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Vampire pflastern seinen Weg - Die Einzelgänger ...

Vampire pflastern sein Weg Hugh Walker's Horror Romane
Die Einzelgänger ...
... oder: Der Vampir an sich

Der Vampir ist seit den frühen Tagen des Horrorromans eines der Schlüsselthemen. Für Hubert Straßl ebenfalls. Mit ihnen fand er den Weg zum professionellen Horrorroman. Vampire sind seine (zunächst) bevorzugten Figuren und er widmete sich ihnen nicht nur auf eine Art. Er suchte immer wieder neue Wege, diese Figur anders aufzubereiten. Hugh Walker schrieb zwei Einzelromane mit Vampirthematik. Hinzu kommt das Taschenbuch »Blutfest der Dämonen«, das das Vampirthema in einer Variante verarbeitet.


Vampire unter unsDer erste dieser Einzelromane ist »Vampire unter uns« (Vampir- Horror-Roman 1). Wie schon festgestellt war dieser Roman eine echte Alternative zu dem was Dan Shocker seinen Leser präsentierte. Im Grunde ist es ein Gegenentwurf zu dem was den Heftroman in den Siebzigern und Achtzigern ausmachte. Wie Hubert Straßl ohnehin nie im Mainstream des Heftroman mitschwamm. Das war nie sein Stil. Für ihn war der Horrorroman mehr als nur der Kampf Gut gegen Böse. Für ihn galt es, dunkle Seiten zu entdecken.  

Thomas Mühlbauer schrieb über diesen Roman im »Zauberstern«:
Deutschlands erste Reihe mit unheimlichen Romanen im Heftformat öffnete ihre Pforten mit einer ungewöhnlichen Vampirgeschichte eines deutschen Autors, deren Originalität der Verfasser über Jahre hinweg halten konnte, was Ihm eine treue Anhängerschaft sicherte und somit die Behauptung vom Propheten im eigenen Land Lügen strafte.
Anders als in Hugh Walkers späteren Werken, die oft surreale Dimensionen annahmen, blieb dieser Roman von der Form her eher traditionell: Auch hier der Sprung direkt in die Handlung, die stetig zu steigern der Autor meisterhaft verstand und die doch ganz anders endete, als es zunächst den Anschein hatte. Die Unvorhersehbarkeit der Handlung sorgte für stetigen Nervenkitzel.
Der Protagonist des Romans ist mit einer Witwe verheiratet, deren erster Mann aber nicht so tot ist, wie man glaubt. Auf der Suche nach der Wahrheit gerät der Erzähler in einen Teufelskreis, aus dem ein Entkommen nicht mehr möglich ist. Er scheitert sogar daran, sein Leben zu retten. Erst als er selbst zu einer Kreatur der Nacht wird, versteht er die Beweggründe der anderen, zu denen nun auch er gehört. Walkers Vampire gieren nicht nur nach Menschenblut, sie verlangen wieder nach dem, was ihnen als Grenzgänger versagt bleibt: sie wollen das Leben wieder.
Damit verläßt der Autor die literarische Tradition und schildert eine Evolution von Hell und Dunkel, eine Annäherung von Tag und Nacht und ihrer Wesen, die doch einer gemeinsamen Wurzel entspringen: Wurden am Anfang Menschen zu Vampiren, so werden am Schluß Vampire wieder zu Menschen. (24)
In diesem innovativen Roman spürt man, daß Hugh Walker Sympathie für seine dunklen Wesen empfindet; sie sind nicht generell böse, keine Bestien. Es gibt, wie Thomas Mühlbauer richtig bemerkt Beweggründe für ihr Tun, die über blanke Blutgier weit hinausreichen.

Hubert Straßl versucht darin aus dem Vampir mehr herauszuholen als die reißende Bestie, die in vielen Filmen und später bei Bastei kultiviert wurde. Er versuchte die Abgründe zwischen Gut und Böse zu überbrücken. Die Vampire sind nicht nur Zerstörer, sind auch Verlorene, Verfluchte. Sie gieren nach dem, was sie verloren haben.

