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txtr – Ein eBook-Reader aus Deutschland

Das Romanheft, das Universum ... und die Dinge dazwischen - Die Multimedia-Kolumne Der elektronische Stein der Weisen?
txtr
Ein eBook-Reader aus Deutschland

Wie in unseren Nachrichten gemeldet und durch diverse Medien in den letzten Tagen anlässlich der CeBIT kolportiert, macht sich ein deutsches – genauer gesagt Berliner – Unternehmen namens Wizpac auf, den Markt in Sachen eBook-Reader aufzumischen und gegen die Platzhirsche Amazon und Sony (und ein paar kleinere Wettbewerber) anzutreten.
Und selbst wenn man bereits jetzt andeutet, am Preis im Vergleich zu den Mitbewerbern aufgrund der schieren Kosten für die vergleichsweise neue (und damit teure) e-ink-Technologie nicht viel machen zu können, dann bietet man doch fürs Geld erstaunlich viel – und deutlich mehr als die anderen.

Der txtrGanz oben auf der Liste der Features, die einem Freak das Herz erfreuen, steht die Tatsache, dass txtr eine offene Plattform auf Linux-Basis werden wird, deren Schnittstellen und Zugriffsmöglichkeiten offen gelegt werden, damit ist technisch Versierten die Möglichkeit eröffnet, selbst Hand an die Software des Readers zu legen, ihn zu verbessern, zu erweitern oder gleich ganz neue Funktionalitäten zu implementieren. Erfahrungsgemäß werden solche Erweiterungen Dritter dann im Web angeboten, damit auch die weniger Technikaffinen davon profitieren und sie auf ihr Gerät aufspielen können.

Werfen wir mal einen Blick auf die technischen Daten des txtr (die ich auch gleich kommentiere und erläutere):

  • eInk Vizplex 6" Display mit einer Auflösung von 600x800 Pixeln

Es handelt sich hierbei um eine Standard- eInk-Anzeige, die buchähnliche Darstellungsqualität ermöglicht.

  • 146mm x 128.2mm x 8mm, 260g

Spricht für sich selbst. Klein und leicht.

  • Freescale ARM11 CPU 532MHz

ARM-Prozessoren sind speziell für Handheld-Geräte ausgelegte CPUs, (central processing unit, zentrale Recheneinheit) man findet sie beispielsweise in PDAs, MP3-Playern oder mobilen Spielkonsolen, wo sie derzeit einen Marktanteil von ca. 75% halten. Es handelt sich um einen Standard-Prozessor für Mobilanwendungen.

  • kapazitives Slider Interface

Auf der linken Seite des Geräts befindet sich eine Art Sensor-Bedienkreuz, über das der txtr gesteuert wird. Das spart den teuren Touchscreen, weiterhin bedeutet der Verzicht auf bewegliche Knöpfe eine längere Lebensdauer. Dies ähnelt der ebenfalls kapazitiven Steuerung des Apple iPod.

  • Next Generation Epson Display Controller

Also quasi die „Grafikkarte“, die das Display ansteuert. Der Epson-Controller ermöglicht zusammen mit der eInk-Anzeige auch Animationen.

  • Linux Kernel

Das Betriebssystem des txtr ist Linux-basiert und eben keine proprietäre, geschlossene Entwicklung. Drittanbieter (im Prinzip jeder, der sich mit Linux und dessen Programmierung auskennt) können Erweiterungen programmieren und beispielsweise über das Web zum Download anbieten. Wizpac hat angekündigt, die Parameter zum Zugriff auf das Gerät offen zu legen, so dass es sich hierbei nicht um eine theoretische sondern eine tatsächliche Möglichkeit handelt. Damit sind MP3-Player, elektronischer Kalender oder Spiele auf dem txtr keine Utopien, er könnte sogar zu einem PDA-Ersatz mutieren (wobei da der fehlende Touchscreen etwas stören könnte, dazu aber weiter unten mehr).

