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Let's get #Groophy oder Grenzenlose Education

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneLet's get #Groophy
... oder Grenzenlose Education

Kaum sichtet man die Reaktionen, die es auf MOONBOOTICA mit Orchester gibt, so finde ich insbesondere mal wieder, was irgendwie so Deutscher Sitte Bester Kern zu sein scheint.

Wir mögen es nicht, wenn das U und E in der Musik sich verbinden, da soll schön alles seine Ordnung haben und dass Leute tatsächlich FUN beim Konzert haben ist völlig ausgeschlossen.


Lieber sitzt man dann da mit der Partitur in der Hand, verfolgt schön die Höhen und Tiefen des Werkes, ergötzt sich an dem Wissen, dass man hat und seufzt: "Hier bin ich Mensch, hier kann ich es sein."

Nachwuchs? Ach, klassisches Orchester brauchen Nachwuchs? Also daran haben die Meisten zwar auch schon mal gedacht, besonders kreischt der Kulturbürger ja auf, wenn ganze Orchester auf dem Spiel stehen und geschlossen werden sollen, aber auch Orchester brauchen bisweilen eine gewisse Auslastung. (Und dieser Zwang führt dann meistens dazu, dass man halt immer nur das spielt, was die Säle auch füllt. Die x-te Aufführung von Verdis Aida wird definitiv den Nachwuchs nicht in die heiligen Hallen führen. Das Musical-Remake von Elton John war ja auch nicht so super, es muss also definitiv an der Story liegen. Hüstel.)

Nun ist die Groove-Symphony-Reihe oder #Groophy eine Mischung aus Pop- und Dance-Rhythmen, werden hier Klassiker der Orchesterliteratur live gespielt, bearbeitet, gemixt - aber das Original ist immer noch zu erkennen. Und sicherlich ist das erstmal ein Affront für alle, die es gewohnt sind im Orchesterhaus zu sitzen und sich das anzuhören. Auf den Gesichtern von manchen Etepetetikern grollt es dann, wenn die Bilder einer Ausstellung ins Schwimmen geraten oder die Pop- und Dancesongs ins orchestrale Kleid gewandet werden.

"Am Auffälligsten war das, als der wunderbare zweite Satz aus Beethovens Siebter plötzlich in Disco-Beats überging und ein großer Teil des Publikums in hellen Jubel ausbrach. Wie kann man da jubeln, dürften sich Klassikfans fragen. Da müsste man doch eher weinen."

So das Dortmunder Kulturblog, das einen Absatz vorher zwei Dinge unterstellt...

Zum Einen kommt hier wieder das klassische Urteil vom "seelenlosen Pop" ins Spiel. Ein Argument, das gerne auch von Operngängern auf Musicals angewandt wird, die seien halt oberflächlich, da können keine tieferen Emotionen drin sein, das ist halt Tagesgeschäft. Etliche Mozart-Serenaden waren das auch. Etliche Stücke, die Telemann komponierte, damit sie als Hintergrundmusik zum Tafeln erklangen waren das auch. Von Bach gar nicht zu reden. Haydn ja auch. Klassikfans sollten sich da also nicht so hervortuen - es gab Zeiten, in denen es ganz normal war, dass Musiker Schlager schrieben. Klassische Musiker wohlgemerkt - der Stolz von Mozart, als in Prag nichts anderes gepfiffen wurde als "Figaro" ist ja belegt und der "Jungfernkranz" des Freischützes ist zum Volkslied geworden. Abgesehen davon haben auch klassische Komponisten immer ein Ohr für die Unterhaltung gehabt und sich bisweilen auch daraus bedient. Es mag ja sein, dass Pop bisweilen Tagesgeschäft ist - etliche Techno-Songs sind morgen sowieso wieder vergessen und auch Modern Talking wird wohl kaum in 200 Jahren gespielt werden. Hoffentlich. Aber Musik wirkt auf jeden Einzelnen anders und zu unterstellen, Pop hätte keine Tiefe nur weil heute anders komponiert wird als früher wäre verfehlt. Eine Analyse von "The Winner Takes It All" würde gerade das Gegenteil beweisen - gerade weil der Song eigentlich so einfach gestrickt scheint. Aber lassen wir das mal.

Zweitens: #Groophy ist ein Format für Leute mit Neugierde. Wer so eine Veranstaltung besucht, der wird wissen auf was er sich einlässt oder ist neugierig genug zu sagen, dass nach dem Ende des zweiten Satzes von Beethovens Siebter - übrigens eine seiner besten Symphonien, aber da darf man sich streiten - halt kein Atemholen fürs Tränchenverdrücken zustande kommt sondern eventuell Disco-Beats in das Thema einbrechen. Damit muss man rechnen und es mag vielleicht sein, dass die Fans der Pop- oder Dance-Formation, die da auf der Bühne steht, Klassik eher gelangweilt über sich ergehen lassen - wieviele von ihnen sich Klassik sonst normalerweise im Konzertsaal anhören würden oder überhaupt im Alltag ist doch eher die Frage. Es geht ja bei #Groophy auch nicht um einen Wettstreit von Musik. Klassik ist nicht besser oder schlechter als Pop, Rock, Dance. Es geht um Überraschungsmomente, es geht um einen Zugang zu einer Musik, die einen anrührt oder auch nicht. Es geht um Education. Nicht das Heranziehen zu höheren Weihen nach dem Motto "Erst, wenn du jetzt zwei Beethoven-Symphonien gehört hast und drei Schubert-Lieder darfst du ins klassische Konzert mit!" Sondern um eine Vermittlung. Es gibt neben der eigenen Lieblingsmusik halt auch noch andere Musiksparten. Manchmal treffen und ergänzen die sich, manchmal auch eher nicht. Aber wer Ohren hat zu hören und wer eventuell dann doch das eine oder andere Stück im Kopf behält - der wird vermutlich nicht sofort ins Konzert rennen um das Orchester zu erleben. Aber der hat immerhin mal feststellen dürfen: Hoppla, da gibts ja noch was Anderes. Und so schlecht ist das ja gar nicht.

