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»Ich hab nur Edge« - Internet im Urlaub

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-Kolumne»Ich hab nur Edge«
Internet im Urlaub

Zugegeben: Als ich vor einem Jahr in Rom war hatte ich tatsächlich kein Smartphone dabei. Noch nicht mal eine Kamera. Nein, nicht wegen der Roaminggebühren sondern einfach darum, weil das eine Rundreise war und das Hotel öfters gewechselt wurde. Man kann so ein Ding ja auch wirklich schnell mal liegenlassen wenn man auscheckt. Letzte Woche aber war das Smartphone natürlich mit von der Partie - es ging ja nur nach Bayern.


Pardon: Franken. Visa-Anträge hatte man vorher ja schnell durchgewunken, konnte dann also los gehen mit dem Spaß.

Sofern man Telekom-Kunde ist geht der Spaß ja dann schon in der Bahn im ICE los. Sofern man a) Telekom-Kunde ist und b) man seine Daten vorher mal notiert hat. Sonst hat man ja in der Regel eher öfters Begegnungen mit der Göttin Edge, die über weite Teile des Landes noch herrscht. Dabei hab ich schon die Kraft der zwei Netze - seitdem O2 und Eplus eins sind soll das ja alles viel besser und toller sein als vorher. Klar. Aber nicht wenn man mobil im Zug unterwegs ist und mal eben vorher die Webseite des Hotels aufrufen möchte weil sich Fragen zum Einchecken ergeben hatten. Wobei dann die Webseite auch nicht für Smartphones optimiert war, was ich in diesen Zeiten für ein Unding halte. Nein, nicht aus Prinzip. Und es muss auch nicht jede Webseite total super fürs Smartphone angepasst sein, aber wenn ich im Touristikbereich unterwegs bin, dann könnte ich ja doch mal auf den Gedanken kommen, dass Leute auch vorher mit ihren Smartphones unterwegs und mobil Infos haben wollen dürfen. Der Hinweis auf eine App, die ich dann herunterladen darf - oder auch nicht, weil ist ja Edge, viel Spaß mit 80 GB meine Herren! - erfüllt dann den Zweck auch nicht.

Jetzt kann man natürlich sagen, dass es Unfug ist im Urlaub überhaupt online gehen zu wollen bei all den schönen Dingen, die man so macht. Zum Beispiel photographiert man ja viel. Und vielleicht ist es auch nur eine blöde Angewohnheit am Ende des Tages sofort die Bilder auf Facebook hochzuladen anstatt dass man seine Verwandten mit einem Diaabend und launigen Kommentaren nervt wie "Keine Ahnung, was das ist. Halt so eine Burg. Und hier stehe ich vor der Burg. Und hier sind wir nochmal vor der Burg. Tolle Burg, oder? Also diese Burg da unten..." Heutzutage schreibt man das direkt in Facebook rein und gut ist. Darüber kann man sich streiten, ebenso ob man wirklich per Smartphone mit der Welt im Urlaub verbunden sein muss. Gut, wenn es ein Wochenende ist und Bundesliga und der HSV eventuell absteigt und der Reisekamerad unbedingt wissen will wie die gespielt haben... Dann schon. 

Allerdings - wenn man das Smartphone mitnimmt und auch mal über Land mit dem RE fährt - und den Schock verdaut hat, dass man zwischendurch nicht wie im Ruhrgebiet zwischen sechs bis zehn Bahnhöfen vorbeikommt sondern nur durch vier, die Fahrt dauert dann allerdings auch eine Stunde - dann wird einem nicht nur mit dem Blick aus dem Fenster bewusst, dass man an der Infrastruktur für das Internet noch arbeiten muss. Es mag ja idyllisch sein wenn man durch mehrere Dörfer fährt, die zwischen ausladenden Feldern liegen. Oh, Pferde! Und Kühe! Es mag ja dann auch die Frage sein ob die Bewohner dieser Dörfer dann das Internet wirklich brauchen - vermutlich natürlich schon, das Internet ist das Betriebssystem unserer Gesellschaft - aber sicher ist doch eines: Wenn man nur Edge auf dem Handy hat ist das mit der Informationsbeschaffung eine unendlich quälsame Last. Möchte gar nicht wissen, wie die zu Hause ins Netz gehen. 56k-Modem?