  • Integriertes 3D Accelerometer zur automatischen Ausrichtungserkennung

Der txtr erkennt, ähnlich wie ein iPhone, wie herum er gehalten bzw. gedreht wird. Damit kann ein Linkshänder das Gerät genauso gut bedienen, wie ein Rechtshänder, man dreht die Steuereinheit einfach auf die andere Seite. Wer einen Text lieber in größerer Breite lesen möchte, hält das Gerät quer.

  • eInk-optimiertes Power Management System
  • Li-Ion Akku, wird via USB geladen

eInk benötigt nur zum Seitenwechsel ein wenig Strom, die Anzeige selbst ist auch ohne Zuführung von Energie stabil. Da auch hier auf eine Hintergrundbeleuchtung verzichtet wird, dürften beim reinen Lesebetrieb mehrere tausend Stunden erreicht werden.

  • 64MB SDRAM onboard

Das ist der RAM-Speicher, ähnlich wie beim heimischen Computer, hier ist er für wahrscheinlich für interne Zwecke zuständig, kann aber möglicherweise auch bereits Texte aufnehmen (an andere Stelle las ich etwas von einem Gigabyte internen Flashspeicher für Bücher). Das ist für eine umfangreiche Bibliothek natürlich etwas wenig, deswegen...

  • MicroSD Steckplatz
  • 8GB MicroSD Card im Lieferumfang

...besitzt der txtr einen Schacht für Standard-Micro-SD-Karten und es liegt auch gleich eine solche bei. Mit einer Kapazität von acht Gigabyte kann diese auch größere elektronische Bibliotheken aufnehmen.

Kommunikationsfreudig...

Damit aber nicht genug, denn der txtr verfügt über diverse Möglichkeiten der Kommunikation mit seiner Umwelt. Von der USB 2.0-Buchse mal abgesehen, über die man das Gerät (nicht nur) mit Lesestoff füttern kann, bringt es diverse drahtlose Kommunikationsmöglichkeiten mit:

  • internes 3G/GPRS modem

Hierbei handelt es sich im Prinzip um eine Schnittstelle zum Mobilfunknetz, die zum Datenaustausch genutzt werden kann. Ähnlich wie bei Amazons Kindle kann man damit theoretisch online Bücher bestellen (eine "Buchhandlungssoftware" zum direkten Bestellen ist gleich mitinstalliert, über die dafür genutzte Plattform ist noch nichts bekannt), da man darüber aber sehr wahrscheinlich grundlegend Internetzugang erhalten kann, dürfte die weiterhin Möglichkeit bestehen, sich Texte anderer Art auf das Gerät zu laden, beispielsweise RSS-Feeds (das ist aber eine Spekulation meinerseits). Für jemanden wie mich, der aus beruflichen Gründen diverse RSS-Feeds (statt Tageszeitung) lesen muss, wäre das eine Offenbarung. Und selbst wenn es mit dem direkten Netzzugriff nicht klappt, dann können die Feeds auf andere Art und Weise auf den txtr kommen, denn:

  • Bluetooth 2.1 für Audio, externe Tastatur und zukünftige Erweiterungen

Bluetooth ist eine drahtlose Kurzstrecken-Übertragungstechnik, wie sie beispielsweise bei Mobiltelefonen oder bei Nintendos WII eingesetzt wird, um Strippen zu sparen. Und da deutet sich auch bereits an, dass der txtr mittels Bluetooth-Erweiterungen zu einem fast vollwertigen Computer für unterwegs mutieren könnte... Weiterhin kann man mp3s - Musik oder Hörbücher - an einen Bluetooth-Kopfhörer senden, das erspart ebenfalls lästige Kabelagen.

  • WiFi

Dem Standardnutzer vielleicht besser bekannt unter der Bezeichnung WLAN, hiermit kann sich der Reader ins heimische WLAN-Netz einklinken und darüber mit Daten befüllt werden oder mit dem PC kommunizieren.

