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AMANDO DE OSSORIO - Eine kleine Werkschau: Teil 6: LAS GARRAS DE LORELEI

Amando de Ossorio - Eine kleine WerkschauTeil 6:
LAS GARRAS DE LORELEI

Sein vielleicht interessantester Horrorfilm erschien nie in diesem unseren Lande. Kurios dabei ist, dass er in Deutschland spielt, die Lorelei als zentrales Thema hat und Motive der germanischen Mythologie mit einbezieht. Das Ganze natürlich auf einer flachen und nicht gerade originalgetreuen Ebene, aber immerhin. Der Film geht in vielerlei Hinsicht andere Wege als die Standards jener Zeit.

 

Das erste OpferMag sein, dass die deutschen Verleiher über einige im Film vorkommende extreme Brutalitäten entsetzt waren (bedenkt man, was wenig später an Blutorgien über die Leinwände lief, ist LAS GARRAS DE LORELEI jedoch eher bescheiden). Vielleicht störten sie sich auch an der unkorrekten Verarbeitung des Themas. Oder sie kamen mit dem Ende nicht klar, das dann doch sich etwas abhebt, da es die Kreatur als eher tragisch denn wirklich böse darstellt. Der Name de Ossorio stand für die Filme um die reitenden Leichen – und dieser gehörte halt nicht zu der Reihe.

In einem nicht genannten Dorf am Rhein geht eine Bestie um. Sie tötet wahllos Menschen und reisst ihnen das Herz heraus. Man glaubt zunächst an ein wildes Tier. Die Direktorin eines nahe gelegenen Mädchenschulheims lässt den erfahrenen Jäger Sigurd (!) kommen, um die Anlage zu bewachen. Schon in der ersten Nacht erwischt er eine unbekannte Frau auf dem Gelände, die jedoch entkommt, bevor er sie stellen kann. Kurz darauf wird im Dorf ein blinder Strassenmusiker getötet. Er kannte die Legende der Lorelei.

Am Tag danach macht Sigurd einen Spaziergang am Flussufer. Wieder sieht er die Unbekannte. Als er sich nähert, läuft sie davon. Auf dem Rückweg begegnet er Professor Van Lander. Jener glaubt an die Legende der Lorelei, nach der sich diese unter Mondeinfluss in eine urzeitliche Bestie verwandelt und er glaubt weiter, das Problem naturwissenschaftlich lösen zu können. Sigurd indes glaubt nach wie vor an ein wildes Raubtier in der Gegend.

Am nächsten Tag begegnet Sigurd der Geheimnisvollen wieder und verfolgt sie bis zu einem verlassenen Haus. Dort wartet sie auf ihn. Sie stellt sich ihm als Lorelei vor, als jene Frau aus der bösen Legende. Er glaubt ihr jedoch nicht und verliebt sich prompt in sie. Da erscheint ein Mann, der sich Alberic nennt und Lorelei mit sich nimmt, mit ihr im Fluss verschwindet. Am Abend erscheinen Alberic und Lorelei bei Professor Van Lander, töten ihn und vernichten seine Aufzeichnungen.

Helga Liné und Tony KendallSigurd und Lorelei treffen sich erneut. Sie prophezeit ihm, dass er auf ewig zu ihr kommen müsste, wenn sie ihn rufen würde. Danach verschwindet sie. Als Sigurd den getöteten Professor findet, beginnt er zu zweifeln. Er selbst hatte Lorelei von den Experimenten des Mannes erzählt. In der folgenden Nacht gelingt es dem Biest in das Mädchenhaus einzudringen. Offenbar wusste es genau, wann Sigurd wo auf seinem Rundgang war. Er kann dennoch, alarmiert durch die Schreie, rechtzeitig dazwischen gehen.

Kurz darauf wird die junge Lehrerin Elke Ackerman an der Haustür von der Bestie überfallen, Sigurd kann diese jedoch vertreiben. Er ist davon überzeugt, dass das Geheimnis im Rhein verborgen ist. Also besorgt er sich eine Taucherausrüstung und beginnt die Suche. Bald findet er eine verborgene Höhle, in der er auf Alberic und Lorelei trifft. Sie versucht ihn an sich zu binden, doch er kann ihr widerstehen.

