2017 - das Jahr, in dem die Fake-News Geschichte werden
2017 -
Das Jahr, in dem die Fake-News Geschichte werden
Das war damals in der Geschichte so eine Art - na ja, Volksbewegung eher nicht, weil das Volk ja aufgeklärt werden sollte, aber es war mal eine Epoche, in der Wissenschaft und Denker wirklich mal daran dachten, dass ein wenig Verstand und Licht Leuten gewiß nicht schaden könnten. Leider haben diese Leute nicht damit gerechnet, dass die menschliche Dummheit stärker ist und die menschliche Unart jeden beliebigen Mist zu glauben, sofern er glaubwürdig genug erscheint, unausrottbar zu sein scheint. Und so starten wir in das Jahr 2017 auch direkt wieder mit einer Warnung, die durch WhatsApp und Co geistert...
Nun strömen seit der Erfindung des Internets Haufen von Informationen über einen ein. Und Hoaxes und Falschmeldungen gibt es nicht erst seit den Sozialen Netzwerken, schon im Zeitalter der reinen Email-Kommunikation gab es sie. Manche haben dann einfach den Sprung ins andere Medium geschafft, einige Neue sind dazugekommen. Und mit den Fake-News gibts noch mal eine Weiterentwicklung der Kettenbriefe, falschen Viruswarnungen und Kontaktannahme-Warnungen. Fake-News sind definitiv die schlimmste Sorte des Ganzen und dabei eigentlich am Leichtesten zu entschärfen. Warum passiert das Meistens aber nicht?
Nun, Menschen mit einem feststehenden Weltbild neigen dazu, Fakten zu ignorieren, die ihrem Weltbild widersprechen. Selektive Wahrnehmung. Wir wissen alle, dass Rauchen schädlich ist, seit Neuestem kleben auch häßliche Bilder auf den Packungen, aber hören deswegen Menschen auf zu rauchen? Nein. Natürlich müssten sie eigentlich wissen, wie ungesund das alles ist, aber natürlich "ist der Großvater 95 geworden, war kerngesund und hat sein Leben lang geraucht". Außerdem: Raucherbeine bekommen immer nur die Anderen, man kennt ja auch keinen, der an Lungenkrebs gestorben ist und warum sollte es einen selbst treffen? Ebend. Rauchen mag zwar nicht gesund sein, aber es gibt ja Schlimmeres. Marihuana! Heroin! Und außerdem ist man gar nicht süchtig, so viel raucht man doch gar nicht am Tag... Und so weiter, und so weiter. Wir Menschen sind perfekt darin uns eine Meinung zu bilden und diese dann auf Teufel komm raus zu verteidigen. Selbst wenn man Raucher mit Daten und Fakten konfrontiert, werden diese konsequent umgedeutet: "Mag ja sein, aber das passiert mir bestimmt nicht. In meiner Familie waren alle Raucher und gesund wie Pferde."
Nehmen wir jetzt mal an, man bekommt eine Nachricht zugespielt, dass Rauchen tatsächlich gar nicht schlimm ist und das Leben eher verlängert. Während Skeptiker jetzt darangehen würden wenigstens die Quelle zu überprüfen - stammt die von unabhängigen Wissenschaftlern? Wenn es eine Studie ist, wie ist die erstellt worden? Gibts sonst noch Quellen dazu? - wird der Großteil der Raucher sie freudig teilen. Weil sie einfach in das vorgefasste Meinungsbild passt und bestätigt, dass alles gar nicht so schlimm ist. Steigern kann man das Ganze übrigens, wenn man nur die ersten paar Schlagzeilen bei Twitter liest und das Ganze dann ohne zu lesen weiterleitet, weil man ja nicht die Zeit hat auf den Artikel oder die Quelle zu klicken. Hauptsache, die eigene Meinung wird gestärkt.
Es ist ja auch unangenehm, wenn man dazu gebracht wird Dinge zu überdenken. Das ist mit Arbeit, Zeit und Mühsal für das Gehirn verbunden. Und das Gehirn ist einfach faul. Und neigt halt zu Routine. Das Nachdenken darüber, warum eine Nachricht richtig oder falsch sein könnte - das ist echt mühsam. Man muss sich dann dazu aufraffen, die Quelle zu überprüfen, mal zu gucken, ob es noch andere Quellen gibt - okay, bei Agenturmeldungen ist das schon mal schwierig, aber generell - und eventuell sogar nochmal nachsehen, ob da nicht doch noch ein Haken bei der Meldung ist.
