Ein Mythos zum Spielen - USA Großmacht unterm Sternenbanner
USA Großmacht unterm Sternenbanner
Quellenbuch für das Cthulhu-Rollenspiel
Zur Spielwarenmesse Ende Oktober in Essen kamen gleich drei neue Quellenbände von Pegasus-Spiele heraus. Eine davon, das Quellenbuch USA Großmacht unterm Sternenbanner, stellt sozusagen den Auftakt zu einer Reihe von Quellen- und Abenteuerbänden dar, die den Blick ab 2009 wieder vermehrt in die Kernlande des Cthulhu-Mythos lenken sollen. Da lag es natürlich nahe, das auch der Zauberspiegel einen Blick in den Band werfen wollte.
Nachdem bereits im Jahre 2000 ein Quellenband zu den Vereinigten Staaten (Amerika In Städten und Wäldern) herausgekommen war, stellte sich natürlich sogleich die Frage, ob es sich bei dem neuen USA-Band vielleicht nur um eine überarbeitete Neuausgabe des 2000er Bandes handeln würde. Diese Frage lässt sich bereits kurz nach dem ersten Aufschlagen des mit seinen 284 Seiten sehr stattlich daherkommenden Hardcoverbandes eindeutig mit nein beantworten. Der Blick ins Inhaltsverzeichnis lässt erkennen, dass es inhaltlich kaum Überschneidungen zum alten Amerika-Band, der mit 187 Seiten übrigens auch erheblich weniger umfangreich war, gibt.
Doch bevor wir näher auf den Inhalt eingehen werden, sollte man noch einige Worte zur Aufmachung des Bandes verlieren: Cthulhu-Spieler werden wirklich verwöhnt. Nachdem viele andere Rollenspiele immer noch labberige Softcover auf den Markt werfen, hat man sich bei Cthulhu-Veröffentlichungen in letzter Zeit daran gewöhnen dürfen, stabile Hardcoverbände zu erhalten. Gerade Aufgrund der Tatsache, dass der Spielleiter doch recht häufig in den Quellenbüchern blättern muss, erscheinen mir Publikationen mit festem Einband erheblich sinnvoller, da so das Zerfleddern der (nicht ganz billigen) Bücher recht gut verhindert werden kann. Doch auch die grafische Aufmachung des Bandes weiß zu gefallen: Die Covergestaltung von Manfred Escher kann nur als gelungen bezeichnet werden, darüber hinaus passt sie hervorragend in die Reihe der anderen Cthulhu-Bände des Pegasus-Verlags. Im Gegensatz zu einigen früheren Veröffentlichungen lässt sich der Titel auch bereits auf den ersten Blick gut lesen, was Aufgrund des Designs und der Schriftart sonst nicht immer der Fall war. Doch auch die Gestaltung im Inneren des Bandes kann locker mit den hohen Standards, die Pegasus mit seinen Cthulhu-Produkten gesetzt hat, mithalten, Immer wieder werden die (eng beschriebenen) Seiten durch zeitgenössische Fotos und Zeichnungen aufgelockert dies trägt meines Erachtens bereits seit den Veröffentlichungen des Laurin-Verlags zur tollen Atmosphäre der Cthulhu-Produkte bei.
Doch wenden wir uns nun dem Inhalt des Bandes zu: Das Inhaltsverzeichnis zeigt an, in welche Richtung es gehen soll. Kapitel zu Land und Geschichte, Gesellschaft, dem alltäglichen Leben, Mythen, Lovecraft-Country und Spielercharakteren in Amerika zeigen an, dass es sich bei USA Großmacht unterm Sternenbanner nicht allein um ein Werk für den Spielleiter handelt, sondern eine ganze Reihe nützlicher Informationen auch für Spieler bietet. Damit unterscheidet sich der Band nicht nur von den meisten anderen Quellenbüchern, die sich in erster Linie an den Spielleiter wenden, sondern es wird auch sogleich klar, dass er im Gegensatz zu ähnlichen Publikationen auch ein anderes Ziel verfolgt nicht die Beschreibung von Monstern, Kulten und Regelergänzungen stehen im Vordergrund, sondern der Band versucht praktische Hilfestellung zum realistischen bzw. atmosphärischen Rollenspiel im Amerika der zwanziger Jahre zu geben. Da verwundert es nicht, dass das erste Kapitel (Das Land) sich zunächst einmal wie ein Geschichtsbuch liest. Allen, die jetzt Angst bekommen, der Inhalt könnte sich etwas trocken oder angestaubt lesen, sei jedoch versichert, dass das Gegenteil der Fall ist. Sehr gut lesbar geschrieben, versteht der Autor es, alle wichtigen Fakten zur Geschichte der USA (ergänzt durch Mythosrelevante Infokästen) so aufzubereiten, dass nie Langeweile aufkommt. Der größte Teil des ersten Kapitels wird aber (natürlich) von den zwanziger Jahren des 20.Jahrhunderts bestimmt immerhin die klassische Cthulhu-Epoche. Nach einem kurzen Abriss der wichtigsten Fakten zu den USA der zwanziger Jahre bekommt der Leser eine Vielzahl interessanter Informationen zur Außen- und Innenpolitik der USA dieser Zeit geboten, bevor es schließlich auf 38 Seiten um die wichtigsten amerikanischen Städte dieser Zeit von Baltimore, Maryland bis hin zu Washington, D.C. geht. Hier wird dem Leser auf relativ kleinem Raum eine nützliche Übersicht über den Zustand der jeweiligen Stadt in den Zwanzigern präsentiert, deren Nutzen jedem Spielleiter sofort bewusst werden wird, dessen Spielgruppe z.B. mal eben New Orleans aufsuchen will. Auch wenn die Informationen natürlich aufgrund des eingeschränkten Raumes relativ oberflächlich bleiben, kann der Spielleiter sich hier doch einen groben Überblick verschaffen, um wenigstens nicht gänzlich ahnungslos vor seinen Spielern zu sitzen.
