»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Vampir der Prärie (Grusel-Western 12)
Ausflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Vampir der Prärie«
Grusel-Western 12 von Dodge McMesser (???)
Nach dem überaus soliden Durchstarten mit der Mad Scientist-Ghoststory-Hexenmeister-Revenge-Story beim letzten Mal, sind die Pferde hier schon mit dem Titel und seinem hübschen Cover gesattelt. „Vampir der Prärie“, das klingt schon so anheimelnd nach hämoglobinsüchtigen Präriehunden und anämischen Bisons, das kann nur knorke werden.
Das Cover stimmt auch gröhlend in den Kanon mit ein: ein berittener Fantomas mit Reißzähnen und Vulkanierohren prescht durch die Nacht, sein Ross hat Schaum vor dem Mund und im Arme hält der finstere Kerl eine dralle Maid, deren Hals flächendeckend eingerötet wurde – alles in allem habe ich schon vor der Lektüre eine Umsetzung mit mehr Trash erwartet. Ganz so schlimm ist es dann doch nicht geraten, aber dennoch muss ich auch hier anmerken, dass das Grundkonstrukt des Romans – welches sich erst wirklich auf den letzten Seiten erschließt – nicht sonderlich sattelfest ist. Keine gute Grundlage, dieses Attribut, vor allem im Wilden Westen.
Also spielen wir mal Cowboys und Vampire, wobei ich – wieder ohne den Autor identifizieren zu können – mir sicher bin, dass hier ein anderer Schreiberling den Griffel gespitzt hatte, als in der letzten Ausgabe. Dafür spricht einerseits der Dramatik heischende, teils operettenhafte Ton, der auch für Stummfilmzwischentitel ohne weiteres funktioniert hätte, als auch die für einen Heftroman schon fast sagenhaften Gewaltspitzen, bei denen sogar meine Augenbrauen ein bis zwei Etagen höher wanderten. Dass hier die Zensur nicht die Kettensäge rausgeholt hat oder angesichts einer mehrseitigen martialischen Lynchjustizsequenz nicht eingegriffen wurde, ist schon starker Tobak, vor allem weil im Rahmen des Groschenheft-Moralkodex von 1947 so eine Untat unbedingt gerächt werden müsste, was aber hier gar nicht mehr in die Handlung passt und deswegen unter den Tisch fällt.
Kennzeichen dieses GW ist des Autors Absicht „LIEBE! DRAMA!WAHNSINN!“ zu betonen, wie es schon in den seligen 80ern die Kompilationsserie „Männer ohne Nerven“ im Vorspann in Großbuchstaben für sich reklamierte (wer möchte, kann sich den Mitschnitt immer noch auf youtube ansehen), wobei das produzierte Ergebnis mitunter nicht selten ein flottes Gniggern provoziert, ehe plötzlich wieder die rote Soße literweise durch die Gegend splattert. Auch sorgt immer wieder ein gewollt „flotter“ Tonfall für einige Bonmots, die nicht unbedingt im Wilden Westen heimisch waren, aber anno 1975 hat sich bestimmt keiner beschwert, dann wollen wir es auch nicht tun.
Also dann mal „auf ihn mit Gefauch…“
»Viel zu erkennen ist nicht gerade!« - »Yeah, hier ist's dunkel wie im Arsch von Nigger Charlie!"«
Naja, es ist nicht gerade Trash, aber Käse ist es irgendwie doch!
Prinzipiell habe ich nichts dagegen, wenn sich der Horror, um den sich die Handlung dreht, am Ende als Fake erweist – solche Fälle hat schon William Hope Hodgson vor dem WK1 für seinen Geisterdetektiv Carnacki mit großem Vergnügen entworfen – aber anstatt daraus ein beachtliches Drama mit ungeheurer Tragik zu bauen, wie es hier möglich gewesen wäre, wirkt der bisweilen flapsige Tonfall allerorten eher wie ein Schlag ins Gesicht.
Filetstück der Handlung ist dann auch nicht der Vampirplot, sondern das eingeschobene Drama rund um den Lynchmob und die Ermordung einer fünfköpfigen unschuldigen Familie, die dummerweise das falsche Herkunftsland hat. Das mag zwar ungeahnte Aktualität angesichts der angespannten Volksseele inländisch haben, doch die Story kommt mit 40 Jahren Anlauf daher und über acht Seiten für die grölende Attacke auf den armen Ungarn aufzubringen, bis der rasende Pöbel nach endlosen Beschimpfungen sein Opfer und dessen Familie endlich kleingemacht hat. Und dann geht es noch seitenlang weiter, bis der Mörder vom Vampir auch noch „gerächt“ wurde. Dieses ununterbrochene Handlungsstück nimmt mehr als ein Viertel des gesamten Romans ein – und wird dann vollkommen außer Acht gelassen.
