Ein paar Anmerkungen... zu Dorian Hunter-Hörspiel 25.1
Dennis Ehrhardt verfasste zum Jubiläum eine dreier CD-Ausgabe, nämlich die Nr. 25 „Die Masken des Dr. Faustus“.
Als Vorlage dienen ihm die Dämonenkiller-Hefte 26 „Die Todesmasken des Dr. Faustus“ von Ernst Vleck alias Paul Wolf und 27 „Das Mordpendel“ von Kurt Luif alias Neal Davenport. Der Arbeitstitel für das Dämonenkiller-Exposé Nr. 26 war „Die Todesmasken des Dr. Faustus“ und für Dämonenkiller-Exposé Nr. 27 lauteten sie „Glocken der Hölle“ und „Des Teufels Glöckner“.
Kommen wir nun zu den einzelnen Tracks des Dorian Hunter Hörspiel 25.1 Mummenschanz:
Da hat mir das Original von Ernst Vlcek besser gefallen. Lest mal nach:
Die Nacht war wolkenlos, aber es war bitterkalt. Speyer sah ständig seinen Atem als zerfließenden Nebel vor sich hertanzen. Er mußte durch einen Wald, dessen Bäume nicht dicht standen. Der Boden war hartgefroren, an vielen Stellen vereist. Nur in versteckten Mulden, wohin die Sonne nie schien, lag Schnee.
Als Speyer zu einer Lichtung kam, blieb er wie angewurzelt stehen. Vor ihm standen drei Wohnwagen. Sie waren dunkel, so als schliefen die Insassen bereits.
Er war zuerst enttäuscht, weil er keine Spur von dem Dieb fand, doch nach kurzem Nachdenken sagte er sich, daß dieser, betrunken wie er war, unmöglich schon hier eingetroffen sein konnte. Wahrscheinlich war er noch unterwegs und hatte einen Umweg gemacht, so daß Speyer ihn überholte.
Speyer entschloß sich, sich bei den Wohnwagen auf die Lauer zu legen. Er sammelte etwas Reisig ein, schichtete es übereinander, hockte sich darauf und zog seinen Umhang fester um sich.
Irgendwie hatte er das Gefühl, in einem Theater zu sitzen und auf den Beginn eines Schauspiels zu warten. Die Lichtung mit den drei Wohnwagen war die Bühne.
Und dann begann das Schauspiel.
Links tauchten zwei Gestalten auf. Das Kichern eines Mädchens war zu hören. Sie war in einen Mantel aus Fell gehüllt und hatte eine Kapuze auf dem Kopf. Ihr Begleiter war ganz in Weiß gekleidet. Er war das genaue Ebenbild des weißen Engels mit den Teufelsaugen aus dem „Einbeinigen Mohren“. Er führte das Mädchen an der Hand.
Aber das war unmöglich! Nach dem Streich, der Athasar von dem geistesgestörten Probus gespielt worden war, mußte ihm zweifellos die Lust zum Buhlen vergangen sein; und doch verhielt er sich so, als hätte es für ihn keine Niederlage gegeben.
Speyer fand nur eine einzige logische Erklärung dafür: Dies war nicht Athasar, sondern sein Bruder. Ja, so mußte es sein. Es hatte ihn im ersten Moment nur irritiert, daß dieser hier Athasar nicht nur zum Verwechseln ähnlich sah, sondern auch gleich gekleidet war.
„Mein Vater wird schrecklich böse sein, daß ich so spät nach Hause komme“, flüsterte das Mädchen. „Er ist nicht nur ein gar gestrenger Prinzipal, sondern ein noch viel strengerer Vater. Er sieht es gar nicht gern, wenn ich mich mit schönen jungen Männern abgebe.“
„Isolde!“
Der weiße Engel stellte sie mit dem Rücken gegen einen Wohnwagen. Ihre Augen weiteten sich, sie öffnete den Mund.
„Warum seht Ihr mich plötzlich so seltsam an, Bethiar?“ fragte sie mit aufkommender Angst.
