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Spielt das eine Rolle? # 003: Rollenspiel leicht gemacht

Spielt das eine Rolle? # 003: Rollenspiel leicht gemacht
Die Rollenspielkolumne

 

In den beiden ersten Teilen haben wir uns mit dem gedanklichen Einstieg ins Rollenspiel beschäftigt, in dieser Ausgabe wollen wir nun den ersten Schritt in ein fantastisches Hobby wagen.

Nehmen wir den Titel der Kolumne doch einmal wörtlich bei der Frage: Spielt es eine Rolle, mit welchem System man anfängt?

Die Frage ist nicht ganz so eindeutig zu beantworten, weil natürlich jeder Mensch anders ist. Allen angehenden Rollenspielern gemein ist aber sicher der Wunsch, zu Beginn nicht gleich den schwersten Regelbrocken stemmen zu müssen. Das wissen auch die Verlage großer Systeme. Zum Beispiel dürfte „Dungeons & Dragons“ ein weithin bekannter Begriff für das Fantasyrollenspiel sein und im Vergleich zu früheren Versionen ist die aktuelle, fünfte, Edition weit einsteigerfreundlicher. Doch es gibt natürlich noch viel mehr Systeme. Die Auswahl ist sogar fast unübersichtlich groß und viele Systeme bieten zudem Einsteigerboxen, die einem das Spiel auf vereinfachte Weise näherbringen sollen.

In dieser Ausgabe meiner Kolumne möchte ich euch aber einen Geheimtipp geben, den ich bereits beim letzten Mal angeteasert habe. Die Rede ist von einem unabhängigen und zudem auch kostenfreien Rollenspielsystem aus Deutschland: Lite!

Hierzu habe ich auch den Entwickler Jürgen Mang interviewt, dessen Antworten zum Teil mit in den Artikel eingeflossen sind. Das komplette Interview findet ihr am Ende dieses Kolumnenteils.

 

Kann kostenlos gut sein?

Diese Frage ist grundsätzlich berechtigt und in vielen Fällen muss man auch Abstriche machen. In diesem Fall kann ich mit einem großen JA antworten, denn was der Entwickler Jürgen Mang mit Lite ins Leben gerufen hat, ist in seiner Einfachheit bestechend einsteigerfreundlich. Aber nicht nur das. Selbst erfahrenen Rollenspielern kann Lite eine Option bieten, auch mal ganz andere Szenarien zu spielen, denn es hat, wie Jürgen selbst sagt, einen erzählerischen Fokus, den es in dieser einfachen Form in keinem anderen Rollenspiel gibt.
Neben dem kostenfrei erhältlichen System, das es auf der Homepage jcgames.de als digitalen Download gibt, benötigt man nur noch ein paar Mitspieler sowie Papier & Bleistifte und bis zu zehn haushaltsübliche Würfel. Lite konzentriert sich darauf, Geschichten zu erzählen, weswegen weder Bodenpläne, noch Miniaturen oder anderes Zubehör benötigt wird.

 

Vorstellungskraft ist das A und O!

Lite selbst bietet viele Möglichkeiten. Grundsätzlich kann man das System derart zusammenfassen, dass es einem in entscheidenden Momenten vorgibt, eine bestimmte Anzahl an Würfeln zu werfen. Im Ergebnis ist jede ungerade Zahl ein Misserfolg, jede gerade Zahl ein Erfolg. Je mehr Würfel man wirft (bis zu zehn), desto höher ist die Chance auf Erfolge. Erfolge sind entscheidend, um ein Vorhaben (z.B. eine hohe Wand erklimmen, über einen Graben springen, an einer Wache vorbeischleichen, etc.) gelingen zu lassen, während die Misserfolge in der Regel nur dem erzählerischen Aspekt dienen. Kein Tabellenwälzen, keine komplizierten Angriffs- und Ausweichregeln und auch kein komplexes Bonussystem. Lite ist, was sein Name verspricht – leicht.