So war es halt im Alten Westen oder was? Keine Rache, keine Gerechtigkeit, keine Meldung an den Marshall – aber das ist auch schwer möglich, denn der macht sich kurz vor Halbzeit auf die Suche und ward nicht mehr gesehen. Big Ranch-Ben? Kriegt ne Flasche über den Schädel und scheidet aus. Unser Held Maynard? Killt den Vampir und reitet ne Runde Poppen, anstatt die Scharade in der Stadt offen zu legen und vielleicht mal die aufgeputschten Mörder bei der Justiz zu melden. Passiert halt.
Passiert möglicherweise wirklich manchmal auf dieser unschönen Erde und kann auch als zynischer Kommentar des Autors verstanden werden, aber hinterlässt einen bei den vielen bemühten Sprüchlein einen faden Nachgeschmack. Dazu passt, dass der Verfasser offenbar in der seinerzeitigen Schreibwoche offenbar keine Verwandten kannte, denn die martialische Quälerei der Ungarn ist schon harter Tobak, der kein Ende nehmen will. Dann wird der eine Teenager umgepustet, der Andere kriegt eine Kugel in der Schädel, die samt Gehirnmasse wieder austritt. („Es sah so aus, als bräche mitten auf seinem Kopf ein kleiner Vulkan aus.“) Dann fackeln auch noch Frauen der Familie in Großaufnahme ab, komplett mit sich schälender und aufplatzender Haut. Und dann wird Vatern auch noch langsam und brutal die Brust durchbohrt, da fallen die diversen aufgeschlitzten und literweise Saft verspritzenden Halsschlagadern gar nicht mehr auf. Da fragt man sich schon, ob der Autor keine Ahnung von Horror hatte (die Krch-Fauchlaute aus einem blass geschminkten Gesicht, die hier permanent Hysterie auslösen, laden eher zum Kichern als zum Gruseln ein und durch die viele Flachserei (siehe: Ein- und Ausgangszitat) wird die Mischung nicht eben geschmackssicherer.
Allerdings ist das Aufputschen des Mobs an sich dem Autor gut gelungen, entwickelt das Agro-Lauffeuer sich doch sehr organisch, ohne einen großen Anführer und nur unter Zuhilfenahme von sehr viel Alkohol. Ein gewisser Realismus beim Rassismus ist da schon am Start, wobei die Episode mit dem Italiener Luigi, der sofort angesichts der Kränkung seiner Familienehre mit der abgebrochenen Flasche droht, schon ein wenig zweifelhaft (oder sehr 70er) ist.
Ansonsten wirkt der Restroman aber umständlich und albern. Getragen und operettenhaft der Einstiege mit dem endlosen Gekreische angesichts einer zischenden Fratze; übertrieben gedehnt der Angriff auf die alten Weideleute und ebenso absurd langgezogen der Angriff auf Judy, bei dem der karrierebewusste Banker „in disguise“ sich einfach mal als „ne alte Busengrabscher“ betätigt, als Judy (wie üblich kaum bekleidet) sich eine Ohnmachtsauszeit nimmt.
Ominös-platt nehmen sich da die unheilvollen Ankündigungen über das Schicksal der Figuren oder den weiteren Verlauf der Nacht aus, blumig umschrieben der Schrecken der Maske, die einmal tatsächlich mit Schneewittchen verglichen wird (Weiß wie Schnee, Rot wie Blut…), wobei die Schwärze in diesem Fall auf die Augen geht und nicht auf die Haarfarbe. Fast schon lyrisch müht sich der Autor ab, um es drei Absätze später wieder von Rülpsern oder Kotzattacken krachen zu lassen.
Ergo: ein Wechselbad der Gefühle und eine Achterbahnfahrt der Qualitäten. Langeweile gab es nicht, aber an Timing hat es gemangelt. Leider!
Macht das jetzt noch Lust auf mehr? Ja - aus generellem Kuriositätenwert gesehen ist die Serie ein echtes Füllhorn, aus dem man immer mal wieder einen netten Schluck nehmen kann, aber vielleicht wisch ich die nächste Woche auch mal einfach durch die anderen Zimmerecken, ob sich da vielleicht nicht noch was Anderes findet…