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Fan-Sein oder Nicht-Sein

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneFan-Sein oder Nicht-Sein

Dass sich Fan von dem Wort Fanatic ableitet dürfte bekannt sein. Und manchmal ist die Grenze zwischen Fan und Fanatiker auch nicht gerade besonders klein - wer sich als Batman verkleidet in ein Kino begibt um Leute abzuknallen wie in der Vergangenheit geschehen hat definitiv die Grenze überschritten. Ebenso wer verhindert, dass der Zug ordentlich nach einem Fussball-Spiel abfährt - irgendwie scheinen manche Leute beim Schlüpfen in die Fanrolle den modernen Menschenverstand abzulegen.


Ja, die gibts immer. Aber das ist einer der Gründe, warum lange Zeit das Fan-Sein in Deutschland eher belächelt wurde und teilweise auch noch wird. Wenn Erwachsene sich für den Fussball-Spieltag in ihre Uniformen, Kutten, Schals werfen, dann ist das natürlich normal. Wer als Captain America verkleidet durch die Gegend läuft, der gilt immer noch als nicht unbedingt ganz in der Realität verwurzelt. Da haben Serien wie "Big Bang Theory" nun nicht gerade geholfen... (Und wer das Bild des Nerds als positiv in der Serie dargestellt sieht, sollte nochmal genauer hinschauen.)

Vor kurzem jedenfalls hat eine meiner Bekannten kundgetan, sie hätte erstmal genug von Fandom. In jeglicher Form. Harry Potter sei momentan ja ganz schlimm - Herr der Ringe sei ja jetzt durch und die Hobbit-Filme hätten nicht sein müssen - Doctor Who ist zwar immer noch nett, aber die Serie hat auch ihren Kurs verloren in der letzten Staffel - überhaupt: Das Fandom an sich wiederholt sich. Ewig dieselben Debatten. Ewig dieselben Animositäten. Nein, meinte meine Bekannte, damit ist sie erstmal durch.

Erstaunt fragte ich sie, ob das denn jetzt heiße, dass sie vollends aussteigen würde? Es klang so in meinen Ohren. Nein, nein, meinte sie daraufhin, ich dürfte das nicht verwechseln: Vom FANDOM an sich hätte sie die Nase erstmal voll, aber FAN würde sie schon bleiben. Es sei momentan halt nur alles etwas zu viel und etwas zu aufgedonnert, das alles. Die Kritik, die sie hatte war zudem, dass Franchises heutzutage nicht mehr die Fans wirklich als Fans akzeptieren würden und das würde sich auf das Fandom auswirken.

Ob sie Recht hat? Gute Frage. Aber: Ich kenne das. Irgendwann, wenn man lange Jahre in diesem Fandom unterwegs war und gute und nette Leute ebenso getroffen hat wie nicht so nette und blöde - und ich gönne jedem seinem Comic-Com, seine Fed-Con oder was auch immer - aber irgendwann kommt der Punkt wo man sich fragt: Worum geht es denn eigentlich noch überhaupt? Geht es ums Geld? Oder geht es um die Gemeinschaft und das Teilen einer Erfahrung mit Anderen? Muss das fünfte überdimensionale große Fantreffen denn wirklich noch sein? Geht nicht allmählich das, was das Fandom sein sollte verloren?

Natürlich geht es immer ums Geld. Bei dem einen Franchise mehr, bei dem anderen Franchise weniger, aber letztendlich muss immer jemand seine Miete und den Kühlschrank bezahlen. Bei Franchises von Fernseh-Serien ist das etwas offensichtlicher als bei Perry-Rhodan oder der Xanth-Reihe - aber letztendlich geht es ums Geld. Geld, das wir Fans in Dinge stecken wie die neuesten Spielzeuge zum Ghostbusters-Rebloot - nee, natürlich nicht, so gut war der nicht - aber Geld, das Perry Rhodan Fans jede Woche für einen neuen Roman hinlegen ebenso wie ich gerne für Netflix zahle. (Hmm, nicht alle Star-Trek-Classic-Folgen sind wirklich super. Wer kam nur auf Spocks Gehirn? Egal.) Aber das Fansein geht darüber hinaus.