„Jetzt höre mir zu, mein Täubchen. Ich habe dein Verlangen nach körperlicher Liebe gestillt. Jetzt verlange ich als Gegenleistung, daß du mir Lust und Wonne bereitest. Du wirst alle meine Wünsche erfüllen, die ich an dich habe.“
„Aber was kann ich noch für Euch tun, Bethiar?“ fragte sie, ohne den Blick von seinen Augen abwenden zu können. Sie stand ganz in seinem Bann.
„Du bist doch eine Komödiantin, Isolde“, sagte der Dämon, der in seinem weißen Gewand wie eine Geistererscheinung wirkte. „Ich möchte, daß du vor mir das ganze Register deiner Schauspielkunst abziehst. Aber du wirst die Rollen, die ich von dir verlange, nicht nur spielen, sondern ich sorge dafür, daß du sie erlebst. Wenn ich verlange, daß du eine Leidende spielst, dann wirst du leiden. Und wenn du eine mit dem Tode Ringende sein sollst, dann wirst du mit Gevatter Tod auch wirklich ringen. Du wirst mit Leib und Seele in deiner Rolle aufgehen. Das ist für mich die höchste Lust. Denn ich, Bethiar, bin dein Schicksal, Isolde.“
„Nein, Herr!“ rief sie erschrocken aus. „Tut alles mit mir, nur das nicht.“
„Tanze, Isolde! Tanze!“ forderte er und schlug ihr mit dem Silberstock auf das Hinterteil.
Isolde, die - nach dem, was Speyer gehört hatte - des Prinzipals Apillion Tochter sein mußte, begann sich nach einer unhörbaren Musik in den Hüften zu wiegen.
„Schneller!“ forderte der Dämon - und Isolde wirbelte wie eine Rasende über die Lichtung. „Du bist der Tanz in Person. Du bist die Musik, mein Täubchen. Und mitten in deinem Tanz stürzt alles Leid dieser Welt über dich herein. Hörst du, du leidest! Deine Seele schmerzt, und dein Körper brennt vor Qual.“
Isolde brach mit einem Aufschrei zusammen. Sie kauerte auf dem Boden, riß sich den Fellmantel vom Leib, keuchte und röchelte und schrie; und sie riß sich an den Haaren und schlug sich ins Gesicht, bis es aufgequollen war und die Lippen bluteten; und sie packte eines ihrer Beine, verrenkte es sich und schlug sich die Ferse immer wieder in den Leib; und sie heulte wie ein Tier; und sie verdrehte die Augen, bis nur noch das Weiße zu sehen war; und sie riß ihren Mund auf. Noch nie in seinem Leben hatte Speyer einen Menschen gesehen, der es fertig brachte, den Mund so weit aufzutun. Und sie steckte die Finger der einen Handtief in diesen riesigen Mund und biß heftig zu.
Und Bethiar stand daneben und weidete sich an ihrer Besessenheit. Wahrscheinlich hätte er Isolde so weit getrieben, daß sie sich selbst zerfleischte, denn höchstes Glück konnte ein Dämon wie er nur dann erleben, wenn das Leben aus einem Gepeinigten wich.
Doch da trat jemand auf die Bühne, der die Choreographie des Dämons störte.
Walther von der Spiend!
Er war aber nicht allein. An seiner Seite war eine Frau, so weiß gekleidet wie Bethiar und der Dämon Athasar. Sie war den beiden wie aus dem Gesicht geschnitten und hatte auch die nachtfinsteren Augen des Satans.
„Sieh nur, Bethiar, welch munteren Gesellen ich dir bringe!“ rief die Weißgekleidete, die nur die Schwester dieses Dämons sein konnte.
Sie hielt Walther von der Spiend an der Hand und führte den Torkelnden über alle Hindernisse hinweg - einem Schutzengel gleich.
Bethiar ließ von Isolde ab. Sie kauerte immer noch auf dem Boden und gab vereinzelt Klagelaute von sich, als schmorte sie immer noch im Fegefeuer.
„Ist er das?“ fragte Bethiar.
„Ja, das ist er“, bestätigte seine Schwester.
