The Wolfman
The Wolfman
Benicio del Toros Anliegen war, dem unsterblichen Charakter des Universal-Originals gerecht zu werden. Nicht nur der Figur, sondern besonders dem Charme der Inszenierung. Aus einer Laune heraus beschloss Del Toro mit Freund und Agent Rick Yorn, bei den Universal-Studios offene Türen einzurennen.
Die Dreharbeiten zu Soderberghs zweiteiliger CHE-Inszenierung waren alles andere als Zuckerschlecken. Aber es ist ein sehr ambitioniertes Werk, das von Benicio Del Toro auch mitproduziert worden war. Bei soviel künstlerischem Einsatz im Kopfkino gebaren Del Toror und Yorn noch während CHE die Absicht, dass es keinen besseren Zeitpunkt gab, um etwas völlig Konträres zu machen.
Der in allen darstellerischen Sparten beheimatete Del Toro war schon immer ein Fan des 1941 uraufgeführten WOLF MAN, und mit einem Oscar, den er für TRAFFIC erhalten hatte, kann man es sich schon einmal erlauben, bei einem Studioboss vorstellig zu werden. Universal hingegen hatte nur auf jemanden gewartet, der sich nach der VAN-HELSING-Pleite und dem mittelmäßigen Erfolg der UNDERWORLD-Reihe, an diese Ikone wagen würde.
Der Schauspieler Lawrence Talbot (Del Toro) kehrt nach Jahren ins väterliche Blackmoor-Castle zurück, um seinen brutal ermordeten Bruder zu beerdigen. Der Empfang durch Vater Sir John (Hopkins) scheint unterkühlt, die Bekanntschaft mit Bruders Verlobter Gwen Conliffe (Blunt) hingegen scheint Lebensgeister zu wecken. Aber auch etwas anderes wurde geweckt in Blackmoor, das man irrtümlich zuerst mit den in den Wäldern campierenden Zigeunern in Verbindung bringt. Ein Ungeheuer soll es sein, das im Blutrausch tötet. Und Lawrence Talbot ist gerade rechtzeitig nach Hause zurückgekehrt, um die Befürchtungen von Zigeunern und Ortsbewohnern bestätigt zu bekommen. Obwohl von Sir John gewarnt, begibt sich des Nachts der neugierige Bursche ins Lager der Zigeuner, wo die Dorfbewohner das wandernde Volk vertreiben wollen, das für die Morde verantwortlich gemacht wird.
In jener Nacht wird Talbot von einer Bestie angefallen und schwer verletzt, was ein Überleben eigentlich unmöglich scheinen lässt. Doch 28 Tage später geht es Lawrence unerklärlicherweise besser als je zuvor. Er und Gwen möchten nun herausfinden, wer nicht nur den Bruder ermordet, sondern in jener Nacht auch das Blutbad bei Zigeunern und Dorfbewohnern angerichtet hat. Zudem kommt Inspector Aberline (Weaving) von Scotland Yard nach Blackmoor, der seine Ermittlungen sofort auf Lawrence Talbot lenkt. Und als der Vollmond in atemberaubendem Zeitraffer gen Himmel schießt, erfährt Lawrence auch, warum er sich in letzter Zeit so übermenschlich stark fühlt und deswegen sofort in Verdacht geraten war.
Auch wenn man dem WOLF MAN seinen Klassiker-Status nicht absprechen kann, ist er bei weitem nicht mit dem alles verzeihenden Charme gesegnet, den andere Universal-Monster besitzen. Die Frischzellenkur hat 69 Jahre später auf weiten Teilen angeschlagen und die Rezeptur Aus alt mach neu funktioniert besser, als der Purist zu hoffen wagt. Der nicht zu unterschätzende Charme der mit Nebelschwaden durchzogenen Studiokulisse greift perfekt, ohne dabei altbacken oder übertrieben zu wirken. Die grandiose Zusammenarbeit von Bild und Ausstattung bildet die alles umfassende Atmosphäre des Horrorfilmes, wie er heute noch funktionieren kann, wenn man sich dieser Atmosphäre ergibt, wie es Regisseur Joe Johnston in dieser Verfilmung gelang.
Groteske Baum-Gebilde, die sich nach dem Mond strecken. Nebel, der nach Menschen zu greifen scheint. Die angsteinflößende Stille. Dann der erste Schlag. Blut spritzt, Gedärm quellt, Extremitäten fliegen. Genauso bizarr wie die Landschaft Blackmoors sind die Angriffe des Wolfsmenschen, der mit unglaublicher Schnelligkeit durch die Ansammlung seiner Opfer fetzt. Die Bilder mit ihren unheilvollen Schatten, die Ausstattung in ihrer bedrückenden Opulenz, die Gestaltung mit ihrer dichten Erzählstruktur. Das lässt die alten Zeiten nicht einfach nur aufleben, sondern interpretiert jene Atmosphäre gekonnt neu. Dass dabei ungewöhnlich viel Blut der Kamera entgegenkommt, ist allerdings eine gewöhnungsbedürftige Erfahrung.