Gerade deshalb nimmt Hubert Straßl sich gern der Vampire, die gerade den Weg vom Leben zum Dasein des Untoten durchmachen müssen. Er trägt dann in diesen Wesen zwischen Leben und Tod den Kampf zwischen Gut und Böse aus. Diesen Übergang möchte Straßl erkunden. Das reizt ihn. Es ist nicht der actiongeladene kampf zwischen den Geiserjägern und Vampiren, der diesen Autor bewegte. Das Duell war immer nur Mittel zum Zweck oder wie in »Ich, der Vampir« (Vampir-Horror-Roman 22) zu zeigen, dass auch Menschen ›unmenschlich‹ und ›böse‹ sein können. Der Geisterjäger ist bei Straßl nicht per se der Gute.  

Bliebe im Grunde nur noch anzumerken, daß dieser Roman natürlich im erlebten Umfeld, in der Realität Hugh Walkers (eines gebürtigen Linzers) angesiedelt ist. In eben diese erlebte Realität läßt er die Phantasie, das Unfaßliche, das Grauen einbrechen. Das ist Phantastik der reinen Lehre und für 1971/72 bemerkenswert in der Umsetzung. Dieser Roman brauchte sich nicht hinter in besser beleumundeter Formaten erschienenen Texten zu bergen und auch nicht vor den Übersetzungen (sei es beim »Vampir-Horror-Roman« oder in anderen Verlagen zu verbergen).

Hubert Straßl brach mit diesem Roman das Ghetto der Vampire, geprägt  insbesondere durch Filme, auf. Leider ohne nachhaltige Wirkung, denn wie im Kapitel »Star ohne Echo«  ausgeführt, waren Hubert Straßls Heftromane nicht silbildend. Diese Aufgabe übernahm der typische Heftroman und dessen Ableger im Taschenbuch. Und den Ehrgeiz zehn Jahre früher als Hohlbein den Durchbruch zu schaffen hatte er nicht. Er hatte sich im Rahmen der Pabel'schen Gemütlichkeit eingerichtet.    

Ich, der VampirDer nächste Vampirroman Hugh Walkers erschien ein knappes Jahr später. Es sollte eines der interessantesten Verarbeitungen des Vampirthemas im Heftroman werden. Der Arbeitstitel des Exposés lautete Das »Haus aus dem Nichts« (das Exposé dazu am 14. Oktober). Der Verlag wählte kurioserweise »Ich, der Vampir« (Vampir-Horror-Roman 22. Juli 1973), obwohl Hugh Walker diesmal darauf verzichtet hatte, die Ich-Form zu wählen, und aus dramaturgischen Gründen auf die Erzählform in der dritten Person zurückgriff.

Dieser Roman befaßt sich wieder mit der Frage: Wo liegen die Grenzen zwischen Phantasie und Realität? Sein Protagonist Vick Danner fährt übermüdet die Autobahn Richtung München und erkundigt sich an einer kleinen Raststätte nach Übernachtungsmöglichkeiten im nächstgelegenen Ort, dessen Namen er aber nicht erfährt. Eine betörend schöne Frau holt ihn ab und führt ihn in ein Haus, wo er länger als nur eine Nacht bleibt. Die Nächte sind voll von schrecklichen Träumen, die Tage voll von schönen Dingen. Erst spät entdeckt er, daß es sich genau umgekehrt verhält: die nächtlichen Erscheinungen sind Realität, sein wundervolles am Tag ist nur Traum.

Hugh Walker hatte sich vor der Kulisse eines Vampirromans seines Lieblingsthemas angenommen, der sich verwischenden Grenzen zwischen Realität und Phantasie. Er gestaltete den Roman äußerst unheimlich, schloß stilistisch an Vampire unter uns an, war aber in der Gestaltung der Erzählung sehr innovativ.

