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»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Der Banditen-Lord (Socorro 34)

Schön war die Jugendzeit? -  Ausflüge in die RomanheftvergangenheitAusflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Der Banditen-Lord«
Socorro 34 von Ringo Hurricane (Frank Helgath)

Vom Inferno über der Prärie also jetzt wieder mal zurück zu einer zentralen Heldenserie, von der im Vorfeld allerdings keine überragenden Versprechungen zu gewinnen waren: Socorro! Die Zauberkreis-Serie hatte niemals den Standard, den »Ronco« oder »Lobo« hatten und sie waren auch nicht so individuell gestaltet oder mit wirklich namhaften Autoren ausgezeichnet.

Tatsächlich finden sich lediglich zwei Pseudonyme bis auf den allerletzten Roman (von Gordon F. Uvalde, merkwürdig angehängt anfühlend) der 57 Folgen: John F. Beck und eben Ringo Hurricane, wobei hinter letzterem Verlagspseudonym auch noch nicht alle Identitäten geklärt waren.

Das Interessanteste an der Serie war dann auch das – im Rahmen der Westernserien – ungewöhnliche Setting, sowohl zeitlich als auch örtlich, nämlich im Jahr 1845 im Bereich der texanisch-mexikanischen Grenze verortet, kurz vor dem mexikanisch-amerikanischen Krieg. Das ist, in der gewöhnlichen zeitlichen Einordnung deutscher Western-Romanhefte, ziemlich früh in der  Geschichte angesiedelt, doch leider kümmerten sich die Autoren da nicht sonderlich intensiv um die zeitgeschichtlichen Gegebenheiten, sondern nahmen sie lediglich als Ausgangspunkt, um in dieser unsicheren Gegend relativ großen Ermessensspielraum zu haben, wie sie ihre Stories anlegen konnten.

Ansonsten blieb alles beim überschaubaren Alten: ein gutaussehender, durch und durch heldenhafter „Haciendero“ namens Sean O‘Hara als der titelgebende „Socorro“ im Zentrum, der sich gern um Kinder, Unterdrückte und Chancenlose kümmert und mit seinen ihm treu ergebenen Angestellten der Gerechtigkeit immer wieder zum Sieg verhilft. Dabei darf natürlich die unvermeidlich rassige Kreolin (wir bleiben bei regional-lokaler Küche) Beulah Sheen nicht fehlen (immerhin: ein Südstaaten-Vorname!), die zuvor – ohne dass das größere moralische Auswirkungen hätte – auf der anderen Seite des Gesetzes stand und natürlich der leicht grob gezeichnete Comedy-Fodder „Tortilla-Joe“ Mercer, der hauptsächlich an einer gepflegten Bambule mit großen Kalibern und Sprengstoff interessiert ist.

Das ist die typische Menagerie, in der dann aber eher gewöhnliche Westernplots in unbekannterem Umfeld stand finden, womit die Redaktion das sicherste Blatt gespielt hat, um die Leser nicht gleich mit ungewöhnlicher Ware zu verschrecken. Die Plots einzelner Romane wurden bisweilen miteinander verbunden, ohne direkte Zweiteiler zu bilden, aber das hebt die Serie noch nicht in höhere Weihen einer durchgeplanten Exposé-Reihe.

Das Ergebnis so eines Vorgehens ist zumeist nur Routine im alten Westen, aber zumindest ist das Ergebnis solide und nicht ganz so flickenhaft, wie sonst ein halbes Dutzend Autoren produziert hätten – eins der vielen Experimente, die in den 80ern ausprobiert wurden, ehe es mit den seriell überladenen Verlagen langsam aber sicher zuende ging.

Auch bei meinem Roman handelt es sich um eine Quasi-Fortsetzung aus dem vorigen Band, der praktisch noch während des Showdowns des Vorgängers einsetzt und die Figuren in eine neue Handlung einspinnt – einfach, weil man mit den Vorgaben noch etwas anzufangen wusste. Die „bad guys“ einmal nicht als Wegwerfware präsentiert, das lässt sich zumindest sehen…

Der Banditen-Lord»Dir muss man die Höflichkeit wohl mit den Fäusten beibringen, eh?« – »Laß mich in Ruhe, Struppi«
Was genau in die „Die Hölle von Matamaros“ vorgefallen ist, bleibt zu Beginn von „Der Banditen-Lord“ eher vage, aber offenbar hatten der titelgebende Lord Crowness und sein wesentlich schlankerer Revolvermann Jack Lefthand einen raffinierten Plot eingefädelt, um an die Maisernte von Socorro heranzukommen, hatten den Rancher und seine Männer überfallen lassen und alles entflohenen Sklaven in die Schuhe geschoben, doch ein gezielter Schuss aus einer alten Spanier-Kanone, ausgelöst durch Tortilla-Joe hatte das auslaufende Schiff des Lords in Brand geschossen.