Allerdings gibt Lite auch wenig vor, was die mögliche Spielwelt betrifft. Hier ist eigene Vorstellungskraft gefordert, was gerade für versierte Rollenspieler ein dicker Bonus, für Einsteiger aber eine kleine Hürde sein kann. Doch davon sollte man sich nicht abschrecken lassen. Denn gerade die Freiheit, die einem Lite beschert, ist etwas, das viele größere Rollenspiele nicht bieten. Der Spielleiter hat hier die Möglichkeit, sich ganz auf seine Geschichte zu konzentrieren ohne sich darum Gedanken machen zu müssen, ob es korrekt ist, dass Königreich X mit seinem Nachbarn im Streit liegt, oder Konzern Y wirklich finstere Machenschaften verfolgt. Man ist vollkommen frei, sich selbst etwas zu überlegen, bzw auch einer Vorlage zu folgen. König Artus und seine Tafelrunde, Iron Man und die Avengers, James Cameron‘s Avatar, oder – kindergerechter – Azrael und die Schlümpfe … Wer will, kann sich alles zu Eigen machen.

 

Mehr Vorgaben für die Spielwelt

Wer lieber einen vorgegebenen Rahmen haben möchte, kann das „Weltenbuch“, oder „SpacePirates“ nutzen. Beides sind Varianten, bzw. Vorgänger von Lite, die jeweils eine gut beschriebene Abenteuerwelt anbieten und ebenfalls auf der Homepage von jcgames.de abrufbar sind. Wie Jürgen Mang mir gegenüber im Interview erklärte, ist SpacePirates in der Settinggestaltung viel konkreter. Die Spieler stellen eine wild zusammengewürfelte Piratencrew im Weltraum dar. SpacePirates legt den Fokus auf verrückte und piratige Abenteuer im Weltraum.

Das „Weltenbuch“ hingegen ist ein nicht sonderlich ernstgemeintes Fantasyszenario auf zwei Buchseiten. Und das ist wörtlich zu nehmen. Die Landkarte befindet sich auf zwei Buchseiten auf denen man so illustre Orte wie das Eselsohrgebirge, das Kaffeemoor – bestehend aus einem Kaffeefleck, oder den Bleistiftberg finden kann. Das Rollenspiel selbst wartet allerdings mit einem Umfang von über 250 Seiten auf und bietet neben allerlei klischeehaften Völkern auch gut strukturierte Spielregeln und weitere Tipps für Spielleiter an. Das ist übrigens ein gutes Stichwort.

 

Kleine Tipps für die Spielleitung

Wer gerne ein Rollenspiel starten möchte, aber nicht sicher ist, ob er es schafft, eine solche Spielrunde zu leiten, dem möchte ich ein paar kleine Tipps geben.
Zuallererst – fangt klein an! Sobald man sich mit dem Gedanken beschäftigt, ein Rollenspiel leiten zu wollen, sprudeln oft die tollsten Ideen, die aber auch einschüchternd wirken können. Deshalb: Fangt klein an!
Eine weltumspannende Gefahr, die nur von einer kleinen Handvoll Abenteurern bewältigt werden kann, ist eine tolle Sache, muss aber sowohl für die Spieler, als auch für die Spielleitung wohl dosiert gesteigert werden. Orientiert euch hierzu gerne am „Herrn der Ringe“. Frodo hat noch in „Die Gefährten“ keine Ahnung, auf was er sich einlässt, als er einen kleinen Ring nach Bruchtal bringen soll.

Ähnlich geht es Luke Skywalker in „Star Wars“. Da büxt ein Roboter aus, der was von einem Obi-Wan piepst … ob er damit wohl den alten Ben Kenobi meint? Da ist noch längt keine Rede davon, dass Luke den Todesstern zerstören wird.

Gute Geschichten fangen klein an und steigern sich mit der Zeit.
Gutes Rollenspiel darf auch gerne mit ein paar klischeehaften Ratten im Keller der Schänke anfangen, bevor ein wirklich übler Gegenspieler auftritt.

