Der digitalisierte Markt
Der digitalisierte Markt
»Sie müssen alles am Bildschrim ablesen,
Bücher gibt es schon lange nicht mehr«
Zu oft wurde schon darüber geredet und geschrieben aber die Wahrheit wird im allgemeinen gemieden wie die Pest. Zumindest dann, wenn mit einem weit verbreiteten Irrglauben aufgeräumt werden muss.
In den letzten Jahren des vergangenen Jahrzehntes wurde noch viel gezetert. Die illegalen Downloader wurden angeprangert, da sie den Musikern und Hörspielmachern die Existenzgrundlage nahmen. Zum Glück sahen das nicht alle Hörspielmacher und auch Musiker so. Ich habe seinerzeit mit vielen gesprochen und die Dramatisierung des Ganzen beruhte auf einem Effekt, der sich noch heute durch die Medienlandschaft zieht. Kräht ein Hahn ganz laut, gackern alle anderen Hühner wild hinterher. Der Mut zur eigenen Meinung ist stark verkommen, seit die Medien eine immer größere Spielfläche und damit ungeheuren Verbreitungsraum bekommen haben. Für Unbedarfte ist da schwer auseinander zu halten was richtig und falsch ist. Genauso schwer ist es zu differenzieren zwischen wichtigem, unwichtigen und die Schattierungen zwischen schwarz und weiß verschwinden nicht selten ganz.
Vor zehn Jahren gab die Tonträgerindustrie keinen Cent für die Zukunft des Downloads. Die illegale Schiene musste sich selbst bedienen. Viele digitalisierten ihre physikalischen Tonträger. Die schwarze Seite dabei war, das diese Kopien dann über das Internet verbreitet wurden. Viel zu spät erkannte der Markt das Problem. Aber erst nachdem man gescheitert war mit Kopierschutz-Maßnahmen und einem dicht machen des Marktes. Schnell war man damit in einer Sackgasse und die Kunden wandten sich ab. Man kam dem Illegalen nur noch mit Strafverfolgung bei. Abmahnungen im Namen der Musikindustrie brachten diese aber auch schnell selbst in Verruf. Als gar zu überzogen sah man diese Forderungen zum Teil an und unlautere Geschäftspraktiken wurden unterstellt. Das war aus vereinzelten Artikeln herauszulesen. In wie weit dies alles der Wahrheit entspricht und wirklich ist, soll nicht Gegenstand dieses Artikels sein. Nein. Die Konsequenz ist aber, daß der legale Download und Streaming-Markt in den letzten fünf Jahren rasant angewachsen ist. Und das freut mich sehr. Es scheint als käme man so langsam im digitalen Zeitalter an und steckt nicht in veralteten Strukturen fest die nur in eine Richting führen - in die Sackgasse.
Itunes legte vor, Spotifi zog nach und bietet nun Musik und Hörspiele für kanpp 10 Euro im Monat an. Wahlweise auch kostenlos mit Werbung. Natürlich als Stream. Aber wer braucht das alles schon auf der Festplatte. Im Regal verstaubt es oder landet irgendwann im Keller. Die digitale Sammlung oder zumindest der digitale Zugriff auf den Dienstanbieter reichen heutzutage völlig aus. Auch wenn längst nicht alles über Spotifi läuft. Aber der Musikmarkt geht dort inzwischen voll auf. In naher Zukunft wird es keine Plattenmilliardäre mehr geben. Aber wer braucht die schon. Und der Plattenmillionär wird auch eher die Ausnahmeerscheinung sein. Denn im digitalen Markt verdient man weniger. Und das liegt einfach daran, dass der Kunde den Preis bestimmt. Wie eh und je eigentlich. Mit Musik nicht mehr reichen werden zu können, scheint eine bittere Pille zu sein. Aber ich werde in meinem Job ja auch nicht reich.
Der Bundesverband der Musikindustrie spricht noch immer von guten Absatzzahlen bei physikalischen Tonträgern, doch ihre 2009 selbst in Auftrag gegebene Studie spricht eine andere Sprache. Die Zahlen sind ganz interessant, weil 2009 wurden nur noch 5,4 Millionen Singles verkauft. Im Jahr 2000 waren es noch mehr als 54 Millionen. Was gemerkt?
Auch der Absatz bei Alben ist in der Zeit eingebrochen. Zwar nicht ganz so stark, aber doch immerhin mit fast 25% weniger Absatz. Gleichzeitig stieg der Download-Absatz von etwas über 7 Millionen auf 57 Millionen insgesamt (was Singel-Tracks und Alben gleichermaßen betrifft). Unter den physikalischen Datenträgern konnte lediglich die Vinyl-Platte zulegen. 1 Millionen wurden 2014 verkauft. Das belegen aktuelle Zahlen der GfK. Der Single-Absatz sinkt weiter dramatisch. Von 2013 bis 2014 um mehr als 20%. Der Albummarkt bleibt dagegen seit einigen recht konstant, verliert allenfalls um die 1% pro Jahr.