Während es nun versinkt, geht Lefthand schon mal vorsorglich schwimmen, ein Talent, dass dem Lord leider nicht gegeben ist. Er schafft es aber noch, seine reichhaltigen Wertsachen an sich zu raffen und sich aus dem Wrack zu befreien, wobei er sich an einem schwimmenden Tisch festklammert. Lefthand hat kurz darauf beim Schwimmen mit Barracudas zu tun, kann sich aber schließlich auch kraftlos auf den treibenden Tisch ziehen.

Derweil hat Socorro trotz des Sieges aber andere Probleme, denn ohne das Schiff verdirbt ihm bald die eingelagerte Maisernte in den Scheunen (keine Ahnung wieso, Mais sollte eigentlich nicht sofort verderben und schon gar nicht besser halten, wenn er im Laderaum eines Schiffes lagert).

Am nächsten Morgen findet dann der einsame Fischer Felipe Zamoca das Treibgut und die daran festgeklammerten Männer, die er in seine kärgliche Behausung schafft, um sie wieder aufzupäppeln.
Alsbald erwachen die Böslinge wieder zu neuem Leben und gehen sich fast sofort an die Gurgel, um dann doch ihre Zweckgemeinschaft fortzusetzen. Crowness engagiert Jack erneut für den Mord an Socorro (für zwanzigtausend Dollar), aber der will das nicht selbst tun, sondern den Haciendero in eine raffinierte Falle locken, indem in seinem Namen einen Mord begeht.

Dummerweise hat Zamoca das im Nebenraum mitbekommen, was natürlich sofort einen Fluchtreflex per Maultier auslöst und leider ist er auch nicht so gut darin, sein Wissen zu verbergen. Lefthand kann ihn überwältigen und drückt seinen Kopf dann längere Zeit unter Wasser. Nach weiterer Detailplanung (Lefthand soll in dem nahen Matamaros sein Unheil stiften, Crowness gleichzeitig ins entferntere Reynosa reiten und den dort durch und durch korrekten Gesetzesbeamten Luis Camaro gegen Socorro aufhetzen), reitet man los.

Socorro bekommt indes in Matamaros Ärger mit dem dort residierenden Alkalden Don Cerano, der mal eben den Mais für sich selbst konfiszieren lässt. Weil sie nicht genug Männer haben, müssen sie unverrichteter Dinge nach wieder abrücken.

Felipe Zamoca ist aber keinesfalls tot, sondern kann enorm gut die Luft anhalten und noch besser anschließend zuhören. Er greift sich nach dem Abschied der Fieslinge seine Schrotflinte und löst mehrere Schüsse aus, um sie zurück zu locken.

Letztere werden jedoch von Socorros Gruppe wahrgenommen und reiten zur Hilfe. Dort laufen sie fast in die Falle des sich versteckenden Fischer, können ihn aber überzeugen, dass sie harmlos sind. Zamoca will zwar nichts über das Vorgefallene verraten, aber als Socorros Leute den angeschwemmten Tisch finden, kommen sie recht schnell darauf, dass die Bösewichter dem Untergang entkommen sind. Mit ihrem neuen Wissen konfrontieren sie den Fischer, der endlich alles erzählt. Daraufhin reitet Socorro in Richtung Reynosa und sein Helfer Modesto wird nach Matamaros entsandt.

Dorthin hat es Lefthand inzwischen geschafft und mischt auch ziemlich schnelle den unwilligen Alkalden auf. Dann maskiert er sich gemäß Socorros Vorbild, überfällt drei Reisende und erschießt den Anführer, nachdem er geschickterweise vorher noch seinen falschen Namen genannt hat.

