Sind Autoren schutzlos?
Sind Autoren schutzlos?
Aber rechtlich zulässig bedeutet nicht auch moralisch zulässig!
Es gibt immer mehr Tendenzen, alte Texte nicht nur wegen der älteren Rechtschreibung zu ändern sondern auch hinsichtlich sogenannter „unkorrekter“ Wörter umzuschreiben.
Ich bin ein Anhänger der Werktreue - das heißt man sollte einen Text auch so lesen können, wie er einst geschrieben wurde. Und ein Text muss nicht unbedingt als Vorlage für die nicht unumstrittene neue Rechtschreibung dienen, dazu sind eigentlich Schulbücher da.
Das Problem mit der Reihe „König der Meere“ war vor allem, daß die Serie vor über 60 Jahren geschrieben wurde und wegen manchmal derber Sprache sowie einiger ziemlich heftiger Gewaltszenen nicht zu Unrecht auf den Index kam. Außerdem wurde das heute verpönte Wort „Nigger“ mehrfach in Beschimpfungen verwendet und man überlegte seitens des Herausgebers, dieses durch einen korrekteren Ausdruck zu ersetzten.
Die meines Erachtens halbwegs zufriedenstellende Lösung war, den Text mit Zustimmung der Rechteinhaberin zwar in neuer Rechtschreibung, aber ansonsten unverändert zu drucken. Zusätzlich wurde im Vorwort auf die Umstände der Zeit des Entstehens sowie auf die Verwendung der heute verpönten, damals aber üblichen Ausdrücke hingewiesen.
Aber das führt uns zum Kernpunkt des Problems: Was können und dürfen Verlage mit alten Texten wirklich tun?
Abschreckendes Beispiel sind die sicher nicht des Rassismus verdächtigen Autoren Harriet Beecher Stowe (Onkel Toms Hütte) oder Mark Twain (Tom Sawyer) die beide das damals übliche Wort Nigger verwendet haben.
Und was macht der Verlag bei der Neuauflage von Tom Sawyer? Er ersetzt 219 mal „Nigger Jim“ durch „Sklave Jim“.
Rein rechtlich kann sich der längst verstorbene Autor dagegen nicht wehren.
In meinen Augen ist das eine Respektlosigkeit der Verlage gegenüber den Autoren, und eine Frechheit, einfach historische Texte zu ändern.
Die korrekte Vorgangsweise meiner Ansicht nach wäre zum Beispiel ein Vorwort mit Hinweisen auf die historische Entwicklung der Begriffe und auf den zeitlichen Kontext einzufügen.
Zum Beispiel hat der TC-EdeN mit der Neuauflage von K. H. Scheers „König der Meere“ aus 1952 im Vorwort korrekterweise auf den historischen Kontext des Textes hingewiesen.
Und auch einige Verlage machen das mittlerweile und richtigerweise so.
Leider gibt es Eingriffe in Texte von Büchern insbesonders Jugendbüchern durch Verlage wegen sogenannter inkorrekter Wörter
Die Verlage vertreten dabei die Ansicht, inkorrekte und diskriminierende Wörter gehören nicht in Kinderbücher, weil Kinder im Vorlesealter angeblich noch nicht differenzieren und derartige Begriffe in ihren Sprachgebrauch übernehmen könnten.
Das ist eine heuchlerische Argumentation mit dem Jugendschutz. Besser sollte man von der Pädagogik des Streichens zu einer Pädagogik des Verstehens kommen; leider ist Streichen einfacher für Verlage.
Und noch heuchlerischer ist es, wenn diese Verlage wegen angeblicher Zensur und Gesinnungsterror jammern, dem sie wegen ihrer Vorgangsweise ausgesetzt sind. Dabei sind es doch sie selbst, die die Texte zensieren und diesen Gesinnungsterror ausüben.
Und ebenso moralisch bedenklich ist es, wenn die Verlage die Autoren bzw. ihre Erben unter Druck setzen, den Textänderungen zuzustimmen, falls die Bücher neu aufgelegt werden sollen. Im Strafgesetzbuch fällt das eigentlich unter Erpressung oder Nötigung, da die Autoren von ihren Honoraren leben müssen.
Beispiele gefällig?
Astrid Lindgren: Pippi Langstrumpf
Nach ihrem Tod wurde Negerkönig zu Südseekönig geändert
Otto Preussler: Die kleine Hexe , Räuber Hotzenplotz
Es gab die Zustimmung Negerlein und Türken durch Cowboys und Messerwerfer zu ersetzen, witzigerweise Eskimofrauen durch Indianerinnen, was ebenso inkorrekt ist.
Mira Lobe: Lollo
Der Begriff Negerpuppe blieb, aber dafür kam ein Hinweis im Vorwort
Und was den Jugendschutz betrifft, allein im Fernsehen gibt es täglich Gewalt; Blut und Verbrechen in allen Nachrichten, Fernsehserien und Filmen. Und der Hinweis, daß eine Sendung für Jugendliche nicht geeignet ist, ist ein schlechter Witz, eher eine Aufforderung an die Jugendlichen, diese Sendungen zu sehen.
