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»Schön war die Jugend?« - Ausflüge in die Romanheftvergangenheit: Kesseltreiben auf Santana (Santana 72)

Schön war die Jugendzeit? -  Ausflüge in die RomanheftvergangenheitAusflüge in die Romanheftvergangenheit:
»Kesseltreiben auf Santana«
Santana 72 von Frederick Nolan (???)

Jaja, sprach der alte Oberförster … das hab ich mir wohl so gedacht, als ich meinem Suchen nach mir noch unbekannten personalisierten Serien aus dem Westernbereich zu der klassischen Bastei-Serie »Santana« griff, die zwischen 1976 und 1981 immerhin auf 120 Bände kam, weil man sie – anders als die gängigen Westernserien – nicht komplett verheizte, sondern vierzehntäglich als besonderes Bonbon an die Kioske schubste.

Das lief in etwa so wie „Professor Zamorra“ oder „Tony Ballard“ bei den Gruselserien.

Scheint ja nicht der übliche Billig-Stiefel erprobter Vielschreiber aus germanischer Zucht zu sein, sondern wirbt selbstbewusst als „Amerikas großer Western-Bestseller von Frederick Nolan“, ein Name, der mir zugegeben so gar nichts gesagt hat, aber in Verbindung mit dem Wort „Amerika“ die Unger- und Wilken-Müden unter den Lesern vermutlich zuhauf anzog.

Aber – oh, böser Schwindel – was spült das brave Internet da bloß wieder an die Oberfläche: Nolan ist nicht mal Ami, sondern Engländer aus Liverpool und gehörte zu einem auf der Insel recht bekannten Western-Zirkel, der mit recht dreckigen und gewalttätigen Western sich eine beachtliche Fangemeinde in den 70ern heran zog.
„Santana“, der Held dieser unserer Geschichte, heißt im Original auch nicht „Santana“, sondern „Angel“ (ausnahmsweise schätze ich mal die Umbenennung) und erlebte auch nur gut fünf Abenteuer, wobei weitere Geschichten von anderen Autoren später zugefügt wurden. Soweit ich der mehr als detaillierten Recherchearbeit auf dieser Seite vertrauen darf, wurden dann auch nur gerade mal vier der Originalabenteuer innerhalb der Heftromanserie veröffentlicht – und das innerhalb des ersten halben Dutzends.

Also war „Santana“ - neben einem netten Etikettenschwindel – dann doch ein Produkt aus einer deutschen Stiefelschmiede, wobei im Großen und Ganzen wohl aber patente Schreiber sich Mühe gaben, den unbezwingbaren Helden mit brauchbaren Gegnern zu konfrontieren. Wer jetzt welchen Roman geschrieben hat, liegt zum Teil noch im Dunkeln, aber vielleicht ist das auch ganz gut, denn das Ergebnis ist doch recht dünn und eindimensional und als Held kann man da sicherlich noch einiges nachpolieren.

Parallel zu „Santana“ lief damals ja schon sehr erfolgreich „Lassiter“, der bald so ziemlich jeden Einzelgänger bei „Bastei“ in sich vereinte und einen bis heute laufenden Siegeszug antrat, während nachfolgende „Individualisten“ meistens auf 40-70 Romane beschränkt blieben.

Gewisse Ähnlichkeiten zu „Lassiter“ sind hier auch definitiv zu bemerken, Letzterer war ja als „Mann der Brigade Sieben“ unterwegs, während „Santana“ als Held ohne Eigenschaften und Erinnerungen offensichtlich durch die Wildwest-Ninja-Jedi-Schmiede gegangen ist und als Special Deputy des US-Justizministeriums mit der Lizenz zum Töten und Entlassen ausgestattet wurde, so dass er eigentlich ALLES kann, wenn er auch außer den Schieß- und Ninja-Eigenschaften sehr wenig davon anwenden muss, denn die Ermittlungsarbeit erleichtern ihm vollumfänglich die bösen Jungs, die entweder sehr schwatzhaft sind oder noch mal schnell beichten wollen oder selbst in den unteren Rängen praktisch ALLES wissen, was man braucht, um eigene Vermutungen noch einmal bestätigen zu lassen.