Weiter geht es mit einem der interessantesten Teile des Bandes dem Kapitel über die Gesellschaft der roaring Twenties. Abschnitte über Freizeitverhalten, Mode, Musik, Religion, Familie, Prohibition, Wirtschaft, Gesetz, Wissenschaft etc. lesen sich nicht nur sehr unterhaltsam, sondern bieten ebenso wie das folgende Kapitel zum Leben in den USA ein extrem breites Spektrum an wichtigen Informationen, die jeder Spielgruppe ein realistisches und atmosphärisches Spiel in den USA der zwanziger Jahre ermöglichen kann. Texte und Tabellen zu den Themen Fahrzeuge und Reisen, Bildung, Kultur, Museen und Bibliotheken lassen kaum noch Wünsche offen.
Nachdem der bisherige Teil des Bandes mit recht wenigen Verweisen auf cthuloide Themen ausgekommen ist, geht es mit dem Kapitel Mythos dann doch ans Eingemachte. Hier nehmen die Mythen und Kulte der Indianer den größten Raum ein. Auch dieser Teil bietet Spielleitern meiner Meinung nach ein Vielzahl an nützlichen Infos und tollen Ideen zur Ausgestaltung von Abenteuern mit indianischem Hintergrund. Leider ist dieser Abschnitt ebenso wie der darauf folgende Teil über mythische Stätten in den USA im Vergleich zu den anderen Teilen des Buches relativ kurz geraten. Gerade über Indianer ließen sich sicherlich noch mehr cthulhurelevante Themen ausarbeiten.
Das Kapitel zum Lovecraft Country hat dann vor allem denjenigen Cthulhu-Spielern und Spielleitern, die (noch) nicht alle literarischen Vorlagen H.P.Lovecrafts aus dem Cthulhu-Mythos kennen einiges zu bieten. Alle wichtigen Veröffentlichungen Lovecrafts werden in kurzen Texten, versehen mit Orts- und Zeitangaben, zusammengefasst. Doch damit nicht genug, auch das literarische Schaffen anderer Autoren, die ihre Geschichten im Lovecraft Country angesiedelt haben, wie beispielsweise August Derleth, wird kurz beleuchtet. Ein gerade für jüngere oder unerfahrene Spielleiter sehr nützliche Sache, wie ich finde. Angerundet wird das Kapitel schließlich mit den kurz gehaltenen Beschreibungen der Städte des Lovecraft Country wie Arkham, Dunwich und Innsmouth.
Ein Abschnitt über Spielercharaktere in den USA und ein Index bilden dann den Abschluss des höchst informativen Bandes. Mit USA Großmacht unterm Sternenbanner hat Pegasus erneut einen toll recherchierten, fein aufgemachten und äußerst nützlicher Quellenband veröffentlicht. Jeder, der in den USA der zwanziger Jahre spielen will, braucht definitiv diesen Band. Da kann man wirklich gespannt sein, was den Leser (und Spieler) 2009 als nächstes Cthulhu-Produkt aus dem Hause Pegasus erwarten wird.
Daten zum Buch
Kommentare
Leider darf ich mir nicht viel davon kaufen, hat mir nämlich zumindest in Sachen Abenteuern meine Spielleiterin verboten...
Ich hole aber immer gern mal meine Chaosium-Ausgabe von 1983 raus (dritte Auflage, boxed) und gebe hemmungslosen Nostalgieanfällen nach...
Danke für die schönen CoC-Artikel und Rezensionen! Das Feld ist in Deutschland ja leider nur sehr spärlich beackert...