Das war im Heftroman etwas Seltenes, denn er ist in der Regel nur ein Abbild dessen, was in anderen Publikationsformen und Medien populär ist. Das Heft vervielfältigte erfolgreiche Muster  zu erschwinglchen Preisen. Sehr intensiv reagierte der Horrorheftroman auf Entwicklungen im Kino und Fernsehen. Das ist inzwischen anders. Der deutsche Heftroman sucht sich, von wenigen Ausnahmen abgesehen, seine ›Bilder‹ in den fünfziger bis siebziger Jahren. Damit ist diese Publikatonsform - wie sein Format - ein Auslaufmodell der Unterhaltung. Einst ein Massenmedium mit einer gewaltigen Reichweite ist es heute (von wenigen Ausnahmen abgesehen) zur Nischenliteratur verkommen, der einen zunehmend alternden Leserstamm versorgt. 
 
Dawn of the Dead Ein einfaches Beispiel macht das deutlich: Bis 1978/79 war der Begriff 'Zombie' einer unter vielen, aber sobald George Romeros »Dawn of the Dead« (dt. Zombie; USA 1978; Regie: George Romero; mit David Emgee, Ken Foree, Gaylen Ross) diesen Begriff groß herausbrachte, wurden aus den Kreaturen, die bisher im Heftroman als ›Untote‹, ›Widergänger‹ oder ›Nichttote‹ bezeichnet wurden pauschal: ›Zombies‹. Der Hintergrund mit Voodoo und einem speziell definierten kulturellen Umfeld interessierte Niemanden (weder Autor noch Leser) mehr. Im Heftroman wurden also bevorzugt populäre Strömungen, verarbeitet — soweit es der Jugendschutz zulässt. Denn die ausgesprochen Brutalität eines Teils der Horrorfilme konnte im Heft aufgrund der Selbstkontrolle und der dräuenden BPS dahinter nicht umgesetzt werden.    

Vick Danner wird zum Vampir und lernt die andere Seite kennen, er ist nun ein Geschöpf der Nacht. Der Leser erfährt durch ihn das Innenleben eines Vampirs, wodurch auch der scheinbar widersprüchliche Titel des Romans doch seinen Sinn erhält. Hugh Walker sympathisiert eindeutig mit dem Vampir, wobei der Autor aber auch darauf achtet, daß Vick Danner als Vampir nicht zur blutgierigen Bestie verkommt. Obwohl noch viel Menschliches in ihm ist, oder gerade deswegen, lernt er, mit seiner neuen Existenz zu leben.

Und vielleicht wäre er ein Mittler zwischen Vampir und Mensch geworden, wenn er lange genug überlebt, wenn er die Chance gehabt hätte, seine neue Existenz richtig zu begreifen und das Fremde in sich zu verstehen.

Doch die Menschen jagen das Fremde, das Ihnen Angst macht das sie nicht verstehen, mit einer Mischung aus Haß, Wut, Intoleranz und Fanatismus, so daß fraglich wird, wer nun die blutrünstige Bestie ist, der Vampir oder der Mensch. Deutlich wird dies in einer Szene, wo Vick Danner mehr Ohren- denn Augenzeuge einer Vergewaltigung wird und, von der Sonne geschwächt nicht eingreifen kann.

Jan GardemannBezeichend dazu ein Leserbrief von Jan Gardemann. Inzwischen mehr als Fan, sondern darselbst professioneller Autor, unter anderem der Serie »Das magische Amulett«) im »Därnonen-Land« und die Antwort von Redakteur Michael Schönenbröcher dazu:

Jan Gardemann:
"Leider muß ich Dich schimpfen. weil mich der Inhalt des Romans Ich, der Vampir sehr wütend gemacht hat. Und zwar geht es um die Szene im Wald, wo der gute Hugh dem Leser einen allzu menschlichen Horror präsentiert: die Vergewaltigung einer Frau. Ich finde, daß solche Themen den Rahmen eines nur auf Unterhaltung ausgerichteten Romans sprengen, und ich empfinde es als verabscheuungswürdig, eine Vergewaltigung als Horroreffekt mit einzubinden. Am meisten verwundert mich, daß der Beirat für Jugendmedienschutz zwar das Geschnippel an menschlichen Gehirnen als unethisch einstuft, die Vergewaltigung einer Frau dagegen als statthaft für jugendliche Leser hält. (…)" (25)
Michael SchönenbröcherMichael Schönenbröcher dazu (und dem hat er auch 20 Jahre später nichts hinzuzufügen):
"(...) Zum einen fällt mir auf, daß die Szene nicht aus der Sicht von Opfer oder Täter geschildert ist, sondern aus der eines hilflosen Zeugen, welcher, durch das Sonnenlicht gelähmt, nicht eingreifen kann. Die Tat selbst wird nur durch die akustischen Wahrnehmungen des Zeugen deutlich; ob der Akt vollzogen wurde, ist nicht ersichtlich. Das Dilemma des Zeugen steht im Vordergrund, nicht die Vergewaltigung. Schließlich gelingt es ihm sogar, die Täter zu verjagen, indem er seine gelähmte Hand auf die Autohupe fallen laßt." (26)
Ich habe Jan Gardemann nocheinmal angeschrieben und ihn gebeten, sich nocheinmal mit diesem Szenario zu befassen und es gegebenenfalls neu zu bewerten. Heute sagt Jan Gardemann:
Ich erinnere mich, daß mich die Vergewaltigungsszene damals ziemlich empört hatt Ich weiß gar nicht mehr, wie alt ich war, als ich den Brief schrieb. Damals hatte ich noch nicht ernsthaft mit dem Schreiben angefangen, mir aber heftig den Kopf zerbrochen, wie ich es anfangen könnte, Heftromanautor zu werden (wenn meine Erinnerung mich nicht trügt).
Horror war das Genre an dem ich mich damals orientiert habe und Hugh Walker einer meiner Lieblingsautoren. Ich glaube, ich hatte damals ein gutes Gespür dafür, was in einem Heftroman tabu sein sollte, und was nicht (schließlich hatte ich als Teenie hunderte von ihnen gelesen).
Die Gewaltszenen bedienen ein Lesebedürfnis des Zielpublikums. Wenn diese Szenen sich in einem phantastischen, horrorartigen Umfeld bewegen, erzeugen sie, wie ich es selbst empfunden habe, einen eigentümlichen Kitzel zwischen Angst und Faszination.
Diesen Kitzel mit einer Gewaltszene heraufzubeschwören, wie sie Frauen im normalen Alltag leider viel zu oft erleben, ist für mich auch heute noch unakzeptabel.
Ich will damit nicht sagen, daß das Thema Vergewaltigung im Heftroman generell tabuisiert werden sollte. Es sollte nur nicht in gleicher Weise und mit denselben stilistischen Mitteln geschildert werden, in denen auch die von den Lesern so sehr gewünschten Auseinandersetzungen mit Dämonen oder Vampiren dargestellt werden.
Ich weiß noch genau, was ich damals empfand, als ich die Szene las: Ich dachte: Glaubt der Autor etwa, ich würde darauf stehen, geschildert zu bekommen, wie eine Frau vergewaltigt wird?
Er kann auf splatterhafte Weise gerne ausmalen, wie Dämonen oder andere phantastische Böswesen mit ihren Opfern verfahren, oder von den Dämonenjägern schließlich zur Strecke gebracht werden. Doch der  reale Horror, den eine Frau während einer Vergewaltigung durchleiden muß, hat in einem auf Unterhaltung ausgelegten Roman nichts zu suchen. (27)
Ich kann Jan da nur widersprechen. Es hängt von der Darstellung ab. Eine Vergewaltigung und dessen Folgen sind mit Sicherheit kein menschlicher Moment, sondern auf jeden Fall (physisch wie emotional) eine absolute Grenzerfahrung für die Frau. Ich weiß nicht wie viele Frauen in der Realität so lässig reagieren würden wie Gina Lollobrigida als Jill McBain in »C'era una volta il West« (Italien/USA 1968, dt. Spiel mir das Lied vom Tod, mit Charles Bronson, Jason Robards und Henry Fonda, Regie: Sergio Leone), die da sagte:
If you want to, you can lay me over the table and amuse yourself. And even call in your men. Well. No woman ever died from that. When you're finished, all I'll need will be a tub of boiling water, and I'll be exactly what I was before - with just another filthy memory. (28)
Eine Erfahrung wie eine Vergewaltigung ist ein Trauma. Aber nichtsdestotrotz in einem Roman eben zu verwenden, denn warum sollte man in einem Horrorroman nicht zeigen dürfen, dass das Böse im Menschen dem Bösen übernatürlicher Natur in Nichts nachsteht.  

