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Survival of the Dead

Survival of the DeadSurvival of the Dead

Da steht Gregory Peck als edler Gentleman James McKay wieder einmal zwischen den Fronten des Viehbarons Henry Terrill und des Clan-Chefs Rufus Hannassey.

Verbitterte Feinde, die in ihrem Kampf um eine wichtige Wasserstelle für die jeweiligen Rinderherden das Recht in die eigenen Hände nehmen. Burl Ives als Hannassy und Charles Bickford als Terrill, das sind Gegner, für deren blanke Existenz nicht genug Platz ist in diesem WEITEN LAND.

Man könnte meinen, George Andrew Romero ist in die Jahre gekommen und reißt sich kein Bein mehr aus. Doch Vorsicht, vielleicht steckt auch mehr im ÜBERLEBEN DER TOTEN, als nur eine Machete, und der nun siebzigjährige Autorenfilmer dreht dem modernen Kino nur eine Nase. Ohne diese abzureißen.

Wer das Kino maßgeblich mit beeinflusst hat, der braucht nichts mehr zu beweisen. Und genauso hat der in Fankreisen verehrte Horrormeister seinen letzten Film auch inszeniert. „Sind wir es wert, gerettet zu werden?“, war der in die Magengrube schlagende letzte Satz aus dem Vorgängerfilm DIARY OF THE DEAD. Ein Film, der so spät seinen Verleih fand, dass sein pseudo-dokumentarischer Stil als Abklatsch ähnlich konzipierter Filme galt, die allerdings erst nach Romeros fünftem Zombie-Reigen gedreht wurden.

„Sind wir es wert, gerettet zu werden?“, kann jetzt in Bezug auf SURVIVAL OF THE DEAD auch als metaphorische Frage für die Beziehung zwischen Autorenregisseur und Fangemeinde verstanden werden. Damals hat er sich das beste Stück Fleisch in Form von Anerkennung verdient, ohne dies angestrebt zu haben. Eine unbeabsichtigte Analogie auf Vietnam, wie Romero stets beteuerte. Ob ihm jetzt nach 40 Jahren, zu seiner selbst kreierten Welt nichts mehr einfällt, muss jedoch verbissen von der Hand gewiesen werden, sofern man noch eine hat.

Vietnamkrieg, Konsumrausch, kalter Krieg, sozio-politische Missverhältnisse und eine Technik fanatisierte Gesellschaft. Für Romero war es immer der Horror, der zählte. Dass er dabei stets den Zeitgeist genau zwischen die Augen traf, war wohl unterbewusst geschehen, sagt der gebürtige New Yorker Regisseur, den in jungen Jahren die Leidenschaft zu Pittsburgh packte. Trotz aller angeblichen Zufälle von seiner Seite übt Romero Kritik am Trend des Torture-Porn, indem er diesen mit Nicht-Beachtung straft. Er könne diesem Sub-Genre nichts abgewinnen, weil ihm darin die Analogien fehlten. Ach was.

Was jetzt in diesem Film fehlt, ist der edle Gentleman, der versucht ,zwischen den verfeindeten Familien zu vermitteln. Dafür gibt es den kaltschnäuzigen Nationalgardisten in der stoischen Form von Alan Van Sprang, anstelle des gutmütigen Gregory Peck. Es sind sechs Tage vergangen, nachdem die Toten begonnen haben, auf die Erde zurückzukehren. Mit Alan Van Sprang als Sarge und seiner Truppe kommt ein Novum in Romeros Welt der Fleischfresser. Charaktere und Darsteller eines Vorgängerfilms schaffen es in den nächsten Teil. Aber SURVIVAL ist keine Fortsetzung von DIARY, sondern in Ton, Optik und Handlung ein vollkommen anderer Film.

Plum Island vor der Küste Delawares scheint ein perfektes Plätzchen zu sein, das nicht von den Untoten überrannt werden kann. Doch die unterschiedlichen Auffassungen im Umgang mit den Wandlern spaltet die ohnehin nicht freundschaftlich gesinnten Clans von Muldoons und O’Flynns endgültig, was zur Verbannung von Chef Patrick O’Flynn und ein paar Anhängern führt. Die Verstoßenen möchten natürlich ihre Insel zurückerobern und sammeln auf dem Festland noch etwas Schützenhilfe, in Form von Sarge und seinen marodierenden Leuten.

Die Rolle der Jean Simmons, darf in dieser Fassung von WEITES LAND, Kathleen Munroe übernehmen. Sie ist das für Romero typische unbekannte Gesicht mit der herben Ausstrahlung, auf das man gerne ein Auge wirft. Aber nur literarisch. Mit ihr leistet sich Romero einen starken Seitenhieb auf die zum Verrotten dümmliche Diskussion, ob schnelle Zombies besser sind als Romeros langsame Anti-Vegetarier. Als Jane und Janet O’Flynn stellt Munroe ihren noch heilen Körper nicht nur zwischen die Clan-Chefs, sondern wird zum Bindeglied von lebender und toter Welt. Denn wie bei jedem anständigen Western bietet der zu erwartende Showdown immer die angemessensten Waffen mit dem radikalsten Ausgang für Leib und Leben. Und der Sechs-Schuss-Revolver ist dabei genauso wertvoll wie ein paar Kaltblüter, die sich den Magen vollschlagen möchten.

