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Professor Moriarteys Reisetagebuch - Tag Eins

PMR LogoProfessor Moriarteys Reisetagebuch
Tag eins
Angriff auf Stormwind
 
Bevor ich meine Reise überhaupt antreten konnte, war es bereits fraglich, ob sie wirklich beginnen können würde. Am frühen Abend des Tages vor Reiseantritt suchte ich den Hafen von Stormwind auf, um noch einige letzte Verhandlungen zu erledigen und sicherzustellen, dass meine Expeditionsutensilien in den nächsten Stunden an Bord der Nordstern – des Schiffes, auf dem ich eine Passage geordert hatte – gebracht werden würden.

 
Professor und QuartiermeisterinIch stand gerade in Verhandlungen mit der Quartiermeisterin des Schiffes, als ein Tumult aufkam. Zuerst waren wir der Annahme, es handle sich um eine der nicht unüblichen Schlägereien zwischen Stauleuten, doch sehr schnell wurde uns gewahr, dass hier etwas weit Entsetzlicheres vonstatten ging.
Untote Truppen des Lichkönigs Arthas griffen den Hafen an.

Die Situation war unüberschaubar, aus sprichwörtlich heiterem Himmel attackierten knochige, untote Drachen und entsetzlich anzuschauende Fleischkonstrukte, von unheiliger Magie zu perversem Nichtleben erweckt, das Hafengebiet. Erst später wurde mir berichtet, dass der König plante, von Stormwind aus eine Offensive in Richtung Northrend gegen die Armeen des Lichkönigs zu starten, was auch die erhebliche militärische Präsenz im Hafen – dessen Um- und Ausbau erst vor Tagen abgeschlossen worden war – erklärte. Offensichtlich hatte sich Arthas entschlossen, hiergegen etwas zu unternehmen und ein Zeichen zu setzen, dass er nicht bereit war, dies einfach hinzunehmen.

Ich brachte die Quartiermeisterin der Nordstern in einer unbeachteten Lagerbaracke in Sicherheit und nahm ihr das Versprechen ab, sich sofort weiter zu entfernen, wenn die Situation es zuließe. Zusätzlich überließ ich ihr eine Elekk-Büchse aus meinem Gepäck, wohl wissend, dass deren Gewalt auch einer der turmhoch erscheinenden Horrorgestalten einige Schwierigkeiten bereiten würde. Ich wies die Dame in knappen Worten in die Bedienung ein und warnte eindringlich vor dem beim Abfeuern zu erwartenden Rückschlag, dann ergriff ich ein weiteres Gewehr und machte ich mich auf den Weg, um zu sehen, was ich tun konnte.

Die lokalen Truppen waren von dem Angriff völlig überrascht worden, denn in der Menschenhauptstadt Stormwind hatte man sich absolut sicher gefühlt. Es war auch vollkommen unklar, woher die gegnerischen Truppen kommen konnten, denn es hatten keine Schiffe angelegt und die Horrorgestalten waren augenscheinlich ebenfalls nicht von den fliegenden Knochenungetümen abgesetzt worden. Ich vermutete magische Portale als Transportmedium. Doch für weitere Überlegungen blieb keine Zeit: Ein Trupp Soldaten in den Insignien der Königswache griff eins der Fleischkonstrukte an und gleich wurden die ersten Krieger von den gewaltigen Pranken der untoten Monstrosität wie Spielzeug beiseite gewirbelt. Ich sah, dass ich gleich meine größte Trumpfkarte würde ausspielen müssen, rannte weiter vor, schrie den noch stehenden Mannen zu, dass sie sich auf den Boden werfen sollten. Manch ein Mann wäre wohl vor Schrecken starr gewesen, doch die erfahrene und vortrefflich gedrillte königliche Elitetruppe war es gewohnt, Befehle zu empfangen und spritzte auseinander. In einer fließenden und jahrelang geübten Bewegung ließ ich mich auf einem Knie auf die Pflastersteine der Mole nieder, legte die Elekk-Büchse an und zielte, während das Monstrum mich bemerkte, aus zusammengekniffenen, bösartigen Schweinsäuglein anblickte und dann mit einem markerschütternden Gebrüll auf mich losstürmte.

Das KonstruktNun sagt man mir zwar eine gewisse Kaltblütigkeit nach, aber in diesem Moment schoss mir kurz die Idee durch den Kopf, ob ich soeben nicht einen gewaltigen Fehler beging. Ich verscheuchte den Gedanken und wartete, wohl wissend, dass die Ladung der Büchse eine umso stärkere Gewalt haben würde, je näher sich das Ziel befand.
Ich atmete noch einmal tief ein, um mich für das Kommende zu wappnen, visierte den unförmigen, aufgequollenen Schädel an, der mich zu fixieren schien, als wolle er mich Kraft seines Blickes von meinem Vorhaben abbringen und zog den Abzug durch. Es tat einen gewaltigen Schlag und ich wurde von einer Titanenhand nach hinten geschleudert. Mir wurde schwarz vor Augen.