Es hängt nun von der Darstellung ab, ob und wie eine solche Szene von den Lesern goutiert wird oder nicht. Eine schmale Hardcore-Leserschaft hätte es mit Sicherheit gern gesehen, wenn alle Details genauestens geschildert werden (dafür gibt es Romane in Kleinauflagen, die dieser Minderheit das Nötige zuführen und ein paar Filme mit größerem Publikum). Wenn die Szene ausgespielt wäre und am besten aus Sicht der Frau geschildert würde. Sensationslüstern eben mit den perfiden Details. Das ist widerlich und letztlich völlig überflüssig, weil die Phantasie des Lesers (so er noch welche hat) auch über die Schilderungen des Autors triumphiert. Genau das scheint Jan Gardemann passiert zu sein, der mehr in dieser Szene sieht, als das was der Autor da geschrieben hat. 

Für diejenigen, die ausführliche Darstellungen bevorzugen, gibt es genug Filme. Denn was literarisch lange beschrieben und dann zu Bildern im Kopf umgesetzt wird, das schafft ein Film in Sekunden. Man braucht nur noch hinsehen. Und weil das besser funktioniert schneidet der Horror im Moment in Kino und auf DVD deutlich besser ab. Daran könnte auch ein »Dr. Morton« nichts mehr ändern. Das bewegte Bild hat triumphiert (zumindest in dieser Hinsicht).  

Zurück zu den Anwürfen Gardemanns zu »Ich, der Vampir« ...

Hubert Straßl hat mit sparsamen Worten mehr erreicht, als jemand der drastisch zu Werke geht. Im Grunde sind Jan Gardemanns mahnende Worte eher eine Bestätigung der Qualitäten Straßls, denn ein Hinweis auf eine Fehlleistung. Zudem hat diese Szene zweimal die Prüfung der internen Selbstkontrolle in Sachen Jugendschutz überstanden. Einmal bei Pabel und einmal bei Bastei.     

Ich, der VampirWichtig scheint mir an dieser Szene zu sein, daß der Vampir mehr menschliche Gefühle aufbringt als mancher Mensch. Diese Szene ist dramaturgisch ausgezeichnet und sehr zurückhaltend geschrieben. Hugh Walker vermeidet das effektheischende Potential, das in einer Vergewaltigungsszene steckt. Es ist eben gerade kein billiger Horroreffekt, wie ihn der  (damalige) Hamburger Leser Jan Gardemann  ausgemacht zu haben glaubt, sondern eine Szene, die zurückhaltend die Rolle Vick Danners als Vampir im Gegensatz zu den Vampirjägern zu definieren sucht.

