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Dark: Warum ich Probleme mit der Netflix-Serie habe

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneDark:
Warum ich Probleme mit der Netflix-Serie habe

Darf und kann man über eine Serie schreiben, die man nicht bis zum Ende gesehen hat? Oder wäre es unredlich ein Fazit zu geben, wenn man nicht die kompletten Geheimnisse kennt, wenn man nicht über alle Entwicklungen informiert ist? Vielleicht könnte ein Herangehen an das Scheitern einer Serie gerade auch darin bestehen: Aufzuklären, warum es einen halt nicht gepackt hat und warum mit Folge 7 Dark für mich einfach nicht mehr attraktiv genug ist.

Eben, dass ich es nicht bis zum eigentlich nicht mehr ganz weiten Ende durchhalte. Andererseits: Noch mehr Stunden Langeweile und Desinteresse - vergeudete Lebenszeit schenkt mir nun auch kein lebendiger Mensch wieder.

Schluss mit Folge 7 also und damit kann ich das Argument des Ungeduldigseins durchaus widerlegen. Ich weiß, dass eine Serie bisweilen einige Folgen braucht um sich zu fangen, dass durchaus auch eine langsam erzählte Serie wie Dark Zeit braucht um Charaktere und Situationen einzuführen. Dass man nach zwei Folgen hier nicht unbedingt sagen kann, dass die Serie nichts für einen sei, sondern dass man der Serie Raum geben muss. Allerdings: Bis Folge 7 sollte eine Serie schon zwei Dinge entwickelt haben, die einen bei der Stange bleiben lassen. Gute, einprägsame Charaktere und eine spannende, auftreibende Handlung.

Für Filmanalysten, zu denen ich nicht gehöre, bietet Dark sicherlich das Ein oder Andere. Man kann bestimmt einen schönen Videoessay darüber zusammenstellen, wie die Ästhetik der Serie gestaltet ist. So hat es sicher seinen Grund, warum es in fast jeder Folge regnet. Ebenso fällt auf, dass Dark keine richtig farbenfrohe Serie ist. Auch, wenn die Handlung in die 80ger Jahre verlegt wird: Die bunten, neonfarbenen - und teilweise modisch grauenhaften, aber wir alle konnten das damals ja nicht besser wissen - Farbzusammenstellungen sind unter einer Art Grauschleier begraben. Das hat mit dem Umstand zu tun, dass die Katastrophe von Tschernobyl in Dark gerade mal ein halbes Jahr her ist - und "No Future" war in den 80gern mit den Pershings und dem Kalten Krieg durchaus nichts, was wirklich jemanden optimistisch für die Zukunft gestimmt hätte. Kein Wunder, dass die 90ger dann die Jahre von Spaßparteien, Technoraves und der Fun-Generation wurden. Dass darüberhinaus die Dunkelheit in Dark fast überpräsent ist - neben der kalten Ästhetik der Neonlampen in der Schule oder im Krankenhaus - kann man sicherlich filmanalytisch wunderbar verarbeiten.

Kalt allerdings sind auch die Charaktere und ihre Beziehungen zueinander. Im monotonen Grau der Kleinstadt gibt es keinen Charakter, keine Person, die mich persönlich so fesseln würde, dass ich bis zum Ende bei der Stange bleiben kann. Das ist sicherlich Absicht und neben der ständigen Einblendung der beiden Kernkraftwerks-Türme mehr als nur eine Referenz an Twin Peaks: Hinter der Oberfläche der Kleinstadt Winden verbergen sich Abgründe. Hier wie dort gibt eine Unmenge von Charakteren, die alle irgendwie beschädigt sind. Twin Peaks bewahrt sich bei aller Hommage an die Seifenoper durchaus eine Skurrilität und eine Absurdität, die einen bei der Stange hält - und Twin Peaks wie auch Stranger Things haben eine Handlung, die anders als bei Dark nicht zerfasert, sondern schon - wenn bei Twin Peaks bisweilen auch sehr, sehr abstrus - sich auf ein Element konzentriert. Dass das klassische "Wer war es" bei Twin Peaks keine Rolle spielt, sollte einem bald schon klar sein: Dennoch agiert hier als Fixpunkt Agent Cooper, wir als Zuschauer verbringen - gefühlt oder nicht - deutlich mehr Zeit mit ihm und seiner seltsamen Methodik einen Mörder zu ermitteln. Stranger Things stellt deutlich die Kinder in den Mittelpunkt und auch hier sind wir als Zuschauer immer stets bei ihnen - mögen sie auch manchmal einen getrennten Handlungsstrang haben, im Endeffekt konzentriert sich die Serie auf sie und ihre Geschichte.