* * *


Ich schüttelte den Kopf, um den Schwindel zu verscheuchen. Die Elekkbüchse ist nicht dafür gemacht, von einem Gnom abgefeuert zu werden, denn ihr Rückschlag ist gewaltig. Dies war eine Waffe für einen Menschen oder einen knorrigen Zwerg wie den berühmten Großwildjäger Nesingwary, durch seine Konstruktion nicht für die vergleichsweise fragile Gestalt eines Gnoms geeignet. Mir war dies selbstverständlich bewusst gewesen, aber in dem Wissen, dass es keine andere Möglichkeit gab, hatte ich diesen – schmerzhaften – Weg gewählt.

Meine Schulter fühlte sich an, als sei ich von einem Talbuk getreten worden, als ich mich aufrappelte. Ich war mehrere Fuß weit nach hinten geschleudert worden, bemühte mich redlich, den Schmerz durch die Prellung zu ignorieren und zu sehen, wie es stand.
Mein Schuss hatte dem Biest zwar den größten Teil der hässlichen Visage entfernt, dennoch stand es weiterhin, wenn auch schwankend. Doch es war eindeutig, dass das Konstrukt geschlagen war, die Königskrieger hieben weiter auf es ein und in Augenblicken ging der Untote zu Boden. Der Anführer der Elitekämpfer – ein junger Mann von schätzungsweise kaum 25 Lenzen – nickte mir knapp dankbar zu und machte sich dann zusammen mit seinen überlebenden Mannen auf, zu einem weiteren Gegner zu eilen.

Ich warf die jetzt nutzlos gewordene Büchse von mir, denn sie nachzuladen hätte viel zu lange gedauert, außerdem fehlten mir Pulver und Ladung, und eilte die Treppen, die den Hafen von Stormwind auszeichnen, hinauf, um mir einen Überblick über die Gegebenheiten zu verschaffen.

Kontrukt 02Der Luftraum über dem Hafen wimmelte geradezu von den knochigen Dracoformen, die der Lichkönig in der Luft einzusetzen pflegte. Die im Hafen befindlichen Kanonen waren auf die Abwehr von Schiffen ausgelegt und keinesfalls auf die Verteidigung gegen Angriffe aus der Luft. Eine lässliche Verfehlung, wie mir jetzt erschien. Zwar war der Hafen strategisch günstig an  der Steilküste gebaut, so dass es vieler Treppen bedurfte, um ihn von Stormwind aus zu erreichen und Waren mit Lastkränen in die Stadt geschafft werden mussten. Damit war eine Landung von Truppen mit Schiffen ein aussichtsloses Unterfangen, denn zum einen konnte die gesamte Hafeneinfahrt von den Kanonen bestrichen werden und für den Fall, dass es doch Gegner an Land geschafft hätten, konnten die Treppen vortrefflich verteidigt werden. Den Luftraum hatte man jedoch außer Acht gelassen. Der Einsatz von Flugtieren und sogar mechanischen Fluggeräten in der Kriegsführung war für die Menschen noch neu und man gewöhnte sich nur langsam an den Gedanken, dass der Tod auch aus der Luft kommen konnte.

Was die Fleischkonstrukte anging, schien das Treppen-Konzept auch aufzugehen, die Drachen jedoch wüteten entsetzlich unter den Verteidigern und es schien ihnen auch nichts auszumachen, dass ihr Frostatem bisweilen auch ihre eigenen Verbündeten traf. Das ist auch die Erkenntnis, die einen bis aufs Blut erschrecken läßt: Die untoten Truppen des Lichkönigs sind eine nahezu unerschöpfliche Resource. Er muss sich weder um Nachschub noch um Moral der Soldaten Gedanken machen...
Doch die Kanonen waren in ihrer Bedienung viel zu langsam, um sie gegen die Dracoformen einsetzen zu können. Einzelne Armbrustschützen versuchten ihr Glück, doch waren die Bolzen mit Mückenstichen gegen einen der gigantischen Clefthufer des Outlands gleichzusetzen.
Während ich noch überlegte, ob es sinnvoll sei, die Waffen aus meinem Besitz freizugeben und zu verteilen, änderte sich die Situation abrupt: Offenbar hatten Magier das Hafengebiet erreicht, denn ich konnte beobachten, wie von einer höheren Plattform aus feurige Bälle auf die Drachen abgefeuert wurden. Immer heftiger wurde die Abwehr, zu der sich nun auch andere arkane Geschosse gesellten. Gut, dass sich das Magierviertel Stormwinds nicht weit vom Hafen befand...