Selten hat es im Heft unsympathischere Vampirjäger gegeben als hier. Die Wortwahl ist interessant, als die Vampirjäger Vick Danner schließlich ergreifen. Auffällig, daß diese Szene einer Vergewaltigung nicht unähnlich ist; sie liest sich so, wie in anderen Romanen ungerechtfertigte Gewalttaten geschildert werden und sieht eher nach einem Triumph des Bösen aus:
Sein Widersacher blickte triumphierend auf ihn herab und genoß das Vorgefühl seiner Rache.
"Ins Herz!" rief er (...). "Zielt genau mitten ins Herz!"
Vick bäumte sich auf. Er bekam einen Arm frei und schleuderte zwei oder drei Männer von sich. Aber fünf andere nahmen ihren Platz und hielten ihn unbarmherzig auf dem Waldboden nieder.
(29)
Da liegt sie nun, die bedauernswerte Kreatur. Der Leser hat es hier nicht leicht zu entscheiden, wem seine Sympathie gelten soll. Die übliche Trennung in Gut und Böse wird bei Walker in Frage gestellt.

Und dennoch, hier war einer der seltenen Fälle, bei denen Hugh Walker seinen Roman nicht so verwirklichen konnte, wie es seinen Wünschen entsprach. Es handelt sich dabei den eigentlichen Schluß des Romans, der nach Hugh Walkers Wünschen den Titel »Die Toten lieben anders« hätte tragen sollen, während der Arbeitstitel des Exposés noch »Das Haus aus dem Nichts« gelautet hatte.

In der Tat wurde vom Verlag ein kurzer, bemerkenswerter Absatz des Originalmanuskripts entfernt, der das Endgültige des Pfählens eines Vampirs in Frage stellt.

Vick Danner war zuvor gepfählt worden, und Hugh Walker hatte die Empfindungen des Vampirs genau geschildert, der langsam unter dem Einfluß der Sonne zerfiel und an dem Aasfresser nagten, bis zu guter Letzt die Überreste des Körpers weggespült wurden und der Pfahl allein in der Erde steckte. Und nun hätte Schlußsatz folgen müssen:
Wie ist das mit den Dämonen?
Sterben sie, wenn ihre Körper sich auflösen?
Oder warten sie, bis eine unachtsame Hand den Pfahl aus der Erde reißt...!
(30)
Über die Gründe, diesen kurzen Absatz des Romans zu streichen, kann man nur spekulieren. Zum einen ist da die Möglichkeit, daß die Furcht des hausinternen Selbstkontrolleurs vor der Bundesprüfstelle eine gewisse Rolle gespielt haben könnte. Die Selbstkontrolle interpretierte die Entscheidungen der BPS so, dass von Horror-(heft-)romanen speziell und dem Heftroman generell zu erwarten sei, dass am Schluß das Gute zu siegen habe. Dass der Ausgang von »Ich, der Vampir« auch nach der Kürzung nicht unproblematisch ist, weil die Sieger als Gewalttäter und der Vampir als Opfer geschildert wird, ist den Prüfern offenbar entgangen.

Es gibt natürlich auch andere Erklärungsmöglichkeiten: daß etwa der Verlag den Eindruck einer bevorstehenden Fortsetzung vermeiden wollte oder der Setzer eigenmächtig den Schlußsatz weggelassen hatte Wink.

Das Haus der bösen PuppenIm Vergleich dazu ist erwähnenswert, daß man den Schluß von »Das Haus der bösen Puppen« (Vampir-Horror-Roman 14, März 1973), wo das Böse triumphiert, unangetastet gelassen hatte.

Das Expose »Das Haus aus dem Nichts« bietet übrigens noch eine sehr interessante dritte Variante des Romanendes: Hier besteht der eigentliche Konflikt nicht zwischen dem Vampir und den Menschen, sondern zwischen Vick und dem unseligen Haus, das ihn zu einer nächtlichen, blutsaugenden, ihm widerwärtigen Existenz verdammt hat. Und diesen Kampf verliert Vick: Er muß einsehen, daß er nie mehr ein normaler Mensch sein kann und kehrt resigniert in das verhaßte Haus zurück, ohne dessen Schutz er nicht mehr überleben kann.