Lorelei und Alberic sind die Wächter des Nibelungenschatzes. Während Alberic ewiges Leben besitzt, muss Lorelei von Zeit zu Zeit (der Abstand wird nicht genannt) sieben Nächte lang morden, um ihre Kräfte zu erhalten. Sigurd flieht aus der Höhle und jagt sie in die Luft. Erneut greift Lorelei kurz danach als Bestie Elke an, weil diese sich in Sigurd verliebt hat. Jener kann gerade noch rechtzeitig dazwischen gehen und verletzt das Biest schwer. Lorelei flüchtet zum Fluss, doch Sigurd holt sie ein. Sie stirbt in seinen Armen. Kurz darauf sieht er Lorelei auf einem Pferd in den Rhein reiten, neben ihm liegt nur noch ein fast verwester Leichnam.


Eine WerbeanzieigeEin entsetzlicher Film! Amando de Ossorio war ein schwacher Regisseur und eine unsympathische Person. Ich arbeitete nicht gern für ihn. (Helga Liné)

Eine Äusserung, die deutlich macht, dass de Ossorio nicht besonders mit den Schauspielern arbeitete, wie ja schon vorher vermutet.

Was dem Film nicht gelingt, ist, ein glaubhaftes Bild Deutschlands wiederzugeben. Vom Rhein sieht man lediglich ein paar eingeschnittene dokumentarische Aufnahmen. Der Film an sich wurde in einem Dorf bei Madrid gedreht. Dabei gab man sich alle Mühe, dieses deutlich spanische Dorf deutsch aussehen zu lassen. Überall wurden deutschsprachige Schilder hingehängt. Den Menschen wurden extrem klischeehafte Trachtenkostüme angezogen. Ein Deutscher, der diesen Film sieht, kann unter Umständen bei den Szenen, die im Dorf spielen, ein Lachkrampf bekommen.

Was dem Film jedoch gelingt ist Atmosphäre zu schaffen. Überdies kann er das eine oder andere Geheimnis über die gesamte Distanz offen halten. Obwohl sehr schnell klar ist, dass Lorelei und die Bestie eins sind, bleibt man gespannt. Ein interessanter Kniff ist die Figur des Professors, dem es gelingt, ein übernatürliches Phänomen wissenschaftlich zu fundieren. Dadurch gibt er Sigurd eine einfache Waffe in die Hand, mit der er Lorelei beikommen kann. Eine Verletzung durch ein radioaktiv behandeltes Messer kann die Verwandlung in die Bestie rückgängig machen (Ist zwar Blödsinn, aber immerhin der Versuch von Originalität).

Der Film steht und fällt mit Tony Kendall. Eigentlich ist er ja der typische Sonnyboy und Heldendarsteller (war in den 60'ern u.a. in den Kommissar X-Filmen der Hauptcharakter). So tritt er zunächst auch hier auf. Herausfordernd gekleidet und frisiert erregt er die Damenwelt in dem Mädchenheim (heutzutage fürchterlich anzusehen – die Herrenmode der frühen 70'er war entsetzlich). Doch das wandelt sich, was sich auch merklich in der Kleidung zeigt. Je länger der Film dauert, je einfarbiger ist er angezogen. Kendall dient nicht länger nur als Blickfang, denn seine Suche nach dem Geheimnis rückt mehr und mehr in den Vordergrund.

Helga Liné als LorelaiDie Figur der Lorelei wird dabei immer wichtiger. Helga Liné spielt diese wunderbar unterkühlt und doch höchst erotisch. Sie ist zwar dem Fluch unterworfen, aber sie leidet nicht darunter, vergleicht sich tatsächlich mit einem wilden Tier, das halt Nahrung braucht. In einer bemerkenswerten Dialogsequenz entwaffnet sie damit die Argumentation Sigurds, der ihr vorwirft, sich an wehrlosen Opfern zu vergreifen.