Als nächstes macht euch mit den Basisregeln vertraut. Bei Lite ist das einfach, aber vielleicht wollt ihr doch gleich ein „größeres“ System starten. Auch das ist kein Problem. Manche Systeme sind aber richtige Regel-Schwergewichte. Wenn ihr den ersten Tipp beherzigt, klein anzufangen, dann wird euch der Einstieg auch bei anderen Systemen leichter fallen. Macht ein paar einfache Proben und seht, wie sich das Spiel damit entwickelt. Ein Rollenspieltag kann auch nur mit der Nutzung von Fertigkeiten wie Klettern, Verstecken und Überzeugen viel Spaß machen.

Und weil aller guten Dinge drei sind, hier noch ein dritter gutgemeinter Rat: Bleibt flexibel! Egal, ob es sich um eine Regelfrage handelt, oder die Spieler plötzlich etwas anderes machen wollen als vorgesehen, oder sonst etwas nicht ganz so läuft, wie man es zu Beginn geplant hat. Das gehört zum Rollenspiel dazu!
Ihr könnt solchen Momenten gut damit begegnen, indem ihr kurzerhand eine Hausregel für diesen einen Spieltag erschafft, um die Frage im Nachgang eindeutig zu klären. Wollen die Spieler etwas anderes machen als geplant, lass sie es tun! Hast du als Spielleitung keine entsprechende Vorbereitung getroffen, macht eine kurze Pause, falls du dir schnell etwas einfallen lassen kannst. Wenn der Moment zu heikel für eine ad hoc Planung ist, unterbrecht den Spieltag. Das ist nicht schlimm. Es ist aber in jedem Fall besser, als die Spieler auf den vorgegebenen Pfad zurückzuzwingen. So etwas merken die Spieler und verlieren schnell den Spaß daran, wenn sie den Eindruck gewinnen, sie könnten nichts selbst entscheiden.

Seht euch das System einfach mal an, spielt eine oder auch mehrere Runden und lasst euch von dem einfachen Regelsystem inspirieren. Mehr Regeln gehen immernoch.

Zum Abschluss dieser Kolumne nun wie oben versprochen, das gesamte Interview mit Jürgen Mang, dem Schöpfer von „Lite“.

Peter: Wie bist du zum Rollenspiel gekommen?
Jürgen Mang: Das ist schon gefühlte Ewigkeiten her. Ich war damals 16, also ist es jetzt genau 30 Jahre her. Ein Freund hatte einen Freund der DSA geleitet hat und ich wurde gefragt, ob ich nicht mitspielen will. Und so kam es dann, dass wir regelmäßig Sonntags am Küchentisch gespielt haben. Also ganz unspektakulär.

Peter: Was hat dich dazu bewogen, ein eigenes Rollenspielsystem zu erstellen?
Jürgen Mang: Angefangen hat alles mit Ergänzungen zu Cyberpunk 2020, was damals schon etwas veraltet war, das muss so in den 2000ern gewesen sein. Da war das Fax eine hochmoderne Technologie. Ich hab es damals geleitet und wollte es dann doch etwas moderner haben und hab daher angefangen Ergänzungen zu schreiben, bis es dann soviel Hausregeln wurden, dass ich dachte, daraus kannst auch ein eigenes Spiel machen. Das ist aber nie in irgendeiner Form erschienen, was wohl auch gut so ist. Da habe ich alle Fehler gemacht, die man als Neuling im Rollenspiel schreiben machen kann. Lite ist mein 3. eigenständiges Rollenspiel, durch die Entwicklung von "Das Weltenbuch" und SpacePirates hatte ich schon reichlich Erfahrung gesammelt. Wobei Lite auch "nur" die generische Variante der SpacePirates Regeln ist.