knochige Drachen über Stormwind HarborDie Verteidiger hatten jedoch ein Problem: Im Gegensatz zu ihren Gegnern mussten sie darauf achten, keinesfalls ihre Verbündeten zu treffen. Somit waren sie nur in der Lage, in die Luft zu feuern, am Boden war bei den eingesetzten Zaubern die Gefahr viel zu groß, die eigenen Mannen zu verletzen oder gar zu töten.
Doch wie ich sehen konnte, hatten die Soldaten und anwesenden Heroen inzwischen den größten Teil der Monstrositäten... nunja, töten können ist bei Untoten wohl das falsche Wort. Die Angriffe der Zauberkundigen holten inzwischen die fliegenden Bestien vom Himmel über dem Hafen und ihnen konnte am Boden vergleichsweise leicht der Garaus gemacht werden. Ich konnte einen Druiden erblicken, der gigantische tentakelartige Wurzeln aus dem Boden beschwor, die sich um eins der Geschöpfe wanden und dessen Knochen mit ohrenbetäubendem Krachen  unter dem höllischen Gekreische der Kreatur bersten ließen. Noch immer herrschte Aufruhr, doch es war zu sehen, dass das heillose Durcheinander, das am Anfang geherrscht hatte, einer verbissenen geordneten Verteidigung wich.

Der ungesehene Befehlshaber rief dann auch kurz darauf den Rest der Dracoformen zurück, denn wie auf ein ungehörtes Signal hin drehten die überlebenden Exemplare ab und verschwanden unter dem frenetischen Jubel der Anwesenden am Horizont. Der Angriff war zurückgeschlagen. Für heute.

* * *


Der Anblick nach dem Scharmützel war schrecklich: Der gräßliche Brodem der untoten Drachen hatte entsetzliche Ernte unter den Verteidigern gehalten. Allenthalben lagen verdrehte und gefrorene Verteidiger, zahllose brechreizerregend stinkende Fleischkonstrukte gingen bereits in Verwesung über. Nachdem die erste Euphorie über den Sieg verklungen war, konnte man in den Gesichtern der Anwesenden Angst lesen, Angst davor, dass der weit entfernt gewähnte Lichkönig und seine Truppen viel näher waren, als man gemeinhin angenommen hatte. Ich muss frei zugeben: Auch ich hatte den Gerüchten bislang nicht viel Gewicht beigemessen.

Noch am selben Abend ließ der König vermelden, dass die Bemühungen, den mächtigen Untoten auf seinem eigenen Gebiet Northrend schlagen zu wollen intensiviert werden würden. Ich beriet mich mit meinen Gefährten, ob wir die Expedition absagen wollten, doch kamen wir überein, dass es gerade jetzt wichtig sei, mehr über die Gegebenheiten vor Ort zu erfahren und dass ein vergleichsweise kleiner Trupp von Forschern hierfür weitaus besser geeignet sei, als eine Armee. Auch würden wir keinen „offiziellen“ Eindruck machen, sondern den von Glücksrittern, die man hoffentlich als unwichtig abtun würde.

* * *


Menethil HarborIch schreibe diese Zeilen auf einem kleinen aber überaus flinken Kurierschiff, welches mich nach Menethil bringt, den vorgelagerten Hafen am Rande des weiträumigen Sumpfgebietes, das zu Dun Morogh, den Zwergenlanden, gehört. Aufgrund des heute erlebten deucht es mir derzeit zu gefährlich, die Reise von Stormwind aus anzutreten – denn auch die Schiffsrouten von dort erscheinen mir nicht mehr sicher –  und wir werden in Menethil ein Schiff besteigen, das uns hoffentlich sicher zum Heulenden Fjord im Südosten Northrends tragen wird. Wir verlieren dadurch einen, vielleicht zwei Tage, aber das bin ich in Hinblick auf unsere Sicherheit gern bereit, in Kauf zu nehmen.

Ich werde weiter berichten.

Euer ergebener

Unterschrift Moriartey



Prof.

 

Bisherige Einträge:

Professor Moriartey Reisetagebuch: Tag Null

 

Kommentare  

#1 Bettina.v.A. 2008-11-16 22:55
Eine kurze Frage an den Herrn Professor: Um wen handelt es sich bei der aparten Dame an Eurer Seite? Ist dies die Quartiermeisterin? :-*
#2 Professor Moriartey 2008-12-02 19:18
Vergebt mir die Dauer bis zu einer Antwort, werte Kelpie, aber ich habe mich leider ausserstande gesehen, mich vor diesem Zeitpunkt hierher begeben zu können.

Ja, in der Tat handelt es sich um die Quartiermeisterin Jane Allyson.

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