Crowness müht seinen Körperumfang ebenfalls schlussendlich nach Reynosa, wo er sich durstig und hungrig in einer Bodega so ungeschickt daneben benimmt, bis ihn Luis Camaro verhaftet. In dessen Büro macht er dann Socorro madig und beschuldigt ihn des Schiffeversenkens. Natürlich hat Socorro eine prima Presse, so bleibt Camaro misstrauisch, doch Crowness kündigt schon mal ein Rechtshilfeersuchen aus Matamaros an.

In Matamaros wird derweil Modesto Zeuge, wie der Aufruhr von „Socorros“ Mord den Alkalden erreicht und erkennt gleichzeitig Lefthand. Leider stellt er sich etwas zu risikoreich dabei an und wird von dem Killer erkannt. Der überwältigt ihn, aber Modesto kann sich mit einem Wurfmesser (in Lefthands Schulter) wehren und zurück zu Zamocas Hütte fliehen.

Socorro hat inzwischen Verspätung auf dem Weg von Reynosa (Pferd kaputt!).

Modesto informiert Socorros Gang, die sofort, abzüglich Modesto und Zamoca, nach Reynosa aufbrechen.

In Reynosa angekommen, wird Socorro prompt von Camaro eingekastelt (er weiß ja nicht, wie er aussieht) und mit den Mordvorwürfen der aus Matamaros eingetroffenen Zeugen konfrontiert. Und weil es das Standgericht noch gibt, soll er gleich morgen mittag hängen.

Lefthand attackiert schließlich Modesto im Haus des Fischers und hat auch die Oberhand, als er von dem bisher verborgenen Zamoca mittels Schrotflinte weggeblastert wird.

In Reynosa gehen die Dinge ihren Gang und nächsten Mittag hat Socorro schon die Schlinge um den Hals, als natürlich Joe und seine Kollegen eintreffen und die Verschwörung aufdecken. Socorro fängt Crowness mit dem Lasso ein, aber aufgrund unglücklicher physikalischer Verstrickungen (hihi) erhängt sich der Banditen-Lord selbst dabei. Camaro ist untröstlich, aber alles ist nochmals gut gegangen.

»In zehn Minuten wirst du wieder bei Sinnen sein, Greaserboy. Und dann kriegst du eine Kugel in den Kopf!«
Ja, ganz recht, besonders viel Plot ist das nicht und auch nicht sonderlich kompliziert gestrickt, aber dafür recht flüssig erzählt und ohne allzu großen Abgründe in Sachen Logik, zumindest in diesem Roman.

Die Story ist rund und kuschelig, wirkt aber wie um eine niedrige Altersfreigabe bemüht und deswegen vorsorglich bereinigt. Die Opfer des Schiffs-Infernos lässt man mal außen vor, rassistische Implikationen mit der Gruppe militanter Ex-Sklaven fließen nicht in die Erzählung ein und marodierende Finsterlinge, die dutzendfach Unschuldige umbringen, gibt es hier auch nicht, tatsächlich stirbt nur der reiche Reisende in diesem Roman durch die Hand der bösen Jungs, weil es für die Story dringend nötig ist.

Das gibt dem Autoren die Gelegenheit, die Szenen etwas mehr auszuwalzen und etwas mehr in den Kopf der Figuren zu schauen, wobei Fischer Zamoca dabei neben Lefthand noch den größten Happen abbekommt. Die Hauptfiguren bleiben dabei blass und relativ eindimensional, Helden und Helfer, wenig mehr.

Geschwurbelt wird es erst, wenn die Autoren eben wegen der Story begründen müssen, warum Zamoca nicht einfach erschossen wird, sondern ertränkt (was dann auch nicht funktioniert) oder wenn am Ende eher wacklig angenommen wird, der ach so aufrechte Sheriff würde schon ganz schnell den Strick zücken, bevor er alle Beweise angesehen hätte. Und so geschieht es dann auch aus der lauen Luft einiger, sich nicht sicherer Zeugen, kurz nachdem der Sheriff die Beweise noch für nicht ausreichend erklärt hatte.

Ansonsten reist man viel zwischen den drei Orten hin und her, was die Sache überschaubarer macht, wenn auch etwas zu aalglatt gestrickt für meinen Geschmack.

