Jutta Wilke erzählt Iina was über das Schreiben, den Holundermond, die Zeit und eine Kartause
Jutta Wilke erzählt Iina ...
... was über das Schreiben, den Holundermond, die Zeit und eine Kartause
... was über das Schreiben, den Holundermond, die Zeit und eine Kartause
: Herzlichen Dank für die Glückwünsche zu meinem ersten Buch. Meine Kinder haben mit meinem Berufswunsch nichts zu tun. Ich lese schon immer am liebsten Kinder- und Jugendbücher und so kommt es, dass ich genau das auch am liebsten schreiben wollte.
: Zeit fasziniert mich schon immer. Dabei interessieren mich nicht ausschließlich Zeitreisen, sondern vor allem auch unser Empfinden der Zeit. Wir kennen das ja alle, wenn Minuten sich endlos ausdehnen, wenn die Zeit quälend langsam zu vergehen scheint und im anderen Moment rast die Zeit nur so dahin. Parallel dazu beobachten wir täglich rings um uns herum diese Kreisläufe vom Leben zum Sterben und wieder neuem Leben in der Natur und ich habe mich schon oft gefragt, was Zeit eigentlich ist. Was wäre Zeit für uns, wenn wir Menschen keine Uhren, keine Kalender erfunden hätten? Warum zählen und messen wir Zeit? Ich habe noch viele solcher Fragen im Kopf, aber das würde den Rahmen dieses Interviews sprengen
: Zunächst einmal finde ich, es gibt kein Thema, das für ein Kinderbuch zu komplex wäre. Gerade Kinder beschäftigen sich oft sehr viel intensiver, ja fast philosophisch mit solchen grundlegenden Fragen und sind noch offen für Gedanken in alle Richtungen. Ein Kollege von mir hat mal gesagt (ich komm grad nicht mehr drauf, wer das war) Wenn ein Thema zu schwierig ist für Erwachsene, dann schreibe ich ein Kinderbuch. Das triff es ziemlich gut, finde ich.
: Es gab einen bestimmten Grund und der war meine beste Freundin hier aus Deutschland, die mir eines Tages erklärte, sie ziehe nach Österreich, weil sie sich dort verliebt hatte. Der Auserwählte arbeitete und wohnte in der Kartause Mauerbach, die ja heute ein Museum ist.
Ich habe meine Freundin und ihren Partner oft dort besucht und so die Geschichte der Kartause sehr gut kennengelernt. Von Anfang an hat mich dieser abrupte Wechsel vom idyllischen Kloster zum Siechenhaus sehr fasziniert und irgendwann entstand in meinem Kopf diese Geschichte mit den verschiedenen Zeitebenen.
: Ja, solche Orte, Plätze und Objekte haben mich schon immer fasziniert. Dabei spielt es übrigens keine Rolle, ob es sich um eine katholische Kirche in Italien oder den Opferplatz von Wikingern in Dänemark handelt. Dort, wo Menschen ihren Glauben lebten und leben, ist man ihrer jeweiligen Suche nach sich selbst besonders nah. Das macht es für mich so spannend.
: Nein, meine Kinder haben tatsächlich mit meinem Schreiben eher weniger zu tun. Sie sehen es als ganz normalen Beruf und ich sehe sie nicht als Muster für meine Protagonisten.
Mit Nele wollte ich einfach eine Figur erschaffen, die in ganz verschiedenen Ebenen dem Wandel der Zeit ausgesetzt ist. Da ist die äußere Veränderung für Nele, die Trennung der Eltern, der bevorstehende Umzug. Dann ihre inneren Veränderungen: Nele steht nicht zufällig genau am Beginn der Pubertät. Und dann kommt eben noch die Zeitreise durch die Geschichte der Kartause hinzu, die Nele ja zumindest gegen Ende des Buches ebenfalls hautnah miterlebt. Und immer wieder steht sie doch vor der Frage: Was ist eigentlich Zeit? Was passiert da? Eine meiner Lieblingsszenen ist Nele in ihrer Kinderhütte, die plötzlich ( so scheint es jedenfalls) viel zu klein geworden ist. Am liebsten hätte ich noch das weiße Kaninchen mit der großen Taschenuhr durch den Garten geschickt
: Ich selbst habe eine Schwester, keinen Bruder. Ich habe mir auch nie einen Bruder gewünscht, glaube ich. Aber Flavio ist ein bisschen so, wie ich gerne wäre. Unbekümmert und meistens fest davon überzeugt, dass schon alles so wird, wie es werden soll und wenn nicht, dann kann man es ja ändern. Flavio war nötig, um Nele ab und zu einen Schubs zu geben.