Weil wir Fans am Angelhaken eines Gefühls hängen, weil wir in dem, was Autoren und Schauspieler tun mehr sehen, weil wir dem, was wir lesen und was wir sehen einen Wert zuschreiben. Der Aufschrei, als Farscape mit Staffel 4 und dem Cliffhanger erstmal für Jahre endete und die kreative Art und Weise wie Fans nach Vorbild von Star Trek Dinge taten, die clever, originell und zugleich amüsant waren - hey, Büstenhalter in das Büro von Sci-Fi zu schicken hatte was! - zeigen ebenso wie die anderen Bestrebungen deutlich, dass das Fansein etwas ist, womit man als Produzent von Filmen nicht unbedingt rechnen oder planen kann. Eine obskure SF-Serie über ein Raumschiff, das seine Forschungsmission erfüllt? Wenn sie gute Quoten einbringt, super. Wenn nicht, dann wird sie gecancelt - und überraschend, wenn es Leute gibt, die Briefe schreiben, dass es eine neue Staffel geben muss.

Fansein ist etwas, was mit dem Herz zu tun hat. Sicherlich auch mit Glauben, mit dem Vermitteln von Werten und in unserer Zeit werden Werte nicht mehr durch die Kirchen vermittelt - und auch der Fussball ist momentan nicht mehr imstande ebenso wie die großen Sport-Erzählungen wie die Olympischen Spiele oder die Tour de France - Werte zu vermitteln. Kameradschaft ist ein Wort, das in Deutschland etwas anrüchig ist, aber im Sport geht es ja eigentlich gerade darum. Doping-Prozesse haben das erschüttert und zerstört. Und da die Kirchen ihre Werte nicht mehr annähernd vermitteln können, weil ein großer Teil der Menschheit mit der Erzählung von Gott und seinem großen Plan nichts mehr zu tun haben möchte - obwohl ein Großteil diese Menschen gerade Parteien wählt, die auf dieses abendländische Erbe pochen, wir sind sehr seltsam bisweilen - müssen Werte wie Gemeinschaft, Vertrauen, Selbstbewusstsein auf andere Art und Weise wiedergegeben werden. Und für einen nicht geringen Teil der Gesellschaft passiert das durch TV-Serien, durch Bücher, durch Medien. Die großen Erzählungen werden durch kleine ersetzt, die man in einer Staffel am Wochenende durchsehen kann. Werden diese Werte dann noch ernstgenommen und weitergetragen, werden Menschen Teil von dem, was auf dem Schirm passiert, was auf den Seiten vonstatten geht - dann ist das mehr als ein reines Identifizieren.

Ja, es mag sein, dass einem irgendwann das Fandom an sich zum Halse herauskommt - mit alle den Selbstdarstellern, dem Gewese, der Einsicht und Erkenntnis, dass die selben Diskussionen seit Jahr und Tag geführt werden. Aber wenn man ein emotionales zu Hause in etwas gefunden hat, dass einem vermittelt: Es ist gut und richtig, dass du lebst. Es ist gut und richtig, dass du bist wie du bist. Und es ist gut und richtig, wenn du Werte hast und eine Haltung - dann ist man ein Fan. Kein Anhänger. Kein Jünger. Sondern ein Fan. Was im Laufe des Lebens Bestand haben wird, denn wenn man auch des Fandoms müde sein kann: Wenn man sein Herz verloren hat, bekommt man es nicht ohne Weiteres wieder. Und hier treffen sich dann Gläubige und Fans wieder - denn letzten Endes geht es um den Glauben. Den Glauben daran, dass nichts Unmöglich ist. Wir können uns über die Details streiten, etwa ob das neue Star-Trek besser als das alte ist und ob Farscape nicht doch besser noch eine Staffel bekommen hätte als nur den Film. Letzten Endes geht es aber um Werte und Glauben. Genauso wie Leute fragen, wie man eigentlich sonntags dauernd in die Kirche gehen kann, genauso kann man umgekehrt fragen warum Leute zu jeder Fed-Com anwesend sind. (Und abgesehen davon: Die Rituale sind ja wohl wirklich ähnlich, oder?)

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