Die Hommage ist gelungen, und selbst als eigenständiges Werk kann WOLFMAN im modernen Horrorkino bestehen. Nur die Maskenbildner haben etwas übertrieben, als sie Benicio Del Toro dieselbe Frisur verpassten, wie sie Lon Chaney ein paar Jahrzehnte vorher tragen musste. Damit wirkt er in manchen Sequenzen etwas unintelligent. Da der Film einige Überarbeitungen und Nachdrehs mit sich brachte, wurde Danny Elfmans bereits vollständiger Score zuerst entfernt, später aber wieder eingesetzt. Die bewusste Reminiszenz an Kilars DRACULA Soundtrack ist eine von vielen Verbeugungen an das Genre insgesamt.
Nicht nur, dass in einer der Szenen in London mit der Begegnung zwischen Wolfsmensch und Bus an AMERICAN WEREWOLF erinnert wird, sondern Maskenbildner Rick Baker darf selbst kurz im Bild erscheinen. Baker war der erste Oscar-Preisträger in der 1981 als dauerhaft eingeführten Kategorie Make-up, natürlich für die Maske von AMERICAN WEREWOLF. Der zehnmal nominierte Baker nahm sechs Gold-Statuen mit nach Hause, und was man in WOLF MAN sehen darf, lässt auf eine siebte Trophäe 2011 schließen. Wenngleich die Verwandlung des Biests im Computer vollzogen wurde, ist der überzeugende Rest Bakers stilvolle Handarbeit.
Hervorragende Darsteller fügen sich wunderbar in die stimmungsvolle Geschichte. Johnstons Regie gibt jedem der Schauspieler den richtigen Raum und Rahmen, sich vollends für die Geschichte überzeugend zu etablieren. Neben der Schauermär wirkt WOLFMAN auch als gelungenes Ensemble-Stück, das stets das Beste der Darsteller in ihren jeweiligen Szenen zu nutzen versteht. Leider ist dabei aus dem ehemaligen Thema der inneren Zerrissenheit des Mannes eine vage Mischung aus Ödipus und Hamlet geworden. Lawrence Talbot ist im Film nicht nur ein Schauspieler, der mit Hamlet in Amerika Erfolge feierte, zu Hause angekommen darf er selbst in Shakespeareschen Szenarien wandeln.
Der innere Konflikt wird nach außen getragen. Die Beziehung zwischen Vater und Sohn nimmt dabei wesentlichen psychologischen Raum ein, der zwangsläufig in der Konfrontation gipfelt. Diese Konfrontation ist das wesentlichste Unterscheidungsmerkmal zu dem ursprünglichen Film. Es könnte leicht als übertrieben oder als aufgesetzt empfunden werden, was den Machern dafür eingefallen ist. Auf der anderen Seite könnte man sehr leicht behaupten, dass es in der siebzigjährigen Geschichte des Wolfsmenschen fast schon eine zwangsläufige Entwicklung war.
Man könnte lange über die Auflösung streiten, es würde allerdings deswegen aus WOLFMAN auch keinen schlechteren Film machen. Vielleicht hätte man die Attacken der Bestie in fließenderen Sequenzen zeigen können, anstatt jedes Opfer in ein in sich stehendes Bild zu setzen. Aber das nur als Randbemerkung, um den ansonsten stimmigen, kraftvollen Film wenigstens ein bisschen entgegenzusetzen. Der einnehmende Charme des alten Horrors wurde für das moderne Kino selten mit soviel Stimmung und Energie, aber auch Einfühlungsvermögen umgesetzt. Auch wenn Del Toro Lon Chaneys unmögliche Frisur tragen muss.
Darsteller: Benicio Del Toro, Anthony Hopkins, Emily Blunt, Hugo Weaving, Geraldine Chaplin, Art Malik, David Schofield, Anthony Sher u.a.
Regie: Joe Johnston Drehbuch: Andrew Kevin Walker, David Self nach dem Drehbuch von Curt Siodmak Kamera: Shelley Johnson Bildschnitt: Dennis Virkler, Walter Murch Musik: Danny Elfman Makeup: Rick Baker Produktionsdesign: Rick Heinrichs Ausstattung/ Set: Philip Harvey, John Dexter, John Bush
USA / 2010 circa 102 Minuten
Kommentare
UNDERWORLD beginnt für mich in der Fortsetzung richtig zu schwächeln. Vielleicht schafft es aber WOLFMAN das Genre wieder etwas auf die Füße zu stellen und damit zum Beispiel zukünftige Vampirfilme usw. wieder etwas von den weichgespühlten Versionen der letzten Zeit zu befreien. Einer muß ja den Anfang (zur Rückbesinnung) machen, warum nicht ein Werwolf!