  • Low Power 2.4GHz Near Range Communication

NRC – Near Range Communication – ist ein im Gadget-Bereich derzeit gern benutztes Buzzword. Das bedeutet ganz einfach, dass sich zwei txtr auf kurze Entfernung „miteinander unterhalten“ können. Die Nutzer werden dadurch beispielsweise in die Lage versetzt, Dateien direkt zwischen zwei txtr auszutauschen (und das wahrscheinlich einfacher als via umständlichem Pairing mittels Bluetooth oder Schlüsseltausch über WiFi).

Texte online: txtr.com

txtr-LogoDoch Wizpac hat noch mehr in Petto, denn txtr ist kein reiner eBook-Reader, er bringt von Hause aus Web 2.0- und Community-Funktionen mit. Auf der Plattform txtr.com, die derzeit im offenen Beta-Betrieb läuft und eng mit dem Gerät verzahnt werden soll, kann man Texte hinterlegen und für sich, für Freunde und Bekannte oder gleich für alle anderen Nutzer der Webseite freigeben. Die kann man dann sowohl auf der Webseite selbst, aber eben auch über den txtr lesen. Wizpac hat nach eigenen Aussagen Vorkehrungen getroffen, um die Verbreitung urheberrechtlich geschützter Werke zu unterbinden. Na klar, ohne eine solche Aussage würde auch sofort der geballte Zorn der Rechteverwerter über das Unternehmen hereinbrechen.

Auch wenn Insider der Verlagsbranche das nicht wissen wollen und ins Reich der Fabel oder des überbewerteten Hype abtun (ich verweise auf Interviews und Kommentare an anderer Stelle hier im Zauberspiegel): Open Content und User Generated Content gibt es bereits zuhauf und er wird schon jetzt gelesen (um mal bei Texten zu bleiben). Mit einer Plattform wie txtr.com und dem zugehörigen Lesegerät ist abzusehen, dass diese Open Content-Angebote weiter boomen, egal was Marketing-Strategen davon halten oder wie gern sie dem einen Riegel vorschieben würden.

Formate

Im Moment nennt man konkret folgende Formate, die der txtr anzeigen kann: PDF, HTML, Office und ePub; durch die offene, Linux-basierte Architektur dürfte aber so ziemlich alles (nicht nur) an Textformaten anzeigbar sein, was auch auf Computern dargestellt werden kann. Auch Anbieter DRM-verseuchter Formate werden in die Lage versetzt, für den txtr entsprechende Software zu erstellen und zur Installation anzubieten, damit dürfte dann nahezu jedes eBook auf dem Gerät anzeigbar sein (wenn die Anbieter der entsprechenden Formate das überhaupt wollen, wovon insbesondere aufgrund der offenen Architektur des Gerätes nicht in jedem Fall auszugehen ist).

Fazit


txtr-Reader Es bleibt abzuwarten, was Marketing ist und was Realität wird, aber die Eckdaten und insbesondere die offene Architektur sprechen eindeutig für Wizpacs txtr. Ich bin sehr sicher, dass bereits jetzt die Linux-Gemeinde in den Startlöchern steht, um das Gerät in ihre Finger zu bekommen und dann zu modifizieren, was das Zeug hält, ähnlich wie bei der ersten Welle an eeePCs.

Sollten alle angekündigten Features tatsächlich so umgesetzt werden und sollte der Preis ebenfalls im Bereich der Konkurrenz liegen, dann ist das ein deutlich besseres Angebot, als es eben diese Konkurrenz macht, denn sowohl Amazons Kindle wie auch Sonys leicht altbackener PRS-505 sind geschlossene, proprietäre Systeme, bei denen man sich auf Gedeih und Verderb dem Anbieter bzw. Hersteller ausliefert. Txtr bietet aber dagegen Offenheit und deutlichen Mehrwert durch die Erweiterungsmöglichkeiten und die konkrete und vor allem kundenfreundliche Ausrichtung auf offene Formate und den Community-Gedanken.