Wem das jetzt ein wenig simpel vorkommt: das ist es auch.

Klar, reine Supermänner mag niemand, aber das hier ist so auf Naht geschneidert, um die überragenden Fähigkeiten des Helden wiederholt (und zwar SEHR wiederholt) zu präsentieren, dass es fast schon langweilig wirkt – soweit ich mich erinnere, kam Lassiter wenigstens einmal pro Roman in wirkliche Todesgefahr, aus der er sich erst mühsam herauswinden musste, bisweilen sogar mit schweren Verletzungen. Santana? Schürfwunde? Versorgen? Jetzt nicht!

Um das im Detail zu demonstrieren, gehen wir mal rein in den neuesten Fall…

Kesseltreiben auf Santana»Sir, wenn ich auch nicht auf Seiten der Indianer bin – zumindest nicht, soweit es sich um jene handelt, auf deren Konto diese Verbrechen kommen – muß ich ihnen trotzdem sagen, dass es völlig falsch ist, von roten Hundesöhnen zu sprechen. Man sollte niemals vergessen, daß den Indianern dieses Land einmal gehört hat und daß sie von uns, den Weißen, vertrieben und betrogen wurden. Man sollte sich also nicht wundern, wenn sie aufsässig werden.« (Die Ureinwohnerdebatte. In a Nutshell.)
Also wir sind irgendwo in den Santiago Mountains, für Nicht-Amerikaner, das liegt in Kalifornien, nördlich von San Diego, aber weit südlich von Los Angeles.

Irgendwo in einer gepflegten Einöde (Bombengegend für Ranches und Farmen) marodiert eine sechsköpfige Gruppe von Lipans (Indianerstamm) durch die Gegend, brennt Farmhäuser nieder und exekutiert die Bewohner, jetzt mal abzüglich von ein paar Kindern, die dann den Behörden berichteten.
In dieser Nacht ist die Farm der Bettermans (sic!) dran, deren Besatzung nur aus einem Ehepaar und einer alten Farmhand besteht. Letzterer stirbt als Erster, dann kriegt die liebe Frau bei Hysterischwerden eine Kugel in die Brust, unten in der Tür trifft es dann ihren Mann, weil umgekehrt er nicht besonders gut im „Treffen“ ist.

Doch Frau Betterman ist ein zähes Luder und kämpft sich trotz Brustkugel noch bis in den Vorhof, während das Haus abfackelt, wo sie ab dann ein Päuschen einlegt.

Auftritt Santana, der einige Meilen entfernt gerade mit seinem ultraintelligenten Rapphengst Coronado eine Runde Uno spielt und natürlich sofort alarmiert ist. Er ist genau wegen dieser untypischen Angriffe im Einsatz, aber weil er so ein helles Köpfchen ist, zeigen verschiedene Indizien, dass es sich auch um als Indianer verkleidete Weiße handeln könnte.

Santana kann die Farm nicht mehr retten, findet aber Mrs. Betterman, die dank Steckschuss dringend in medizinische Behandlung muss. Ab diesem Moment beginnt für die semi-komatöse Frau eine unglaublich entbehrungsreiche Reise in das 35 Meilen entfernte Haymond, wo sich der nächste Arzt befindet und die endet trotz aller Lebensgefahr erst auf Seite 27 des Romans (!!!).

Santana begräbt nämlich erst einmal die beiden Toten, bastelt dann aus einem Wagen und seinem Pferd einen Einspänner zusammen und zockelt dann endlich los. Nach gemächlicher stundenlanger Fahrt kommt er auf das Gelände einer Ranch, wie es scheint, wo Rinder weiden und Öltürme die Szenerie prägen.

Prompt kommen die ersten Reiter auf ihn zu, die jedoch weniger Weidearbeiter sind, als vielmehr schlecht getarnte Revolvermänner der Two-Forks-Ranch. Die wollen den bedrohlichen Eindringling natürlich sofort weg haben, obwohl sie noch gar nicht wissen, was eigentlich Sache ist. Im Umkehrschluss hat Santana es wohl auch nicht nötig, den einfachen Satz „Ich hab da eine angeschossene Frau, die muss zum Doc, ich brauche Unterstützung und ein frisches Pferd!“ auszuformulieren.
Stattdessen provoziert die reitenden arroganten Arschgeigen, die auch sofort das Feuer auf ihn eröffnen und mit ein paar Kugeln entwaffnet werden. Fortan reiten die Jungs voran, was die Heilung der Frau auch nicht schneller macht.