Der Komödiant stierte Bethiar aus blutunterlaufenen Augen an, hob eine Hand und deutete auf ihn.
„He! Hab ich Euch nicht gerade noch im „Einbeinigen Mohren“ gesehen? Ihr ludet uns ein, auf dem Schloß Euers Paten ein Fastnachtspiel aufzuführen.“
„Ach, tat ich das?“ Bethiar stieß dem Betrunkenen den silbernen Gehstock vor die Brust. „Wie dem auch ist, deine große Stunde schlägt schon diese Nacht.“
„Verzeiht, aber ich bin viel zu betrunken, um jetzt noch... He! Ist das nicht Isolde? Warum gebärdet sich unsere entehrte Jungfer so seltsam?“
„Sie leidet“, erklärte Bethiar. „Sie steht Höllenqualen aus, und nur du kannst sie erlösen, mein treuer Freund.“
„Ich?“
Der Komödiant torkelte auf das sich auf dem Boden windende Mädchen zu. Drei Schritte vor ihr zuckte er jedoch zurück, als sei er gegen ein unsichtbares Hindernis gelaufen.
„So kannst du ihr nicht helfen. Dummkopf!“ schalt ihn die Schwester Bethiars. Sie packte ihn bei den Haaren und riß seinen Kopf zu sich herum. „Sieh mir in die Augen! Erkennst du mich nicht? Erkennst du nicht deine Calira, die sich dir über weite Räume hinweg hingab? Erinnerst du dich nicht mehr an die Schmerzen dieser einen Nacht, in der ich dir im Traume erschien und dich um ein Liebespfand bat?“
Sie ließ ihn los. Der Komödiant blieb in dieser unnatürlichen Verrenkung stehen. Sein Körper wurde von Schauern geschüttelt.
„Ich hatte einen Traum“, kam es krächzend aus seinem Mund.
„Ja, Dummkopf“, herrschte ihn Calira an. „In diesem Traum war ich bei dir. Hast du die Brandwunden dieses Traumes nicht noch am Körper? Willst du, daß diese Wunden wieder aufbrechen? Daß du wieder in der Glut der Elmsfeuer schmorst?“
Aus dem Gewand des Komödianten züngelten plötzlich grünliche Flammen. Er schlug mit den Händen auf sich ein, um die Flammen zu löschen, aber es gelang ihm nicht. Er stürzte sich zu Boden und wälzte sich schreiend, doch die Elmsfeuer brannten weiter, verzehrten sein Leben.
Walther von der Spiend schrie wie am Spieß, aber in den Wohnwagen rührte sich nichts. Niemand, außer jenen, die sich mit ihm in dem magischen Kreis befanden, konnte ihn hören. Nicht einmal Speyer konnte ihm zu Hilfe kommen. Auch er stand im Banne der dämonischen Geschwister.
„Du warst in Toledo“, redete Calira auf ihn ein. „Du hast dort ein verruchtes Haus aufgesucht, das ein Schwarzblütiger nie betreten könnte. Und du hast dort etwas an dich genommen. Ich weiß es, denn ich habe diesen Augenblick miterlebt. Du hast das Liebespfand geholt, das ich von dir verlangt habe. Wo hast du den Goldenen Drudenfuß versteckt?“
„Gnade!“ winselte der Komödiant.
Er stolperte und stürzte gegen das Rad eines Wohnwagens. „Ich will... Habt Erbarmen! Hier... Da!“
Caliras engelhaftes Gesicht verzerrte sich zu einer wütenden Fratze.
„Wo ist der Beweis deiner Hörigkeit, verfluchter Bastard?“ kreischte sie.
Der Komödiant preßte sich gegen die Speichen des Rades. Zuerst rieb er sich den brennenden Rücken daran, dann warf er sich herum, stieß seine Arme durch die Speichen und umschlang sie, als wollte er sie herausreißen.
„Den Goldenen Drudenfuß!“ kreischte Calira in seinem Rücken. „Gib das Pfand deiner Hörigkeit heraus!“
Walther von der Spiend schob nun auch seine Beine zwischen die Speichen des Rades. Er stemmte sich mit aller Gewalt dagegen, und es hatte den Anschein, als wollte er durch diesen Kraftakt den Schmerzen entgegenwirken, die die Elmsfeuer ihm verursachten.