Dieser Schluß erscheint konsequenter und tragischer, aber weniger drastisch als die beiden Varianten des Romans. Für Hugh Walker ist ein Exposé jedoch oftmals nur eine Ausgangssituation und Ideensammlung; den eigentlichen Handlungsverlauf und vor allem den Romanausgang entwickelt er erst während des Schreibens, so daß es nicht weiter verwunderlich ist, wenn er von seiner selbstgestellten Vorgabe abweicht.

Doch egal, welchen Ausgang man nun für den interessantesten hält, wir haben hier einen der besten Heftromane mit Dämonenthematik vorliegen.

Blutfest der DämonenNun bliebe noch »Blutfest der Dämonen« (Vampir-Taschenbuch 17, Januar 1975) eines genaueren Blickes zu würdigen. Das Exposé (am 14. Oktober online) war betitelt »Krieg der Untoten«, Chefredakteur Kurt Bernhardt schlug den Titel »Rebellion der Untoten« vor, wie Hugh Walker handschriftlich auf dem Exposé festhielt, wobei der Bernhardt'sche Titel die Sache wohl am besten trifft. In diesem Roman geht es nicht um den Vampir in engeren Sinne, sondern um Untote mit vampirischen Neigungen, um Zombies.

1968 war es, als »The Night of the Living Dead« (dt. Die Nacht der lebenden Toten; USA 1968; Regie: George A. Romero; mit Judith O'Dea, Russell Streiner, Duane Jones) in amerikanische Vorortkinos kam. Ein Film, der den Vampirmythos pervertierte: Die seelenlos herumwankenden Untoten tranken das Blut und fraßen das Fleisch von Menschen.

Night of the Lining DeadHugh Walker liegt mit seinem Roman irgendwo zwischen »The Night of the Living Dead« und der Fortsetzung »Dawn of the Dead«, die er in gewisser Weise in den Schlußsequenzen des Romans bereits vorwegnimmt,  als tausende Untoter durch die Stadt ziehen, um ›Leben‹ zu erhalten.

Zwar töten Walkers Zombies durch Berührung und mit Waffen, sind also beweglicher als es Romeros Zombies, aber dadurch eher noch erschreckender. In mehreren Sequenzen saugen sie Blut, aber wo der Vampir höchste Ekstase vermittelt, hinterläßt es hier nur Ekel; das ist es, was Romero und Walker verbindet.

Walker bringt noch einige zusätzliche Elemente ein, wie die Ruhestörung der Toten, wie sie auch dem Film »Poltergeist« (dt. Poltergeist USA 1982; mit Craig T. Nelson; Jobeth Williams, Beatrice Straight, Regie: Tobe Hooper).

Das ist die Motivationsgrundlage für die übersinnlichen Erscheinungen. Hugh Walker selbst greift diesen Aspekt später in »Die Hölle in mir« (Dämonen-Land 50) wieder auf, allerdings in der bei Hugh Walker gewöhnten Form des persönlichen Horrors.

Hugh Waller geht in diesem Roman sehr konsequent seinen Weg, teilweise bis hin zur Unpersönlichkeit des Horrors, den er sonst fast immer vermied.

Die vampiristischen Untoten sind brutal und entwickeln im Kampf gegen das Chemiewerk eine Eigendynamik, die die Initiatoren, drei Geister, nicht mehr kontrollieren können. Somit findet der Roman am Ende zu seiner Motivation zurück: Rache und Schutz der Totenruhe.

In »Blutfest der Dämonen« vermengen sich mehrere der gängigen Motive Hugh Walkers mit modernen, manchmal allzu modernen Anklängen, aber im Grunde hebt sich dieses Werk deutlich von seinen übrigen Horrorromanen ab.

Vielleicht weist dieser Roman den Weg eines zukünftigen Hugh Walkers...

... und diese Vermutung aht sich als falsch erwiesen. Der Roman bleibt ein einmaliger Ausflug.

Kommentare  

#1 G. Walt 2011-08-27 09:54
Schön. Ich denke, ich suche mir mal demnächst wieder die alten Hugh Walker-Romane raus.

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