Kurz darauf trifft man auf weitere drei Reiter, einer davon der Vormann Jack Broome, der Santana schon bekannt ist (Merke: Santana kennt eine Menge Leute oder hatte schon mal mit ihnen zu tun!) und das Spiel wiederholt sich. Santana ist wieder auf Vorwarnung statt Erklärung aus, Broome will nur um sich schießen und kriegt selbst eine Kugel.

Zwar rückt die Verstärkung an, aber endlich erklärt Santana mal das Ziel seiner Reise, nämlich die Ranch, dazu musste er nur diverse „Angestellte“ gegen sich aufbringen, die sie alle nun begleiten. Auf der Ranch angekommen erwartet uns nun schon der weißhaarige und sehr ungnädige Boss Sam Birch und dessen hübsche Stieftochter June. Sam ist der latent cholerische Nervtöter, den sogar Santana nur mit dem Zücken seines US-Marshal-Stern halbwegs besänftigen kann – vor allem, als er ENDLICH mal sagt, was denn nun Sache ist. Birch pupt trotzdem endlos rum, bis June endlich ein Pferd für den Wagen zur Verfügung stellt und hilfreiche Tipps gibt – sie hat Mrs.Betterman nämlich erkannt.

Weiter geht die Reise, doch vor der Ankunft in Haymond hat der Herrgott noch die Durchquerung eines Kakteenfelds gesetzt, wo auch prompt in einem Hinterhalt wieder zwei Männer auf Santana warten. Die werden sowohl gesehen als auch gehört (die Idioten unterhalten sich sogar) und unser Held kann sie umgehen und einen außer Gefecht schießen. Den Anderen kennt er mal wieder, einen Mann namens Jerry „Black“ Shafter (prima Pornoname übrigens!), den er dann auch umlegen muss. Dumm gelaufen, denn Jerry hatte die Kontakte und Nr. 2 namens Bud Wise weiß gar nicht, wer sie engagiert hat. Santana tippt dennoch auf Birch.

Kurz darauf kommt man zu dritt endlich in Haymond an, wo sich der leicht angejahrte Sheriff Gus Demmin als recht hilfreich erweist. Man lernt auch den Bürgermeister kennen, einen fetten Mr.Riddle (!!!), der als roter Hering herhalten muss, mit der Angelegenheit aber nichts zu tun hat. Als Auslöser einer Pro-Indianer-Moralpredigt muss er aber herhalten. Dann tritt auch noch Doc Jacobson auf, der so sarkastisch gezeichnet ist, dass ihn die Autoren vermutlich bei Dr.McCoy in seinen schlimmsten Enterprise-Folgen durchgepaust haben. Immerhin, seinen Job versteht er.

Nach einer Badewannenrunde mit Narbenbestaunung durch den Sheriff kann Mrs.Betterman trotz Fieber bestätigen, dass die Angreifer keine Indianer, sondern Weiß waren und dass sie von der Birch-Ranch stammten. Und noch ein interessantes Detail fügt sie hinzu: nämlich dass einer von ihnen sie vergewaltigen wollte (steht am Anfang nichts von), weil sie bewusstlos wirkte. Dann sahen die Angreifer angeblich ihre Verletzung und statt sie zu „finishen“, zog der Eine den Anderen weg. Merke: Finsterlinge vergewaltigen lieber bewusstlose Opfer, bluten sollten sie wohl aber nicht.

Kaum tritt Santana wieder auf die Straße, wird er erneut von zwei Männern unter Beschuss genommen. Einen tötet er, den Anderen schießt der Sheriff an und verwundet ihn so schwer, dass er nicht aussagen kann. Extra hinzu: Streifschuss, Kratzer. Bonusrunde: eine Eingebung Santanas, dass man dem Mann vom Telegraphenamt, einen Jim Bushman (muharhar) eventuell nicht trauen kann, weil er Informationen weiter gibt.