Eine Art Zensur war seinerzeit auch der Index für jugendgefährdende Schriften wegen Sex, Gewalt oder verbotener Ideologien. Ich denke da z.B. an J.E. Wells Terra Nr. 87 Treffpunkt Pitto oder Scheers Klaus Tannert und Piraten-Romane. Dabei entlocken diese Romane einem heute höchstens ein müdes Lächeln, da wird heute schon wesentlich Ärgeres geboten.
Kommen wir nun zur Political Correctness bzw. zu sogenannten inkorrekten Wörtern.
Wer bestimmt eigentlich, was inkorrekt ist? Meiner Meinung nach Kulturjournalisten und besserwisserische Meinungsbildner.
Beispiele gäbe es viele, die Begriffe Neger, Mohr, Eskimo, Indianer, etc. sind angeblich inkorrekt weil möglicherweise beleidigend.
Dabei wird vergessen, daß sich die Begriffe im Laufe der Zeit in ihrer Bedeutung gewandelt haben und sie sehen nicht den historischen Kontext.
Ist ein Roma vielleicht beleidigt, weil es seit vielen Jahren die kulinarische Spezialität Zigeunerschnitzel gibt? Gilt das nicht auch für Jäger wegen Jägerschnitzel? Für Frankfurter oder Wiener wegen Frankfurter- bzw. Wiener-Würstchen? Gleiches gilt für Süßigkeiten wie Negerbrot, Negerkuß oder Mohr im Hemd.
An sich könnte man das als lächerlich abtun und ignorieren, wenn nicht manche Gastronomiebetriebe ebenso wie die Verleger in vorauseilendem Gehorsam diese Sachen von der Karte nehmen oder irgendwie umbenennen.
Und da hört sich der Spaß auf und man kann das nicht mehr ignorieren bzw. tolerieren. Denn das ist Zensur und Gesinnungsterror und ebenso problematisch wie politische Verbotsgesetze. Es gab unlängst eine Anklage wegen Mißbrauchs der künstlerischen Freiheit (Jonathan Meese), die mit einem Freispruch endete.
Es sollte in einer entwickelten Demokratie erlaubt sein, Blödsinn, Falsches und Widerwärtiges wie auch homophobe Ressentiments zu äußern ohne gleich mit der Justiz oder mit den Jugendschützern in Konflikt zu kommen. Seltsamerweise kommen heutzutage die Rufe nach Zensur und Richter nicht mehr von der rechten bzw. konservativen sondern von linker und grüner Seite. Und Gesinnungsterror ist nicht weniger unangenehm und widerwärtig, wenn er von den sogenannten Gutmenschen kommt als von den reaktionären oder rechtsgerichteten Kreisen.
Ansichten durch Gerichte zu bekämpfen ist meiner Meinung nach der falsche Weg. Im Gegenteil, Verbote erwecken nur das Interesse für ansonsten abstruse Ideen.
Und Meinungen lassen sich nicht durch Gesetze verbieten, es wird immer Spinner geben, die auch heute noch der Meinung sind, daß die Erde eine Scheibe ist oder sonstige abstruse oder politisch seltsame oder „inkorrekte“ Ansichten haben. Da sind Gerichte – ausgenommen für einige Unbelehrbare – der falsche Weg. Es hilft nur, auf Aufklärung zu setzen.
Die Freiheit des Einzelnen reicht soweit, bis sie mit der Freiheit eines anderen kollidiert. Und man sollte sich auch dafür einsetzen, daß jeder innerhalb seiner Grenzen seinen Freiraum ausnützen kann.
Man muss nicht der Meinung eines anderen sein, aber dieser sollte das Recht haben, diese Meinung auch zu vertreten und auszusprechen.
Kommentare
Bitte um Aufklärung:
Gehört jetzt Hitler auch zu den Gut-Menschen weil er Vegetarier war, Tiere mochte und gerne Mickymaus-Filme sah?
Harantor bringt Aufklärung: Hitler brachte ich als Beispiel dafür, dass Vegetarier eben nicht per se die besseren Menschen sind. War das so schwer zu verstehen? Ich amg derlei Verallgemeinerungen nicht. Und das trifft auf eine politisch korrekte Sprache ebenso zu.
Hierzu eine zeigemäße Abwandlung eines Gedichts, das uns "Groschenroman-Schreiber", unsere Arbeit und unsere Werke am besten erklärt:
Wer wird nicht Böll und Grass hoch loben?
Doch wird sie jeder lesen? - Nein!
Wir wollen weniger erhoben
und dafür mehr gelesen sein!
Zumal auf Sachargumente sowieso nicht eingegangen wird, sondern die abstrusen Einzelfallerlebnisse selbst eingebracht und dann als Normalfall dargestellt werden.
Warum also soll ich mich ärgern?
Und zum anderen sehe ich keine Argumente bei Dir. Daher widerspreche ich leidenschaftlich. Ein Satz, in dem es heißt: 'das ist' ist in erster Linie Feststellung und Behauptungm, aber kein Argument. Schon, dass die gewählten 'PC'-Begriffe selbst schon wieder Diskriminierungen enthalten
, reizt mich zum Widerspruch.
Mit den Einzelfällen (die so einzeln nicht sind) beege ich, dass es zumindest nicht für jeden so 'ist'.
Ich hätte mich gern auseinandergesetzt, aber nicht will, will nicht.