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Ich brauche kein schlechtes Gewissen, lokaler Handel!

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneIch brauche kein schlechtes Gewissen,
lokaler Handel!

Na? Mal wieder heimlich zu Hause auf dem Sofa bei dem Internetanbieter der Wahl rumgesurft? Und mal wieder Dinge über den Versandhandel bestellt zu Weihnachten? Ts, ts, ts - da waren wir aber mal wieder böse Konsumenten und doofe Verbraucher! Da haben wir mal wieder Konzerne unterstützt, die keine oder wenig Steuern für das Land zahlen - ja, stimmt. Und gut, dass wir das dank Sendungen wie der Anstalt im ZDF auch wissen.


Und gut ist das wirklich nicht, allerdings lässt sich dann fragen warum die Politik erst überhaupt diese Schlupflöcher gestattet. Hieß es nicht vor wenigen Wahltagen noch, man wolle härter durchgreifen? Stattdessen kauft man dann SteuerCDs aus illegalen Quellen mit rechtmäßigen Einnahmen. Wenn man also ein guter Bürger und Konsument sein möchte, dann kauft man halt lokal vor Ort und alles wird wieder gut. Die Innenstädte leben dann auf, die kleinen lokalen Händler jubeln und das Paradies bricht aus.

Das ist doch die immanente Botschaft, wenn es heißt, man solle lokal vor Ort kaufen. Das steht doch auf den Internet-Seiten des lokalen Buchhandels vor Ort auch drauf, dass man Steuern zahle, dass man dafür sorge, dass die Stadt lebe und blühe und überhaupt bewohnbar bleibe. Und wenn man das alles online macht und nicht im Online-Shop des Ladens - ja, dann ist man natürlich der böse Konsument! Wir werden das noch bedauern, wenn alle kleinen Läden dichtmachen, jaha, und ob! Ist man ja selbst schuld daran, dass Innenstädte veröden! Ist klar, dass dann Leerstand herrscht! Einzig und allein wir sind schuld, weil wir zu bequem sind, in die Stadt zu fahren und Dinge zu kaufen oder weil wir so frech sind, uns beraten zu lassen und dann im Internet zu kaufen. Jawohl!

Ich habe bisher vergeblich bei der IHK für meine Stadt mal gefragt, ob die Zahlen vorliegen hätte, ob diese ganzen Vorwürfe mir gegenüber gerechtfertigt sind. Wenn jemand das wissen müsste, dann ja die IHK. Die weiß das aber nicht. Gut, ich könnte noch mal in den Geschäften vor Ort selbst fragen, vermutlich kommt man da eventuell noch an Infos. Generell aber weigere ich mich einfach, mir vorwerfen zu lassen, ich würde die Innenstädte kaputt gehen lassen, weil ich angeblich nur im Internet kaufen würde. Was gar nicht der Fall ist und ich vermute mal, auch die meisten Menschen - sofern sie nicht gerade auf abgelegenen Orten auf dem Land wohnen, wo der Versandhandel Sinn macht, wenn man kein Auto hat oder man allenfalls Tante Emma noch im Kern des Dorfes hat, neben der Kirche und der Kneipe - werden auch sagen, dass sie selbstverständlich auch im lokalen Handel vor Ort einkaufen. Aber auch im Internet. Aber auch lokal. UND im Internet.

Sicher ist erstmal: Ein gekauftes Buch im Versandhandel wird sicherlich nicht noch mal im lokalen Buchhandel vor Ort eingekauft werden. Fest steht wohl auch: Der lokale Handel kann einfach nicht alles, was der Versandhandel kann. Und sicherlich: Eine attraktive Innenstadt lebt von kleinen wie großen Geschäften, die ihre Steuern dort zahlen - oder halt, wie bei Starbucks bekannt, eher weniger - und die gemeinsam für ein vielfältige und buntes Angebot sorgen. Keine Frage. Aber für die Gestaltung der Innenstadt, für die Vielfalt der Läden bin ich als Konsument ja nur teilweise verantwortlich.

