Hexen hexen - Das Leben als Maus
Hexen hexen
Das Leben als Maus
Für Jim Henson (1936-1990), der bei „Hexen hexen“ sowohl als ausführender Produzent fungierte als auch große Teile der Trickeffekte mit seinem „Jim Henson’s Creature Shop“ betreute, war der Film eine seiner letzten Arbeiten. Der große Puppenspieler und erzählerische Visionär starb noch vor der britischen Erstaufführung des Films mit gerade einmal 53 Jahren. Roald Dahl hingegen konnte die Umsetzung seiner stark autobiografisch gefärbten Geschichte noch erleben, starb aber ebenfalls noch im Jahr von dessen Premiere 1990. Nicht ganz glücklich soll der Autor mit dieser Umsetzung gewesen sein, was sich aber wohl ausschließlich auf das Ende stützte, die bei Roeg auf hollywoodtypische Weise zu einem Happy End umgestaltet worden war. Bei Dahl geht die Geschichte wesentlich morbider aus, von einem bittersüßen Finale ist da in der Literatur die Rede, was Roegs „Hexen hexen“-Variante dann freilich abgeht. Davon abgesehen hätte man die ungewöhnliche Geschichte, die an klassische Märchenerzählungen angelehnt ist und trotzdem etliche Szenen aufweist, die für allzu kleine Kinder eine wohl eher abschreckende Wirkung haben dürften, aber wohl kaum besser und näher an der geschriebenen Vorlage umsetzen können. Dahl verarbeitete in dem Buch seinen Verlust von zwei Familienmitgliedern während seiner Kindheit und sein Aufwachsen zwischen zwei recht unterschiedlichen Kulturen – der norwegischen und der britischen, was er jeweils mit dem kindlichen Protagonisten seiner Geschichte gemein hat.
Der neunjährige Luke (Jasen Fisher) ist mit seinen Eltern zu Besuch bei seiner Großmutter Helga (Mai Zetterling) in Norwegen. Während sich Vater und Mutter fürs abendliche Ausgehen bereitmachen, erzählt Helga ihrem Enkel vor dem Schlafengehen Angst einflößende Geschichten von ihren Begegnungen mit Hexen. Die sind nämlich besonders versessen darauf, Kindern den Garaus zu machen. Man erkennt Hexen an dem Funkeln in ihren Augen, an ihrer juckenden Kopfhaut und ihren klobigen Schuhen, mit denen sie ihre fehlenden Zehen verbergen wollen. Lukes Eltern kehren von ihrem Ausflug nicht mehr zurück, weil sie einen tödlichen Unfall haben. Deswegen zieht Luke mit Helga kurz darauf in ein Haus in Großbritannien. Weil die alte Dame zunehmend unter ihrem Diabetes leidet, macht sie mit Luke Urlaub in einem Hotel am Meer. Unglücklicherweise halten die Hexen Großbritanniens just zur gleichen Zeit im selben Hotel ihre jährliche Zusammenkunft ab. Die Oberhexe Frau Ernst (Anjelica Huston) informiert ihre Anhängerin dort darüber, dass sie mit Hilfe eines Zaubermittels sämtliche Kinder des Landes in Mäuse verwandeln möchte. Luke, der heimlich Zeuge dieses Treffens ist, wird genau wie sein neuer Freund Bruno Jenkins (Charlie Potter) zur Maus, setzt aber auch in dieser Gestalt alles daran, den Plan der finsteren Hexen zu verhindern.
Diese erste Version von „Hexen hexen“ (2020 wurde von Robert Zemeckis ein nicht halb so gutes Remake gedreht, das in die US-Südstaaten der späten 1960er Jahre verlegt und mit afroamerikanischen Hauptdarstellern besetzt wurde) ist ein geniales Märchen für Erwachsene und Kinder gleichermaßen, das zunächst durch seine perfekten Trick- und Make-up-Effekte sowie seine faszinierenden Tierdressuren zu faszinieren versteht. Bei genauerem Hinsehen erweist sich der Spaß zusätzlich als raffiniert inszeniertes und einfallsreich fotografiertes Unterhaltungsstück, bei dem es einem mit Sicherheit keine Minute langweilig wird. Nicolas Roeg überzeugt hier nämlich einmal mehr mit einer dynamischen und höchst originellen Kameraführung, die auf Augenhöhe der Mäuse in das Geschehen hineinreißt. Die BluRay-Erstveröffentlichung im Rahmen des Mediabooks von Plaion Pictures weist ein exzellentes Bild (im Widescreen-Format 1,85:1, alternativ ist auch eine Vollbildfassung auswählbar) auf. Auch der Ton (Deutsch und Englisch im Linear PCM 2.0 Stereo, optional mit deutschen und englischen Untertiteln) entspricht den technischen Gegebenheiten zur Entstehungszeit und ist nicht weiter zu beanstanden. Als Extras gibt es ein 32seitiges Booklet mit einem fundierten wissenschaftlichen Text zur Entstehung, Rezeption und Bedeutung des Films und seiner Buchvorlage, ein „Behind the Scenes“-Featurette mit Jim Henson (3 Minuten), englische und deutsche Trailer sowie eine recht umfangreiche Bildergalerie.