Bemerkenswert eben auch der Schluss des Films. Nicht die beiden Liebenden sinken sich nach erfolgter Rettung in die Arme, sondern Sigurd nimmt die sterbende Lorelei in den Arm und küsst sie sogar, um ihr das Leiden zu nehmen. Im Grunde ist er ihr verfallen und so verschwindet sie mit der Ankündigung, dass sie auf ihn warten werde.

Von all seinen realisierten Drehbüchern ist dieses sicherlich de Ossorios bestes und kreativstes. Obwohl er darin Sagen und Mythen, Übernatürliches und Wissenschaftliches verwurstet, gelingt es ihm einigermassen schlüssig zu bleiben und auch genügend Freiraum für die Gedanken des Zuschauers zu bieten. De Ossorio schert sich nicht darum, ob seine Bearbeitung in Ordnung ist. Puristen haben ihm das immer wieder vorgeworfen. Das ist so, als würde man mit Kanonen auf Spatzen schiessen.

Ho, natürlich gibt es Löcher – natürlich gibt es stümperhafte Szenen. Die Sprengung der Höhle ist so ein lächerliches Ding. Kendall wirft drei Dynamitstangen in den Rhein und schon bricht unter dem Explosionsdruck die ganze Höhle (die recht beachtliche Ausmasse und einige Nebenhöhlen hat) zusammen. Auch das Erscheinen der leicht bekleideten Mädels in Loreleis Höhle ergibt absolut keinen Sinn – ausser dass sie einen hübschen Schauwert abgeben und der Catfight, als sie sich um Tony balgen, Lust auf mehr macht. Aber hey, will man wirklich alles auf die Goldwaage legen? Okay, dass er ausgerechnet die Rolle des Zwerg Alberich mit dem hünenhaften Luis Barboo besetzt hat, geht schon an die Grenzen.

Der Film wird im Allgemeinen mit dem Produktionsjahr 1974 ausgewiesen. Der Original-Nachspann gibt jedoch das Copyright mit 1973 an. Die Uraufführung fand 1974 statt, in Spanien sogar erst 1976.

Die Deimos DVD des FilmsLAS GARRAS DE LORELEI
C.C.Astro/Profilmes 1973/74 – 85 Minuten
Regie und Drehbuch: Amando de Ossorio
Kamera: Miguel F. Mila
Schnitt: Antonio Gimeno
Spezialeffekte: Alfredo Secoviano, Amando de Ossorio (uncredited)
Musik: Anton Garcia Abril
mit Tony Kendall (Sigurd), Helga Liné (Lorelei), Silvia Tortosa (Elke Ackerman), Josefina Jartin (Direktorin), Lolita Tovar (=Loreta Tovar)(Alumna), Joseph Thelman (=José Thelman) (Bräutigam), Betsabe Ruiz (Braut), Luis Induni (Bürgermeister), Luis Barboo (Alberic), Angel Menéndez (Professor Van Lander), Sergio Mendizábal (Arzt), Mary Sol Delgado (Brigitte), Vicky Hernandez (Teresa), Francisco Nieto, Mary Vidal, Javier de Rivera, Antonio Orengo, Cristino Almodovar.

Alternativtitel:
THE LORELEI'S GRASP (International)
THE LORELEY'S GRASP (USA-DVD)
GRASP OF THE LORELEI (International alternativ)
WHEN THE SCREAMING STOPS (GB)
THE CLAWS OF THE LORELEI (GB-Video)
THE NIGHT THE SCREAMING STOPPED (USA-Video)
L'ABBRACCIO MORTALE DI LORELEI (Italien)
LÉZARD MANIAC (?)

DVD-Veröffentlichungen:

THE LORELEY'S GRASP
(Deimos Entertainment/USA)
Exzellente Version – Abtastung vom Originalnegativ (1,85:1) – Originalfassung mit englischen Untertiteln und englische Synchronversion – Trailer – Fotogalerien und Booklet.

THE LORELEI'S GRASP (Midnight Video/USA)
1,33:1 – Englisch mit festen holländischen Untertiteln (Übernahme des Sunrise-Tapes,NL).

THE LORELEI'S GRASP (Sinister Cinema/USA)
1,33:1 - Englisch

In Deutschland ist der Film bis heute nicht erschienen.

Trailer (spanisch)

Trailer
(englisch)

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