Santana reitet nun wieder los in Richtung Alpine durch die wilde Bergwelt, wo er schon bald am Verhalten eines Adlers (den es laut ihm selbst dort eigentlich nicht geben dürfte) erkennt, dass ihm schon wieder jemand folgt. Auch diesen Gegner kann er in einen Hinterhalt locken und entwaffnen, doch der Angreifer gibt nicht auf und greift mit dem Messer an. (Das muss also ein Spaghetti sein, wenn ich mal so schön zitieren darf…). Anstatt auf Indianer Jones zu machen, benutzt Santana als Hero nun die Fäuste und im Kampf fällt Bösewicht in seine eigene Klinge. Wieder keine Auskünfte möglich.

Nach einigen Weiterritten in der Nähe von Two Forks, trifft er dann die sechs Indianer in der rauhen Bergwelt eines Canyons, die eigentlich gar nichts machen, sondern sich ihm nur nähern. Mit seinen operativen Bewegungstricks eröffnet der Held wie wild das Feuer und kann drei der Gegner ausschalten und dabei dann anhand der Flucherei auch feststellen, dass er es wirklich mit Weißen zu tun hat. Der Rest vom Fest flieht.

Endlich schafft es Santana nach Alpine, wo sein Kumpel Burt Waxler den Stern trägt und ihn die schöne Maureen Shoemaker anschmachtet. Waxler hat auch gute Tipps, weswegen Birch den Schwindel aufziehen könnte, denn er vermutet noch mehr Öl unter den angegriffenen Standorten. Santana ist sich um die Bedeutung des Öls noch gar nicht bewusst, darum kam er nicht sofort auf den Wert des Unternehmens.
Nebenbei erfährt er auch eine dolle Story vom Aufstiegs Birchs, der die Witwe seines früheren Bosses heiratete, nachdem ihr Mann von „Viehdieben“ erschossen wurde – natürlich muss ein Finsterling auch für so einen Karrierestart herhalten, das war der doch bestimmt selbst...

Kurzes Zwischenspiel auf der Straße von Alpine: die drei restlichen „Lipans“ greifen wieder zu den Waffen, die aber alle angeschossen und überwältigt werden können.

Mit allen Infos reitet Santana den gleichen Weg wieder zurück und hat schon bald wieder vier Verfolger an den Hufen (gähn!). Diesmal gibt es ein Canyon-Kessel-Felsspalten-Versteckspiel höheren Schwierigkeitsgrades, bei dem zwei Angreifer verwundet werden und zwei fliehen (Immerhin: die Todesrate ist niedriger als sie sein könnte.).

Santana bringt die beiden nach Haymond und erfährt, jetzt wo er sowieso schon alles weiß oder vermutet, nun auch reichlich von gesprächsbereiten Banditen, die offenbar genug wissen, um auch seinen Mordverdacht vom Karriereanfang bestätigen zu können.

Nachdem er auch noch den Telegraphenmann einkassiert hat (der sich unter Colt-Androhung natürlich zu einem Geständnis bereit sieht), holt Santana endlich seine Berechtigung als Special Deputy aus der Tasche. Damit könnte man jetzt gegen Birch auf breiter Front vorgehen, aber Männer wie Santana machen so etwas natürlich allein. Sie untersagen sogar potentiellen Helfern, sich zu beteiligen.

Unser Held wattiert seinem Pferd die Hufe und schleicht sich nächtens durch den nahen Tann an die Ranch heran, überwältigt ein paar Leute in aller Stille, erhält noch ein paar Infos von einem tatsächlichen Cowboy, der mit dabei war und dringt bis in das Haus ein, wo er die Wachen im Wohnzimmer allerdings nicht lautlos außer Gefecht setzen kann. So werden Sam Birch und auch June wie bald die ganze Besatzung aufmerksam und JETZT kommt Santana plötzlich mit der Ankündigung der Verhaftung aus der Hose.
Leider sind die Killer draußen und Birch ist drinnen, aber Santana bringt ihn dazu, den Mord an Junes Daddy zu gestehen (weil Birch doof ist oder es so einfacher geht). Es kommt zu einem kurzen  Gefecht, bei dem ein Angreifer das Haus entert und Santana zwischen die Mühlsteine gerät. Er erschießt den Angreifer und kriegt dafür von Birch eine Kugel in die Brust ab.