So hebt zum Beispiel meine Stadt demnächst die Gewerbesteuer um einen nicht geringen Anteil an. Desweiteren hat man auch in den letzten Jahren vermehrt dem Kult der Einkaufsmeilen gehuldigt und in meiner Stadt hat man sogar zwei davon errichtet - keine fünfhundert Meter voneinander weg. Einige der Geschäfte aus den Nebenstraßen sind dann halt von dort weg in die Malls gezogen, na ja, sowas wie der DM oder schon größrere Geschäfte, die vormals halt über die Stadt verteilt waren und dafür sorgten, dass wir Verbraucher halt teilweise genervt durch die Stadt latschen mussten. Nebeneffekt natürlich: Ab und an hat man dann doch schon einige Dinge nebenbei gekauft, die man eigentlich nicht brauchte. Die Malls sind definitiv - ich beobachte das ja seit einigen Jahren schon - sogwirkend. Die durch den Umzug entstandenen Leerstände der größeren Geschäfte etwa sind kaum wieder mit attraktiven lokalen Angeboten besetzt worden. Das hat auch damit zu tun, dass die Stadt in den letzten Jahren auch nicht gerade niedrige Gewerbesteuern hatte, sondern diese mehr und mehr in die Höhe trieb, auf dass man die Sparbemühungen irgendwie auffangen könnte. An hohen Steuern bin ich als Konsument nun erstmal nicht schuld. Im Gegenteil, würde ich heute versuchen, einen kleinen Laden zu eröffnen würde ich mir das vier Mal überlegen.

Die Läden, die in den Nebenstraßen der Malls noch da sind, denen fehlt jetzt allerdings das Laufpublikum. Das ist ja auch der Sinn von "Einmal da, alles drin" von Malls. Künstliche Konsumparadiese zum Wohlfühlen, in denen nur Ketten oder Läden zu finden sind, die sich die Preise leisten können. Und selbst in den hiesigen Malls gibts noch Leerstände. Weil der Markt für Filialen oder Ketten gesättigt ist. Noch ein Starbucks, noch ein Douglas, noch ein H & M braucht kein Mensch. Vor allem nicht in einer Region, deren Bürger nicht gerade volle Geldbeutel besitzen und - das ist aber glaube ich eher ruhrpottspezifisch - in denen der Weg zur Mall oder zum Outletfactory-Center kürzer ist als der in die Innenstadt. Abgesehen davon, dass man vor oder in der Mall immerhin genügend Parkplätze findet. Natürlich kann ich als Konsument hier eine Menge tun, sofern es in meiner Macht steht. Aber andererseits gibt es auch manchmal Situationen in denen es für meine persönliche Lebenslage besser ist, wenn ich mir Dinge liefern lasse. Der Vorwurf aber, Innenstädte würden dadurch veröden und sie würden allein dadurch veröden, dass ich im Versandhandel kaufe, ist Unsinn. Als Konsument kann ich nicht entscheiden, wo eine Mail oder ein OFC angesiedelt wird. Ich kann nur entscheiden, ob die länger oder weniger im Geschäft sind.

