aber noch über eine ungemein bedrückende, eben schwermütige Atmosphäre. Hauptursache hierfür ist die fatalistische, stets trostlose Einstellung ALLER erzählender Hauptfiguren.
Charakterorientierte Geschichten finden im Allgemeinen meinen vollen Zuspruch. »Shadowmarch« beweist, dass sich die Konzentration auf die Handlungsträger aber auch negativ auswirken kann.
Nichts prägt die Charaktere aus »Shadowmarch« so sehr wie ihre Probleme, ihre Ängste und Sorgen. Ob es nun die des Lebens überdrüssige unsterbliche Qar-Kriegerin Yasammez ist, der wegen seines verkrüppelten Armes unter Depressionen leidende Prinz von Southmarch oder ein verkannter Poet, der sich in die falsche Frau verliebt, alle Figuren haben mit schweren Problemen zu kämpfen, die ihr Dasein zum größten Teil bestimmen. Hoffnung geht den Handlungsträgern dabei fast vollständig ab, weshalb der Leser schnell das Gefühl bekommt, ganz Eion liege unter einer Wolke von Schwermut und Trübsinn begraben.
Nichts gegen ein wenig Melancholie, aber der Weltschmerz, mit dem Williams Figuren diesmal geschlagen sind, macht die Lektüre von »Shadowmarch« zeitweilig zu einer echten Herausforderung.
Das zweite große Problem der Reihe besteht darin, dass sich Williams gleichermaßen in der Vielschichtigkeit seiner Story wie dem Schwermut seiner Protagonisten verliert. Dass er es grundsätzlich versteht, eine Vielzahl von Facetten zu einer einzigartigen, hochspannenden Geschichte zu verbinden, hat er in »Das Geheimnis er Großen Schwerter« und »Otherland« eindrucksvoll zur Schau gestellt. Diesmal gelingt es Williams leider bei Weitem nicht so gut, alle Aspekte seiner Erzählung unter einen Hut zu bringen.
Im Laufe der Lektüre stellt sich das Gefühl ein, Williams möchte zu viel auf einmal. Zum einen wäre da die Rahmenhandlung an sich zu nennen, die sich in ihrer ganzen Breite nur langsam vor den Augen der Leser entfaltet und auf dem Weg zur vollkommenen Klarheit viele Umwege nimmt und falsche Fährten legt. Transportiert wird dieser an sich schon verschlungene Rahmen innerhalb einer Vielzahl einzelner Handlungsstränge, die sich mit den jeweiligen Protagonisten befassen die wie üblich in großer Zahl vorhanden sind und alle ihre eigene, meist größtenteils unabhängige Geschichte erzählen. Dadurch, dass Williams charakterorientiert erzählt, wird in den Einzelsträngen zudem noch eine ganze Menge Input bezüglich des Innenlebens der Figuren transportiert. Hinzu kommen ausführliche Beschreibungen verschiedenster realer wie traumweltlicher Schauplätze, verschiedene komplexe, miteinander verwobene mythologische und historische Hintergründe und die ausführliche Darlegung der bereits beschriebenen bedrückenden Atmosphäre.
All dies zusammen genommen sorgt einerseits für einen ausgesprochen dichten Romankosmos, wie man ihn in dieser Durchdachtheit nur selten findet. Andererseits geht der Wunsch, immer noch ein wenig mehr in die Geschichte hineinzupacken, sehr zu Lasten der Darstellung der handelnden Personen. So verabschieden sich einzelne Figuren etwa sang- und klanglos aus dem Geschehen, ohne dass man am Ende erfährt, was aus ihnen geworden ist; der ein oder andere Storybogen bleibt daher offen. Zudem wirken die Liebesgeschichten des Romans reichlich unglaubwürdig und leider auch steril, da sie mit den übrigen Teilen der Story nicht im Mindesten harmonieren und sich zudem, wenn überhaupt, in Sprüngen entwickeln.
Nach so vielen kritischen Worten mag man sich nun fragen, ob sich die Lektüre von »Shadowmarch« überhaupt lohnt. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Ein echtes Must read ist das Quartett nicht. Mit Williams bisherigen Werken kann sich das High Fantasy-Epos nicht messen. Von vorne herein ausschließen sollten Fantasyfans die Reihe deshalb aber noch lange nicht. Sie mag zwar nicht auf Augenhöhe mit »Otherland« und Co liegen, bietet Genrefans allerdings durchaus eine Vielzahl interessanter Lesestunden.