Drei Tage später ist er wieder wach und – deus ex machina – June hat ihn halb gesund gepflegt. Sie hat auch ihren Stiefvater angeschossen, das Kommando übernommen, alle Killer weggeschickt und die Sozialdemokratie eingeführt, was praktisch ist, weil wir ja schon auf Seite 63 unten waren.

Da kann Santana jetzt noch getrost ne Runde poofen…

»So, Amigo, nun wollen wir dir Schuhe anziehen. Jaja, ich weiß, dass du nichts davon hältst, aber es muss sein!« (leicht unwilliges Wiehern von Pferd und Rezensent)
Sollte nun irgend jemand der Meinung sein, ihm käme dieser Roman wie eine Abfolge von Hinterhalten und Attentaten auf den Helden vor, dem kann ich nur sagen: das ist so und der heißt ja auch schließlich so. Vong Titel her.

Der Witz ist: wenn man das gepflegt bei einer Tasse Tee oder auf dem Klo wegschmökert, dann fällt das zunächst gar nicht besonders auf. Ist ja auch eine Menge los, dem Protagonisten kann sowieso keiner was (sonst würde die Serie ja auch nicht so heißen), geschossen wird reichlich und die Gegner sind zahlreich.

Hinterher allerdings keimen dann langsam die Zweifel, ob die Gesamtkomposition den gehobenen Heftromanansprüchen denn noch genügt. Hinterhalt, Hinterhalt und noch ein Hinterhalt, wobei ich wenigstens positiv erwähnen möchte, dass sich die „Henchmen“ hier nicht vollends zum Affen machen, sondern einfach nicht so gut wie der Held persönlich sind.

Nicht so gut, das gilt leider auch für den Plot, der seine ganzen Wendungen per Exposition praktisch auf den Leib gestickt trägt. Indianer marodieren? Ach so, die Pferde haben Beschläge, hm...das wird  doch wieder so ein weißes Komplott sein…
Was könnte der Grund sein? Um an Grundbesitz zu kommen? Wieso dieses. Ach, da stehen Ölbohrtürme in der Gegend herum. Na denn…

Nach dieser Ausmalbuchmethode funktioniert auch der Rest des Abenteuers, der eigentlich nur aus tödlichen Anschlägen besteht, unterbrochen von kurzen Zusammenfassungen der neuesten Intuitionen des Protagonisten (alle richtig!) und spontanen Eingebungen bezüglich weiterer Beteiligter (auch alle richtig!). Der erste Verdächtige, laut, reich, rabiat und unwillig, muss demnach in so einem Schnellschuss auch der schlussendliche Hauptbösewicht sein. Und so geschieht es dann auch.

Das wäre weniger dröge, wenn Santana irgendwann auch mal in Schwierigkeiten kommen würde oder in die Defensive geraten, aber eigentlich kann ihn nichts aus der Ruhe bringen und genau das keltert so eine leichte Arroganz aus der Figur, mit der man sich – breitärschig – einfach in allen Situation als das Kampfschwein mit der dicksten Hose beweisen kann.

Frühzeitige Deeskalation, sinnvolle Verhandlungen, Ersticken des Aggressionspotentials, nicht doch, hat Santana doch nicht nötig. Alles Hackfressen und schlecht erzogen, darum kriegen sie verbal erst mal aufs Mett und weil die Dorfschule nach Klasse 4 schon zu hatte, greifen natürlich alle sofort zur Knarre. Und wenn sie dann alle eine Kugel in der Schulter haben, holen wir endlich mal die Marke oder den Stern raus. By Jove, wenn der Westen wirklich dauerhaft so gewesen wäre, dann hätte da niemand vor 1900 länger als eine Woche überlebt – außer, ja, außer es könnten alle so zauberhaft schießen wie Santana und damit die Todesquote auf einem verblüffend niedrigen Level halten. Das ist ein bissl so wie in „Terminator 2“, es gibt noch Gewalt, aber es werden eben nur Kniescheiben zerschossen. Aber Hauptsache Gewalt.