Bei Dark dagegen ist mir bis Folge 7 nicht klar, was die Serie eigentlich erzählen will. Zwar ist auch hier der Anstoß das übliche Prozedere eines "Wer war es" - und eine Leiche taucht in Dark ja auch rasch auf - aber Darks Erzählstruktur zerfasert nach den ersten beiden Folgen rasch. Ja, auch hier haben wir einen Vertreter des Gesetzes, der zusammen mit seinen Partnern ein Verbrechen auflösen will - und man kann nicht abstreiten, dass wir nicht genügend Zeit mit ihm verbringen, Dark bürdet seinen Charakteren aber noch ein Geheimnis, noch ein Geheimnis und noch ein Geheimnis auf. Dark ist Mystery, Familiendrama, Historienschauspiel. Diese Mischung kann funktionieren, wenn sie stringent gehalten ist. Dark allerdings hat meines Erachtens nach ein Problem damit diese ganzen Themen in Balance zu halten: Einerseits möchte Dark tiefgründig sein und die Kleinstadtidylle in Deutschland unter die Lupe nehmen, andererseits geht es um die großen Mysterien. Damit wir letzteres auch immer brav mitbekommen raunt und schwurbelt eine Erzählerstimme immer dann mit, wenn es um das große, dunkle Geheimnis geht. Ein an und für sich überflüssiger Kommentar und ich frage mich, ob die Macher dem Zuschauer nicht zutrauen sich selbst ein Bild von all dem zu machen, wenn ständig das große Mysterium mit noch rätselhafteren Monologen angeteasert werden muss. Nach einer Weile ging mir das jedenfalls auch auf die Nerven.

Darks Problem mit den Charakteren ist auch, dass der eingeführte Schurke Noah gegenüber den anderen Charakteren nun gar nicht so böse wirkt. Wenn ich mich wenigstens an dem reiben könnte, aber nein, auch das wird mir leider verwehrt: Man kann eine Serie auch mögen, wenn man den Hauptcharakter hasst. Frank Underwood wäre ein Beispiel dafür: Sympathisch ist einem der nicht, aber bei der Netflix-Variante von "House of Cards" bleibt man dennoch gerne noch die ein oder andere Folge bei der Stange, weil man sich die Frage stellt: Wann scheitert er? Da es keinen richtigen Helden bei Dark gibt, da alle irgendwie beschädigt sind - was man als Realismus verteidigen könnte, aber bei all den vielen Charakteren müsste es auch etliche geben, die einen Funken Idealismus oder Heldenhaftigkeit in sich haben - kann sich der Bösewicht der Serie auch nicht weiter abheben. Wenn ein scharfer Schatten fallen soll, muss das Licht überragend hell sein. Und wenn das nicht der Fall ist, dann ist mir das auch relativ egal, wie die Auflösung aussieht und ob Noah am Ende geschnappt wird oder nicht. Und sicherlich ist es augenfällig, dass ein Pfarrer - der Vertreter des Guten - offenbar in Dark der Bösewicht ist: Die Idylle der Kleinstadt ist halt keine Idylle. Ja, ich habs verstanden, Dark. Wirklich.

Ist Dark deswegen eine schlechte Serie? Sie ist handwerklich gut gemacht, sie hat ihre eigene Ästhetik und sie ist immerhin eine der deutschen Serien, die in der letzten Zeit international von sich reden gemacht haben. Nicht so sehr wie Stranger Things oder andere US-Produktionen, aber immerhin. Wenn sich auf YouTube amerikanische Serienfans mit Eastereggs auseinandersetzen, dann ist das schon ein Zeichen dafür, dass Dark nicht unbedingt schlecht ist. Schlecht ist sie tatsächlich nicht. Sie ist halt nur nichts für mich, weil ich den Charakteren nichts abgewinnen kann und weil die allgemeine Handlung mich nicht interessiert. Genauso wenig wie mich der Weitergang von "Star Wars" interessiert. Oder "Fuller House". Oder eine Reihe von anderen Serien, die mich nicht gepackt haben. Aber das ist eben eine Entscheidung, die jedem persönlich überlassen sein muss. Nur meine unwesentliche Meinung.

Kommentare  

#1 Andreas Decker 2018-01-19 08:34
Nach dem Trailer hatte ich den Eindruck, dass es irgendwie ein neues "Weinberg" ist.