Was ich in meiner Stadt beobachte, ist zum einen, dass die Einkaufszentren dafür sorgen, dass attraktive Standorte in Nebenstraßen entweder nicht besetzt oder mit Geschäften besetzt werden, die Ramsch für einen Euro anbieten. - Letzteres Phänomen des Downtradings sollte der Politik allerdings bekannt sein und eigentlich könnte man mit einer klugen Förderung von kleinen Läden und einer gemeinsamen Anstrengung Stadtentwicklung betreiben, die auf einen längeren Zeitraum zielt. Zum anderen bemerke ich, dass es sehr wohl Initiativen gibt, um den Lebensraum vor Ort im Viertel zu gestalten oder lebenswerter zu machen. So ist das nun nicht und natürlich bemühen sich kleine Händler auch um ihre Kunden. Wenn sie denn mal ordentlich gestaltete Online-Shops hätten, wäre das auch sicherlich noch ein Pfund. Wenn ich beim lokalen Buchhändler aus einem anderen abgelegenem Stadtteil bestelle - das hat seine Geschichte - muss ich jedes Mal ein schlecht gestaltetes Online-Formular ausfüllen, dass dann offenbar immer eine Mail generiert, die an den Buchhändler geschickt wird, und wenn ich Glück habe, kommt dann die Bestätigung über den Verkauf noch am selben Tag in meine Inbox. Manchmal dauert das allerdings auch etwas. Fernerhin: Da ist zwar die Option für "Vorab bezahlen" aktiviert, aber offenbar wird die nicht benutzt. Ich bekam die ersten Mal immer direkt das Buch mit der Rechnung. Okay. Kann ich mit leben, wenn mein Geld vorab nicht gewollt ist, kein Problem.

Allein daran aber zeigt sich, dass es neben den politischen Faktoren - die ich nur durch die Wahl des Stadtrates beeinflussen kann oder in dem ich aktive Lobbyarbeit bestreite, in dem ich eine Werbekampagne für Bücher starte, die dann nur im Laden zu sehen ist, wo die Kunden eh schon sind - dass es also neben den politischen Faktoren auch solche Kleinigkeiten wie ein angenehm zu bedienendes Online-Formular sind, die mich als Kunden in dem Fall sogar eher in die Stadt zum Lokal vor Ort treiben würden, wenn ich denn Zeit und Nerven hätte. Im Endeffekt ist es dann auch egal, ob ich vorher anrufe und sage, man solle mir das Buch zurücklegen und ich hole es ab - weil ich ja nicht weiß, was direkt im Laden vor Ort vorhanden ist, DAS wäre doch auch mal schön, oder? Im Shopsystem erkennbar zu machen, was im Laden ist oder nicht? Oder ob ich es mir dann kostenfrei zuschicken lasse und die Rechnung überweise. Ich kämpfe mich da jedes Mal durch das Formular, weil ich den Handel vor Ort unterstützen möchte. Dummerweise macht der mir das als Konsument leider nicht unbedingt immer einfach.

Insofern: Ihr lieben lokalen Buchhändler vor Ort, ihr lieben lokalen netten Einzelhändler, ihr alle, die ihr in dieser Buy-Local-Initiative drin seid und auf euren Webseiten immer diesen ellenlangen Disclaimer darüber habt, dass ihr brav eure Steuern zahlt und dass man doch bei euch kaufen sollte: Erstens: Wenn ich den Kunden verärgere, ja, ich persönlich ärgere mich immer immens drüber, verliere ich ihn. Zweitens: Ich bin nicht daran schuld, wenn Steuern angehoben werden, Einkaufstempel neben euch erbaut werden oder einfach der Bus in die Stadt nur alle zwei Stunden fährt. Drittens: Moment mal, ich zahle ja wohl auch Steuern! Viertens: Wenn ihr das halt kompliziert macht, dann gehe ich dahin, wo es einfacher geht. Und fünftens: Heult nicht rum, davon wird das auch nicht besser. Sondern schafft kreative, nette Lösungen und hört endlich auf, mir ein schlechtes Gewissen zu machen. DAS habe ich nicht nötig. Wirklich nicht. SO!

 

Kommentare  

#16 Kerstin 2015-05-24 16:28
Das wäre eine Aufgabe für die Politik, diese Schlupflöcher zu schließen.

Aber die Herren wollen es sich ja nicht mit der Lobby verderben, wo sie noch in den Aufsichtsrat wollen. Der kleine Buchhändler hat solche Posten eben nicht zu vergeben.
#17 Laurin 2015-05-25 01:24
Was meinst du, Kerstin, warum sich die Regierung sträubt, alles offen zu legen, was die Lobbyisten betrifft und was da so abgeht.
Mehr muss ich dazu wohl nicht mehr ausführen. ;-)

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