Nun ja, wir Deutschen halt. Wir Etepetetiker. Manchmal habe ich das Gefühl, dass bei solchen hochwertigen Meinungen auch eine Spur Angst mitschwingt. Da hat man jahrelang sich ein Wissen durch das Hören erarbeitet, brav seine Zeit im Konzert abgesessen und dann kommt die Jugend und will auf einmal Fun mit der Klassik haben? Um Gottes Willen...

Kommentare  

#1 Des Romero 2016-09-02 06:47
Bei dem Artikel musste ich spontan an die Operndiva aus "Das fünfte Element" denken.
Find ich gut! :-)
#2 Matzekaether 2016-09-02 21:43
Das ist ja ganz hübsch geschrieben, geht aber ziemlich an der wirklichkeit vorbei. Ich bin seit meinem 24. Lebensahr (1996) Musikkritiker, jetzt auch noch nicht sooo steinalt und finde meine Erfahrungen hier nicht wieder. Weder gibt es mehr das ewig gleiche Programm in der Klassik noch behauptet irgenwer, man könne nur mitreden, wer einen bestimmten codex kennt. Schaun wir doch mal, was diesen monat reingekommen ist an Cds zur Besprechung.
Edouard Lalo - La Jaquerie
Peter Tschaikowski - Kinderlieder für Chor
Antonio Caldara - ausschnitte aus don-Quichotte-Opern
Nico dostal - Die ungarische Gräfin.
Sehr gute musik dabei, aber auch Mist.
Viel Neues, bisher noch nie Aufgenommenes (Das dominiert ohnehin die Cd-Szene. Jeden monat soviel noch nie gehörte Klassik! ich weiß immer kaum, wie ich das alles schaffen soll, um up to date zu bleiben, ich komme selten dazu mal wieder Beethovens 7. zu hören.) Lebendige Klassikszene eben, ganz ohne 123. Aida. Hier passiert ganz viel, auch an Cross-Over Konzerten, und wer in Berlin zum Märzmusik-Festival, Berliner festspielen u.a. geht ist bestimmt nicht auf irgendwas Elitäres festgelegt. Von Etepetekirn schon lange keine Spur mehr. Die finden sich heute eher im Lager der U-Musik.
Zum andern: Klar, es gibt gute und schlechte Klassik gute und schlechte U-Musik. Tenenziell ist Klassik aber...ich nenne es mal komplexer. Ist auch nicht Schuld der Klassik, denn sie hat sich ja nicht selbst so benannt. Händel hat sich ja nicht gesagt - he, ich schreib jetzt mal klasssiche Musik! Das "Klassik" für elitär gilt, hat einfach mit der Abqulifizierung des Massengeschmacks zu tun, der alles Kompliziertere und das, was älter als 40 Jahre ist, als "Klassik" bezeichnet. Aber schon nach Adam Riese ist natürlich der Pool an Möglichkeiten, Musik zu variieren, im Klassiksektor größer und aufregender. Wenn ich mich in ein Abenteuer von 400 Jahren Musik stürze, begegnen mit evetuell mehr Möglichkeiten, sich murikalisch auszudrücken, als in einer Zeitspanne von 40. Hinzu kommt, dass Populärmusik sich gern an den Interpreten bindet wie Muscheln an den Schiffsrumpf. Klassik brauicht immer neue, um lebendig zu bleiben. Aida kann man immer wieder neu und aufregend besetzen, neue Sänger. neue Dirigenten, neue Tempi, neue Dynamiken. Die Sammler haben ja nicht 10 Aidas im Schrank, weil es schon bunt aussieht. Es KLINGT bunt. Eine Toscanini-aida von 1950 ist weiß Gott was völlig andres als eine unter Harnoncourt 2004. Diese Varaiblität feht oft in der moderen Populärmusik. Niemand empfindet es da als besonders bereichernd, wenn sein Lieblingssong plötzlich von einem andern Sänger gesungen wird. Aber der Klassik-Fan will genau das! Er lechzt nach Variationen. er will auch nicht dass simon Rattle beethovens 5. 2016 so dirigiert, wie er es 2006 gemacht hat.
Und soll ein Klassik -Fan wirklich verstört sein, wenn in einem Stück Disco-Beats auftauchen? Mal ehrlich - das wars schon? Nach allen Skandalen von Schönberg über John Cage soll uns das nun provokant vorkommenß Gabs doch immer, solche Projekte! Manche mögens, manche nicht. Aber Provokant..? Gähn!

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