Das traumatisierte Kind - »Das Dunkel der Nacht«
Das traumatisierte Kind
»Das Dunkel der Nacht«
Zu Beginn der 1970er Jahre hatte Christopher Lee die Nase voll davon, immer wieder in die Rolle des Grafen Dracula zu schlüpfen, die er für die Hammer Studios seit Jahren verkörpern musste, und in der er mittlerweile in London Jagd auf „Mini-Mädchen“ machte. Er gründete eine eigene Filmproduktionsgesellschaft, Charlemagne Productions, mit der er interessante Stoffe auf die Leinwand bringen und andere Figuren spielen wollte. Als erste Vorlage hatte er sich John Blackburns Roman „Nothing But the Night“ ausgewählt, den er in den fähigen Händen von Genrespezialist Peter Sasdy („Geisterschwadron“, „Doomwatch – Insel des Schreckens“) für die Leinwand verfilmen ließ. Lee selbst übernahm die Hauptrolle eines kurz vor der Pensionierung stehenden Polizeiinspektors, als Co-Star wurde Peter Cushing besetzt, der zusammen mit Lee in den Hammer-Filmen ebenfalls zur Grusel-Ikone geworden war. Der Roman selbst ist allerdings kein klassischer Horrorstoff, sondern gehört eher dem parapsychologischen Suspense an, der zu Beginn der 1970er Jahre populär wurde. Der Film, der hierzulande den Titel „Das Dunkel der Nacht“ erhielt, blieb allerdings hinter den Erwartungen zurück (und kam bei uns beispielsweise nie in die Kinos), weswegen es der erste und letzte Film blieb, den Christopher Lees Firma Charlemagne überhaupt produzierte.
Bei einem Busunglück ist außer dem Fahrer niemand ums Leben gekommen, eine der mitfahrenden Schülerinnen, Mary Valley (Gwyneth Strong), steht seitdem aber unter Schock und leidet unter Alpträumen. Ihr behandelnder Arzt Dr. Peter Haynes (Keith Barron) ersucht die Hilfe seines Vorgesetzten Sir Mark Ashley (Peter Cushing), da er es nicht für ratsam hält, die Kleine bereits wieder in die Obhut des Waisenhauses zu geben, in dem sie die letzten Jahre gelebt hat. Im Krankenhaus taucht kurz darauf eine gewisse Anna Harb (Diana Dors) auf, die behauptet, Marys Mutter zu sein. Die hysterische Frau, die eine zweifelhafte Vergangenheit hat und bereits im Gefängnis saß, erregt die Aufmerksamkeit der Reporterin Joan Foster (Georgia Brown), die eine große Story wittert und die Mutter interviewt. Derweil hat sich Inspector Colonel Charles Bingham (Sir Christopher Lee) des Falles angenommen, da weitere mysteriöse Todesfälle im Umkreis des Waisenhauses die Theorie nahelegen, dass hier jemand an das Vermögen der Treuhänder gelangen will, die allesamt das Waisenhaus selbst als Alleinerben eingesetzt haben.
Nach einem sehr schleppenden Beginn, bei dem der Film wie ein gewöhnlicher Kriminalreißer ohne sonderliche Spannung anmutet, nimmt er im letzten Viertel eine unvorhergesehene Wende. Ohne große Vorankündigung überschlagen sich die Ereignisse, wird aus der Story eine übersinnliche Gruselgeschichte... und steigt die Spannung. Wenngleich einige Fragen ungeklärt bleiben und so manches etwas zu abgedriftet erscheint, wird zumindest am Schluss für Unterhaltung gesorgt. Die dankbarste Rolle spielt hier weder Lee noch Cushing, sondern die ehemalige Sexbombe Diana Dors, die als undurchschaubare Mutter die meisten der Szenen, in denen sie auftritt, an sich reißt. Die DVD-Wiederveröffentlichung des hierzulande in den 1990er Jahren für seine TV-Premiere synchronisierten Films bietet ein gutes Bild (im Widescreen-Format 1,85:1) und einen stets gut verständlichen Ton (Deutsch und Englisch in Dolby Digital 2.0 Stereo). Im Rahmen von „Pidax Film-Klassiker“ gibt es nun aber keinerlei Bonusmaterial zum Film mehr.