: Ein bisschen etwas Autobiographisches hat natürlich jedes Buch. Ein Geschichtenerzähler kann die Welt nicht neu erfinden. Er kann sie nur aus dem Material, das er hat, neu zusammenbauen, so wie ein Maler die Farben für sein Bild immer wieder nur neu mischen kann mit den Grundfarben, die es nun mal gibt. Damit will ich sagen: Wenn ich Geschichten erzähle, werden sie immer aus dem bestehen, was ich gesehen, gehört, gefühlt oder erlebt habe. Neles Situation, so wie sie im Buch steht, ist aber erfunden aus all diesen Bausteinen, die ich im Kopf habe. Ich persönlich habe nicht das Gefühl, dass meine Zeit schneller verrinnt, als die anderer Menschen.
: Auch hier gilt wieder das, was ich oben gesagt habe. Viele Kleinigkeiten habe ich selbst erlebt, ja. Das wird mir aber oft erst nach dem Schreiben bewusst, dass ich dann denke, ja, wie bei dir damals.
Zum Beispiel habe ich einen Vater, der seinen Beruf sehr geliebt und entsprechend viel Zeit für ihn aufgewandt hat.
Ich bin wie Nele in Mauerbach gewesen, bin tagelang durch das Kloster gestreift, ich war auf dem Speicher, in der Kirche, kenne die Korrekturzelle und das Brunnenhaus. All diese Orte gibt es ja tatsächlich im Kloster.
In meinem Garten steht ein Holunder und ich mache daraus Holunderlimonade, Holundergelee und noch so einiges mehr. Ich war schon in Wien auf dem Naschmarkt und habe mich wie Flavio durch die vielen ausländischen Köstlichkeiten gefuttert, ich selbst fahre einen VW-Bus, wie Neles Vater. Ich gehe sehr gerne auf Mittelaltermärkte und liebe historische Feste. Eine wirkliche Tür durch die Zeit habe ich leider noch nie gefunden.
: Ja, es war manchmal schwierig, weiterzuschreiben. Was daran lag, dass ich ja wirklich als totaler Anfänger an die Sache rangegangen bin. Ich habe zunächst den Prolog geschrieben, den ich schon sehr früh im Kopf hatte und dann habe ich lange gar nicht gewusst, was ich jetzt daraus machen soll. Bis mir eben die Geschichte von Nele in den Kopf kam.
Da ich ja noch keinen Verlag und somit keinen Vertrag, keinen Abgabetermin und auch sonst keinen Druck hatte, war es manchmal einfach schwer, die nötige Disziplin aufzubringen, mich in meiner freien Zeit wieder an die Geschichte zu setzen, von der ich ja nicht wusste, ob sie jemals irgendjemand würde lesen wollen.
Geholfen hat mir dann ein lieber Kollege, den ich im Buch ja auch mit einer Danksagung bedacht habe. Er hat übrigens inhaltlich überhaupt nichts an dem Buch gemacht. Seine Hilfe bestand darin, mir den nötigen Druck zu verschaffen, indem er mir Termine setzte.
Wir vereinbarten feste Zeitpunkte, zu denen ich wieder ein Kapitel fertig haben sollte. Das alleine hat mir schon geholfen, weil es mir einfach zu peinlich gewesen wäre, dann mit leeren Händen dazustehen. Heute bin ich sehr sehr dankbar, dass ich diese Unterstützung hatte.
: Bitte, sehr sehr gerne. Es hat mir großen Spaß gemacht.
PS: Ich weiß nicht, ob es zum Interview passt, deshalb schreibe ich das mal so hier drunter.
In meinem Weblog zum Buch unter Holundermond.blogspot erzähle ich immer mal ein wenig zur Entstehung des Buches und auch zur Kartause, zu den geschichtlichen Hintergründen etc.
Und ein besonderes Highlight gibt es am 29. Mai 2011.
Um 14.00 werde ich an diesem Sonntag in der Klosterkirche der Kartause Mauerbach, direkt unter dem großen Altarbild, aus Holundermond lesen. Der Eintritt ist frei und natürlich freue ich mich über jeden, der nach Mauerbach bei Wien kommt.