Ansonsten ist alles beim Alten: dicke Bösewichter haben schlanke Helfershelfer, reiche Alkalden sind verfressen und überfett; wer in einer Bodega wie ein Volltrottel irgendwelche Frauen als hässlich tituliert, kriegt Ärger mit den dort saufenden Einheimischen und ohne Hilfe wäre der Held schon lange tot.

Und das führt zu einem Roman, den man flott in einem Zug binnen einer runden Stunde durchlesen kann, der aber gleichzeitig keine weitere satt macht und so bald vergessen wird, wie überhaupt kein Element der Handlung hier besonders tragfähige Substanz hätte.

Aber so schlecht, wie schon so mancher Gruselroman war, ist „Socorro“ keineswegs – allerdings fehlt ihm auch der entscheidende kreative Funke an Verrücktheit oder Extravaganz, den man in einem so flüchtig gedruckten Medium eigentlich benötigt.

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Kommentare  

#1 Heiko Langhans 2018-01-16 07:15
Zu den Ringo Hurricanes gehörte auch Dieter Hauschild, der aber an Socorro nicht mitgeschrieben hat.

www.editionbaerenklau.de/interviews-autoren/pat-urban/

Uvalde ist m.E. ebenfalls ein Sammelpseudonym ... :-?
#2 Alfred Wallon 2018-01-16 19:03
@ Feldese:
Die Serie heißt SALTILLO.

@Heiko Langhans:
Gordon F.Uvalde war in der Tat ein Sammelpseudonym. Meines Wissens sogar teilweise für Übersetzungen aus dem Amerikanischen.

Was den RINGO HURRICANE bei Socorro angeht, so kann man diese Romane nun Frank Helgath zuordnen. Herr Thau hat mir gesagt, dass er an diesen Romanen nicht beteiligt war. Und unabhängig davon habe ich das auch schon herausgefunden.
#3 Harantor 2018-01-17 08:20
Gemäß des Kommentars #4 von Alfred Wallon ordnen wir diesen Roman nun nur noch Frank Helgath zu
#4 Alfred Wallon 2018-01-17 12:08
@ Harantor: Genauso ist es.

@Feldese: Im Marken-Verlag gab es drei Serien mit Helden in der "Ich-Erzählperspektive": KELLOCK, NEVADA und TOM FRISCO. Ich kenne alle drei Serien und war damals schon der Meinung, dass diese drei Helden sich sehr ähneln. Deshalb heißt unsere Serie jetzt CALLAHAN, in der bis jetzt die KELLOCK-Romane erschienen sind, von denen wir die Rechte haben. In Kürze folgen dann die NEVADA-Romane von Herrn Beck - auf die er im übrigen ganz besonders stolz ist, wie er sagt.

Die "ungekürzten" Beck-Romane sind Originaltexte von alten Leihbüchern, die Herr Beck damals geschrieben hat.
#5 Rasmussen 2018-01-18 08:41
@Alfred
Danke für die ausführliche Antwort (die jetzt vor meine Bitte an Harantor geschoben wurde).
Auch ich hab die frühen NEVADAS, die ich kenne, noch positiv in Erinnerung.
Meines Wissens hat F. Beck folgende zu der Serie beigetragen:

7 Fluß der toten Seelen
13 Wo die Hölle gefriert
17 Das Teufelsrennen
20 Die Letzten von Lonewells
23 Apachenwüste
26 Treibjagd
31 Der eisige Fluch
43 Sergeant Bull
46 Kittys Flucht in die Wüste

Oder waren es noch mehr?

Am bekanntesten ist wohl Becks "SHANNON"-Reihe (im Silber-Western von Zauberkreis). Wird diese in der Edition Bärenfang vollständig und chronologisch veröffentlicht?
#6 Alfred Wallon 2018-01-18 14:49
@Feldese:

Wir bringen alle Beck-Romane, die bei NEVADA erschien sind. Ich bin gerade unterwegs und habe die Liste nicht greifbar. Bei www.romanhefte-info.de ist die ganze Serie aufgelistet - mit den Autoren.

JIM SHANNON kommt komplett. Die ersten Bände sind ja bereits erhältlich. Ich will noch mal auf Herrn Becks NEUEN Roman "Man nannte ihn Windreiter" hinweisen - gibt's als eBook u n d Print.

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