Zur Ehrenrettung von Nörglern und unzufriedenen Wiederkäuern, muss man feststellen, dass diese Ausgabe aus der Welt der Untoten wirklich die unspektakulärste ist. Romero greift lange nicht mehr so tief und originell in die Kiste von zynisch, radikalen Tötungsarten. Dabei muss  aber ebenso festgestellt werden, dass die Inszenierung zu keinem Zeitpunkt den Eindruck erweckt, als wollte der Macher das Rezept für Innereien neu erfinden. Die obligatorischen Kopfschüsse sind als nicht weiter nennenswerte Routine dargestellt. Und die schwindelerregende Geradlinigkeit der Geschichte macht klar, wo Romero das Messer ansetzt.

SURVIVAL OF THE DEAD ist nicht mehr Teil einer sich entwickelnden Welt von leeren Gräbern. Es ist eine eigenständige Geschichte innerhalb dieser Welt, losgelöst von der Erwartungshaltung des Publikums und befreit von den Konventionen des Genres. Das kann selbst bei dem guten Rückhalt, den der Meister bei seinen Fans und Freunden genießt, danebengehen. Seine moderne Western-Variante funktioniert nur mit viel Verständnis, denn gerade rückblickend auf DIARY und seine das Publikum verzückenden Blutfontänen erwartet man auch hier einen Romero, weil eben Romero draufsteht.

Es ist nach LAND OF THE DEAD erst der zweite Zombie-Film, den Romero im Bildformat 1:2.21 drehen ließ. Bildgestalter Adam Swica nahm in Auflösung und Beleuchtung sehr stark Anleihen bei John Carpenters CinemaScope-Ästhetik, was dem Film innerhalb der Zombie-Reihe ein ganz eigenes Aussehen verleiht. Swica schafft es allerdings nicht, das Gefühl für Landschaften zu transportieren. Seine Bilder spielen nicht mit der zu vermittelnden Handlung, sondern ziehen genau da die Extremitäten ein, wo die Kamera bei einem gestandenen Western die Erzählung übernehmen würde.

Vielleicht ist es nicht der Film, der Horror-Fanatikern ins Auge sticht. Wer sich aber von vorgefertigten Konventionen befreien kann, wird kaum enttäuscht. Struktur und Tempo sind stimmig, die Inszenierung ist flüssig und die Dialoge bilden eine Einheit mit der Stimmung. Soimit scheint George A. Romero einen perfekten Film geschaffen zu haben. Hat er nicht. Das Tempo könnte angezogen werden, die Inszenierung origineller sein und die Dialoge vertrügen mehr Schärfe. Wieder eine Ähnlichkeit zu William Wylers WEITES LAND, der über wesentlich mehr Potenzial zur Sozialkritik verfügt hätte, als er zu seiner Zeit behandeln durfte.

Romero filmt allerdings in einer Zeit, die keinen Restriktionen unterliegt, und in welcher sich der Meister dennoch zurücknimmt. Warum? Weil er sich nichts mehr beweisen muss. Und seinem Publikum noch viel weniger. Das große Schlachtfest bleibt bei SURVIVAL aus, dem Genre hat er im Grunde auch nichts Neues hinzugefügt. Aber SURVIVAL ist spannendes und interessantes Kino genug, um auf der Leinwand gesehen zu werden. Ein Kinovergnügen, das sich der Leinwand geradezu anbiedert, bevor es als Sofavergnügen im Heimkino verkümmert.

Am Anfang und  Ende klammert den Film das CinemaScope-Bild einer vom Sonnenuntergang beschienen Brücke. Ist es der Brückenschlag, den Romero damit symbolisieren möchte, zu einer anderen Art von Film, die man sonst erwarten würde? Trotz des einfach zu gehenden Weges ist die Brücke zumindest innerhalb des Films, eine unüberwindliche Mauer für Muldoons und O’Flynns. Keine der beiden Seiten glaubt an Kompromisse. Wie in der aktuellen Weltpolitik? Aber dann würde ja mehr hinter SURVIVAL stecken, als man ihm zugestehen möchte. Dabei…, ja, dabei würde alles passen, wie die Faust ins Auge.

Hoffentlich steht der Fan und Zuschauer nicht ebenso unversöhnlich vor dieser Brücke. Denn George A. Romero macht nach wie vor außergewöhnliche Filme, und zwar außergewöhnlich gute Filme. Filme, die sich einbrennen wie eine Leuchtrakete, die einem in die Brust geschossen wird. Auch eine sehr schöne Szene.

„Wenn die die Toten auf der Erde wandeln, wird es Zeit das Töten zu beenden, oder wir verlieren diesen Krieg.“ Zombie, 1978


Darsteller: Alan Van Sprang, Eric Woolfe, Kathleen Munroe, Kenneth Welsh, Richard Fitzpatrick, Stefano di Matteo, Athena Karkanis u.a.
Regie und Drehbuch: George A. Romero – Kamera: Adam Swica – Bildschnitt: Michael Doherty – Musik: Robert Carli – Special Effects Makeup: Francois Dagenais
USA / 2009 – zirka 88 Minuten

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