Ich sage ganz bewusst Genrefans. Man muss schon ein waschechter High Fantasy-Fan sein, um »Shadowmarch« etwas abgewinnen zu können. Die wuchtige Saga samt ihres bedrückenden Grundtons ist nur etwas für Leser, die sich für Epen wie George R.R. Martins »Das Lied von Eis und Feuer«, Lynn Flewellings »Tamír Triad« oder (ganz besonders(!)) Bernhard Hennens »Elfen«-Saga begeistern können. Wer von phantastischer Unterhaltung dieser Art nicht hundertprozentig überzeugt ist, der wird an »Shadowmarch« nicht viel Freude haben.
Sollte man besagte oder ähnliche Epen allerdings zu den Favoriten der eigenen Lesegewohnheiten zählen, ist man gut beraten, das »Shadowmarch«-Quartett zur Hand zu nehmen. Zunächst einmal ist Williams nämlich ein hervorragender Erzähler. Sein Stil ist ebenso eingängig wie einem mittelalterlich anmutenden phantastischen Abenteuer angemessen. In prachtvollen, wenn auch dunklen Bildern entwirft der Autor ein ausgesprochen umfassendes, durchdachtes Universum, das mit einem reichhaltigen Background zu punkten versteht.
Des Weiteren überzeugt »Shadowmarch« durch eine gewaltige Portion fesselnder Dramatik. Kraftvoll schreitet die Story von einem Ereignis zum nächsten, ein jedes ausdrucksstark in Szene gesetzt. Der Spannungsbogen der Saga steigert sich dabei kontinuierlich vom ersten Teil der Reihe bis zum großen Finale, das zu den dramatischsten Enden gehört, die ich jemals im Rahmen eines Fantasyepos lesen durfte.
Besonders gelungen finde ich zudem die sich nur allmählich vollziehende Enthüllung der Rahmenhandlung im Ganzen. Immer wieder bringt Williams sein Publikum zum Stauen, überrascht mit neuen, vollkommen unerwarteten Wendungen und ungeahnten Auflösungen von Andeutungen und Geheimnissen, hinter denen der Leser ganz andere Enthüllungen vermutet, als sie schlussendlich tatsächlich beschrieben werden.
Keine Frage, »Shadowmarch« ist ein Epos, das, allen Schattenseiten zum Trotz, eine ganze Reihe von Vorzügen genießt, die Freunde dunkler, charakterorientierter Fantasyepen mühelos Respekt abringen können.
Und die Moral von der Geschicht
Fakt ist: »Shadowmarch« ist Williams bis dato schwächstes phantastisches Epos. Die Reihe kann in keinster Weise mit seinen übrigen Sagas mithalten. Zu schwermütig und in mancher Hinsicht unvollständig, weiß die Reihe nur bedingt zu überzeugen. Nicht-High Fantasy-Leser wird die wuchtige, bedrückende Saga zudem davor abschrecken, jemals wieder ein weiteres Fantasybuch auszuprobieren.
Wer bereit ist, sich auf ein ausgesprochen elegisches und ungemein komplexes phantastisches Werk einzulassen und diesem für viele Lesestunden seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu widmen, der wird ein trotz nicht zu verleugnender Schwächen beeindruckendes, hochdramatisches Epos zu Gesicht bekommen. Leser von Hennen oder Martin sollten den »Shadowmarch«-Büchern in jedem Fall eine Chance geben.
Persönlich kann ich nicht verhehlen, dass mich die »Shadowmarch«-Tetralogie ein wenig enttäuscht hat. Von Tad Williams bin ich weitaus packendere Epen gewohnt. Ich hoffe sehr, dass die kommende Reihe etwas weniger schwermütig und dafür im Ganzen runder wird als diese. Mit von der Partie bin ich auf alle Fälle wieder ganz egal, ob es nun drei oder, was eher zu erwarten ist, vier Bände werden.
Daten zu den Büchern der »Shadowmarch«-Saga (soweit erschienen)