Die Zahlen beziehen sich auf die Musibranche, das kommerzielle Hörspiel wird da aber rein faktisch mit reingezählt, wenn es rein um die Zahlen geht. Andererseits kann man die Ergebnisse auch auf das Hörspiel übertragen. Prozentual wäre es ohne Zweifel das gleiche. Man denke da nur an Hörspielportale wie Audible. Natürlich darf man auch Download und Streaming nicht verwechseln. Die o.g. Zahlen gehen vom Download aus.
In Zukunft - und ich prophezeie es ungern, da ich schon viele höre, die mich nicht ernst nehmen - wird es noch mehr Downloads und Streams bieten. Einzig der Film- und Buchmarkt hinkt da noch etwas hinterher. Ich liebe inzwischen Ebooks. Die Absatzzahlen dieser Produkte nimmt zu, liegt aber immer noch bei unter 5% des Gesamtmarktes. Doch auch hier werden die Verbraucher irgendwann umdenken oder die alte Garde aussterben müssen. Er dann geht es in die komplett andere Richtung. Wie sagte doch Captain Kirk bei Star Trek in einer Folge zu einem jahrzehntelang im Kälteschlaf Befundenen": "Sie müssen alles am Bildschrim ablesen, Bücher gibt es schon lange nicht mehr". Und genau das wird so kommen, auch wenn ich es eventuell nicht mehr erlebe.
Meinen Traum, den ich bereits als Junge in den 80er Jahren hegte ist jedenfalls längst im Erfüllung gegangen. Alle meine Musik und Hörspiele in der Tasche, stetig bei mir zu tragen - wenn ich will.
Quelle: http://www.musikindustrie.de/
Kommentare
Und den Halbsatz mit dem Aussterben müssen, hättest Du Dir auch schenken können.
Nur eine Anekdote. Eine schon ältere Angehörige, die gern und viel Krimis liest, entdeckte Hörbücher. Also wurden viele Lesungen auf CD gekauft. Nachschub gab es ja genug in jedem größeren Buchladen.
Das hat sich in den letzten Jahren drastisch geändert. Download und Mp3 heißt das Zauberwort. Hörbuchangebot im Laden? Gibt es kaum noch. Da es aber in der Familie keinen PC gibt und sie sich mit 78 vehement weigert, damit noch anzufangen, will sie auch nichts mit Mp3s zu tun haben. Also ca 200 Euro Umsatz im Jahr weniger. Hörbücher sind richtig teuer. Ist ja schön, wenn es der Industrie so gut geht, dass man auf die "ewig Gestrigen" verzichten kann.
Ist nur eine Anekdote. Nicht repräsentativ. Aber dieses Denken, dass sich der Kunde an die schöne neue Welt zu gewöhnen hat, sonst hat er eben Pech gehabt, ist toxisch für diese Diskussion.
Hörmich in Hannover? Alles unbedeutende Kleinlabels, denn: ich, der Autor, kenne sie ja nicht.
Konservative Hörer? Ewig Gestrige, die eines warmen Wortes bedürfen.
Es sieht wohl jeder die eintretenden Entwicklungen, spätestens dann, wenn sie eintreten. Aber niemand obliegt dem Zwang, sie gut finden zu müssen. (Wie ich das alles finde, habe ich gar nicht gesagt? Nö, habe ich nicht. :-)) Im Journalismus geht es nicht um Belehrung, sondern um Information und Meinung.
Aber im Ernst. In unsere Leitartikeln, Kolumnen und Kommentaren formulieren wir gern mal kontrovers und auch besserwisserisch (weil wir es manchmal durchaus auch besser wissen, aber natürlich auch manchmal auch so tun, um eben Widerstände zu erzeugen), damit man sich daran als (kommentierender) Leser reiben kann.
Und die "Hörmich" ist solange nur eine für eine kleine, überschaubare Community relevante Veranstaltung, solange mehr als 90 % des (Hörspiel-)Marktes (Europa, Lübbe) nicht da sind. Das (insbesondere EUROPA) sind die Referenzgrößen des deutschen Hörspiels. Der Rest istn (kaufmännisch gesehen) Special Interest.
@Andreas Decker: Da ist der Hörbuchmarkt auch in der Zwickmühle. Waren früher die Bücher teilweise auf ein Drittel gekürzt, so bietet mp3 als Format die Möglichkeit 500seitige Bücher auf zwei CD's als Komplettelesung zu bringen, statt so ssieben bis fünfzehn CD's in einer Mammutbox. Dennoch denke ich, dass das Audio-CD-Format nicht außer acht gelassen werden sollte.
Das mit der 78jährigen Oma, was Andreas anspricht ist doh genau der Punkt. Ehrlich. Und da spielt das Alter kaum eine Rolle. Viele 40jährige wollen auch gar nicht erst damit anfangen. Auch hier sprechen die Absatzzahlen anders und sie zeigen deutiich wohin der Trend geht.
joep: Journalismus ist nicht selten kontrovers. Fachjournalismus im Besonderen. Gerade wegen solcher Reaktionen wie der Deinen schreibt man sowas. Andererseits kann ich nur farblos runterbeten wie uni die Welt doch ist und alles so hinnehmen wie es ist oder scheint. Ist das besser?