War sonst noch was? Nicht viel.

Die Erzählung bleibt stets nur an Santana, der erst gar keine und dann jede Menge Auskünfte kriegt. Die Mädels sind entweder nebensächlich, um dann am Ende per Dreh plötzlich wundersam selfmade zu werden (June) oder einfach nur nettes Beiwerk, welches nicht gepoppt werden kann, wenn der Deputy gerade zu tun hat. Von Finstermann Birch hätte man gern noch sehr viel mehr erfahren, aber man beschränkt sich auf einen Rumpelauftritt zu Beginn und eine depperte Versabbelei am Ende, wenn er den Mord am ersten Mann seiner toten Frau gesteht – in diesem Moment wäre es aber angemessener gewesen, wenn June ihm beim Standoff das Hirn rausgeblasen hätte. Aber zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon die Geduld verloren, als der Held sich mit großem Aufwand ins Zentrum des Bösen schleicht, da dann zwischen dreißig Colts seine Marke hochhält und total überraschend in die Defensive gerät.

Wer einfach nur eine Heldenstory will, der fand „Santana“ sicher großartig, aber für mich ist ein Sonderermittler mit Spezialausbildung in Washington, indianischen Trick- und Kampfkünsten und übermenschlicher körperlicher Flexibilität dann doch irgendwie nur das Produkt, wie es lustig gemeinte TV-Serien schon in den 60ern propagierten. Nur ist das hier mit todernstem Gesicht runter gespielt.

Ich kann ja demnächst tatsächlich mal wirklich einen Lassiter lesen, mein letzter ist auch schon 30 Jahre her…

...aber vorher widmen wir uns anderen...äh...Bedrohungen...

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Kommentare  

#1 Andreas Decker 2018-11-20 10:35
Das dürfte in der Entwicklung zu den merkwürdigsten Bastei-Serien gehören.

Wenn ich das ergänzen darf, die Angel-Romane erschienen im Original alle unter dem Namen Frederick H. Christian. Autor Nolan war ursprünglich Lektor bei Gorgi Books, damals einer der großen englischen Verleger. Später schrieb er unter seinem richtigen Namen Romane, die die damaligen Bestseller nachahmten. Also in der Art von Puzo, Forsyth etc. Sind auch ein paar in Deutschland erschienen. Eines gibt es sogar heute wieder als offizielles Ebook.

Das mit dem Bestseller in Amerika ist natürlich frei erfunden. (So wie mit den Neue Western aus Amerika, die anfangs alle aus England kamen.) Die Angels sind alle zuerst in England erschienen und später dann bei Pinnacle in Amerika, wo sie den Markt nicht gerade im Sturm erobert haben.

Bastei hat also die Rechte der Romane und des Konzepts gekauft, und dann alles umbenannt. So extrem wie in diesem Fall hat man das sonst nie gemacht.

Ich habe mal einen der Originalromane gelesen, kann mich aber nicht mehr erinnern, ob der Held da auch schon so ein Überflieger war. Auf jeden Fall war das mehr in klassischer Westernmanier geschrieben und keiner der britischen harten Western, die später dann so abgeräumt haben.

Garantiert stand das Konzept des Spezialagenten Pate, als Lassiter Ärger mit dem Jugendschutz bekam und vom Verbrecher flugs in einen Polizisten verwandelt wurde.


Aber man muss es der Serie lassen. 120 Bände sind schon im oberen Feld, was Serienfiguren angeht.
#2 Advok 2018-11-20 17:04
Die ersten Bände erst vor einigen Jahren gelesen:
Sie unterscheiden sich schon von jenen deutscher Autoren. Die Landschaftsbeschreibungen sind intensiver - insofern bin ich da überrascht, dass es ein englischer Autor war (hat aber Andreas bereits vor einigen Jahren hier irgendwo ausgeschrieben).
Ebenfalls gelungen bei den ersten Bänden: Die Charakterentwicklung. Da will ich jetzt nicht spoilern, aber da war eine der Anfangsnummern echt überraschend ... :-)

Noch eine Anmerkung: Heutzutage müsste Bastie das Konzept nicht mehr kaufen - da reicht es, die Namen umzuändern! :-) :-) :-)

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