Peter: Worin siehst du die Besonderheit in deinem Lite-Rollenspielsystem?
Jürgen Mang: Es ist extrem einfach zu erlernen, sehr kompakt und hat einen sehr erzählerischen Fokus. Insbesondere die Konfliktszenen sind meines Wissens so einmalig. Wer Fate zu kompliziert findet und die Einfachkeit von Risus oder "The Pool" mag, der sollte sich Lite unbedingt anschauen.

Peter: Siehst du Lite eher als System für Rollenspielneulinge, oder als Alternative für Fortgeschrittene Rollenspieler?
Jürgen Mang: Lite ist für jeden gedacht, der erzählerisches Rollenspiel mag und keine Miniaturen schubsen will. Durch die einfachen Regeln ist es super für Einsteiger geeignet.

Peter: Ausrüstung, Magie, Monster ... Das Ganze bleibt recht offen. Was würdest du jemanden empfehlen, der sich lieber konkretere Vorgaben wünscht?
Jürgen Mang: Schau dir SpacePirates und "Das Weltenbuch" an. Die benutzen den Lite Regelkern und bringen alles mit, was man sich wünscht. Vor allem SpacePirates hat einiges an Material zu bieten.

Peter: Im Regelbuch sind ganze zehn Settings enthalten, weitere sind auf deiner Homepage zu finden. Neben Fantasy, Space Opera und Western auch Settings wie Steampunk, Orient oder auch Endzeit. Mit welchem Setting hattest du bislang am meisten Spaß?
Jürgen Mang: Mit SpacePirates hatte ich den meisten Spaß und das mit den unterschiedlichsten Konstellationen. Kleine private Runden oder auch übergroße Con-Runden mit 10 Spielern. Wir brauchten öfter einen eigenen Raum, da es dann doch recht wild zuging und sich die Spieler gegenseitig beflügelt haben. Man muss dazu sagen, dass SpacePirates auch kein so ernst gemeintes Setting bietet.

Peter: Lite ist nicht das einzige System von dir. Mit "Space Pirates" hast du einen Ableger erschaffen. Worin unterscheidet sich "Space Pirates" von "Lite“?
Jürgen Mang: Lite ist der Ableger von SpacePirates :) Beide benutzen den gleichen Regelkern, aber SpacePirates ist viel konkreter was die Settingausgestaltung angeht. Es ist klar, dass die Spieler eine wild zusammengewürfelte Piratencrew im Weltraum spielen und sie regelmäßig Probleme mit ihrem alten abgefuckten Raumschiff haben werden. Es gibt klare Rollen, aber genauso viel Freiraum wie bei Lite. SpacePirates ist Lite mit einem ausgearbeiteten Setting und einer klaren Fokus auf verrückte und piratige Abenteuer im Weltraum.

Peter: Derzeit überarbeitest du "Space Pirates". Wann wird die neueste Version zur Verfügung stehen?
Jürgen Mang: SpacePirates ist eigentlich wie auch Lite in der Entwicklung abgeschlossen. Die Überarbeitung bringt nur ein paar kleinere Erweiterungen und Überarbeitungen, aber grundlegend wird sich nichts ändern. Einen Termin kann und will ich nicht nennen. SpacePirates ist so wie man es online findet komplett spielbar und durchgetestet. Im Endeffekt arbeite ich gerade nur an einem neuen Layout.

Peter: Hast du dein System auch mal Verlagen zur Veröffentlichung angeboten, oder wolltest du von vornherein, ein unabhängiges, kostenfreies System anbieten?
Jürgen Mang: Meine Rollenspiele sollten immer unabhängig und frei bleiben. An einen Verlag wollte ich sie nie geben, obwohl es mal das ein oder andere Angebot von einem Verlag gab.

Peter: Was würdest du einem Rollenspiel-Neuling empfehlen?
Jürgen: Probiert die unterschiedlichsten Systeme aus, auch kleinere! Und habt vor allem Spaß dabei und nehmt es nicht zu ernst.


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