Ich denke eine Jornale ist doch gemacht um Missverständnisse aufzuklären und da soll man wie im Fall der "HörMich" auch mal auf Jahrelange Beobachter der Szene hören. Oder glaubst du wirklich ich sauge mir das aus den Fingern? Auf den besagten Veranstaltungen treiben sich zum Teil Label rum, die schon ein Jahr später keine Rolle mehr spielen(mal abgesehen davon, dass sie nie eine spielten). Und mit Behlehrung hat das gar nichts zutun. Das ist einfach eine Ansicht und Beobachtung von mir und gestützt habe ich o.g. ARtikel mit Zahlen. Wo ist der Fehler?
Was die Medien-Artikel angeht: Christian Spließ macht das vorbildlich, nämlich deskriptiv. Metaphorisch gesehen heißt es bei ihm; Guck mal, da hinten fährt der Zug der technologischen Entwicklung, ich weiß, wo der hinfährt.
Im obenstehenden Artikel aber tritt eine gewisse ideologische Komponente auf, wenn man so eine Kategorie wie "ewig Gestrige" benutzt oder vom "Aussterben" spricht. Dann lautet die Botschaft: Der Zug der technologischen Entwicklung kommt, spring schnell auf, sonst bleibste als ewig Gestriger hier. Wenigstens die reale Möglichkeit kritischer Distanz sollte erhalten bleiben.
Ach ja, die Star Trek Zitate:
(Space Seed)
Kirk (to Khan, referring to technical manuals): "They're available - to any patient, on the viewing screen. Dr McCoy will show you how to tie into the library tapes."
(Court Martial)
Cogley: "Books, young man, books. Thousands of them. If time wasn't so important, I'd show you something. My library. Thousands of books."
Kirk: "And what would be the point?
Cogley: This is where the law is. Not in that homogenized, pasteurized synthesizer."
@joep: Klar. Aber dieser Stil war so gewollt. Und ich wollte auch eine bestimmte Gruppe ansprechen. Ob das nun gelungen war oder gut ist eine andere Frage.
Ich jedenfalls will mein Buch in Papierform haben. Wenn es neu ist, riecht es auch noch so schön verheißungsvoll. Wie lässt man ein EBook vom Autor signieren? Oder wie kann man eine Widmung für einen Beschenkten reinschreiben?
Sachbücher sehen bei mir manchmal total bunt aus, wenn ich gerade aus ihrem Inhalt einen Text oder Vortrag erarbeite: Klebezettel mit Notizen und Querverweisen auf etlichen Seiten. Geht das bei EBook auch?
Und noch was: Ich bin schon total von den Hörbuchern weggekommen, weil ich da nicht die Hälfte von dem mitkriege, als wenn ich das Gedruckte lese. Ich lese auf dem Klo, in der Wanne oder auch im Bett, nur selten auf dem Sofa, längere Zeit still da sitzend. Ein Hörbuch fängt man unter diesen Umständen gar nicht erst an, wo es aber doch für ein paar Seiten lesen gerade so reicht.
Da ich keine Kopfhörer habe und auch nicht haben will, würden mir immer kleine Textstücke entgehen, wenn ein Trecker oder LKW am Haus vorbeifährt oder anderer Lärm ist. Die Texteinheit noch mal anhören war, zumindest bei den Hörbüchern, die ich mal auf CDs hatte, nicht so toll, weil die Einheiten einfach viel zu lang waren. Es dauerte eine Ewigkeit, damit zum Ende zu kommen, zumal ja immer wieder Lärm vorkommt, der einen dann zum neuen Zurückspringen zwingt.
Irgendwann hatte ich einfach keine Lust mehr darauf, zumal ich die Texte viel besser erfassen kann, wenn ich sie geschrieben sehe. Erst recht habe ich keine Lust darauf, alle zwei, drei Jahre neue Technik für das Abspielen und, damit verbunden, auch neue Arten von Datenträgern anschaffen zu müssen, weil es das bis dahin Bewährte nicht mehr gibt.
Wer mich deshalb als ewiggestrig bezeichnen will, soll das meinetwegen machen.
Ich verzichte ja auch in anderen Bereichen auf die neueste Technik, weil sie in meinen Augen keinen Vorteil bringt. Und als Kaufmann investiere ich nur, wenn der Vorteil größer ist als der Aufwand dafür.
Habe ich doch gestern eine Reklame gesehen für die intelligente Lösung für das Licht im Haus: Wie viel Strom kann man sparen, wenn man eine Technik einbaut, die das Licht löscht, wenn man nicht im Raum ist! Äh .... ich drücke beim Rausgehen auf den Schalter und es ist auch dunkel. Und die tolle Technik spare ich zusätzlich und niemand kann sich in mein Licht-Dunkel-System hacken.
Ich werde auch nicht hilflos im Auto festsitzen, weil die Zentralverriegelung kaputt ist und alles blockiert (besonders prickelnd, wenn die Technik deswegen ausfällt, weil das Auto in einen See gefahren ist und langsam vollläuft).
Zitat: Ja klar - und wie!
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