Im Urlaub sieht man die Dinge bekanntlich anders - und wenn man nicht auf den üblichen Touristenpfaden herumwandert nochmal doppelt. Man lernt das Schlendern teilweise wieder. Vielleicht ist das dann mit dem Internetnichtausbau auch so, dass man ganz bewußt in Deutschland sagt: "Wir sind alle viel zu hektisch, komm mal runter, jetzt lass das Internet mal aus." Wenn das der Sinn und Zweck der Reise ist, dann bravo! Zumindest in den ländlichen Regionen haben wir das Ziel erreicht. Ich bin allerdings froh wieder im Ruhrgebiet zu sein, wo ich dauernd LTE habe und selbst 3G mit voller Balkenzahl. Ab und an habe ich auch hier einen Hotspot, der nicht zu einem Flix-Bus gehört - wenn man warten muss und einen in der Nähe hat, da kann man sich echt toll einklinken, die fragen nicht ab ob man auch eine Fahrkarte hat, kicher. Jedenfalls aber muss sich die Bundesregierung nicht wundern, wenn das mit dem Internetfortschritt in unserem Land nicht vorangeht. Wer nur Edge hat, der gründet kein Startup.

Kommentare  

#1 Andreas Decker 2015-05-29 09:38
Was ist Edge?

(Ich könnte jetzt nachsehen, aber eigentlich sollte ein Artikel die Grundfakten etablieren. Sind - noch - nicht alle mit ihrem Handy verwachsen ;-) )
#2 Kerstin 2015-05-29 11:06
Ist doch gut, dass ich nie verreise! Wenn man dazu so viel Technik braucht, wäre ich doch völlig überfordert, finanziell und intellektuell.

War jetzt die ganze Zeit glücklich ganz ohne Handy, aber diese Woche hat mir der Chef so ein Uralt-Ding (kein Smartphone, sondern ein ausgemustertes Firmenhandy) aufgezwungen. Obwohl er weiß, dass ich zu Hause keinen Empfang habe.