An eBook-Readern ernsthaft Interessierten würde ich raten, im Herbst mal die Markteinführung zu beobachten, das wird sicher interessant - so es nicht zu einer Verschiebung kommt, wie in der Unterhaltungselektronikbranche gern mal üblich. Ob man sich sofort einen zulegen muss, ist sicherlich eine andere Frage, die von verschiedenen Faktoren abhängt, unter anderem dem Preis. Weiterhin gibt es bei neu eingeführten Geräten gern mal Kinderkrankheiten, die hier aber zumindest im Softwarebereich problemlos durch Firmwareupdates auszumerzen sein sollten.

Ein sehr spannendes und durchaus cooles Gerät, das zumindest mich in hohem Maße interessiert und für das ich aufgrund seiner überzeugenden Konzeption und Fähigkeiten auch bereit wäre, entsprechendes Geld auszugeben. Außerdem wäre es für meine Zwecke ideal (beispielsweise Projekt Gutenberg, RSS-Feeds, freie technische Dokumentationen, eigene Texte korrekturlesen). Der Markt für eBook-Reader dürfte mit dem Verkaufsstart in Bewegung geraten...

Nachtrag: Dieser Artikel findet sich jetzt auch als txt-Datei im öffentlichen Bereich von txtr.com. Titel: txtr-besprechung

Links:

www.txtr.com
reader.txtr.com
Wizpac

ePub-Format in der Wikipedia (im Prinzip auch nur XHTML 1.1, deswegen hier für Herrn Alkenbrecher der Doctype samt DTD: <?xml version="1.0" encoding="UTF-8"?> <!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd">) :o)

Golem konnte auf der CeBit einen Blick auf den Prototypen werfen, hier der Film, den wir bereits in den News zeigten:

{txtr}

Bilder Copyright Wizpac, aus dem offiziellen Pressekit

Kommentare  

#1 Mikail_the_Bard 2009-03-07 17:52
Jedefall wird das Lesen wohl angenehmer als wenn ich den NDS meines Juniors dazu missbrauen muss.
Wenn ich jetzt alle Bücher aus meinen Regalen als eBooks hätte wär das extrem toll. :-)
Ich muss mal schauen was ich so von den Büchern als eBook finde (ich meine jetzt mal außer LB,MAC DK, und gewissen Bastei Fantasy Heftromanen, die es ja schon gibt!)
Zur Zeit mißbrauche ich meinen Asus eee PC dazu, aber das sind 8" im Querformat.
Mal schauen...
#2 Stefan Holzhauer 2009-03-07 18:28
Es gibt für den eee eine Readersoftware (unter Linux), die es zuläßt, um 90° gedreht zu lesen. Ist aber auch nicht wirklich der Bringer, da der eee gedreht etwas unhandlich ist... Bei Bedarf schau ich gern mal nach, wie die heißt...
#3 Harantor 2009-03-07 23:35
Mir ist das immer noch zu teuer, aber noch steht ja das Wort von Ralf Alkenbrecher aus dem Interview www.zauberspiegel-online.de/index.php?option=com_content&task=view&id=2603&Itemid=15, dass die Preise für Reader binnen Jahresfrist auf 99 Euro fallen werden... Und auch wenn das Buch noch 20 Jahre Leitmedium bleibt, das eBook könnte dann interessant werden. Man wird sehen was passiert.
#4 koldir 2009-03-08 11:19
@Harantor:

In 12 Monaten wird es ganz sicher keinen Reader für 99,-- Euro geben. Ein Satz, der so auch nicht im Interview mit Herrn Alkenbrecher zu lesen ist. Er schrieb, dass die Geräte billiger werden - und das ist sicherlich unbestritten. Nur halt nicht so extrem. Preise zwischen 199,-- und 249,-- dürften in einem Jahr realistisch sein.

:-)
#5 Harantor 2009-03-08 11:33
Wir werden ihn an seinen mutigen Worten messen. Herr Alkenbrcher steht ja für die Überprüfung seiner Worte zur Verfügung. Mal schauen, was wird.

Im übrigen lohnt sich mal ein Seitenblick auf Buchmarkt.de (bevor die Artikel ins Abonnenten-Archiv verschoben werden). Dort gibt es zum Start der Reader viel Futter (sprich Artikel).

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