Machen wir das immer? Nein.
Und zwar weil wir bestimmten Quellen einfach vertrauen. Und vertrauen müssen. Wir müssen darauf vertrauen, dass die Tagesschau etwa gut recherchiert hat, dass das Team von ZDF-Heute weiß, wovon es spricht, dass die Wissenschaftler, die behaupten, Marihuana würde Krankheiten lindern wirklich geforscht haben. Dass Universitäten gute Studien veröffentlichen und Experten sicher über ihr Gebiet Bescheid wissen. Das grundlegende Vertrauen in die Quellen ist daher unabdingbar. Denn wir können nicht selbst immer vor Ort sein, um uns ein Bild von der Lage zu machen. Das ist unmöglich. Außer, man heißt Bruce Wayne, hat Vermögen und kann sich leisten stets direkt einen Flieger zu nehmen... Andererseits: Wer will dann schon Nachts lange aufbleiben und Verbrecher verkloppen wollen? Ebend.
Nur leider hat sich das Vertrauen gewandelt: Der Großteil der Bevölkerung glaubt, dass die Öffentlich-Rechtlichen abhängig von der Regierung sind und nicht ausreichend über das berichten, was wirklich passiert. Wobei wir jetzt nochmal überlegen könnten, was denn "Wirklichkeit" heißt - aber den Konstruktivismus und das, was er für die Psychologie bedeutet debattieren wir ein anderes Mal. Deswegen suchen sie sich ihre vertrauenswürdigen Quellen woanders. Das gilt übrigens für Rechte wie für Linke gleichermaßen: Beide bevorzugen Quellen, die das eigene Meinungsbild unterstützen. Leser der TAZ werden generell eher nicht auf die Seite der FAZ surfen, wer Breitbart im englischen Original liest wird auch kaum auf andere Quellen ausweichen. Denn die eigene Meinung wird durch das, was dort gelesen und verdaut wird ja angenehm unterstützt. Sich mit anderen Dingen zu beschäftigten ist aufwendig und selbst, wenn man nur Argumente für die eigene Position aus dem Gehirn quetscht - mann, das ist echt anstrengend. (Jeder, der mal einen Facebook-Kommentar-Spalten-Krieg erlebt hat weiß das wohl.)
Gestehen wir es uns ein: Kant war zu optimistisch. Die Aufklärer generell waren es. Menschliche Gewohnheiten und menschliche Trägheit sind nicht einfach durch ein "Benutz deinen eigenen Verstand" zu überwinden. Aber 2017 können wir daran arbeiten, dass wenigstens Nachrichten, die nicht wahr sind, nicht mehr verbreitet werden. Wir können uns fragen: Wer ist die Quelle? Wer hat den Bericht geschrieben? Wir können den Namen des Journalisten googlen. Wir können nachsehen, ob es zweite oder dritte Quellen gibt - wenn es eine Agenturmeldung ist, dann müssen wir wohl darauf vertrauen, dass Reuters und AP da richtig berichtet haben, allerdings tun die das leider auch nicht immer. In der Regel aber schon. Wir können nachfragen: Wer hat das gesehen? Wer hat das erzählt? Stammt es direkt von einem Zeugen? Oder kommt es um fünf Ecken über "Ein Freund eines Freundes eines Freundes hat..."? Wir können den ganzen Artikel lesen und dann weiterleiten anstatt nur bedenkenlos die Schlagzeile zu lesen. Wir können abwägen: Ist das auch eine Nachricht, die wirklich weiterleitenswert ist? Oder fiel da nur wieder ein Blumenkübel um?
Lasst uns 2017 mit einem kritischen Blick das beleuchten, was an Informationen über uns hereinbricht. Dann könnte 2017 das Jahr sein, dass den Fake-News-Machern den Hals abschnürt und vielleicht ein klein wenig mehr Glaubwürdigkeit in unser Leben bringt. Allerdings wie immer: Vermutlich werden die, die das hier lesen sollen, das gar nicht erst lesen, weil - nun ja - andere Meinungen sind schon anstrengend, nicht wahr?
Kommentare
Vor allem: jemand, der denkt, dass der Mainstream per se lügt, der aber glaubt, dass das was bei FB oder PI News steht stimmt, dem kann man nicht helfen. Der steht ungläubig in Dortmund vor der angeblich abgefackelten Kirche und denkt: Irre, so schnell haben die die wieder aufgebaut, um das zu vertuschen!