Er meint tatsächlich, ich hätte einen Vorteil davon, so ein Ding in der Tasche haben, wenn ich unterwegs bin.
#3 Christian Spließ 2015-05-29 22:25
Mal eben schnell eine schnelle Suche bei Google und schon weiß man, was Edge ist: de.wikipedia.org/wiki/Enhanced_Data_Rates_for_GSM_Evolution
#4 Christian Spließ 2015-05-29 22:28
Sicherlich müssten wir dann auch mal über die Frage diskutieren, was dieses sogenannte New-Work-Arbeitsmodell mit mobiler Erreichbarkeit auch außerhalb der Bürozeiten oder im Urlaub für Vor- und Nachteile hat. Ich merks mal für die nächste Kolumne vor. Wenn ich es nicht vergesse.
#5 Laurin 2015-05-30 12:41
Irgendwie habe ich das Gefühl, man verwechselt da was mit dem Wort Urlaub ;-) ... oder süchtelt man mittlerweile schon? :eek:
So ein Kurzurlaub zu Hause, da will ich nicht mal was sagen. Da guckt man mal ins Netz wenn man nicht gerade die Beine hoch legt oder die Nachbarschaft mit dem Grill einnebelt. Und spätestens der Besuch im Zoo, da sind die Paviane interessanter als jedes Handy. Und wenn es nur zum Bilder machen dabei ist, kann man die auch am Abend auf Facebook hochladen (wenn das überhaupt von irgendeiner Wichtigkeit wäre). Muss man eigentlich jeden Pups da hochladen? Wenn ich aber an meine Urlaube in Sri Lanka oder Schweden, und da noch mitten im Wald denke, dann will ich nix wissen vom Auf- oder Abstieg eines Fußballvereins und die aktuellsten Meldungen sind mir da auch egal. Ich hab Urlaub in diesem Moment und das einzige was mich da in Schweden z.B. interessierte war, wann wir die 20 km fahren damit ich an mein Softeis in der nächstgelegenen Stadt komme. :lol:
Ich meine, klar informiere ich mich im Netz, weil ich beide Seiten hören will und nicht nur die einseitige Information als Seelenheil akzeptiere (wenn es z.B. um internationale Politik geht). Klar lese ich den Zauberspiegel und noch etwas mehr. Klar nutze ich Facebook (mittlerweile politisch notgedrungen und auch nicht mehr täglich - warum auch). Aber dann ist der Spaß auch langsam vorbei. Ich hab kein eBook, ich habe die vielen Segnungen wie z.B. ein I-Pad und so weiter (oder wie die Dinger alle heißen mögen) nicht und seit ich seit ca. 2009 auch kein Handy mehr habe, fühl ich mich sauwohl dabei. Wenn mein Chef was von mir will, kann er mich auf der Arbeit ansprechen und im Urlaub will ich alles andere, nur eben nicht meinen Chef an der Strippe haben. Mittlerweile versuchen mir schon Versicherungen und sonstige seltenen Besucher mir schon Handys zu schenken (werden die die Dinger nicht mehr los :o ). Die reagieren schon sauer, wenn man ihnen am normalen Telefon erklärt, dass man nicht ständig erreichbar sein will. Und was die lieben zu Hause gebliebenen angeht, wenn ich im Urlaub bin, reicht auch heute noch eine Postkarte. Selbst wenn die zeitgleich mit meiner Rückkehr erst eintrifft. Es ist zwar schön, dass es so was alles gibt, aber muss man das jetzt wirklich auch alles haben? Man muss mal sehen, wohin so etwas führt (siehe z.B. das erwähnte New-Work-Arbeitsmodell). Wenn ich Urlaub habe, kann mein Schreibtisch in Flammen stehen, ich habe Urlaub, um den Rest kümmere ich mich dann, wenn ich wieder da bin - fertig. :-)
#6 Kerstin 2015-05-30 14:43
Was für eine Arbeit kann man denn wirklich von unterwegs aus am Handy erledigen? Ich brauche zum Arbeiten den PC (mit Drucker, Fax usw.) und die vielen Ordner mit Unterlagen, die zu digitalisieren für uns keinen Sinn macht und von denen viele auch nicht scanbar sind.

Wenn mich also ein Kunde beim Wocheneinkauf im Supermarkt anrufen würde und dringend Kopien von Frachtunterlagen braucht, weil er die Originale nicht wiederfindet in seinem Saustall (sowas kommt dauernd vor), kann ich ihm die keinesfalls sofort durchschicken. Da muss er schon warten, bis ich wieder am Schreibtisch bin. Mit anderen Sachen ist das genauso. Der Vorteil hält sich also in Grenzen. Es würde sich absolut nicht rechnen, ein Tablet oder sowas anzuschaffen und darauf die teuren Spezialprogramme mit monatlicher Lizenzgebühr zu laden. Wir hätten dadurch Kosten, aber keinen Nutzen.

Ich führe auch bestimmt kein Einstellungsgespräch mit einem Bewerber oder zanke mit einem säumigen Kunden, wenn ringsum Fremde mithören können.

Natürlich dürfen der Chef und die Kollegen mich anrufen, wenn was ist, Unfall zum Beispiel. Dann kann ich ihnen sofort sagen, was sie machen sollen, wenn sie selber viel zu verwirrt sind, um klar denken zu können. Am Wochenende oder nachts melden die sich auch nur, wenn es wirklich nötig ist. Und wenn ich dann gerade unterwegs bin, verlangt keiner, dass ich alles abbreche und heim ins Büro rase. Wäre es etwas wirklich Dringendes, würde ich das sowieso machen.

Doch was kann ich dann schon ausrichten, wenn bei allen Stellen, die ich dazu kontaktieren muss, auch Wochenende ist? Also reicht es doch meistens, wenn man am Montag reagiert.

Auch was private Nutzung angeht, rechne ich genauso kaufmännisch. Der Nutzen muss den Aufwand, also Kosten und Mühe, bis alles läuft und man sich mit der Technik zurechtfindet, übersteigen. Und da scheitert es meistens: Ich habe absolut keinen Nutzen davon, jederzeit und überall ins Netz gehen zu können.

Kein Nutzen rechtfertigt keine Kosten. Punkt.

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