Die Ähnlichkeit war verblüffend. Deutsche Kleinstadt, Regen, Familien, Geheimnisse, viel Wald, etc.

Hat mich nicht wirklich motivieren können, mal in "Dark" reinzusehen. "Weinberg" fand ich ganz gelungen, auch wenn für mich der Schluss nicht wirklich funktioniert hat und es eine Folge zu lang war. Aber das war okay.
#2 Postman 2018-01-19 09:25
Die Serie kenne ich auch bislang nur vom Trailer, und der muss aber oft nichts heißen. Generell werden in letzter Zeit zu oft nur die spannenden Momente zusammengeschnitten und sogar macnhmal gespoilert.

Meine Meinung zur Meinunsgfreiheit und einem vorzeitigen Review:
Man sollte sogar zu allem und jederzeit eine Meinung haben. Die heutige Social Media Untugend dass einem andere immer wieder sagen wollen wann und wo man seine Meinung äussern darf (siehe auch Amazon Bewertungen), greift in jedem zweiten Forum um sich.

Bei schnittberichte.com finde ich es besonders schlimm, da ballen sich die Klugscheißer und fast jeder Beitrag wird in Winzigkeiten berichtigt oder gar auseinander genommen. Dies geht auch oftmals hin zu persönlichen Angriffen.

Solange man andere nicht beileidigt, körperlich und geistig verletzt und nicht gegen die Forengrundsätze verstösst sollte man immer sagen was man will. Gerade dass macht doch Deutschland aus. Sonst wäre meiner Meinung alle Foren überflüssig.

Verschiedene Meinungen und eben die Vielfalt aller Schreiber inkl. deren Lebenseinstellung macht doch den Anreiz einer Gesellschaft aus. Ich für meinen Teil suche keine Gleichschaltung ...
#3 Heizer 2018-01-19 10:05
Zu den Trailern.
Detlef Buck notierte einmal, dass er die Trailer für seine Filme oft so empfände, dass er selber diese Filme eher nicht sehen wolle.
Trailer sind heute eine eigene Industrie.
Die Entscheidung, einen Film zu sehen treffen viele Leute aufgrund des Trailers. Das ist nun keine Überraschung. Natürlich spielt die Mund zu Mund Propaganda eine wesentliche Rolle. Ein im Vorfeld hochgelobter oder mit hohem Budget beworbener Film kann durch die so entstehenden hohen Besucherzahlen an den ersten Tagen komplett in den Keller sacken, wenn der Film von den Zuschauern nicht angenommen wird und diese negative Beurteilung dann von vielen Kinobesuchern kommuniziert wird.
Zurück zum Trailer.
Zumindest in den USA werden die Trailerproduzenten zunehmend schon bei der Planung einbezogen. Es werden Einstellungen oder Dialoge geplant und gedreht, die im Film nicht zu sehen sind bzw. nicht zu sehen sein sollen.
Auch die Trailermusik ist oft eine Sache für sich und kann Titel oder melodiöse Elemente enthalten, bei denen von vorneherein feststeht, diese im Film selber nicht einzusetzen.
#4 Heizer 2018-01-19 10:09
PS. In den USA geht gerade ein Prozess durch diverse Instanzen. Eine Frau klagt dort an, durch einen Trailer getäuscht worden zu sein.
#5 Heizer 2018-01-19 10:35
PPS. Ich glaube es handelt sich dabei um den Film „Drive“ mit Ryan Gosling. Die Dame erwartete aufgrund des Trailers einen Film mit vielen Verfolgungsjagd-Szenen.
#6 Andreas Decker 2018-01-19 13:42
zitiere Heizer:
PS. In den USA geht gerade ein Prozess durch diverse Instanzen. Eine Frau klagt dort an, durch einen Trailer getäuscht worden zu sein.


Die sollten den Tod verklagen, der nimmt einem das Leben. /Koppschüttel
#7 Larandil 2018-01-19 13:51
zitiere Heizer:
PPS. Ich glaube es handelt sich dabei um den Film „Drive“ mit Ryan Gosling. Die Dame erwartete aufgrund des Trailers einen Film mit vielen Verfolgungsjagd-Szenen.