Calira steigerte sich immer mehr in Raserei. Sie schien es nicht verwinden zu können, daß sich eines ihrer Opfer ihrem Willen widersetzte.
„Verbrennen sollst du, Abtrünniger! Und gerädert sollst du werden, wie noch niemand vor dir!“
Sie hatte kaum ausgesprochen, als sich die Bremsklötze unter den Rädern lösten. Der Wohnwagen setzte sich in Bewegung, rollte zuerst langsam, dann immer schneller werdend, die abschüssige Lichtung hinunter und krachte seitlich gegen einen Baum.
Jetzt erst gelang es Speyer, sich aus dem Bann, in dem er die ganze Zeit über gestanden hatte, zu lösen. Er hatte keine andere Waffe bei sich als ein silbernes Kruzifix, das er an einer Kette um den Hals trug. Dieses holte er hervor. Er hielt es fest in der Hand und streckte es den beiden Dämonen entgegen, während er auf sie zulief.
„Haltet ein!“ rief er so laut er konnte. „Macht diesem grausamen Spiel ein Ende! Auch Edelleute sollten ihren Übermut in Grenzen halten!“
Calira wirbelte zu ihm herum. Zuerst wollte sie sich auf ihn stürzen, doch das Kreuz in seiner Hand ließ sie zurückschrecken. Sie fauchte wie ein wildes Tier und klammerte sich an ihren Bruder, der abwehrend eine Hand ausstreckte.
„Wie kannst du es wagen, dich gegen uns zu stellen?“ schrie Bethiar. „Weißt du denn nicht, wer wir sind?“
„Ihr braucht Euch auf Eure Abstammung wahrlich nichts einzubilden“, erwiderte Speyer. „Ich habe Euer schändliches Treiben beobachtet. Ihr habt dieses Mädchen bis aufs Blut gequält und einen Mann in den Tod geschickt. Geht nur dorthin zurück, woher Ihr kommt! Flieht! Aber Eurer gerechten Strafe könnt Ihr nicht entgehen.“
Speyer wählte absichtlich diese unverbindliche Formulierung, um nicht zu verraten, daß er die beiden als Dämonen erkannt hatte, denn sonst wäre sein Leben verwirkt gewesen. Sollten sie nur glauben, daß er sie für normale Edelleute hielt, die in ihren Späßen etwas zu weit gegangen waren.
Calira hielt sich die Hand so vor Augen, daß sie nicht auf das Kruzifix blicken mußte.
„Glaube ja nicht, daß du uns ungestraft verjagen kannst“, sagte sie - nun wieder mit ihrer engelhaften Stimme. „Wir werden uns bestimmt wiedersehen. Dann wirst du meine qualvolle Zärtlichkeit zu spüren bekommen.“
„Schwörst du das bei diesem Kreuze?“ rief Speyer ihr zu.
Da wandte sie sich mit ihrem Bruder ab, und beide verschwanden im Wald.
Speyer blickte auf Isolde Apillion, die ohne Bewußtsein dalag. Dann stieg er den Hang hinunter zum Wohnwagen, der bei einer mächtigen Eiche zum Stillstand gekommen war. Walther von der Spiend war zwischen dem Rad und dem Baumstamm erdrückt worden. Die Elmsfeuer an seinem Körper waren erloschen. Er lebte nicht mehr. Er hatte sein Geheimnis mit in den Tod genommen.
Damit zerrann Speyers Hoffnung, in den Besitz des Goldenen Drudenfußes zu kommen. Aber wenigstens hatten auch die Dämonen-Drillinge ihn sich nicht aneignen können.
Nach diesem Track hört der erste Teil des Dorian Hunter-Hörspiel 25 „Die Masken des Dr. Faustus“ auf. Lassen wir uns überlassen wie viele Tracks im zweiten Teil des Hörspiels aus der Feder von Dennis Ehrhardt stammen.