In der Tat. Geklagt hat Ms. Sarah Deming aus Michigan im Herbst 2011 wegen eines so empfundenen Verstoßes gegen den Verbraucherschutz, und im Laufe der Zeit kam dann noch empfundener Antisemitismus dazu. Vor einem Jahr hatte so ziemlich jede juristische Instanz schon ihr Kopfschütteln in Worte gefaßt, aber so was bremst einen Anwalt nicht ...
www.hollywoodreporter.com/thr-esq/drive-subject-a-viral-lawsuit-still-being-litigated-five-years-962586
#8 Laurin 2018-01-19 23:36
In den USA würde man auch die Natur auf einige Millionen-Dollar verklagen, wenn man könnte, nur weil man vorher nicht darauf hingewiesen wurde, das Mücken auch stechen können.
In dem Punkt sind die da völlig schmerzfrei. :o
#9 Ganthet 2018-01-20 09:18
Mir hat Dark ziemlich gut gefallen: Düstere Atmosphäre, interessante Charaktere und eine Story, an der man dran bleiben muss, um sie zu verstehen. ich will auf jeden Fall wissen, wie es weiter geht. Und da ist auch schon das Problem: Da werden Erwartungengeweckt, die am Ende nicht erfüllt werden können.

Die Erzählstruktur erinnert ein wenig an Lost. Auch in Dark werden Zeitreisen unternommen und es wird versucht, den Lauf der Zeit zu verändern. Mir fällt kein Roman, Film oder sonst etwas ein, in dem ein Zeitparadoxon am Ende mal befriedigend aufgelöst wurde. irgendwo hakt es dann doch wieder in der Story. Es würde mich wundern, wenn Dark sich davon lösen könnte. Ein Hoffnungsschimmer bleibt zumindest: Es wird in der Serie bereits angedeutet, dass egal was ein Beteiligter versucht an vergangenen Ereignissen zu manipulieren, es doch immer wieder zu den vorbestimmten Ereignissen kommt. Ergo kann die Zeitschiene nicht verändert werden und es kann auch zu keinem Paradoxon kommen.

Was mich an Dark stört, ist das was micht in vielen Serien der letzen Jahre stört. Erstmalig war mir das bei Breaking Bad aufgefallen. Eine Staffel wirkt wie ein in die Länge gezogener Spielfilm. Das finde ich im Prinzip nicht schlecht, allerdings gibt es viele Füllszenen, die die Handlung wie ein Kaugummi in die Länge dehnen.

Der Cliffhanger am Ende verspricht interessant zu werden, sollte es in eine zweite Staffel gehen (Es wäre echt gemein, wenn Dark nicht weiter geführt wird). Ich will mal nicht spoilern, falls noch jemand reinschauen will.
#10 Alex 2020-07-04 01:03
Was für ein grenzdebilder Bullshit. Die verschwendete Lebenszeit war diesen Text zu verfassen. Man schaut doch keine Serie zur Hälfte und macht dann sowas... alter Verwalter.
#11 Cartwing 2020-07-08 06:43
Ich kann nachvollziehen, dass man mit den Figuren, dem Setting usw nicht warm wird, allerdings lohnt es sich, zumindest für zwei Staffeln dran zu bleiben. Allein schon um Winfried Glatzeder als in den 50ern gestrandeten Mann aus der Zukunft zu erleben, aber nach der ersten Folge der dritten Staffel habe ich auch aufgehört.
Da kommt dann auch noch ne alternative Realität ins Spiel. Das war mir dann doch too much.
#12 Adrian 2021-03-02 18:13
Es wird wieder passieren ... gefühlte 1000mal...soap verdächtige Inszenierung und teilweise so düstere synthieklänge als ob jedesmal die apokalypse ausbricht.... alter mann pisst sich in die hose: es ist wieder passiert".....typisch deutsche pseudointellektueller Mist...da ist jeder Grimm authentischer und glaubhafter....
#13 Sarkana 2021-03-04 19:34
zitiere Adrian:
typisch deutsche pseudointellektueller Mist...da ist jeder Grimm authentischer und glaubhafter....

Letztlich ist es so, wie ich es ganz von Anfang an gesagt habe: Die Drehbücher zeigen deutliche Schwächen, die die hervorragende Regie hervorragend überdeckt.
Das Problem sitz, irgendwann läßt auch mal die beste Regie nach und wenn aus den Scwächen eklatante mängel werden hilft es eh nicht mehr. Ich weiß nicht, warum in Deutschland kien anstädigen Drehbücher mehr geschrieben werden können - aber die Filmkritik ist da in ganz erheblichem Maße Mitschuld. ich meine, die Kritiker haben beim RTL-Karl-May-Dreiteiler ernsthaft die Drehbücher gelobt. Dabei konnten die Drehbücher bei diesem Machwerk noch strunzendämlicher kaum sein können. Und auch Dark wird halt zunehmen pseudointellektueller und möchtergendüsterer.

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